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Im Freibad

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So kam es, dass Günther mich eines schönen Sommertages erstmalig mit seinem Auto, einem zwölfjährigen Opel, abholte.

Die Fahrt zum Freibad (im Gegensatz zur Rückfahrt), erwies sich eigentlich als ganz normal.

Es schien zumindest so, dass Günther ganz gut Auto fahren konnte.

Zwar blieben wir an roten Ampeln auch dann noch stehen, wenn schon längst wieder das grüne Licht aufgeleuchtet war, aber das war nicht weiter problematisch, da sich der Wagen immer sofort wieder in Bewegung setzte, wenn ich dezent und leise auf das schon seit längerer Zeit grüne Leuchten hinwies, oder aber die freundlichen Mitmenschen in den Wagen hinter uns etwas weniger dezent und leise mit einem Hupkonzert die Anfahrt unseres Wagens bewirkten.

Nur beim Einparken gab es ein kleines Problem, nichts jedoch, was man nicht durch ein Spot Repair (Lackierung) wieder aus der Welt hätte schaffen können.

Bei herrlichem Sonnenschein lagen wir nun auf der Wiese oder schwammen in den Becken im Freibad.

Es verlief alles ganz normal, so wie es mit jedem anderen Freund auch verlaufen wäre, lässt man einmal die Tatsache außer Acht, dass Günther meist damit begann, Probleme wälzen zu wollen, wobei ich es dann immer wieder geschickt verstand, das Thema auf erfreulichere Dinge zu richten und somit zu ändern.

Denn ich muss ganz ehrlich zugeben, ich bin kein Psychiater, und froh mit meinen eigenen Problemen fertig zu werden. Ich sah mich weniger Imstande, auch noch Günthers Probleme zu lösen. Das wollte ich auch nicht, ich wollte ihn schließlich nur auf andere Gedanken bringen und aus seinem grauen Alltag herausholen.

Es soll auch einmal vorkommen, dass ein Mensch ein dringendes Bedürfnis zu erledigen hat. Ist es ein kleines Geschäft, so erledigen einige schlecht erzogene Menschen dieses im Schwimmbad manchmal direkt im Becken. Das erkennt man daran, dass sie dann meist etwas konzentrierter dreinschauen und weniger schnell oder gar nicht schwimmen.

Andere, besser erzogene Menschen, ziehen dieser Variante den Gang zu den Örtlichkeiten vor.

Da ich zu der zweiten Sorte von Menschen gehöre, sagte ich kurz zu Günther, dass ich austreten müsste, worauf er sich mit dieser Idee auch anfreunden konnte und mitkommen wollte, da er das gleiche Bedürfnis verspürte.

Soweit so gut und auch kein Problem. Doch das trat auf, als ich ihm nicht genau beschreiben konnte, wo sich die Toiletten befanden, da ich das Freibad vorher noch nie besucht hatte.

Ich konnte mich nur noch daran erinnern, dass ich in der Nähe des Eingangs ein Hinweisschild gesehen hatte.

Auch Günther wusste nicht, obwohl er eine Eintrittsstammkarte besaß und damit häufiger Gast in dem Freibad war, wo genau wir uns hinzuwenden hatten.

Ich begab mich somit Richtung Eingang.

Doch das konnte man mit Günther nicht einfach machen. Aufs Geratewohl losmarschieren, wer weiß, wo man da hinkommt?

Aus den Augenwinkeln sah ich gerade noch, wie sich Günther auf den Bademeister stürzte und nach dem Weg zu den Örtlichkeiten fragte.

Kein Problem sagte ich mir, warte ich eben.

Der Bademeister erklärte auch nett und freundlich den Weg.

Ich drehte mich bereits um, um wieder loszugehen (es war nämlich das WC am Eingang), da begann Günther eine Diskussion darüber, dass der vom Bademeister beschriebene Weg (nämlich um die Becken herumzugehen) viel länger wäre, als der Weg zwischen den Becken entlang.

Und so entbrannte ein ziemlich sinnloses Streitgespräch über die Länge des Weges, welches mir peinlich war, weshalb ich mich schleunigst vom Ort des Geschehens in Richtung WC fort bewegte, damit niemand erkennen konnte, dass ich dazu gehörte.

Ich verfolgte die weitere Diskussion aus der Ferne mit.

Nach ungefähr drei Minuten stand die Auseinandersetzung kurz vor der Eskalation, doch da schien sich der Bademeister geschlagen zu geben und wendete sich ab.

Wutschnaubend drehte sich Günther um und schlug, den Rat des Bademeisters ignorierend, den nach seiner Meinung kürzeren Weg zwischen den Becken ein.

Er eilte über die nassen Fliesen, stolperte blind vor Wut über einen Schwimmring, rutschte aus und fiel kopfüber in eines der beiden Becken.

Schade, dass an dem Tag kein Schauspringen war. Mit der Schwalbe hätte Günther sicherlich den ersten Platz belegt.

Immerhin konnte er von Glück reden, dass er in hohem Bogen ins Wasser klatschte und so die Beckenkante weit verfehlte. Ich bezweifelte nämlich stark, dass der Bademeister ihn nach der Auseinandersetzung in dem Fall noch gerettet hätte.

Wir haben die Toiletten letztendlich erreicht, ich auf dem von mir eingeschlagenen Weg (wobei mir ziemlich egal war, ob länger oder kürzer als Günthers oder des Bademeisters Vorschlag) und Günther klatschnass, irgendwelche Flüche vor sich hin grummelnd aber immerhin auf dem allerkürzesten Weg, unfreiwillig durch das Becken.

Irgendwie verlief der Rest des Nachmittags dann wieder ohne Zwischenfälle.

Als schwieriger entpuppte sich dafür die Rückfahrt. Schwieriger deshalb, weil Günther nicht glauben wollte, dass sein Auto auf dem Südparkplatz stand. So musste ich, da alle Überzeugungskunst nichts brachte, mit zum Nordparkplatz gehen.

Die dortige Suche, das war mir bereits vorher klar, möglicherweise meine hellseherischen Fähigkeiten, erwies sich als erfolglos.

An dieser Stelle wird der aufmerksame Leser auch verstehen, warum ich zu Beginn dieses Absatzes niedergeschrieben hatte, dass sich die Rückfahrt als schwieriger erwies. Auto zu fahren ist für manche Menschen schon schwierig genug (ich behaupte, auch für Günther, aber dazu später mehr), aber ganz ohne Auto zu fahren, ist schwieriger.

Durch einen kurz eingeworfenen Hinweis, dass es noch einen zweiten Parkplatz genau in der anderen Richtung gäbe, das wäre mir bei der Hinfahrt ganz nebenbei aufgefallen, machte Günther den Vorschlag, doch dort einmal nachzusehen, bevor wir die Polizei wegen des gestohlenen Wagens riefen.

Und es war unglaublich, aber wahr, der Wagen stand auf diesem zweiten Parkplatz. Ich glaube, bis heute ist es für Günther noch ein Rätsel, wie der Wagen dort hinkam.

Auch auf der Rückfahrt, nachdem wir beim rückwärts Ausparken seltsamerweise den Baum vor unserem Wagen halb und den Busch ganz plattgemangelt hatten, zeigte Günther die Aversion gegen grüne Ampeln.

Doch nach einigem Hupen und gutem Zureden meinerseits erreichten wir wohlbehalten mein Haus, gerade in der Sekunde, als meine Mutter und meine Schwester das Haus verließen, worauf ich Günther, nichts Böses ahnend, hinwies. Kaum dass ich dieses ausgesprochen hatte, vollführte der Wagen eine Vollbremsung, inmitten der Straße, Günther flog regelrecht aus dem Auto, stürzte auf meine Mutter zu und sprach:

„Guten Tag Frau Steinried. Schön Sie kennen zu lernen. Mein Name ist Günther Müller und ich habe ihren Sohn zum schwimmen entführt. Es war ein wirklich schöner Nachmittag.“

Für alle die, die hier noch nicht verstanden haben, warum ich am liebsten im Boden versunken wäre, zur Erklärung:

Nicht nur, dass der Wagen mitten auf der Straße stand, ich in ihm sitzend die drohenden Fäuste der anderen Autofahrer sehend, die nicht weiterfahren konnten, sondern die Tatsache, dass Günthers Vorstellung für mich und meine Schwester eher wie folgt wirkte:

„Guten Tag Frau Steinried. Ich möchte mich gerne meiner zukünftigen Schwiegermutter vorstellen. Mein Name ist Günther Müller und ich habe ihren Sohn zum Schwimmen ausgeführt. Es war ein wirklich schöner Nachmittag. Ich bin verliebt und möchte ihn heiraten.“

Ist doch wirklich peinlich, oder?

Der Nachmittag endete dann damit, dass ich mich schnell von Günther verabschiedete und noch schneller im Haus verschwand.

Mein Freund Günther

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