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Kapitel 1

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Verzauberte Begegnung

Amy Rowell, 17

Sechs Jahre später…

Ich packte meine Schulsachen zusammen. Seit ich im letzten Jahr die Schule gewechselt hatte und ich nun auf die „Fallen Spirits“ ging, musste ich jeden Morgen um halb sieben am Bus sein. Die „Fallen Spirits“- eine Schule für Hochbegabte. Das war nicht meine Idee, sondern die meiner Mom. Christina Rowell. Sekretärin dieser Schule. Sie wollte mich wohl um sich haben, nahm dabei aber keinerlei Rücksicht auf meinen Notenspiegel. Seit dem letzten Jahr haben sich meine Noten drastisch verschlechtert. Die „Fallen Spirits“ war wirklich nur was für Genies. Der Name der Schule war Programm. Die Bewerber sollten sich nicht angegriffen fühlen, sondern behaglich und sicher. Die Schulleitung war sich dabei sicher, ein Name wie „Rising Spirits“ würde nur das Gegenteil bewirken und niemand würde sich auf der Schule anmelden. Dabei macht „Fallen Spirits“ mehr den Eindruck, die Begabten würden hier mitsamt ihrem Wissen elendig zugrunde gehen.

Schnell betrachtete ich mich noch im Spiegel. Wieder einmal gingen mir die Augenringe bis zum Boden und die roten Haare hingen mir struppig über den Schultern. Doch Zeit für etwas Concealer oder ein Glätteisen war einfach nicht mehr.

Blitzschnell sauste ich durch die Tür, um den Bus noch zu bekommen. Schon halb aus der Tür, machte ich auf dem Absatz kehrt und krallte mir mein Pausenbrot. Jetzt musste ich mich wirklich beeilen. Doch als ich an der Bushaltestelle ankam, sah ich nur noch eine Staubwolke gen Horizont fahren.

„Verdammt“, fluchte ich und kickte die Luft. „Das darf doch nicht wahr sein. Wieso immer ich?“

„Brauchst du Hilfe?“ Eine lachende Männerstimme ertönte durch ein halb geöffnetes Fenster eines schwarzen Jeeps.

„Wer will das wissen?“, schnaubte ich.

„Uh. Schlagfertig, die Kleine.“ Er ließ das Fenster ganz herunter und streckte mir seine Hand entgegen.

„Mein Name ist Shawn Perley. Und wer bist du?“

Zögernd reichte ich ihm meine Hand. „Amy... Rowell.“

„Wo soll's denn hingehen, Amy Rowell?“, fragte er lächelnd. Ich sah ihn entgeistert an. Wow. Sein Lächeln war atemberaubend. So rein. Es betonte seine blaugrauen Augen, die mit seinen Grübchen um die Wette strahlten, perfekt. Er war in etwa in meinem Alter und wirkte nicht wie ein Serienmörder, also stotterte ich: „Zur Schule... Die... Fallen Spirits.“ Mir war es sichtlich peinlich, diese Schule zu erwähnen, zumal ich nicht nach einer Hochbegabten aussah. Shawn machte große Augen. „Die Fallen Spirits also. Habe gehört, dass die nur was für Streber ist.“ Während er das sagte, öffnete er die Beifahrertür.

„Ist sie auch.“

„Und warum bist du dann dort?“

Ich blickte ihn verärgert an: „Hey, was soll das denn heißen?“

Entschuldigend hob er beide Hände: „Tut mir leid. Ich dachte nur... Ich dachte wohl zu viel.“ Ich musste zwar etwas grinsen, hielt es aber unterdrückt. Ich wollte ein klein wenig die Erwachsene spielen. Ich war zwar kein Kind mehr, aber mit 17 hatte man eben doch noch nicht das volle Recht.

„Und... Shawn? Warum nimmst du ein wildfremdes Mädchen mit zur Schule?“

„Damit ich sie, weil ich doch so nett bin, in mein Auto locken und dann in meinen Keller sperren kann.“

Geschockt sah ich ihn an. Ruckartig drehte ich mich um und wollte die Tür zuknallen.

„Wow, wow, wow, warte. Verstehst du keinen Spaß?“

Als ich ihn entgeistert anstarrte, wurde er verlegen: „Vielleicht war das jetzt nicht so lustig. Na schön, ähm, hör zu. Äh... Hi.“

Erneut streckte er mir seine Hand hin. „Ich bin Shawn, 24 Jahre jung und neu nach Pennsylvania gezogen, weshalb ich gerade auf dem Weg zu einem Bewerbungsgespräch bin, aber eigentlich viel zu früh da wäre und deshalb eine gewisse Amy Rowell in die Schule fahren kann.“

Als er das sagte, war ich etwas erleichtert und rang mir sogar ein Lächeln ab, während ich ihm die Hand reichte.

„Und wer bist du?“, wollte er wissen.

„Ich heiße Amy, bin 17 Jahre alt, werde aber in drei Monaten 18, gehe auf die Fallen Spirits, würde aber gerne zurück auf meine alte Schule.“

Im Schnelldurchlauf stellte ich das Wichtigste vor und Shawn hörte geduldig zu. Dabei stieg ich in sein Auto, auch wenn mir nicht ganz wohl bei der Sache war. Schließlich kannte ich ihn nicht, doch ich musste dringend in die Schule. Noch eine Fehlstunde konnte ich mir nicht erlauben.

„Warum gehst du dann nicht zurück auf deine alte Schule?“, fragte er nach einem Schweigemoment plötzlich.

„Weil meine Mom das nicht erlauben würde.“

„Woher willst du das wissen?“

„Weil..., weil...“ Ja, woher wollte ich das eigentlich wissen? Bisher hatte ich mich noch nicht getraut, sie zu fragen. Vielleicht sollte ich das bald mal in Angriff nehmen.

Als ich nicht weitersprach, meinte Shawn: „Na siehst du. Probieren geht über Studieren. Wag' es einfach. Es wird schon nicht so schlimm sein.“

Oh, wie recht er einfach hatte.

„Danke.“ Wofür zur Hölle bedankte ich mich jetzt? Für ein Sprichwort, das genauso gut hätte mir einfallen können oder für eine geklaute Idee? Egal. Es fühlte sich richtig an.

„Nichts zu danken, gnädige Frau.“ Er grinste schief. Schweigend fuhr er den restlichen Weg zu meiner Hochbegabtenschule. Erst wollte ich einfach aus der Tür stürzen, aber ich überlegte es mir noch mal anders. Ich drehte mich zu ihm um und schenkte ihm ein Lächeln. „Danke.“ Und dieses Mal meinte ich es auch so. Glücklich wendete ich mich dem Gehen zu. Ich war schon fast am Schulgebäude angekommen, da rief mir Shawn hinterher: „Warte. Hier deine Tasche. Ohne die wärst du heute wohl ziemlich aufgeschmissen, hab ich recht?“ Er streckte mir meine Tasche entgegen und ein Luftzug fuhr ihm durch das kurze, dunkle Haar, als er sich zu mir herausbeugte.

Dankbar nahm ich sie entgegen. Ich winkte ihm noch einmal zu und verschwand dann im Schulgebäude.

Meiner besten Freundin Rachel fiel sofort auf, dass etwas passiert war.

„Hey Süße, alles okay bei dir? Du siehst so verändert aus.“ Ich schaltete auf dumm und erwiderte: „Muss wohl an den Augenringen liegen.“

Auf Rachel war wie immer Verlass und so zückte sie ihre Schminktasche und zog mich hinter sich her auf die Mädchentoilette. Mir war es immer peinlich, dort etwas anderes zu machen als nur auf die Toilette zu gehen, aber Rachel störte das ganz und gar nicht. Sie zog einen Concealer heraus und schon war sie nicht mehr zu stoppen. Sie trug Lidschatten auf, um meine grünen Augen zu betonen, tupfte etwas Rouge auf meine Wangen, tuschte meine Wimpern und flocht meine Haare zu einem französischen Zopf zusammen. Aus Spaß steckte sie mir noch eine Blume ins Haar. Sie drehte mich zum Spiegel. Unglaublich. Ich war hin und weg. Aus einem hässlichen Entlein zauberte sie im Handumdrehen einen schönen Schwan. Ich umarmte sie stürmisch.

„Vielen Dank. Du hast meinen Tag gerettet.“

Wir hingen uns noch so in den Armen, als die Tür aufsprang und die anderen Mädchen unserer Clique hereintraten. Melanie, Page und Ashley.

„Da seid ihr ja, Mädels. Der Unterricht hat gerade begonnen“, erläuterte Ashley, die schlank, brünett und die Streberin unseres Clans war.

Melanie war blond, ebenso dünn und eher die Faule von uns. Page, rundlich, auch blond und liebte es, auf Partys zu gehen. Und zu guter Letzt noch Rachel. Sie war eher der ruhige, talentierte Ruhepol, liebte es aber, ihre Haare in bunten Farben zu färben. Diese Mädchen waren der einzige Grund, weshalb ich diese Schule nicht komplett hasste. Ich war so dankbar, sie hier auf der Schule kennengelernt zu haben. Lediglich Rachel kannte ich gefühlt schon mein ganzes Leben. Sie war meine beste Freundin.

Wir traten aus der Toilette ins Freie und stolperten in unseren Klassenraum, in dem die Lehrerin bereits auf uns wartete.

„So, die fünf Mädchen mal wieder“, ärgerte sich Miss Bearto, der Schuldrache höchstpersönlich. Bei nur einer Sekunde Verspätung drückte sie einem gleich einen Vermerk auf den Hals. Wir stöhnten unmerklich, verzogen uns aber umso schneller an unsere Plätze, um noch mehr Stress zu verhindern.

Miss Bearto fing mit dem Unterricht an, mal wieder so schnell, dass niemand hinterherkam, während ich meine Sachen auf den Tisch räumte.

„Hey Page“, flüsterte ich ihr leise ins Ohr, da sie neben mir saß.

„Wieso sind wir noch gleich auf der Schule?“

„Um zu sehen, wie dem Hausdrachen Schuppen wachsen.“

Wir prusteten still los, doch natürlich hatte Miss Bearto das sofort mitbekommen.

„Wer in meinem Unterricht stört, fliegt raus“, brüllte sie und ließ ihren Blick durch den Raum gleiten.

Page und ich stellten uns dumm.

Als die Bearto sich wieder der Tafelzeichnung zuwandte, wollte ich nun aber doch eine ernste Antwort. „Nein, aber jetzt mal im Ernst. Wieso sind wir hier?“

„Na, weil die Schule fast wie alle anderen ist. Außer strengen Vorsichtsmaßnahmen, vielen Hausaufgaben und schwierigen Tests, ist sie dasselbe wie alle anderen Schulen auch. Na ja, und unsere Gruppe ist doch gezwungenermaßen hier, da unsere Eltern der Meinung sind, dass jeder ein Genie sein kann.“

„Na ja, Ashley ist ja auch eines.“

Wir grinsten, denn das war sie. Von uns allen war sie wirklich die Klügste. Von mir konnte man das nicht behaupten und das war auch der Grund, weshalb ich wieder zurück auf die „Angel Woods“ wollte. Dort konnte ich einfach ich sein, auch wenn meine Freundinnen nicht da waren. Aber wir wohnten nur vier Blocks voneinander entfernt, weshalb es ein Leichtes war, sich gegenseitig zu besuchen. Seufzend wandte ich mich wieder meinem Schulranzen zu und holte mein Buch heraus.

„Aber wieso fragst du?“, wollte Page wissen.

„Nur so“, winkte ich ab, obwohl ich wegen einer ganz bestimmten Person in einem schwarzen Auto darauf gekommen war.

Dann zog ich mein Mäppchen hervor und stutzte. In meiner Hand lag ein Zettel, auf dem in krakeliger Handschrift ein paar Zeilen zu lesen waren:

Hey Amy,

sehen wir uns mal wieder?

Ich habe es genossen, mit dir zu reden.

Wenn du mal Zeit hast, dann ruf mich

doch bitte hier an: 3780530.

Oder warte, noch besser. Triff

mich einfach hier: Beiergasse 10

-Dein S.

Als ich das las, musste ich unwillkürlich lächeln. Er hat an seine Nummer gedacht. Ich hatte mich schon geärgert, dass ich ihm meine nicht gegeben hatte. Allerdings hätte ich mich vermutlich eh nicht getraut.

Verfolgt von der Vergangenheit

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