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Szene 3: Der Stammbaum

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MUTTER GASCOYNE

Victor, wovon träumt mein kleiner Liebling denn schon wieder.

VICTOR

Warum bekommen die anderen Kinder immer Besuch von ihren Onkeln und ihren Tanten und wir nie?

MUTTER GASCOYNE

Weißt du, Victor, früher kam uns mein Bruder, dein Onkel Marmaduke, gelegentlich besuchen …

(Ein Bilderrahmen der Ahnengalerie wird sichtbar. Darin „Onkel Marmaduke“. Musikalisches Adeligen-Motiv.)

Dein Onkel hegte zwar keine direkte Antipathie gegen deinen Vater …

Der Mexikaner wird wieder sichtbar. Er singt und spielt mexikanisch.

MEXIKANER

(singt) Y porque gitano soy!

MUTTER GASCOYNE

… und betonte immer wieder …

MEXIKANER

(singt) Como lo pienso voy!

ONKEL MARMADUKE

Augusta …

MEXIKANER

(trocken kommentierend) Ayayay!

ONKEL MARMADUKE

Du weißt doch genau, dass ich nichts gegen Ausländer habe.

MEXIKANER

(singt) Es un amor mi vi----da

Der Onkel erschießt den Mexikaner. Der Gesang erstirbt. Der Mexikaner verschwindet mit einem kurzen musikalischen Todesmotiv, das sich durch das Stück ziehen wird.

VICTOR

Donnerwetter. – An welchem Startplatz für das Grafenrennen steht Onkel Marmaduke denn?

MUTTER GASCOYNE

Das weißt du doch. Ich habe dir den Stammbaum oft genug gezeigt!

VICTOR

Ja, Mama.

MUTTER GASCOYNE

Mein Schatz. Wäre Onkel Marmaduke noch am Leben, so stünde er noch vor dir an 27. Stelle.

VICTOR

Was wurde aus ihm?

MUTTER GASCOYNE

Nach einer einmaligen und sehr kurzen Glücksträhne im Casino …

Man hört einen entsprechenden Jackpot-Sound, der Onkel juchzt.

ONKEL MARMADUKE

(sprengt den Bilderrahmen) Juhu!

MUTTER GASCOYNE

… verfiel er dem Glücksspiel und konnte schließlich seine Schulden nicht mehr begleichen. So blieb ihm nur ein Ausweg.

Der Onkel erschießt sich. Todesmotiv. Das Bild ab.

VICTOR

Oh …

MUTTER GASCOYNE

Ja. Ich schrieb damals einen Kondolenzbrief an Lady Gascoyne, doch er blieb unbeantwortet. Natürlich! (verbittert reißt sie die letzten Federn aus, das Huhn gackert empört auf) Wollen wir uns den Stammbaum mal wieder ansehen?

VICTOR

Oh ja! Bitte!

Man hört das Geräusch einer imaginären, sich abrollenden Karte.

MUTTER GASCOYNE

Da schau einer an, deine Chancen, Graf zu werden, sind seit unserer letzten Sitzung beträchtlich gestiegen.

VICTOR

Was heißt das, Mama?

MUTTER GASCOYNE

(schnell, virtuos) Pass gut auf: Graf Henry vererbt den Titel vor Henry und Adalbert an den Ältesten, George, den Vater von Henry und Simeon, während ihre Cousins Patrick, Henry, Henry und Henry nicht erbberechtigt sind. Dagegen aber Gascoyne Gascoyne und sein Sohn Gascoyne Gascoyne – sowie dessen Neffe Henry.

VICTOR

Ich verstehe.

HENKER

(verwirrt) Ich bin raus.

VICTOR

Und weil Onkel Marmaduke und Großgroßgroßonkel George tot sind, bleiben noch Ughtretta und Henry. Aber wenn Henry der Vater von Henry ist, und Simeon sein Onkel, bist du dann die Großcousine oder die Nichte von Marmaduke?

MUTTER GASCOYNE

Die Urgroßenkelin, aber Henry ist auch schon sehr, sehr alt.

VICTOR

Werde ich irgendwann einmal Graf werden?

MUTTER GASCOYNE

Es ist nicht sehr wahrscheinlich, mein Schatz, aber auch nicht unmöglich. In jedem Falle solltest du dich stets so verhalten, wie es sich für jemanden deiner Herkunft geziemt.

VICTOR

Ja, Mama.

MUTTER GASCOYNE

Wer weiß schon, was geschehen wird, Victor.

VICTOR

Aber damit ich Graf werden kann, müsstet du doch auch sterben, Mama! Das will ich nicht!

MUTTER GASCOYNE

Wir alle müssen sterben, mein Liebling. So, und jetzt werde ich dieses Huhn seiner Bestimmung zuführen und es füllen. (Das Huhn reagiert empört.) Und du hol deinen Schal und geh mit Benjamin Murmeln spielen.

VICTOR

Ja, Mama.

MUTTER GASCOYNE

(für sich) Mein kleiner Lord. (ab)

Sound-Einspieler Gegenwart.

Adel verpflichtet

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