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Szene 4: Der Henker

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HENKER

Sie hatten wirklich gar keinen Kontakt zur Familie?

VICTOR

Nicht im Geringsten. Die Gascoynes haben es meiner Mutter nie verziehen, unter Stand geheiratet zu haben. Noch dazu einen Ausländer. Für die war sie praktisch gestorben. Und ich ebenfalls.

HENKER

Das kommt mir bekannt vor.

VICTOR

Wie das?

HENKER

Mein Beruf ist nicht immer ein Zuckerschlecken, das kann ich Ihnen sagen.

VICTOR

Das tut mir leid zu hören.

HENKER

Ist fein von Ihnen, eure Lordschaft, das zu sagen. Mächtig fein. Ich werde auch nie vergessen, wie freundlich Sie mit meinem kleinen Benjamin umgegangen sind.

VICTOR

Benjamin? Benjamin Calcraft! Jetzt dämmert es mir. Benjamin erzählte uns immer, dass sein Vater einen tollen Beruf hätte, für den manch anderer sein Leben geben würde.

HENKER

Aye. Das war mein Sohn. Gott hab ihn selig.

VICTOR

Oh! Mein Beileid.

HENKER

Wäre vielleicht in die Fußstapfen seines alten Herren getreten und auch Henker geworden.

VICTOR

Dann stünde Benjamin jetzt vielleicht an Ihrer Statt!

HENKER

So ist es.

VICTOR

(zu sich) Ein seltsamer Gedanke, von jemandem den Kopf abgeschlagen zu bekommen, mit dem man gemeinsam Murmeln gespielt hat.

HENKER

(unterdrückt die Tränen) Aye. Murmelnspielen mochte er am liebsten.

VICTOR

Ich hoffe, er ist keines allzu unangenehmen Todes gestorben?

HENKER

Ich fürchte doch, Sir. Er hat sich die Lunge aus dem Leib gehustet.

VICTOR

Das tut mir aufrichtig leid, William.

HENKER

Mächtig fein von Ihnen, das zu sagen, Sir, mächtig fein. –

(Der Henker erinnert sich. Dezente Untermalung „Motiv Henker“.)

Es war einfach eine üble Pechsträhne damals. Meine Frau Tilda, Gott hab sie selig, hatte von ihrem Bruder eine Kuh geschenkt bekommen.

VICTOR

Was Sie nicht sagen.

HENKER

Ja. Und ich hatte damals etwas Geld gespart.

VICTOR

Das ist doch gut.

HENKER

Ja. Herrliche Zeiten damals. Da gab es noch richtige Verbrecher. Raubmörder, Brandstifter, Erpresser … Ich kam mit dem Schleifen kaum nach. Es war prächtig.

VICTOR

Das ist doch gut.

HENKER

Ja! Das Geschäft blühte, und ich dachte mir, William, dachte ich mir, bevor du das gute Geld ins Pub trägst, leg es klug an. Und so habe ich selbst ein Pub aufgemacht.

VICTOR

Das ist doch gut.

HENKER

Ja! Zwei Fliegen mit einer Klappe, dachte ich. Wo ich doch so gern im Pub bin. Aber dann war da noch diese Kuh und ich dachte, William, dachte ich, wenn du schon ein ganzes Pub baust, dann kannst du auch einen kleinen Stall dran bauen.

VICTOR

Das ist doch sehr gut.

HENKER

Im Grunde ja, Sir, aber beim Bau hat sich mein ältester Sohn Abel einen rostigen Nagel eingetreten und ist an Blutvergiftung gestorben.

VICTOR

Das tut mir leid zu hören. Mein Beileid.

HENKER

Das ist mächtig fein von Ihnen, Sir, mächtig fein. Doch ich hatte ja noch meinen zweiten Sohn, Phillip, und der half mir weiter zu bauen.

VICTOR

Das ist doch gut.

HENKER

Ja. Aber als wir das Dach beinahe fertig hatten, fiel Philipp hinunter und landete auf einem Heuwagen.

VICTOR

Das ist doch gut.

HENKER

Leider nein, Sir. Unter dem Heu lag eine Heugabel. Mächtig spitze Zacken, so ein Ding. Und gleich drei …

VICTOR

Das tut mir leid zu hören. Mein Beileid.

HENKER

Das ist mächtig fein von ihnen, Sir, mächtig fein.

VICTOR

Und haben sie das Pub je eröffnet?

HENKER

Natürlich Sir. Und es war ein mächtig feines Pub, das kann ich ihnen sagen.

VICTOR

Das ist doch gut.

HENKER

Leider war Roswitha krank.

VICTOR

Ihre Tochter?

Die Musik stoppt.

HENKER

(zögert kurz) Nein, die Kuh. Die Tochter heißt Margaret.

VICTOR

(zögert kurz) Ein schöner Name.

HENKER

(argwöhnisch) Welcher?

VICTOR

Beide.

HENKER

Aye.

(Der Henker erinnert sich. Die Musik setzt wieder ein.)

Roswitha war so krank, dass die Minced Meat Pies, die wir aus ihr gemacht haben, leider unbekömmlich waren. Wir hatten noch keine drei Tage geöffnet, da waren schon zwei Gäste tot.

VICTOR

Durch Minced Meat Pies? Sie sind ein Meister ihres Fachs.

HENKER

Zu liebenswürdig, Sir!

VICTOR

Keine Ursache.

HENKER

Jedenfalls haben die Angehörigen der beiden Verstorbenen mir in der Nacht das Pub angezündet.

VICTOR

Wie schrecklich.

HENKER

In der Tat. Meine Frau Tilda, Gott hab sie selig, ist in den Flammen umgekommen. Das war ein großer Verlust für uns.

VICTOR

Verstehe. Sie haben Ihre Frau wohl sehr geliebt.

HENKER

Das weniger, Sir. Aber sie trug immer die Tageseinnahmen bei sich.

Das Henkermotiv wird ausgeblendet.

VICTOR

Nun, ein Glück, dass Ihnen ihre Tochter …

HENKER

Margaret.

VICTOR

Richtig. Gut, dass Ihnen Margaret noch geblieben ist.

HENKER

Da können Sie drauf wetten, Sir. Ohne Margaret wäre ich längst ruiniert.

VICTOR

Ihre Tochter unterstützt Sie finanziell? Was für ein gutes, treues Kind!

HENKER

Aye Sir, das ist sie. Und fleißig dazu. Manchmal kommt sie erst frühmorgens heim, so sehr legt sie sich ins Zeug.

VICTOR

Schichtarbeit?

HENKER

Das kann man wohl sagen, Sir. Sie ist im ganzen Viertel sehr beliebt.

VICTOR

Oh! Verstehe.

HENKER

Sollten Eure Lordschaft vielleicht einen letzten Wunsch in diese Richtung hegen …

VICTOR

Das ist mächtig fein von Ihnen, mächtig fein.

HENKER

Ich mach nur meinen Job, Sir. Das Happy Ending meiner Kunden ist ein Teil des Gesamtpaketes, das ich anbiete. (abwartende kurze Pause) Aber genug von mir, wie ging es denn bei Ihnen weiter?

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