Читать книгу "Die Rheinnixen" contra "Tristan und Isolde" an der Wiener Hofoper - Anatol Stefan Riemer - Страница 5
ОглавлениеAuftakt
Am 4. Februar 1864 wurde Jaques Offenbachs Große romantische Oper Die Rheinnixen an der Wiener Hofoper uraufgeführt. Die ebenfalls in Wien geplante Premiere von Richard Wagners Tristan und Isolde war hingegen kurz zuvor nach nicht weniger als 77 Proben endgültig abgesagt worden, nachdem der vorgesehene Sänger des Tristan, Publikumsliebling Alois Ander, wiederholt seine Stimme verloren hatte. (Ander sang jedoch zum Ärger der Wagnerianer die Rolle des Franz Waldung in der Uraufführung der Rheinnixen.)
An dieser Stelle kreuzten sich nach 1861, als in Paris Wagners Tannhäuser und Offenbachs Ballett Le Papillon gleichzeitig auf dem Spielplan standen, zum zweiten Mal die beruflichen Wege zweier Komponisten, die einander vermutlich nie persönlich begegnet sind und die man auf den ersten Blick durchaus als Antipoden sehen kann: Hier der glücklich verheiratete Erfinder der Operette, Parodist und eingebürgerte französische Jude (wiewohl seiner Frau zuliebe schon sehr früh zum Katholizismus konvertiert), dort der unstete Schwärmer, Großmeister der schweren dramatischen Kost und deutsche Antisemit.
Bei näherem Hinsehen erweisen sich solche holzschnittartigen Vergleiche nicht selten als viel zu grob. Offenbach und Wagner nahmen aber tatsächlich höchst unterschiedliche musikalische Standpunkte ein, verfolgten absolut divergierende ästhetische Konzepte und waren einander auch in profunder Abneigung verbunden, wie zahlreiche geringschätzige bis bösartige Äußerungen über den jeweils anderen belegen. Immerhin – nach allen wechselseitigen Schmähungen erteilte Richard Wagner zehn Monate vor seinem Tod in einem Brief an Felix Mottl dem ausgewanderten Kollegen den Ritterschlag: »Offenbach hätte ein zweiter Mozart werden können.«
Höchst unterschiedlich war bislang auch die Intensität der musikwissenschaftlichen Rezeption der beiden Komponisten. Während es für Wagner eine enorme Anzahl von Veröffentlichungen zu den verschiedensten Fragestellungen gibt, lag bei Offenbach der Schwerpunkt bislang, abgesehen von der wissenschaftlichen Durchdringung des Spätwerks Les Contes d’Hoffmann, bei biographischen Ansätzen und den Libretti.
Anatol Stefan Riemer unternimmt es, diese nach wie vor bestehende Forschungslücke zu verkleinern, wie er in seiner Vorrede bescheiden formuliert. Er untersucht dazu die Kompositionstechnik Offenbachs mit besonderem Blick auf die Themen Erinnerungsmotivik, Chorbehandlung, musikalische Rollendarstellung (das Kapitel heißt »Bösewichte«) sowie Verhältnis von Parodie und Wahrhaftigkeit. Vorangestellt sind zwei Kapitel, die sich mit dem Verhältnis Offenbach – Wagner und Vorfragen der Analyse von Offenbachs Musik beschäftigen. Die meisten Abschnitte entstammen der kumulativen Inauguraldissertation des Autors, die im Jahr 2019 von der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main angenommen wurde. Für das vorliegende Buch hat Herr Riemer seine Arbeit nochmals ergänzt.
Der Richard-Wagner-Verband Frankfurt am Main freut sich, mit Band 3 der Frankfurter Wagner-Kontexte den Fokus auf einen bislang von der Musikwissenschaft zu wenig beachteten, wohl auch unterschätzten Komponisten zu richten. Für die Unterstützung bei der Realisierung schulden wir großen Dank:
• Tamara Kuhn vom Tectum Verlag für ihre Geduld und die gewohnt professionelle Betreuung,
• Prof. Dr. Peter Ackermann von der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main für die Herstellung des Kontakts und
• unseren Mitgliedern für ihre zweckgebundenen Spenden, mit denen sie die Herausgabe der Reihe Frankfurter Wagner-Kontexte erst möglich machen.
Frankfurt am Main, im Juli 2020
Dr. Sven Hartung
Vorstandsmitglied