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Wenn der GMV Alarm schlägt

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In Zeiten des digitalen Wandels erhöhen sich nicht nur Geschwindigkeit und Taktzahl innerhalb von Unternehmen, sondern gerade auch bei denen, die Nachrichten für Fernsehen, Zeitungen oder digitale Kanäle »produzieren«. Dort werden gerne Studien zitiert, um einer Nachricht mehr Gewicht oder ein Fundament zu geben. Manches Mal aber leider nicht mit wissenschaftlich fundierten Methoden, stattdessen gaukelt man vor, »diese 1000 Interviews sind repräsentativ«. Ich will Sie nicht mit Methodik langweilen, aber mir ist wichtig, dass Sie erkennen, welchen Zahlen Sie trauen können und welchen nicht. Schließlich wollen Sie sich ja ein Bild machen und auf eine Information vertrauen können. Wenn Sie Haltung zeigen, dann auch wohlinformiert.

Aus dem Unternehmensalltag eines Marktforschers kann ich sagen, dass es Anfragen gibt, die lauten: »Hauptsache, Sie liefern 1000 Interviews oder mehr. Dann ist es repräsentativ.« Genau das ist Quatsch, und ich erkläre Ihnen, warum.

Ein einfaches Beispiel, bei dem Sie vermutlich die Alarmglocken läuten hören: Stellen Sie sich vor, Sie sollen herausfinden, wie viel Wert die Deutschen ganz allgemein auf Biolebensmittel legen. Sie stellen sich an einem Samstagmorgen vor einen Biomarkt im Ort und fragen dort 30 Menschen, wie sie es mit dem Einkauf von Biolebensmitteln halten. Am Abend führen Sie die gleiche Umfrage vor dem Multiplex-Kino Ihrer Wahl durch und erreichen weitere 30 Personen. Am Sonntag setzen Sie sich in Ruhe hin, nehmen sich Ihre Interviews vor, werten die Antworten aus (wie oft wurde welche Antwort gewählt?) und vergleichen die beiden Gruppen, also Biomarkt- und Kinogänger. Was vermuten Sie? Was kommt raus? Ticken beide Gruppen gleich? Vermutlich nicht. In der Gruppe der Biomarktkäufer erhalten Sie vermutlich 100 % Zustimmung, wenn es um die Wichtigkeit von Biokost geht. Vor dem Kino wird der Wert deutlich niedriger liegen. Angenommen, Sie erwischen vor allem studentische Befragte, werden diese möglicherweise urteilen, dass sie aus Kostengründen eher zu konventionellen Produkten greifen. Welche Antworten sind nun »richtig«? Die Frage ist nicht leicht zu beantworten: Die Stichproben waren nicht ausgewogen und nicht geeignet, etwa eine Aussage über alle Deutschen zu treffen, schließlich sind Sie allein durch die Ortswahl Ihrer Interviews jeweils auf spezielle Zielgruppen getroffen. Im Kapitel 2 werden wir darauf etwas genauer schauen.

Mit diesem einfachen Beispiel will ich Sie motivieren, Ihren gesunden Menschenverstand einzuschalten, wenn Sie solche Ergebnisse sehen. Lesen Sie nicht nur die Titelzeile. »Biolebensmittel total angesagt« könnte die Überschrift lauten, wenn ein Artikel über Biokäufer geschrieben wird. Es nützt übrigens wenig, wenn Sie Ihre Freizeit so lange vor dem Biomarkt verbringen, bis Sie 1000 Interviews oder gar 10 000 Interviews durchgeführt haben. Das Ergebnis passt immer noch nur für die Biokäufer. Daraus eine Aussage über die gesamte Bevölkerung abzuleiten wäre schlichtweg falsch. Daran ändert eine große Zahl Befragter gar nichts, sondern nur eine ausgewogene und kontrollierte Rekrutierung der Teilnehmer.

Lesen Sie also weiter, wenn Sie eine Überschrift sehen. Schauen Sie sich an, was im Detail berichtet wird. Wenn eine Studie zitiert wird, hinterfragen Sie diese kritisch. Eine gute Berichterstattung wird Auskunft darüber geben, wie befragt wurde und wie viele Menschen dahinterstehen. Jeder gute Journalist wird kritisch hinterfragen. Sollten Sie journalistisch tätig sein, dann lassen Sie sich nicht vom Druck im Hamsterrad und der Größe einer Stichprobe leiten, sondern überlegen Sie, was Sie veröffentlichen. Schließlich steht Ihre Glaubwürdigkeit auf dem Spiel,8 auch wenn wir in Zeiten des Wandels und hohen Drucks sehen, dass reißerische Meldungen sich besser verkaufen mögen.

Aber was heißt das nun? Ich meine, Sie sollten Haltung einnehmen. Aus Ihrer Rolle und Verantwortung heraus, sei es als Mutter oder Vater, Arbeitnehmer, Manager, Lehrer, Pfleger, Freund … Seien Sie ehrlich mit sich selbst und fragen Sie sich: Kann das sein? Nehmen Sie sich die Zeit, gründlich zu lesen. Haben Sie diese nicht, dann verbreiten Sie bitte keine Meldung. Vergegenwärtigen Sie sich, dass Ihr Gegenüber Ihren Aussagen vertraut.

Wir werden uns im Verlauf noch mit der Bedeutung von Marken, bspw. als Absender eines Produkts oder einer Dienstleistung, beschäftigen. Allgemein betrachtet ist jeder Einzelne eine »Marke«, ebenso wie Institutionen. Warum es in Zeiten digital schnell verbreiteter (Falsch-) Meldungen so wichtig ist, sich selbst treu zu bleiben und die eigene Glaubwürdigkeit und Integrität zu wahren, lesen Sie im folgenden Beispiel.

Die Zukunft ist menschlich

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