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1 Vorwort

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«Die Reise hat mich Demut und Gelassenheit gelehrt.»

Andrea Freiermuth, Journalistin und Velofahrerin (*1972)


Was hat die Reise mit dir gemacht? Und was nimmst du davon mit?, das fragen die Leute oft, wenn sie von meiner E-Bike-Reise über die Seidenstrasse hören. Wenn ich meine Erfahrungen in einem Satz zusammenfassen soll, dann sage ich: «Die Reise hat mich Demut und Gelassenheit gelehrt.»

Ich bin kein besonders mutiger Mensch. Es ist relativ einfach, Zweifel in mir zu säen und mir Angst zu machen. «Chauf dr es Gwehr und lern zerscht nu schiesse!», foppte mich mein grosser Bruder, als ich ihm meine Reisepläne offenbarte. Heute weiss ich: Die Welt da draussen ist viel besser als das, was wir auf dem Sofa sitzend in den Nachrichten sehen. Die Menschen sind grundsätzlich gut. Sie tun in der Regel alles, um eine Frau, die alleine mit dem Velo daherkommt, maximal zu unterstützen. Gerade in muslimischen Ländern ist die Gastfreundschaft unglaublich gross. Und die Iraner, bin ich überzeugt, sind die gastfreundlichsten Menschen überhaupt.

«Da kommst du mit deinem E-Bike nicht hin», meinten einige Kritiker auf Facebook, als ich mich entschloss, den Pamir Highway in Angriff zu nehmen. Heute weiss ich: Es geht eben doch. Und egal bei welchem Thema: «Geht nicht» kann man nur sagen, wenn man etwas selbst probiert hat – und tatsächlich gescheitert ist.

Auf meiner Reise wusste ich morgens oft nicht, wo ich abends enden würde. Aber es kam immer gut. Ich durfte so viele tolle Menschen kennenlernen, spannende Erfahrungen machen und schöne Momente erleben. Klar gab es schwierige Tage, wie etwa, als ich erfuhr, dass ich meine Reiseroute wegen Einreisebestimmungen würde ändern müssen. Es kam anders als geplant, aber dadurch vielleicht sogar besser.

Diese Erfahrung hat mir geholfen, als ich nach meiner Rückkehr in die Schweiz einen Moment des Stillstandes erlebte. Ich habe heute die Gewissheit, dass man manchmal einfach etwas Geduld und Zuversicht haben muss – und dass es dann schon gut kommt.

Demut hat mich die Reise gelehrt, weil ich erkannt habe, welch grosses Glück es ist, in der Schweiz geboren worden zu sein. In einem direkt demokratisch regierten Staat zu leben, ist ein unglaubliches Privileg. Von Meinungsfreiheit, Gleichberechtigung und Mitsprache können viele Menschen entlang der Seidenstrasse nur träumen. Ihre Realität ist Diktatur, Korruption und Unterdrückung.

Demokratie ist das eine, Wohlstand das andere: Beides ist eine Laune der Geschichte. Schweizer sind nicht besser und fleissiger als andere, auch wenn das einige Landsleute aus dem rechten Lager gerne behaupten. Wir hatten bloss etwas mehr Glück im 20. Jahrhundert. Reichtum kommt und geht. Das weiss man spätestens dann, wenn man die Paläste der Osmanen oder der Perser besichtigt hat, beziehungsweise das, was davon übriggeblieben ist. Und wer weiss: Vielleicht werden wir in ein paar Jahren mit Neid nach China blicken – zumindest was Reichtum und technischen Fortschritt betrifft.

Mit dem E-Bike auf der Seidenstrasse

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