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Neue Nachbarn

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Ein heißer Kaffee würde Pauline jetzt gut tun. POMMES! Während das Wasser langsam anfing zu brodeln, schaute sie aus dem Fenster. Ein riesiger Umzugswagen fuhr gerade vor und hielt neben ihrem Nachbarhaus. Das Haus stand seit einigen Monaten leer. Nun hatte es offensichtlich wieder Besitzer gefunden.

Ein schwarzer Golf bog gerade um die Ecke, als Pauline ihr Wasser auf den Kaffee in die nagelneue French Press gießen wollte. „Hmmm, spannend. Das werden sie wohl sein, die neuen Besitzer“, dachte sie und stellte den Wasserkocher wieder weg. Aus dem Golf stieg eine Frau mit Bäuchlein. Schwanger? Oder Außenfett? Pauline musste lachen, als sie an ihre besorgte Tochter dachte. Die Frau war um die dreißig, sehr schlank trotz Bäuchlein, blond und recht hübsch. Sie wirkte etwas verhuscht und schaute abwartend darauf, dass der Fahrer aus dem Auto stieg. Ihr Mann? Pauline wurde immer neugieriger. Und dann stieg er aus, 30-40jährig, Bart, Brille, kurze, lockige braune Haare. „Nothing much to look at“, kicherte Pauline. Kräftig wirkte er, entschlossen und muskulös. Vielleicht arbeitete er schwer. Pauline würde es heraus bekommen.

Als die beiden zum Umzugswagen gingen, entspannte sich Paulines Neugier und sie widmete sich voll Inbrunst ihrem Kaffee aus der neuen French Press und ihrem iPad.

Während sie noch im Internet auf Kultur-Suche war, fand sie die ersten Bilder der antiken Stadt Pergamon. „Das wäre doch was für Gerda“, schoss es ihr durch den Kopf. Sie fuhr den PC runter, zog sich Schuhe an und machte sich auf den Weg zu ihrer befreundeten Nachbarin.

Dr. Gerda Busch war Medizinerin, genauer gesagt Pathologin und Rechtsmedizinerin in Essen. Und sie saß im Rollstuhl. Obwohl die zarte Frau manchmal etwas schüchtern wirkte, war sie in ihrem Beruf eine Koryphäe. Sie widmete manchen Abend und viele Wochenenden ihren Leichen, um Spuren zu sichern und auszuwerten. Dabei hatte sie manchen normalen Tod als unentdeckten Mord entlarvt.

Nach dem Klingeln dauerte es immer etwas, bis Gerda mit ihrem Rollstuhl zur Türe kam. „Pauline, wie schön. Komm rein, ich trinke gerade grünen Tee“, lachte sie und winkte sie ins Wohnzimmer.

Grüner Tee war nicht gerade Paulines Lieblingsgetränk, aber Gerda kaufte eine besondere Sorte, und mit viel Honig schmeckte der Tee überraschend gut.

Pauline erzählte von Berlin und dem Pergamonmuseum, vom 360° Panorama, von den vielen Besuchern, die erwartet wurden, und beide schwärmten von der wunderbaren Idee mit der Museumsinsel. Gerda würde gerne die antike Stadt Pergamon mit dem 103 Meter langen Rundbild in Berlin bewundern, aber mit einem Rollstuhl waren Reisen in Deutschland schwer. Das fing schon bei der Zugfahrt an. Und eine Autofahrt von Essen nach Berlin trauten sich beide nicht zu. Deshalb gingen sie immer öfter virtuell im PC auf Reisen.

Bei Google Art Project fanden beide viele internationale Museen, die sie im Netz besuchen konnten. Es war großartig, mit einem Rollstuhl barrierefrei durch die verschiedensten Museen zu reisen, Länder im Stundentakt zu wechseln und dabei durch die Kameraführung ganz tief in die Bilder einzusinken.

Weißt du was von den neuen Nachbarn, Gerda?

Nein. Ist das Haus jetzt endlich verkauft? Oder vermietet?

Ach, hat der Besitzer sich doch umentschieden und auch Vermietung angeboten?

Ja, nach so langem Leerstand. Im Winter fängt so ein leeres Haus schnell an zu schimmeln. Oder der Besitzer hätte heizen müssen. Leer stehende Häuser vergammeln leicht und locken möglicherweise Obdachlose an. Oder Randalierer. Oder Einbrecher.

Aber du weißt nichts Genaueres?

Nein, leider nicht. Hast du was gesehen?

Umzugswagen und ein Ehepaar. Denke ich mal. Sie sah schwanger aus.

Oh, schön, ein paar Kinder hier in der Straße.

Gerda schlürfte genüsslich ihren Tee und schaute dabei nachdenklicher als Pauline es gewohnt war. „Ach, was würd’ ich dafür geben, wenn ich laufen könnte“, seufzte Gerda, „ich würde mir so viele interessante Städte anschauen, ans Meer reisen, Märkte besuchen. Oh, es wäre ein Traum, nicht zuletzt auch in der Pathologie. Ich wäre viel beweglicher.“

Pauline hatte am Morgen eine Beilage in der Tageszeitung gesehen, da wurden Elektromobile angeboten. Gelacht hatte sie über den Kabinen-Scooter. Der war vielleicht niedlich. Aber eng und teuer. Rund 10 000 € musste man für den hinblättern. Offene Elektromobile und Elektro-Roller gab es schon weitaus billiger. Der einfachste kostete um die 1500 €. Aber Gerda gab kaum Geld aus. Und weil sie gut verdiente, war sie auch nicht arm. Sie hatte sogar Geld in Aktien angelegt. Eine Anlageform, die Pauline sich NIE getraut hätte. Man hörte ja so einiges. Hinterher war alles Geld futsch.

Als sie Gerda von dem Prospekt erzähle, strahlten Gerdas Augen und sie griff in die Seitentasche ihres Rollstuhls. „Da“, rief sie begeistert „ich habe sie mir schon angekreuzt. Jetzt brauche ich nur noch eine gute Beratung.“

Sollen wir mal zusammen bei Händlern schauen?

Ich verstehe gar nicht, warum du die Prothesen so ablehnst. Du könntest doch wunderbar mit mir durch Essen wandern, Gerda.

Du weißt ja, dass ich fünf war, als mir der Unterschenkel amputiert wurde. Mitten aus dem kleinen Leben gerissen. Was war ich für ein Wildfang! Im Kindergarten, auf den Feldern und Wiesen! Auf jeden Baum bin ich hoch. Über jeden Graben gesprungen. Und dann der Unfall. Alles aus.

Weil ich noch im Wachstum war, hätte meine Prothese immer angeglichen werden müssen. Und damals sahen die so mies aus ... nein, ich will es bis heute nicht.

Und der Fahrer damals? Hat der sich mal gemeldet?

Zwei Jahre auf Bewährung hat er gekriegt, und eine Geldstrafe. Aber er war schon alt, fast hat er mir Leid getan, später. Hat nach dem Unfall seinen Führerschein sofort abgegeben. Mit 87 Jahren. Aber gemeldet hat er sich nie.

Du möchtest also gerne mal zu so einem Händler fahren?

Ich denke, das ist eine gute Idee, Pauline, wenn du mit kommst.

Klar, wir fahren zusammen hin. Zusammen. Wenn du keinen Dienst hast.

So machen wir das.

Pauline ermittelt...

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