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Milliöh und Fêtenkeller

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Um genau 21:00 Uhr betrat Edda Asmussen das Milliöh. Sie hatte mit Okka tauschen müssen, weil sich im Fall Emily neue Dinge getan hatten. Edda fühlte sich leicht angepisst, denn sie wollte abends mit ihrem Kollegen Joost Christiansen italienisch essen gehen. Aber das Leben war kein Wunschkonzert.

Als sie das Milliöh betrat, war noch niemand da. War auch zu früh für Party. Das konnte ihr nur recht sein. Um so eher konnte sie wieder nach Hause. Suchend blickte Edda in die Runde. Niemand da. Also setzte sie sich auf einen Hocker an den Tresen.

Nach einer gefühlten Stunde, also nach ungefähr zehn Minuten, kam ein junger Mann mit Dreitagebart herein.

Was soll’ s sein? So früh ist hier noch nichts los. Am besten kommste später wieder. Tät mir auch besser passen. Dann kann ich noch etwas chillen.

Edda Asmussen, V ermisstenstelle Kiel. Ich komme wegen Emily Pedersson. Die soll hier am Samstag aufgekreuzt sein und wird seitdem vermisst. Irgendwelche Erinnerung an sie? Wennste chillen willst, dann aber los. Je fixer die Antwort, je schneller biste mich los.

Pedersso n? Pedersson? Dunkle lange Haare, stark geschminkte Augen? Um die zwanzig?

Hier, das ist ein Foto von ihr.

Joo, die mein ich. Wann soll die hier gewesen sein?

Samstag .

Ja, die war hier. Mit ner Clique. Fünf oder so. Bis sich die beiden Tussen gezofft haben. Eine war die Pedersson. Die da vom Foto. Die ist dann los. Stinksauer.

Wann?

Ungefähr Mitternacht. Ich guck nicht dauernd auf die Uhr.

Sonst noch was?

Nö.

Alles Klaro. Danke. Tschüssie.

***

Malte Baumann zündete sich eine Zigarette an und inhalierte tief. Sauber. Was für ein Genuss.

Malte hatte am Silvesterabend beschlossen, ab dem ersten Januar, nach dem Aufstehen, das Rauchen aufzugeben. Er hatte einige Tage durchgehalten. Das war schon was. Aber nun musste er sich erst einmal stärken.

Dann betrat er den Fêtenkeller. Kalli, wie sich Kai Carlson hier nannte, stand schon bereit und erwartete ihn. Kalli und er waren zusammen zur Schule gegangen. Enge Freunde gewesen. Inzwischen hatten sie sich etwas aus den Augen verloren, aber sobald sie zusammen waren, sprang der Funke sofort über.

He, he, Kalli. Was geht?

N ’ Bierchen?

Bin im Dienst.

Also n’ dienstliches Bierchen auf’s Haus.

OK. Mach rüber.

Willst was über die schnuckelige Emmy wissen? Deshalb der Anruf und unser „Date“ so früh hier?

Emmy?

Ja, so heißt sie unter Freunden.

Ah. Wusste ich nicht. Emmy. Genau. War da was? Samstagnacht?

Sie kam alleine. Nach Mitternacht. Zu Fuß, wie sie sagte. Lappen ist weg seit ein paar Wochen.

Und? S päter?

Sie hatte schon was gehabt. N’ Bierchen oder drei oder vier. Hier hatte sie ein paar Cola-Rum. War da wer? Nicht, dass ich wüsste. Oder doch, son Typ. Um die 30, ja, oder auch jünger. Oder älter. War ziemlich dunkel hier und viel Betrieb. Trug ne Mütze, der Kerl. Dunkelblau, grauer Rand. BOSS stand drauf. Auf der Mütze. Brille, dunkler Rand. Bart. Ja, vom Gesicht war wenig zu erkennen. Und Größe? Schwer zu schätzen. 1,80 oder so.

Und der hat Emmy angemacht?

N ee, der hat nur ein Wasser getrunken. Deshalb hab ich ihn so genau beobachtet. Wasser inner Kneipe, um die Zeit. Na, vielleicht war er trocken und wollte noch mal Atmosphäre schnuppern.

Ja, und?

Was? Ja und?

Ja, was hat er mit dieser Emmy zu tun?

Ach so, ja, Emmy hat ihn angemacht.

Und?

Ne e, er hat gar nicht reagiert. Ist dann weg.

Und wann ging Emmy?

Wenig später. Zwei Uhr? So den Dreh.

Danke für ’s Bierchen, Kalli. Das war’s schon. Bleib sauber.

Noch eins?

Ne e, lass man stecken. Ich muss.

Im Dienst. Jo, bis demnächst mal. Ohne Dienst. Und ... bleib flauschig, Malte.

***

Von der Ausbeute der beiden Kneipen war Okka mehr als enttäuscht. Ebenso wie Birke Engel, die ungewöhnlich häufig anrief und neue Infos über die Vermisste wissen wollte. Fast schon nervig, die Zeitungs-Tante, dachte Okka. Aber so verdienen sie ihr Geld, die Journalisten. Mord, Totschlag, Unfälle, Missbrauch. Was für ein Beruf. Nur immer über das Unglück der Menschen schreiben. Na ja, Polizistin war auch nicht viel besser. Das Leben ist kein Ponyhof. Leider.

***

Birke Engel war mehr als enttäuscht. Was sollte sie da schreiben? In den von Emily besuchten Kneipen gab es nur wenige bis gar keine Hinweise? DA würden sich ihre Leser drum reißen, hahaha. Nein, dachte Birke, nun bin ich schon genauso drauf wie mein Bruder Fredderik. „Journalisten sind alle nur hinter Sensations-Storys her. Und wenn’s keine gibt, konstruieren sie welche. Lügen ist deren Lebensunterhalt, Birke. Lass da nur die Finger von.

Nein, eigentlich machte ihr der Beruf Spaß. Eigentlich.

Wie gut, dass da noch die Sache mit dem Handy lief. Wenn sie das wieder einschalten würde, dann hätte die Polizei Emilys Standort. Oder wenigstens den von Emilys Handy. Mal sehen, was da die beste Lösung war. Planen, sich Zeit lassen, genau prüfen. Sonst ging das noch nach hinten los. NIE zur falschen Zeit am falschen Ort!!!

Die Info über die BOSS Mütze war allerdings interessant.

***

Mama?

Mama? Endlich.

Wo warst du nur so lange? Wo ist mein Handy? Hast du’s mit?

Emily, hier unten gibt es keinen Empfang. Also habe ich es weggelegt.

Ich hab Hunger.

Dort l iegen noch die Cheeseburger.

Ich hasse Cheeseburger.

Dann hast du auch keinen Hunger, mein Lieb. Wie geht es dir?

Beschissen. Ich WILL hier RAUS.

Schrei nicht so rum, sonst muss ich dich züchtigen.

Du bist IRRE. Übergeschnappt. Einfach GAGA.

Gut, dann spielen wir mal ein Spielchen. Ein Gaga-Spielchen.

Ich hasse Spielchen.

Wen hattest du lieber? Mama oder Papa?

Papa.

Welchen Alptraum träumst du immer wieder?

Dass du mit mir Spielchen spielst.

Welchen Alptraum träumst du immer wieder?

Was soll das?

Willst du hier ewig gefesselt bleiben ? Nein? Dann antworte!!! Welchen Alptraum träumst du immer wieder?

Wie Jella ins Wasser läuft und ich ihr nicht helfen kann.

Wolltest du ihr helfen?

Ich hab versucht, sie aus dem Priel zu ziehen!!!

Wie heißt der Pin deiner Bildschirmsperre?

Willst du in meinem Handy rumspionieren? Nee, geht gar nicht.

Wie heißt der Pin deiner Bildschirmsperre?

NEIN!

Gut, dann sehen wir uns morgen wieder.

Nein, Mama. Nein, es ist 3236. Bleib. Bitte.

Nein, ich gehe jetzt. Hier, das KT. Da steht was drin über dich. Lies es.

Emily P. (19) aus Süderfelde seit Sonntag vermisst

Spur verliert sich nach dem Fêtenkeller in Kiel

Von Birke Engel

Süderfelde/Kiel - Von Emily P. (19) aus Süderfelde fehlt jede Spur. Die junge Frau wird seit einem Besuch im Fêtenkeller in Kiel am Samstag vermisst. Sie trennte sich im Milliöh nach einem Streit von ihrer Clique und besuchte den Fêtenkeller in Kiel, vermutlich alleine. Hinweise bitte an die Polizeidirektion Kiel oder an das „Kieler Tagblatt“.

Mama? Die suchen mich? Überall? Mama? LASS MICH NICHT ALLEINE!!!

***

Überall diese Eierpappen. Ich will hier raus. Was Mama wohl mit dem Pin will? Sicher in meinem Handy schnüffeln.

Wen ich lieber hatte? Mama oder Papa? Was glaubt sie wohl? Wo sie uns vor 13 Jahren einfach verlassen hat. Zack, ich bin dann mal weg.

Ich hab Hunger. Diese ekeligen kalten Cheeseburger. Ughh, igitt, die riechen schon so muffig. Mal probieren. Boah, mir wird gleich schlecht. Der Geruch. Übelst.

Diese verfluchte Kette am Bein. Von innen mit Teddystoff gefüttert. Wie geil ist das denn??? Du peilst doch nix mehr, Mama. Textest mich nur zu mit deinem Scheiß. Wie gut, dass du 13 Jahre weg warst. Hättest uns sonst alle gaga gemacht.

Ich hab doch Jella nicht ins Wasser gedrückt. Was sie einfach so BEHAUPTET!!! Das stimmt doch nicht. Mama, du LÜGST. Ich bin keine Mörderin. Mit sechs. Und wenn, dann hättest du mich so erzogen. Willst du das? Ist das besser? Nein, ich habe meine Schwester geliebt.

Diese irre Discokugel. Warum ist sie noch an? Mama, bist du noch irgendwo? Und dieses Schlagzeug. Und immer nur Cola. Ich möchte mal WASSER. Die Cola ist völlig abgestanden.

Mama?

Ja, Emily. Hast du nachgedacht?

Worüber?

Über Jella.

Mama, ich hatte Jella lieb.

Hier, Emily. Ein Briefumschlag. Beschrifte ihn bitte.

An Birke Engel, Redaktion Kieler Tagblatt, Redaktionsstraße 134-136

Warum?

Frag nicht immer. Tu’s einfach.

OK. Stift?

Hier.

Na? Geht’s?

Prima, Emily. Ich hab dir auch was mitgebracht. Sushi.

Igitt. Wie ekelig. Ich mag doch keinen Fisch.

Iss oder hungere. Bis morgen.

***

Emily weiterhin spurlos verschwunden

Seit Sonntagnacht wird die 19jährige Emily Pedersson aus Süderfelde vermisst

Von Birke Engel

Süderfelde/Kiel -

Hinweise und Befragungen haben ergeben, dass die Vermisste sich in der Nacht von Samstag zu Sonntag zunächst mit ihrer Clique im Milliöh in Kiel aufgehalten hatte. Danach sei sie nach einem Streit alleine in den nahegelegenen Fêtenkeller gegangen, berichtete die Pressesprecherin der Polizei. Seitdem fehlt von der jungen Frau jede Spur.

Die Polizei plant im Moment, am Selenter See Taucher einzusetzen und das Waldstück zwischen Fêtenkeller und Emilys Wohnung mit Spürhunden abzusuchen. Einige Hinweise verdichteten sich, dass Emily sich dort gerne aufhielt. Zwei Nachbarn wollen Emily dort am Montag gesehen haben.

Die 19-Jährige ist circa 175 Zentimeter groß und schlank. Sie trägt ihre dunkelblonden langen Haare ohne Pony, zusammengebunden zu einem Pferdeschwanz.

Ein Foto der Vermissten ist unter „Presseportal-Vermisst“ abrufbar.


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