Читать книгу PENNYFLAX - Andreas Bulgaropulos - Страница 5

Gefahr im Druntertal

Оглавление

Nachdem Pennyflax die Brücke überquert hatte, erreichte er auf der anderen Seite des Rauschebachs eine Trauerweide, deren Äste das Wasser berührten. Er kletterte neben dem Weg zum Bachbett hinunter, kniete sich am Fuß des Baumes hin und tastete unter den Wurzeln herum. Nur Augenblicke später wurde er fündig und zog einen dicken Engerling aus der Erde, dann noch einen und noch einen. Ohne zu zögern, steckte er sich die zappelnden Käferlarven in den Mund und zerkaute sie mit Genuss, so dass es knackte – ein köstliches Frühstück. Anschließend stieg er wieder hoch zum Weg, holte seine Flasche aus der Hutkrempe und befüllte sie am Himbeerbusch mit Himbeersaft. Dann schlenderte er weiter.

Während Pennyflax an einem Zaun entlang spazierte und sein Lieblingslied vor sich hin pfiff, beobachtete er die zwei Kobolde Triefauge und Schniefnase, wie sie hinter dem Zaun eine Herde Wollmäuse über die Wiese trieben. Die Wollmäuse tollten fröhlich umher und sahen aus wie wuschelige Kugeln, die übereinander hüpften. Sie gaben Wolle und Milch, aus der die Garstinger warme Kleidung und einen vorzüglichen Käse herzustellen vermochten. Leider waren Triefauge und Schniefnase ziemlich faule Schäfer, weshalb die Tiere manchmal ausbüxten und sich an Stellen herumtrieben, wo man sie gar nicht gerne sah. Doch abends kehrten sie brav zu ihrer Weide zurück. Wollmäuse besaßen sogar einen ausgeprägten Sinn für Schabernack, denn wenn sie genügend Blaukraut gefressen hatten, pupsten sie mit Triefauge und Schniefnase um die Wette.

Schon bald lagen Pennyflax’ Dorf und die Wollmäuse hinter ihm. Er wanderte kilometerweit über die Landstraße, durchquerte ein Wäldchen mit einem Tümpel, an dem mehrere Firlefanzfeen tanzten, und kam an der Ruine einer alten Gnomenburg vorbei, in der es nachts spukte. Am Gelbeitersumpf nahm er die Beine in die Hand, da man sich in dieser Gegend besser nicht zu lange aufhielt: Dort hauste Swampdotti, ein vieläugiges Sumpfmonster, das der Legende nach eine schöne Elfenprinzessin gewesen war, bis Sulferion, der Hexenmeister des Feuerberges, sie verflucht hatte. Seitdem lauerte Swampdotti in den Sümpfen unvorsichtigen Reisenden auf, um sie in den Morast hinab zu ziehen.

Über die anderen Landesteile von Eraluvia, der Welt, in der Pennyflax lebte, wusste der Kobold nicht allzu viel. Am besten waren ihm die »Weidenwiesen« bekannt, ein Feuchtgebiet im Westen, mit Teichen, Schilfbüschen und dem Blauwassersee in der Mitte. Dann gab es die Kargfelsen-Ebene im Nordwesten, hinter der sich die Brennenden Lande erstreckten und die Sulferion der Hexenmeister beherrschte. Im Norden lagen der Finsterwald und noch höher hinauf das Frostspitzen-Gebirge, wo Eisgeister und Schneetrolle hausten. Und schließlich im Osten, weit weg von hier, lag Viancáru, das Elfenreich. Doch diese fernen Gebiete hatte kaum ein Kobold zu Gesicht bekommen. Genauso wenig wie die Küste des stürmischen und gefährlichen Ozeans an den Südklippen.

Inzwischen stand die Sonne hoch am Himmel, an dem kein Wölkchen zu sehen war, und Pennyflax dachte bei sich, wie abscheulich er schönes Wetter eigentlich fand. Denn wie es sich für einen ordentlichen Kobold gehörte, liebte er Regenwetter. Wenn es wie aus Eimern schüttete, wenn Blitze über den Himmel zuckten und der Donner so laut knallte, dass es einem die Fußnägel aufkrempelte – dann fühlte er sich am wohlsten. Aber seit er ein Haustier besaß, hatte er sich an die Sonnentage gewöhnt, da Fauch ungerne bei schlechtem Wetter auf Entdeckungstour ging.

Überhaupt hatte der Drachling für eine Menge Wirbel gesorgt, als Pennyflax ihn vor zwei Jahren mit in sein Dorf gebracht hatte. Einige der Koboldkinder waren vor Angst bis auf die Baumspitzen geklettert, und die Älteren hatten vor Wut ihre Messer oder Stöcke gezogen und gefordert, der »gefährliche Feuerspucker« möge wieder dorthin verschwinden, wo er hergekommen war. Doch Pennyflax vermochte seine Mitbürger schnell von Fauchs Nutzen zu überzeugen, denn der Drachling konnte nicht nur mit seinem Flammenatem Sand zu Glas schmelzen, wodurch die Kobolde im Ort endlich Fenster für ihre Behausungen bekamen. Sondern er war eine prima Abschreckung gegen die bösartigen Hornissen, die bis dahin regelmäßig das Dorf heimgesucht hatten. Darum durfte Fauch bleiben, und alle Kobolde akzeptierten ihn mittlerweile. Bloß seine Nahrung zu besorgen, gestaltete sich schwierig, da er ausschließlich Feuersteine fraß, die man nur auf der Kargfelsen-Ebene oder dahinter in den Brennenden Landen fand. Doch so weit wagte man sich lieber nicht vor, denn Sulferions Goblins machten Jagd auf jeden, der sich dorthin verirrte.

Pennyflax blieb auf einer Anhöhe stehen und legte die Hand über die Augen. Er hatte sein Ziel erreicht. Unter ihm erstreckte sich das Druntertal, eine Senke, in der Obstbäumchen blühten, frisches Gras spross und durch die sich ein Fluss schlängelte, an dessen Ufern man wunderbar fischen konnte. Und natürlich wuchsen hier auch die Flausenpflanzen. Am anderen Ende des Druntertals erhob sich der Drüberhügel, dessen Hänge in der Mittagshitze flimmerten, und dahinter, in der Ferne, erkannte man den Finsterwald.

Gut gelaunt spazierte Pennyflax den Weg bergab, bis er unten im Tal ankam. Nach nur wenigen Metern flockten ihm bereits die Flausen entgegen, die vom Wind im ganzen Druntertal verteilt wurden und sich wie Zuckerwatte in den Grasbüscheln, den Farnen und den Ästen der Apfelbäume verfingen. Sofort zog Pennyflax den Sack hervor, den er mitgebracht hatte, und begann die Flausen hineinzustopfen. Er musste sich nicht einmal die Mühe machen, die Samenkapseln der Flausenpflanzen zu öffnen, die die Größe von Köpfen besaßen. Denn so viele der watteähnlichen Bäusche wirbelten durch die Luft, dass er vor Vergnügen jauchzte, von einer Stelle zur nächsten rannte und gar nicht wusste, wie er diese Schätze nach Hause bringen sollte. Sogar am Ufer des Flusses türmten sich die Flausen zu kleinen Bergen auf, was den Eindruck erweckte, als ob Schaum oder flauschige Eisschollen übers Wasser trieben.

In weniger als zehn Minuten hatte Pennyflax seinen Sack gefüllt und musste sich nach irgendeinem anderen Behältnis umsehen. Er suchte eine Stelle, die er leicht wiederfinden konnte und versteckte den Sack unter einem Felsen, bei dem viele hübsche aber giftige Fingerhutblumen wuchsen. Dann lief er weiter in das Tal hinein, in der Hoffnung, wenigstens einen Windbeutelbusch zu entdecken. Hatte man nämlich den Wind erst mal aus den Windbeuteln herausgelassen, boten sie viel Platz für alle möglichen Dinge.

Um eine bessere Übersicht zu haben, kletterte Pennyflax auf einen Apfelbaum und ließ den Blick schweifen. Gerade als er tatsächlich einen Windbeutelbusch entdeckt hatte und wieder von dem Baum heruntersteigen wollte, bemerkte er in zehn Metern Entfernung etwas Funkelndes zwischen den Büschen. Er schaute genauer hin und erkannte ein Ding, das in der Sonne glänzte. Ein Gebilde, das Ähnlichkeit mit einem riesigen Edelstein besaß und in seiner Größe einem Koboldhaus gleichkam.

Neugierig geworden ließ sich Pennyflax ins Gras plumpsen und lief schnurstracks in die Richtung des Funkelgebildes. Dabei murmelte er vor sich hin: »Verzwurbeldingst! Hab noch nie so ein Riesenedelsteinhaus gesehen. Denn wenn ich’s schon mal gesehen hätte, wüsste ich ja, ob dieses glitzernde Dingsbumsding da drüben gefährlich ist oder nicht.«

Während er sich vorsichtig dem Funkelgebilde näherte und die Flausen bereits vergessen hatte, drang ein Geräusch an seine Spitzohren, das zunächst wie das Säuseln des Windes, dann wie eine zarte Melodie klang. Je näher Pennyflax dem Objekt kam, desto lauter wurde die Melodie und desto mehr verzauberte sie ihn. Schließlich schob er einige Farnzweige beiseite, trat durch das Gestrüpp – und ihm fiel vor Staunen die Kinnlade runter: Das, was sich da vor ihm auf der Wiese erhob, reichte bis an die Kronen der Apfelbäume heran und wirkte tatsächlich wie ein riesiger Saphir, ein blauer Edelstein, in dessen Facetten sich das Sonnenlicht brach.

Pennyflax musste die Hand vor seine Augen halten, weil ihn die Helligkeit so blendete. Mit allergrößter Wachsamkeit umrundete er das fremdartige Gebilde und fand heraus, dass es eine Tropfenform besaß, deren Spitze gen Himmel zeigte und deren dickes Ende auf dem Boden stand. Jedoch nicht direkt auf dem Boden, sondern auf drei Stützfüßen, die in der Erde steckten. Das Interessanteste aber war die Öffnung auf der Rückseite des Riesensaphirs, aus der die Melodie ertönte, die wie ein Glockenspiel in Pennyflax’ Ohren klingelte.

Noch viel vorsichtiger, doch von der Neugier getrieben, schlich er zu der Öffnung, robbte sich die letzten Meter auf dem Bauch heran und spähte hinein. Drinnen glitzerte alles, wie in einem blau erleuchteten Haus. Oder als ob man unter Wasser die Augen öffnete und in einen See blickte. Dann erkannte Pennyflax Einzelheiten, wie einen großen Tisch, davor einen Sessel und drumherum verteilt viele Hebel, Knöpfe und Blinklichter, ähnlich wie bei einer Maschine. Und rechts an der Wand, auch in blau, glaubte er eine Karte von Eraluvia zu erkennen. Nur auf der linken Seite lag etwas Grünes in der Ecke, das sich bewegte und schnaufte. Es machte sich am Boden zu schaffen und zerrte an einem dreieckigen Kristall herum, aus dem jene Glockenspielmelodie drang.

Plötzlich sprang das grüne Etwas vom Boden hoch, stieß einen triumphierenden Schrei aus und drehte sich um. Pennyflax erschrak zutiefst, als er erkannte, wer dieser Grünhäuter war: ein Goblin! Die hässliche Kreatur mit den roten Augen und Raubtierkrallen hatte den dreieckigen Melodiekristall aus der Halterung am Boden gerissen und stürzte nun mit seiner Beute zum Ausgang. Gerade rechtzeitig vermochte sich Pennyflax zur Seite zu rollen und hinter einem Busch zu verstecken, da sprang der Goblin auch schon aus dem Edelsteinhaus nach draußen, rannte über die Wiese und verschwand zwischen den Bäumen.

Die Melodie verklang währenddessen.

Wie gelähmt lag Pennyflax im Gras und fragte sich, was ein Goblin im Druntertal zu suchen hatte. Bisher waren ihm die grünhäutigen Räuber nur wenige Male begegnet, denn sie lebten fern von hier in den Brennenden Landen und gehorchten den Befehlen von Sulferion dem Hexenmeister. Ihr Erscheinen bedeutete immer Ärger, doch wenn sie sich auf ihren Beutezügen mittlerweile bis ins Druntertal vorwagten, befand sich vielleicht auch Garstingen in Gefahr. Eine weitere gute Frage war, ob das blaue Edelsteinhaus, mit seinen Hebeln und Blinklichtern im Inneren, den Goblins gehörte. Möglicherweise handelte es sich um eine Kriegsmaschine. Doch warum hatte der Grünhäuter dann den dreieckigen Melodiekristall gestohlen?

Pennyflax hatte den Schock überwunden und nahm die Verfolgung des Goblins auf. Er musste herausfinden, ob tatsächlich eine Bedrohung für sein Heimatdorf Garstingen und die Kobolde bestand.

PENNYFLAX

Подняться наверх