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Goblins!

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Ohne auch nur einen weiteren Gedanken an die Flausen oder den Pustekuchen zu verschwenden, hetzte Pennyflax durch das Gestrüpp des Druntertals, immer dem Goblin hinterher. Die Spur war nicht schwer zu verfolgen, da die grünhäutige Kreatur überall, wo ihre Krallenfüße den Boden berührten, Abdrücke hinterließ, in denen das Gras verdorrte. Außerdem vermochte Pennyflax den Gestank zu riechen, der in der Luft hing, denn Goblins fraßen ausschließlich Totes – und badeten bestimmt nur einmal alle hundert Jahre. Doch selbst ohne die Fußabdrücke und den Gestank war die Verfolgung ein Leichtes: Der Goblin hatte den Melodiekristall gestohlen, dessen Glockenspieltöne leise aber deutlich zu hören waren.

Nach zehn Minuten Verfolgungsjagd, die Pennyflax durch das Druntertal bis vor den Drüberhügel geführt hatte, stoppte er am Rande einer Lichtung, die von Walnussbäumen und Brennnesseln umringt war. Auf Zehenspitzen schlich er weiter voran, um einen Blick hinaus auf die Lichtung zu werfen, doch bevor er etwas sah, hörte er Schreie und ein Grunzen, das wie Gelächter klang und aus mehreren Kehlen erschallte.

Verzwurbeldingst!, dachte Pennyflax bei sich und schielte zwischen den Brennnesseln hindurch. Hat mir die Sonne mein Gehirn geröstet oder sehe ich da draußen fünf Goblins?

Doch er hatte sich nicht getäuscht: Auf der Lichtung brannte ein Lagerfeuer, vor dem sowohl der Goblin mit dem Melodiekristall als auch vier seiner Brüder einen Freudentanz aufführten, vermutlich wegen der Beute, die sie gemacht hatten. Jeder der grünhäutigen Widerlinge trug einen Zopf oben auf seinem Schädel, als einziges Kleidungsstück einen Lendenschurz und war behängt mit Halsketten, Ohr- und Nasenringen, die aus Knochen bestanden. Während sie ausgelassen umherhüpften, traten sie immer wieder auf etwas ein, das am Boden lag und das Pennyflax von seiner Position aus nicht erkennen konnte. Deshalb schlich er ein Stück um die Lichtung herum, und endlich bot sich ihm ein guter Blick auf das Geschehen.

Dort, mitten auf der Wiese, kauerte vor den Goblins ein Wesen, wie es Pennyflax noch nie zuvor gesehen hatte. Es besaß eine bleiche, silbrig schimmernde Haut, war sehr schlank und trug Gewänder, die so leicht wie Geistertuch im Wind flatterten. Noch außergewöhnlicher war jedoch das Licht, das der Fremdling am ganzen Körper ausstrahlte und das den Boden um ihn herum beleuchtete. Auf seinem Kopf saßen zwei längliche Dinger, die Pennyflax zunächst für Hörner hielt, sie aber kurz darauf als Ohren erkannte. Zudem schien der Fremde verletzt zu sein, denn er stöhnte und wälzte sich im Gras.

Pennyflax vermochte nun auch das Gegrunze der Goblins zu verstehen, deren Anführer offenbar Gurag hieß und derjenige war, der den dreieckigen Melodiekristall aus dem Edelsteinhaus erbeutet hatte.

»Huar har har!«, grölte der Goblinanführer hämisch und drohte dem Fremden mit seinem Messer. »Bleichling bestimmt traurig, weil seine Flugmaschine kaputt! Aber Bleichling bestimmt noch viel trauriger, weil Gurag nun seinen Melodiekristall hat! Gurag bringt Kristall und Bleichling zum Feuerberg. Sulferion wird Gurag belohnen, weil er kostbare Beute gemacht hat, und vielleicht schickt Sulferion Gurag zurück, auch die Maschine zu holen, mit der Bleichling vom Himmel fiel. Dann wird Gurag berühmt und zum Chef aller Goblins der Brennenden Lande ernannt. Doch vorher …«, der Goblinanführer beugte sich grinsend zu dem Fremden hinunter, packte ihn mit seiner Krallenhand an der Kehle und funkelte ihn aus seinen roten Augen an. »Vorher werden Gurag und seine Jungs den Bleichling noch ein bisschen quälen! Huar har har!« Die anderen Goblins fielen in das Gelächter ihres Anführers ein und tanzten wild um den Gefangenen herum.

Pennyflax konnte gar nicht hinschauen, so gemein fand er diese Grobiane. Doch immerhin hatte er begriffen, dass das blaue Edelsteinhaus nicht von den Goblins stammte, sondern tatsächlich eine Maschine war, die dem Fremden gehörte. Und wahrscheinlich waren die Goblins auch nicht ins Druntertal gekommen, um von hier aus nach Garstingen zu marschieren. Trotzdem konnte Pennyflax die Quälerei des Fremdlings unmöglich zulassen. Denn er war zwar ein Kobold und immer zum Streichespielen bereit, aber er hasste Ungerechtigkeit. Vor allem dann, wenn mehrere auf einen losgingen. Deshalb begann er zu grübeln, ob er gegen die fünf Gegner, die alle doppelt so groß waren wie er selbst, auch nur die geringste Chance hatte. Nur eine List konnte da helfen.

Zum Glück fielen ihm die Knallfrösche in seiner Hosentasche ein, die Meister Snagglemint, der Magiker aus seinem Dorf, hergestellt hatte und ohne die Pennyflax nur selten das Haus verließ. Damit musste sich doch irgendetwas anfangen lassen. Vielleicht in Verbindung mit der Zwille, seiner Steinschleuder, die er ja heute Morgen an seinen Gürtel gehängt hatte und mit der er jedes Ziel auf sieben Meter Entfernung zu treffen vermochte.

Im Schutz der Brennnesseln schlich Pennyflax ein Stück näher an die grölenden Goblins und ihr Lagerfeuer heran. Über dem Feuer hing ein Topf, in dem es blubberte und dessen Inhalt einen fürchterlichen Gestank verbreitete, da die Kerle gewiss ihr Lieblingsessen kochten, eine Suppe aus Schlangenaugen, Giftkrötenschleim und Käsefuß-Käse. Doch das Feuer interessierte Pennyflax viel mehr als der Topf, weil ihm eine Möglichkeit eingefallen war, wie er die Bande in die Flucht schlagen konnte. Er fischte eine Handvoll Knallfrösche aus seiner Hosentasche und reihte sie auf einem Ast auf. Anschließend zog er seine Zwille, legte den ersten Knallfrosch in das Gummiband und spannte es so weit er konnte.

Pennyflax ließ los, und das Geschoss zischte über die Wiese, um direkt im prasselnden Lagerfeuer der Goblins zu landen. Ohne zu zögern schoss er einen zweiten Knallfrosch hinterher, dann einen dritten und einen vierten, bis seine Munition in Sekundenschnelle aufgebraucht war. Sofort danach duckte er sich und hielt sich die Ohren zu.

Nur einen Atemzug später explodierte der erste Knallfrosch mit einer solchen Lautstärke, dass das Echo wie ein Donnerschlag durch das Druntertal schallte. Die brennenden Holzscheite des Lagerfeuers flogen in hohem Bogen davon und trafen die überraschten Goblins, die vor Aufregung in alle Richtungen auseinander stoben und flüchteten. Doch bevor sie sich von ihrem Schrecken erholen konnten, explodierten die anderen Knallfrösche und verursachten unter den Widerlingen die blanke Panik. Sie brüllten etwas von »böser Zauber« und rannten über die Lichtung, während ihnen die lodernden Stöcke und Funken ihres Lagerfeuers um die Ohren flogen. Und natürlich segelte der Topf mit der Stinkesuppe ebenfalls durch die Luft, genau auf einen der Halunken herab. Dieser begann fürchterlich zu heulen und fuchtelte wild mit den Armen, als sich der Topf über seinen Kopf stülpte und ihm die heiße Suppe über die Nase lief.

Pennyflax hockte hinter den Brennnesseln und lachte sich kugelrund über den Streich, den er der Bande gespielt hatte. Um den Goblins auf ihrer Flucht so richtig Beine zu machen, schoss er mit seiner Zwille haufenweise Steine hinter ihnen her, weshalb sie immer wieder aufschrien und noch schneller rannten. Leider hatte sich ihr Anführer namens Gurag den gestohlenen Melodiekristall in den Gürtel gesteckt und hetzte zur anderen Seite der Lichtung, wo Pennyflax erst in diesem Augenblick eine verfallene Holzhütte und einen Brunnen bemerkte. Bevor er wusste was geschah, sprang ein Goblin nach dem anderen auf den Brunnenrand, packte das Seil, das an der Winde über dem Loch befestigt war, und rutsche in die Tiefe hinunter. Das Schlusslicht bildete der Goblinanführer, der sich noch einmal umdrehte, Pennyflax erblickte und ihm wütend mit der Faust drohte. Dann sprang auch er in den Brunnen hinein.

Pennyflax wartete, bis die Schreie der Halunken in der Tiefe verklungen waren, was auf einen unterirdischen Tunnel schließen ließ, der weiß Gott wohin führen mochte. Danach wagte er sich auf die Lichtung hinaus.

Zu seiner Erleichterung hatte der Funkenflug des Feuers keine Flausen entzündet, die an dieser Stelle des Tals ohnehin kaum noch vorkamen. Doch auch der seltsame Fremde war zum Glück von den Flammen verschont geblieben und erhob sich nun. Er leuchtete tatsächlich am ganzen Körper, beinahe wie blasses Mondlicht, und seine Größe war erstaunlich, denn er überragte selbst einen Goblin um zwei Köpfe. Mit seinen tellergroßen Augen, die blau strahlten, schaute er sich um und schritt so leichtfüßig auf seinen Retter zu, als ob er schwebte.

Auch Pennyflax näherte sich dem Fremdling und bemerkte, dass dieser verwundet war und hinkte. Er glaubte sogar, an dessen geisterhaft luftiger Kleidung einen silbernen Blutfleck zu erkennen. »Garstigen Tag«, grüßte Pennyflax höflich und hob seinen Hut, unter dem sofort einige Haarbüschel hervorquollen. »Gerade nochmal gutgedingst mit den vermaledeiten Goblins, gelle? Mein Name ist Pennyflax, und ich komme aus einem Dorf exakt zwei bis zwölf Schlenderstunden von hier entfernt. Kommst bestimmt auch irgendwoher, oder? Und falls nicht … haste wenigstens einen Namen?«

Der Fremde blickte auf sein Gegenüber herab, dieses spitzohrige Kerlchen mit der löchrigen Jacke, der braunen Haut, die ein bisschen wie Baumrinde wirkte, und dem Schlapphut, in dem eine Flasche Himbeersaft steckte. Er machte eine Verbeugung vor dem Kobold und entgegnete feierlich: »Nennen sollst du mich ›Lunosilubra‹, und danken möchte ich dir für deine Hilfe, oh mutiger Krieger, der das Feuer beherrscht.«

Pennyflax prustete los. »Krieger? Nix da! Bin bloß ’n Kobold, der Flausen im Kopf hatte und der Ungerechtigkeit genauso doof findet, wie Haare kämmen. Übrigens: Was wollten die Fieslinge von dir, Luno…, äh, Luno…si…dingsbums?«

»Lunosilubra«, entgegnete der Fremde mit seiner sanften Stimme, die wie aus weiter Ferne zu kommen schien.

»Klarifari … werde dich einfach Luno nennen«, entschied Pennyflax. »Also, was wollten die?«

Luno hob theatralisch die Arme zum Himmel. »Vor einer Weltenumdrehung kam ich zu euch nach Eraluvia herunter, um hier nach einer Arznei für meine geliebte Frau zu suchen, denn der Mondwolf hat sie gebissen und nun liegt sie mit Fieber im Bett. Unsere Heiler sind ratlos, weshalb ich den weiten Weg mit meinem blauen Luftschiff vom Mond bis hierher auf mich nahm. Doch kurz nach meiner Landung im Druntertal überfielen mich diese grünen Kreaturen, pikten mich mit ihren Speeren und verschleppten mich.« Luno hielt sich die Seite und stöhnte ein wenig.

»Verzwurbeldingst!«, staunte Pennyflax und kratzte sich am Kinn. »Kommst also vom Mond, ja? Und das blaue Edelsteinhaus hinten bei den Apfelbäumen ist dein Luftschiff? Hätte nicht gedacht, dass du so ’n Himmelsflieger bist. Scheinst mir aber verwundet zu sein. Würde also vorschlagen, du fliegst zurück zu deinen Heilern und lässt dich gesundpflegen. Kannst ja danach wiederkommen. Dann zeigen wir’s den Goblins! Abgedingst?«

Der bleichhäutige Fremde mit dem Namen Lunosilubra ließ seine Ohren hängen und schüttelte den Kopf. »Dies wird nicht möglich sein, oh mutiger Krieger. Jene Kreaturen, die du Goblins nennst, haben meinen Phonolith mitgenommen, und ohne ihn sitze ich hier fest.«

Pennyflax glotzte. »Hä? Deinen was?«

»Meinen Phonolith. Den dreieckigen Stein, den der Goblinanführer aus meinem Schiff stahl«, erklärte Luno.

»Ah, jetzt klackern bei mir die Münzen! Du meinst den Melodiekristall!«

»Wenn der mutige Krieger ihn so nennen möchte«, nickte Luno. »Der Phonolith besteht aus Sternstaub, und ohne den Sternstaub kann mein Schiff nicht fliegen.«

Pennyflax überlegte, blickte sein Gegenüber entschlossen an und klopfte sich auf die Brust. »Na, dann ist die Sache klar wie Sumpfgeblubber: Ich hole den Kristall für dich zurück! Kann es nur nicht alleine gegen diese verflixte Goblinbande aufnehmen, und außerdem werden die Halunken mit ihrer Beute ruckizucki in die Brennenden Lande flitzen. Heißt also einerseitlich, ich brauche für den langen Weg viel Gedingse … äh, Ausrüstung. Und anderseitlich muss mein Drachling Fauch mich begleiten. Denn Fauch kann den Goblins mächtig einheizen!«

Luno verbeugte sich, soweit es seine Wunde zuließ. »Hab Dank, mutiger Krieger. Auch wenn ich nicht weiß, wer oder was ein Drachling ist, ruhen meine Hoffnungen auf dir. Ich befürchte jedoch, ich kann dir aufgrund meiner Verletzung keine große Hilfe sein. Deshalb werde ich in meinem Luftschiff auf deine Rückkehr warten.«

»Abgedingst!«, rief Pennyflax.

Und so begleitete er den silbrig schimmernden Mondmann zurück zu dem Riesenedelstein, den er vorhin noch für ein Haus gehalten hatte.

Nachdem sich Luno auf eine Liege in seinem Luftschiff gelegt hatte und vor Erschöpfung eingeschlafen war, machte sich Pennyflax auf den Heimweg nach Garstingen. Doch im Gegensatz zu heute Morgen rannte er so schnell er konnte, denn bedeutungsvolle Angelegenheiten nahmen Kobolde sehr ernst. Er hoffte nur, dass Luno durchhielt und nicht an seinen Verletzungen starb.

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