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Hinab in den Brunnen

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Es war bereits früher Abend, als Pennyflax, Shirah und Fauch am Druntertal ankamen. Die Sonne berührte fast den Drüberhügel auf der Westseite des Tales, wo sich einige Wölkchen rosa färbten. Während die drei hinunterstiegen, um zwischen den Apfelbäumen entlang zu wandern, kündigte das Vogelgezwitscher die Dämmerung an, und die Luft duftete nach Gräsern, Blüten und fruchtbarer Erde. Sie erblickten sogar ein Reh, das am Flussufer äste.

Shirah hatte sich unterwegs, am Rande der Gelbeitersümpfe, ein Schilfrohr abgeschlagen und mittlerweile ein anständiges Blasrohr daraus gefertigt. Pennyflax staunte ein weiteres Mal über die Fähigkeiten seiner Begleiterin, vor allem als sie ihm erzählte, dass sie für das Blasrohr Igelstacheln verwenden wollte, die sie in eine Traumkraut-Tinktur zu tauchen gedachte. Derjenige, der von einem solchen Stachel getroffen wurde, verkündete das Koboldmädchen stolz, sah lauter verrückte Dinge und fiel kurz darauf in einen tiefen Schlaf.

Wenige Minuten später erreichten die drei das Edelsteinluftschiff von Lunosilubra. Pennyflax klopfte vorsichtig an die Außenhülle des blauen Gebildes, und nach einem Augenblick öffnete ihnen der Mondmann die Tür. Shirah bekam zuerst einen Schreck, als sie den Fremdling sah, der bestimmt dreimal so groß war wie sie. Seine schimmernde Silberhaut, die Telleraugen und seine flötenartigen Ohren auf dem Kopf taten das Übrige. Doch gleich darauf bemerkte sie seine Verletzung und entnahm ihrem Kräuterbeutel eine Salbe aus Ringelblume, Kiefernnadelöl und Salbei, welche sie auf Lunos Wunde strich, um sie zu desinfizieren. Die Behandlung zeigte sofort Wirkung, denn er hörte auf zu stöhnen. Danach legte Shirah ihm einen Verband an und hatte sich schon an sein Aussehen gewöhnt.

Inzwischen ging Pennyflax zusammen mit Fauch zum Fluss, der sich durch das Druntertal schlängelte, weil er ein paar Fische für das Abendessen fangen wollte. Er hatte Fauch eingebläut, unter gar keinen Umständen zu nießen oder auch nur das geringste Flämmchen zu fabrizieren, denn das konnte die Flausen entzünden, die in dicken Bäuschen den Boden bedeckten. Am Flussufer holte Pennyflax eine Schnur und einen Haken aus seinem Rucksack, band sie an einen Stock und suchte sich einen Wurm, den er auf den Haken spießte. Nach nur einer Viertelstunde hatte er drei Fische gefangen und kehrte mit seiner zappelnden Beute zu den anderen zurück.

Als er bei dem Luftschiff ankam, war die Sonne hinter dem Drüberhügel untergegangen. Luno sah jedoch die Fische und weigerte sich, das Abendessen roh zu essen, so wie die beiden Kobolde dies vorhatten. Also berieten sie sich, und da Pennyflax ohnehin zu dem Brunnen wollte, in den die Goblins hinabgestiegen waren, wanderten die vier zu jener von Walnussbäumen und Brennnesseln umringten Lichtung hinüber. Dort war es wegen der Flausen ungefährlicher, ein Feuer zu machen, was sie auch taten und im Schein der knisternden Holzscheite beisammen saßen, um ihre Fische zu verspeisen – zwei davon roh, einen gegrillt. Dazu aßen sie Brot und Käse und tranken Himbeersaft oder Wasser vom Fluss. Und während Fauch an seinem Feuerstein knabberte, erzählte Luno den zwei Kobolden von seiner Heimat, dem Mond, wo die Städte silbern glänzten, die Bewohner luftige Gewänder trugen und die Erde wie eine blaue Kugel am Himmel stand.

Nach dem Essen versuchte Shirah Pennyflax davon zu überzeugen, sie in die Brennenden Lande mitzunehmen, da sie die Reise als Gelegenheit betrachtete, ihre Kräuterkenntnisse zu erweitern und mehr von der Welt zu sehen. Sie musste sich jedoch nicht sonderlich anstrengen, denn Pennyflax fielen kaum noch Gründe ein, auf ihre Hilfe zu verzichten. Und da das Koboldmädchen außer ihrem Heiler-Talent mittlerweile ein Blasrohr samt Schlafpfeilen besaß, freute er sich über die tatkräftige Unterstützung. Zudem hatten sie sich auf dem Weg hierher besser kennengelernt, und jetzt mochte Pennyflax sie noch ein bisschen mehr. Das hätte er ihr gegenüber natürlich niemals zugegeben, denn man wusste ja, was bei dieser ganzen Mögerei herauskam. Küssen war eklig.

Schließlich machten sich die beiden Kobolde bei Anbruch der Nacht bereit, in die Erde hinabzusteigen. Sie verabschiedeten sich von Lunosilubra, wobei Shirah dem Mondmann einige Anweisungen gab, wie er während ihrer Abwesenheit die richtigen Heilkräuter im Druntertal sammeln konnte, damit sie später ein Elixier für seine kranke Frau herstellen konnte. Dann gingen die drei mit Fauch hinüber zu der verfallenen Hütte und dem Brunnen, an dessen Winde nicht nur ein Seil, sondern auch ein Holzeimer baumelte.

Luno hob Pennyflax und Shirah auf den Brunnenrand und setzte Fauch in den Eimer, um ihn als ersten hinunterzulassen. Der Drachling hatte die Anweisung erhalten, jeden Goblin, der möglicherweise dort unten lauerte, mit seinem Feueratem zu vertreiben oder zumindest Alarm zu schlagen. Fauch flatterte vor Aufregung mit seinen kurzen Flügeln, und nachdem er über die quietschende Winde abgeseilt und der Eimer wieder hochgeholt worden war, kletterten Pennyflax und Shirah in das Holzgefäß. Die beiden warfen einen letzten Blick auf den Abendhimmel und sanken immer tiefer hinab, bis Lunos schimmerndes Gesicht über ihnen verschwunden und das Grillenzirpen des Druntertals verklungen war.

Dann umfing sie die Dunkelheit.

Je tiefer die zwei Kobolde kamen, desto feuchter und kühler wurde es, trotz der sommerlichen Wärme an der Oberfläche. Sie waren froh, eine dicke Haut fast wie Baumrinde zu besitzen, sonst hätten sie fürchterlich angefangen zu bibbern. Bald drang ein entferntes Rauschen an ihre Ohren, das auf einen Bach irgendwo hier unten hindeutete. Und schließlich berührte der Eimer den Boden des Brunnenschachts, kippte polternd um und entleerte seinen Inhalt auf das eiskalte Felsgestein neben einem Wasserloch.

Die Kobolde sahen die Hand vor Augen nicht, so rabenschwarz war die Finsternis, die hier herrschte. Nur Fauchs Augen glühten gelb. Der Drachling empfing sie mit einem Feuerstoß, wodurch Pennyflax seine Glühwürmchenlaterne hervorholen und sich umschauen konnte: Sie waren in einer Höhle gelandet, die direkt unter dem Brunnen lag und natürlichen Ursprungs sein musste. Von der Decke hingen Stalaktiten, Tropfsteine, die durch das Wasser gewachsen waren, das seit Jahrtausenden an ihnen heruntertropfte. Unter ihnen hatten sich am Boden ähnliche Steinspitzen gebildet, die Stalagmiten. Weiter hinten, gerade noch im Schein der Laterne zu erkennen, lag eine dunkle Öffnung in der Felswand, die der einzige Ausgang aus der Tropfsteinhöhle zu sein schien.

Nachdem sich ihre Augen an die unterirdische Schwärze gewöhnt hatten, schlichen die drei hinüber zu der Wandöffnung. Pennyflax befahl Fauch, mal kurz Feuer durch das Loch zu pusten, damit sie erkennen konnten, wohin der Weg führte und sie nicht in einen Abgrund stürzten. Doch nur Sekunden nachdem der Drachling mit seinem Feueratem einen Gang beleuchtet hatte, der hinter der Öffnung lag, wünschte sich Pennyflax, vorsichtiger gewesen zu sein: Plötzlich stob ein Schwarm Fledermäuse aus der Dunkelheit hervor und flatterte so dicht über ihn und Shirah hinweg, dass sie sich vor Schreck zu Boden fallen ließen. Für die zwei kleinen Kobolde wirkten die Tiere riesig, und ihr hohes Geschrei, das für Menschen unhörbar war, schrillte in den Ohren der beiden wie tausend kreischende Geister. Zudem hallte das Geflatter in der Höhle wider und wurde dadurch noch verstärkt. Nur Fauch hatte einen Heidenspaß daran, den Fledermäusen nachzujagen, weshalb sein Herrchen ihn zurückpfeifen musste.

Trotz des Schocks waren Pennyflax und Shirah ruckzuck wieder auf den Beinen. Sie hoben ihre Ausrüstung auf, begannen über ihre eigene Schreckhaftigkeit zu lachen und ließen absichtlich Rufe in der Höhle erschallen, nur um Spielchen mit den Echos zu treiben. Aber sie erinnerten sich schnell daran, wie weit man Echos selbst unter der Erde zu hören vermochte und verkniffen sich den Spaß. Anschließend betraten sie den Gang, der hinter der Wandöffnung lag und hatten sich bald von der Tropfsteinhöhle entfernt.

Im grünen Schein der Glühwürmchenlaterne stapften die beiden durch den Gang im Fels und folgten dem Wasserrauschen, das sie bereits die ganze Zeit hörten und das nun lauter wurde. Shirah entdeckte Spuren im Lehmboden, die nur von den Krallenfüßen des Goblinanführers Gurag und seiner Horde stammen konnten und nach Pennyflax’ Einschätzung einen halben Tag alt waren. Die beiden Kobolde folgten den Fußabdrücken, bis sich der Gang weitete und zu einem Tunnel wurde, durch den ein unterirdischer Bach rauschte. Neben dem sprudelnden und gluckernden Wasser, dessen Eiseskälte der Temperatur im Winter glich, verlief ein Pfad nach Norden. Das erkannte Pennyflax an Meister Snagglemints Magnetkiesel. Und da die Spuren ebenfalls in diese Richtung führten, hasteten er und seine Begleiterin geschwind den Weg entlang, um den Vorsprung der Räuberbande auszugleichen.

Irgendwann jedoch, nachdem sie Stunden den Spuren gefolgt waren, beschlossen die zwei Kobolde eine Pause einzulegen, denn an der Oberfläche musste es bereits Mitternacht sein. Neben dem Bach entdeckten sie eine Felsspalte, quetschten sich hindurch und gelangten in eine Grotte, in der ein Teich glitzerte und blaue Leuchtpilze wuchsen. Dort rollten sie ihre Decken aus und legten sich zum Schlafen nieder.

Während Fauch es sich zwischen ihnen gemütlich machte, stellte Shirah ihre Bimmelimm-Schrecke. Es handelte sich um ein Insekt im Glas, das einer Heuschrecke ähnelte, aber statt der Fühler zwei Glöckchen besaß, die einen Heidenlärm produzierten, wenn die Schrecke Hunger bekam. Nachdem sich die beiden Kobolde eine gute Nacht gewünscht hatten, schliefen sie und der Drachling ein.

Die vielfüßigen Bewohner der Grotte, die an der Decke herumkrabbelten, hatten jedoch alle drei nicht bemerkt.

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