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Ein anderer Ball
ОглавлениеGehen bei dir die letzten Schultage immer locker über die Bühne? Bei uns war das diesmal so. Am Wochenanfang gaben wir die Leihbücher ab und verlegten uns auf Lernspiele. Nur auf Leos Klasse wartete noch eine Herausforderung. Frau Hückli drückte ihnen einen Roman in die Hände: Tom Sawyers Abenteuer. Leo war alles andere als begeistert, in den Ferien einen Aufsatz darüber schreiben zu müssen. Aber zu meiner Überraschung verdrückte sie sich immer häufiger zum Lesen.
„Die Schwarte ist halt gut“, sagte sie, bevor schon zum fünften Mal die Tür hinter ihr zu schlug.
Fußballtraining fand zum Glück nicht mehr statt, schließlich hatte die Sommerpause begonnen. Dafür brachte Frau Schnett in die letzten Sportstunden noch etwas Neues mit: Badmintonschläger. Natürlich hatte ich das Spiel schnell drauf und versuchte auch meine Mama zuhause ein bisschen zu jagen.
„Du denkst wohl, du kannst mich austricksen?“, rief sie. „Na warte!“
Und dann musste ich rennen. Das hatte ich nicht erwartet. Rechts rum, links rum, vor, zurück; und wutsch, rutschte ich über die Wiese. Dabei traf ich den Federball so schief, dass er aufs Dach flog.
„Hoppla“, rief Mama. „Wo ist er hin?“
„In die Dachrinne gekullert.“
„Merk dir, wo er liegt! Ich hole die Leiter.“
Mama verschwand kurz im Schuppen und kehrte mit der alten Stehleiter zurück. Aber sie schüttelte schnell den Kopf. „Dafür bin ich zu klein. Kannst du Papa holen?“
Ich lunzte durch die offene Terrassentür und rief laut ins Haus hinein. Im gleichen Augenblick tippte er mir von hinten auf die Schulter.
„Suchst du jemanden?“
Ich zuckte zusammen. „Mann, Papa!“
Manchmal war er gruseliger als ein Gespenst, das kannst du mir glauben! (Schließlich habe ich beim Kampf um die Apfelwiese selbst welche getroffen.) Aber wenigstens war Papa auch hilfsbereit, was ihm diesmal Schmutz und viel Arbeit bescherte.
„Dein Ball, Tina…!“ rief er säuerlich von oben und warf mir den Federball herunter. „Ich muss hier oben erst mal sauber machen.“
„Warum? Was ist denn da?“, fragte ich.
„Zeig ich dir gleich.“ Papa ging sich Handschuhe anziehen und brachte eine Kehrschaufel mit. Aus der Dachrinne zog er einen dicken Klumpen mit Federn und verzog das Gesicht. „Eine tote Taube!“, rief er. „Sie hat einen Ring am Fuß. Das arme Ding.“
Mir tat die Taube auch leid. Ich ging hinauf in Leos Zimmer und erzählte ihr davon. Sie lag in ihr Buch versunken auf dem Bett und hörte kaum zu. Erst als sie verstand, dass ich mit Mama Badminton gespielt hatte, schaute sie auf: „Hättest du das nicht gleich sagen können? Ich will auch spielen!“ Schon war sie auf der Treppe. Die tote Taube hatte mit Tom Sawyer nicht mithalten können.
Zu meinem Glück wünschte sich Mama eine Spielpause, sonst hätte mich Leo aus dem Spiel gekickt. So aber blieb ihr nichts anderes übrig, als gegen mich zu spielen.
„Wetten, ich bin besser als du!“, rief sie sofort. Doch Leo spielte längst nicht so stark wie Mama.
„Da hast du!“, rief ich bei einem Schmetterball. In diesem Moment kam Papa von der Taubenbeerdigung zurück und wandte sich unseren Fußballtoren zu.
„Was machst du da?“, fragte Leo.
„Ich repariere die Tornetze. Ihr habt alles zerschossen.“
„Du hast ja selbst so geballert!“, widersprach ich.
Papa lächelte ertappt. „Du musst es ja keinem sagen!“ Ich lächelte zurück. Tatsächlich habe ich bis heute mit niemandem darüber gesprochen. Aber ich habe es jetzt in diese Geschichte geschrieben. Und ich schreibe auch auf, dass Papa die Netze kaputt lassen sollte.
„Wir spielen sowieso nicht mehr“, rief Leo ihm nach. Aber Papa reparierte sie trotzdem und bekam davon Lust auf ein Spiel.
„Jetzt kommt schon!“, bat er. „Nur ein kleiner Kick!“
„Nein!“ Ich drückte ihm Leos Badmintonschläger in die Hand. Sie hatte sich bereits verkrümelt.