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Daneben geschenkt?

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Kriegst du eigentlich etwas geschenkt, wenn du ein prima Zeugnis heim bringst? Erwachsene diskutieren immer, ob sie uns für gute Noten etwas schenken sollen. So ein Quatsch! Na klar, sollen sie das! Kinokarten, Zoobesuch, Achterbahnfahren - schließlich gehen wir nur deswegen in die Schule! Na gut, nicht ganz! Aber ein kleines Geschenk ist trotzdem schön.

Natürlich überlegten Leo und ich, womit uns Mama und Papa diesmal überraschen würden. Meistens schenkten sie Büchergutscheine. Dann fuhren wir oft zusammen nach Dresden, und wir konnten uns in Ruhe überlegen, welches Buch wir kaufen wollten. Manchmal saßen wir zwei Stunden im Buchladen und lasen einfach nur. Das war richtig gemütlich!

Aber diesmal ging das Zeugniszeigen anders aus. Nicht nur, weil wir ewig warten mussten, bis unsere Eltern von der Arbeit kamen. (Leo war schon sauer, weil sie noch in den Jugendklub wollte.) Als Mama und Papa endlich zu Hause waren, gönnten sie sich auch noch einen schrägen Spaß mit uns: Zuerst bestellten sie einen Cappuccino, obwohl es eigentlich zu spät zum Kaffeetrinken war. Leo zog die Mundwinkel schief, auch weil Papa nicht sofort in ihre Zeugnismappe schaute.

„Ihr könnt dann auf der Couch warten, wir sind gleich da!“, sagte er. Leo setzte sich sofort und begann, an ihren Fingern zu knabbern. Das sah fast aus wie bei den Schulkaninchen. Mir fiel beim Kaffeekochen ein Gedicht dazu ein. Hier, schau mal!

Vom Troll im Terrarium

Eine Sippe Maulwurfstrolle

lebte unter einer Knolle.

Alle waren ziemlich frech,

für Trolle cool, für andre Pech.

Am besten fremde Leute necken,

um vier Uhr aus dem Schlafe wecken,

das war das Lieblingsspiel von Schnarr,

der ein Spitzenpopler war.

Wenn die Maulwurfstrolle gruben,

neue Höhlen sich aushuben,

spielte Schnarr nur mit der Erde,

damit auch jeder dreckig werde.

Aus Mäuseknödeln und aus Lehm

formt’ er Schmeißebälle schön,

der Schnarr mit seiner Maulwurfshand,

verzierte sie mit gelbem Sand,

und klatschte sie jemand aufs Ohr,

wenn einer aufschrie, galt’s als Tor.

Worauf er lachend sich versteckte

und einen neuen Streich ausheckte.

Dann saß er oftmals eine Weile,

hatte etwas Angst vor Keile,

kaute an den Fingernägeln,

schmeckten erdig nach den Knödeln.

Fast immer tat er so sein Ding,

außer wenn‘s zur Schule ging.

Denn einmal alle sieben Tage,

stieg die größte Trollkindplage.

Da mussten Maulswurfstrolle lernen,

sich unbemerkt schnell zu entfernen,

damit, wenn sie ‘nen Mensch geneckt,

der sie in keinen Käfig steckt.

Doch eines Tages, großer Schreck,

kam Schnarri nicht mehr aus dem Bett.

Lag da wie’n schlapper Wasserschlauch

und hielt sich seinen runden Bauch.

„Schon wieder“, rief seine Mama.

Was Schnarri hatte, das war klar.

Beim steten Fingernagelschmaus,

fing er sich ein die Autschilaus.

Jetzt gab‘s mal wieder Haferbrei,

denn der macht Trollobäuche frei.

Doch was war erneut gescheh‘n?

Die Schule hat er nicht geseh’n!

Und das Ergebnis kam sodann,

als er den nächsten Streich getan.

Das war in einem Hühnerstall,

wo Eier lagen überall.

Die hat mit langer Zung‘ geschleckt

er, laut gezutscht, den Mensch geweckt,

hat überhaupt nicht aufgepasst,

und bumms, da war der Schnarr gefasst.

Jetzt sitzt er wie ein Hamster klein

in einem Glasterrarium ein.

Und gäb‘s nicht Kinder in dem Haus,

wünscht‘ er, sein Leben wäre aus.

Die besten Tage sind vorbei,

die schöne Maulwurfsbuddelei.

Sie hilft nicht mehr, die neue Regel:

Ich kaue nie mehr Fingernägel!

Oh weh, der kleine Kerl! Jetzt musste er kämpfen, wenn er da wieder raus wollte. Leo habe ich von den Versen nichts erzählt. Hoffentlich ist sie nicht sauer, wenn sie das hier liest. Außerdem dauerte die Knabberei nicht lange, weil sich unsere Eltern beeilten, auf die Couch zu kommen.

„Jetzt zeigt mal her, ihr beiden!“ rief Papa und warf sich in die Lücke zwischen Leo und mir. Mama kuschelte sich an meine andere Seite.

„Ich hab nicht eine Zwei mehr!“, verkündete Leo stolz.

„Was? Nur noch Dreien?“, witzelte Papa und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn. „Super, Leo! Da kann das Gymnasium ja kommen!“

„Hast du Mathe noch geschafft, Tina?“, fragte Mama und strahlte sofort. „Mein Spitzenkind!“

Es dauerte aber nicht lange, bis es still wurde. Mama und Papa schlürften ihren Kaffee. Leo und ich warteten gespannt, was sie aus dem Hut zaubern würden.

„Sagt bloß, ihr wartet auf Geschenke?“, gab Papa schließlich den Ahnungslosen.

„Jaaa!“, antworteten wir erwartungsvoll.

„Dann sucht doch mal!“, sagte Mama. Dabei sah sie Papa so schräg an, als hätten sie etwas ausgeheckt. Oder stimmte etwas nicht? Schwer zu sagen! Ach, sollten sie doch, wir suchten erst einmal.

„Halt!“, rief Papa. Beim Bremsen an der Stubentür flogen wir fast in die Scheibe. „Wir haben nur einen Hinweis versteckt. Die eigentliche Überraschung gibt’s später.“

„Okay“, riefen wir und tobten die Treppe rauf, denn woanders konnten sie in der kurzen Zeit nichts versteckt haben. Ich war mir sogar sicher, dass sie mein Geschenk bloß ins Zimmer gelegt hatten, aber auf den ersten Blick war nichts zu sehen.

„Ob irgendwo ein Zettel liegt?“, fragte ich Leo.

„Wenn ja, dann viel Spaß in deinen Papierhaufen!“

Au Backe, das stimmte. Aber beim Geschichtenschreiben wird eben viel gekritzelt. Die Notizen konnte ich auf keinen Fall weg werfen. Da steckten noch so viele Ideen drin! Über Elfen und Kobolde und über das Einhorn, dass aus Versehen einen Fußball abbekommen hatte. Es war so wütend, dass sich keiner traute, ihm die Murmel vom Horn zu nehmen. Mit dieser Geschichte hatte ich noch nicht mal richtig angefangen.

„Ob sie Gutscheine zwischen die Bücher gesteckt haben?“, überlegte ich.

„Nee! Die hätten sie uns gleich gegeben.“

„Dann freie Auswahl im Gummibärenladen!“

„Vielfraß!“

Leo fing an, in ihren Schränken zu suchen. Ich schaute im Bettkasten nach. Nichts!

„Lass uns im Schlafzimmer gucken!“, sagte Leo kurz darauf. Mit leeren Händen lehnte sie an meiner Tür.

„Da verstecken sie nie was. Lieber suche ich im Badezimmer.“ Und siehst du, dort wurde ich fündig! Hinten im großen Handtuchschrank glänzte etwas. Ich fing an, alles hinaus zu räumen. Wenn Mama dort etwas versteckte, war sie selbst schuld, wenn es hinterher unordentlich aussah.


„Leo, komm mal her!“

„Was denn?“

Wieso klang sie auf einmal so wütend? Als ich aus dem Schrank auftauchte, kam sie mit Zornesflecken im Gesicht ins Bad. Zwischen Daumen und Zeigefinger baumelte ein Gegenstand in Silberfolie. Der sah genauso aus, wie das Ding in meiner Hand: genauso groß, genauso rund und genauso überflüssig, wie eine Fünf in Mathe.

„Ich kann’s nicht mehr sehen!“, stöhnte Leo. „Willst du ihn haben?“

Ich schüttelte den Kopf. „Hast du den Hinweis gefunden?“

Widerwillig riss sie die Schleife vom Geschenk und nahm – na klar! – einen Fußball heraus. Aber ein Zettel lag nicht darin, auch bei mir nicht. Das blieb ein Rätsel.

„Kein Hinweis“, sagte Leo. „Nur die Bälle selbst!“

Was sollte das bedeuten? Vielleicht ein Weltmeisterschaftsspiel? Wenn Mama und Papa Karten besorgt hatten, wären wir gern hin gegangen, selbst wenn Leo jetzt schimpfte.

„Ich frage unten“, bot ich mich an. Doch Leo schüttelte den Kopf und drückte mir ihren Ball in die Hand.

„Ich gehe bis zum Abendbrot in den Klub. Sagst du Bescheid?“

Musste ich ja wohl. Mama und Papa würden enttäuscht sein. Aber schließlich hatten sie die Überraschung selbst vermasselt!

Leo ging gleich zum Hintereingang hinaus, ich schlich durch den Flur in Richtung Stube. Gerade als ich die Klinke in die Hand nahm, hörte ich Mama fragen: „Hätten wir es den Kindern nicht doch sagen sollen?“

Papa schüttelte den Kopf. „Das bringt doch nur Stress! Am liebsten hätte ich alles abgesagt.“

„Ach komm! Sie haben so gekämpft für ihren Verein. Das wird ihnen sicher helfen.“

„Glaubst du das wirklich noch?“, fragte Papa. „Die beiden haben doch längst hingeschmissen.“

Mama seufzte traurig. Papa blickte zur Tür und ich sah, wie er erschrak. Dabei stand ich selbst wie angewurzelt an der Tür.

Gelauscht, auweia! Doch statt zu schimpfen, ließ Papa den Kopf auf die Lehne fallen. „Komm rein, Tina!“, sagte er müde. Ich legte ihm die Fußbälle in den Schoß und blieb mit verschränkten Armen stehen, obwohl er auf der Couch zur Seite rückte.

„Sagt’s mir, oder ich mache nicht mit!“, verlangte ich.

„Du kannst es sowieso nicht mehr ändern“, trotzte er. Ich machte auf dem Absatz kehrt, doch Mama hielt mich fest.

„Lass los! Das tut weh!“

Sie ließ meine Hand sofort fallen, wusste gar nicht, wie sie sich entschuldigen sollte und ihre Augen wurden rot.

„Kannst du etwas für dich behalten?“, fragte Papa unsicher.

„Jetzt nicht mehr“, gab ich mich beleidigt.

„Bitte, Tina! Leo zerschießt uns den ganzen Urlaub, wenn sie davon erfährt.“

„Macht sie gar nicht!“

„Denkst du, sie wird vor Begeisterung platzen, wenn wir euch in ein Trainingslager schicken?“ Wie ein Eisenbahnzug raste mir das Wort durch den Kopf. Verdammt, sie hatten recht! Leo würde ihr Zimmer in Trümmer legen.

„Siehst du!“, sagte Papa, als ich schwieg. „Verrate ihr nichts davon! Versprich es mir! Wir bringen ihr das zum Urlaubsende selbst bei.“ Na, viel Spaß, dachte ich. Hätte ich doch nur nicht an der Tür gelauscht! Jetzt musste ich mit ihnen auch noch gemeinsame Sache machen.


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