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Ferrol

Ferrol war nicht wiederzuerkennen. Einst eine trotz aller Raumfahrt vorwiegend von Dschungelgebieten geprägte Welt, schien nun eine einzige, endlose Megalopolis aus Raumhäfen, Lagerhallen, Handelszentren und Industrieanlagen den gesamten Planeten zu bedecken. Über manchen Arealen spannten sich riesige, milchig-weiße Schleierschirme, die keinerlei Einblick oder Ortung gestatteten: was vermutlich hieß, dass sich darunter militärische Anlagen verbargen.

Sie gingen auf dem zugewiesenen Landeplatz nieder, sicherten ihr Raumschiff und begaben sich in die Stadt, die laut dem von der Anflugkontrolle mitgelieferten Besucher-Datenpaket Khélar-Dash hieß. Hier gab es buchstäblich Tausende von Hotels, für jede nur mögliche Spezies. Das, in dem sie unterkamen, war auf Lemuroide ausgerichtet, aber eher auf, wie sie erst nach einer Weile merkten, reisende Familien mit Kindern.

Ausweise wollte hier niemand sehen. Dafür schwirrten Schwärme winziger, chromglänzender Kugeln umher, die jedes Lebewesen, dem sie begegneten, genau zu untersuchen schienen. Man hatte den Eindruck, es mit fliegenden Augen zu tun zu haben – was sie wahrscheinlich auch waren, ein Überwachungssystem nämlich.

Doch wenn, dann erregte ihre Gruppe augenscheinlich kein Aufsehen. Atlan hatte sich für diesen Einsatz neu maskiert, seine Gesichtszüge mit Biomolplast umgestaltet, sein Haar dunkler gefärbt und sich das Aussehen eines ziemlich alten Mannes gegeben. Jawna hatte ihr Äußeres durch Umjustierung ihres Endoskeletts geändert; sie war nun einen guten Zentimeter größer als sonst und schlanker, und sie hatte sich die Haare rotbraun gefärbt. Was John Wa und Sigalit Barka anbelangte, konnte man davon ausgehen, dass in dieser Zeit, tausend Jahre nach ihrer Geburt, niemand mehr mit ihrem Auftauchen rechnete; sie trugen daher keine besondere Maske.

Nachdem sie ihre Zimmer bezogen hatten, teilten sie sich auf. Atlan und Jawna zogen los, um das neue Ferrol zu erkunden, während John und Sigalit von den Terminals des Hotels aus Erkundungen darüber einzogen, wie sie ins Apsusystem gelangen konnten. Atlan suchte und fand die dunkleren Viertel, die es in der Umgebung jedes Raumhafens gab und in denen gesetzliche Vorschriften eher als lästige Hindernisse betrachtet wurden denn als Handlungsrichtlinien. Dank seiner überreichlichen Erfahrung im Umgang mit Halbwelt-Existenzen schaffte er es, die Hyperkristalle, die sie aus den Beständen der ATLANC mitgenommen hatten, in gängige Zahlungsmittel umzutauschen, in Kreditchips, Galaxkarten und dergleichen.

Für eine Reise ins Apsusystem, brachte er in Erfahrung, benötigten sie allerdings tatsächlich Ausweise. Wobei jene, die sie auf Grundlage der per Hyperfunk eingesammelten Informationen auf der ATLANC vorbereitet hatten, als Fälschungen erkannt werden würden.

»Das ist aber unangenehm«, sagte Atlan zu dem narbengesichtigen Epsaler, mit dem er über dieses Thema verhandelte. »Was kann man denn da tun?«

»Gib mir noch einen von diesen hübschen roten Steinen«, antwortete sein Gegenüber, »und dann löse ich dein Problem.«

Nach einer angemessenen Runde Feilschen zog Atlan den Lederbeutel wieder aus der Tasche, legte einen kleinen Khalumvatt vor sich hin und, ehe der Epsaler zugreifen konnte, die Hand darüber. »Ich will erst wissen, wie es funktioniert.«

Der Epsaler lehnte sich zurück, die baumstammartigen Arme auf dem Tisch. »Süchtige«, sagte er. »In den Gossen Ferrols landen jede Menge davon, von jeder Art, die die Galaxis kennt. Viele sind todkrank. Und wer todkrank ist, der geht zu einem Ausweishändler und macht den Deal.«

»Was für einen Deal?«

»Du möbelst diese Leute ein bisschen auf. Andere Frisur, Schminke – sie müssen langweilig aussehen, durchschnittlich. Dann schickst du sie zu den Behörden, wo sie einen neuen Ausweis beantragen – und wenn sie den haben, gibst du ihnen Geld dafür. Und meistens setzen sie es um in den letzten großen Trip.«

Atlan nickte verstehend. »Ausweise von Toten also.«

»Echte Ausweise. Von Leuten, deren Tod niemand je meldet. Weil, wenn sie gefunden werden, haben sie ja keine Ausweise mehr.« Der Epsaler bleckte die Zähne. Zusammen mit seinen Narben sah das Furcht einflößend aus. »Wie viele brauchst du?«

»Vier«, sagte Atlan. »Drei Lemurer – zwei Frauen, ein Mann. Und ein Arkonide, männlich.«

*

Als Atlan zurück ins Hotel kam, begegnete ihm auf dem Flur ein Ferrone, der ein albernes Kostüm trug und große Plüschohren im selben Blau wie seine Haut. »Die Kindergruppe«, sagte er in verschliffenem Interkosmo. »Du hast nicht zufällig die Kindergruppe gesehen?«

Atlan verneinte. »Mir sind keine Kinder begegnet.«

»Ah«, machte der Ferrone. »Na so was.« Dann schlurfte er an Atlan vorbei in Richtung Lift, mit hängenden Schultern und leblosem Blick.

Als Atlan den anderen von dieser Begegnung erzählte, nickten alle. »Von der ferronischen Kultur ist praktisch nichts mehr übrig«, erläuterte Sigalit. »Das gilt sogar für die Ferronen selbst – sie sind eine Minderheit auf ihrem Planeten.«

»Man hat den Eindruck, alles, was nicht Raumhafen oder Handelsplatz ist, ist Vergnügungsviertel«, ergänzte John Wa. »Für jeden Geldbeutel und jedes Niveau.«

»Der Rote Palast ist nicht mehr Sitz einer Regierung«, wusste Jawna zu berichten, »sondern Sitz der Warenbörse. Und Sehenswürdigkeit für zahlungskräftige Touristen. War ja schließlich mal Ausgangspunkt des Galaktischen Rätsels und ist daher geschichtlich bedeutsam.«

»Mit anderen Worten, das Wegasystem ist der Vorhof des lemurischen Imperiums.« Atlan setzte sich in einen der elegant aussehenden, aber denkbar unbequemen Sessel und legte die vier Ausweise auf den Tisch. »Dann lasst uns überlegen, wie wir ins Zentrum des Ganzen gelangen.«

Das war, wie sich herausstellte, im Grundsatz so schwierig nicht: Zwar war das Apsusystem bestens gesichert und militärisch so gut wie unangreifbar, aber es war nicht abgeschottet. Im Gegenteil, das Tamanium ermunterte seine Bürger und Vasallen dazu, das prächtige Herzstück des Reiches zu besichtigen.

Es kostete nur eine Kleinigkeit.

John Wa studierte die Ausweise – rechteckige, flexible Karten, den Geldkarten nicht unähnlich – mit sichtlicher Skepsis. »Was ist mit dem Individualschwingungsmuster?«, fragte er. »Oder sonstigen biometrischen Daten, die mit gespeichert sind?«

»Das wird ja wohl kein Problem für euch sein, diese Daten anzupassen, oder?«, meinte Atlan.

John und Sigalit wechselten einen Blick.

»Nein«, sagte John dann. »Natürlich nicht.«

Sie studierten die einschlägigen Angebote. Auf eigene Faust nach Apsu zu reisen, war ausgeschlossen, das war nur den auf dem Planeten Ansässigen gestattet. Alle anderen mussten sich einer organisierten Reisegruppe anschließen. Wobei, den Bildern nach zu urteilen, mit ausnehmend komfortablen Luxusraumschiffen gereist wurde.

Jawna Togoya nahm den für sie bestimmten Ausweis zur Hand, runzelte die Stirn. »Was soll denn das?«, fragte sie. »Hier steht Explizite Terranerin.«

Atlan nickte. »Ein Tipp meines Kontaktmanns. Explizite Terraner sind Lemurer mit ausschließlich terranischen Vorfahren – eine Art ... hmm, sagen, wir, latent rassistische Gruppierung, die aber unter dem ausdrücklichen Schutz des Matan steht. Explizite Terraner, die mit ihrem Gefolge ins Apsusystem reisen, werden bevorzugt behandelt und so gut wie nicht kontrolliert.« Er lächelte schief. »Wenn du dich angemessen begeistert von der alten Heimat zeigst, kann es angeblich sogar sein, dass man auf dich zukommt und dir Heimstatt und Aufenthaltsrecht anbietet.«

»Explizite Terranerin?«, wiederholte Jawna verwundert, die, wie sie alle wussten, eine Posbi war. »Ausgerechnet ich?«

»Die DNS deiner Körperhülle ist rein terranisch«, erinnerte Atlan sie. »Das registrieren sogar gewöhnliche Scanner, das haben wir auf Thiasan III ja gesehen. Was mich übrigens auf diese Idee gebracht hat, als ich von den Expliziten Terranern gehört habe.«

Die Posbi-Frau lächelte. »Na gut. Warum nicht?«

»Gut«, sagte Atlan. »Dann lasst uns buchen.« Er sah John und Sigalit an. »Und für euch habe ich eine besondere Aufgabe.«

*

Den Anflug aufs Apsusystem verfolgte Miuna Lathom vom Kommandosessel in der Zentrale ihres Raumschiffs VHANOSHI aus. Der Anblick des gewaltigen Kristallschirms, der das gesamte Sonnensystem linsenförmig umspannte, nahm einem den Atem: eine blauweiß kristallen funkelnde Wand, die das Universum in zwei Bereiche zu teilen schien.

Ein Anblick, der die kybernetische Agentin überdies beruhigte. Es tat immer wieder gut zu sehen, dass das Herz des Tamaniums eine uneinnehmbare Festung war.

Sie flog auf die Schleuse NEBERU I zu, die in Höhe der Bahn des Neberu lag, des Gasplaneten mit dem Großen Roten Fleck. Doch als sie sich dem Durchgang näherte, tauchten zwei Großkampfschiffe der ANUNNA-Klasse vor ihr auf, 2200 Meter durchmessend und mit allem bewaffnet, was lemurische Technik zu bieten hatte.

»Schleusenwache an Kreuzer VHANOSHI«, dröhnte eine befehlsgewohnte Stimme. »Die NEBERU-Schleusen sind dem militärischen Verkehr vorbehalten. Dreht ab und steuert eine der anderen Schleusen an.«

Miuna schaltete eine Sichtverbindung und verkündete: »Ich bin Agentin Miuna Lathom, unterwegs im Auftrag des Matan und ausgestattet mit dessen Generalvollmacht.«

Der Offizier studierte die Daten, die ihm Miuna gleichzeitig geschickt hatte, verzog aber keine Miene. »Wir werden das prüfen«, erwiderte er.

Dann wurde der Schirm dunkel.

Miuna betrachtete die beiden Kampfschiffe, die als kleine, helle Sphären auf dem Hauptschirm zu sehen waren, und gestand sich ein: Ja, diese Reaktion beunruhigte sie. War sie am Ende doch in Ungnade gefallen?

Das bange Warten dauerte nur wenige Augenblicke. Dann leuchtete der Schirm neuerlich auf, geteilt diesmal: eine Konferenzschaltung mit dem Matan selbst, der mit sanfter, aber unnachgiebiger Stimme klarstellte: »Miuna Lathom hat, wie das Dokument bestätigt, alle Vollmachten. Sie darf das Apsusystem jederzeit und auf jedem Weg, der ihr beliebt, betreten und wieder verlassen, und sie darf sich überdies frei im System bewegen. Das schließt den Zutritt zur Gläsernen Insel ein. Miuna Lathom genießt mein volles Vertrauen.«

Der Offizier nickte. Man sah ihm an, dass er geschockt war. »Matan – ich habe verstanden und werde gehorchen«, bestätigte er förmlich.

»Ich danke dir«, sagte der Matan mit wohlwollendem Lächeln und verschwand wieder. Es sah aus, als bliebe sein Lächeln bis zuletzt übrig.

Doch mochte der Offizier auch geschockt sein, eingeschüchtert war er nicht. »Du kannst die Schleuse passieren. Folge dem Leitstrahl.«

Miuna nickte nur und beendete die Verbindung.

»Wohin fliegen wir nun?«, fragte Guusdhar, ihr robotischer Assistent, während die VHANOSHI durch die Schleuse schwebte und sie erstmals das Licht Apsus erblickten.

»Der Seher hat die Leute, die wir suchen, zum Mausoleum geschickt«, erklärte Miuna versonnen und eigentlich eher im Selbstgespräch. »Also werden wir dort auf sie warten.«

»Allein?«, fragte Guusdhar.

Miuna lächelte dünn. »Gewiss nicht. Stell eine Verbindung zum Sicherheitsdienst her.«

Perry Rhodan 2813: An Rhodans Grab

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