Читать книгу Erfahrung Neu Delhi-Neustrelitz.., Pakistan.., Iran..,Himalaja - Andreas Goeschel - Страница 5

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Dienstag, 23.Januar, der siebente Tag.

Die Botschaft in der Botschaft.

Nachdem wir früh aus dem Haus sind, fahren wir mit einem der Trillionen Tuk-Tuks zur deutschen Botschaft. Wir erfahren nichts Neues, es war aber trotzdem interessant.

Das Personal ist recht freundlich, jedoch unserem Ersuchen nach einem Papierchen, vielleicht als Ersatz für das fehlende Carnet, wird nicht entsprochen. Lutz hatte so eine Vorstellung, daß es möglich wäre menschliche, mit Freude am Pioniergeist gepaarte Unterstützung in Form eines unverbindlichen, bittenden Schreibens zu erhalten.

So etwa ein Botschaftskopfbogen-Schreiben, wo diese Behörde die Zollbehörden der Durchreiseländer bittet, uns mit den Maschinen passieren zu lassen. Darunter der Pleitegeier der Bundesrepublik und eine schwungvolle Unterschrift, die wir auch noch selber zustande gebracht hätten.

Das wäre doch sicherlich allemal besser als nix.

Wir wollten nur nichts unversucht lassen, ein paar weitere Strohhalme sammeln. Aber natürlich sind deutsche Beamte überall gleichartig verholzt. Hier dann so eine Art Tropenholz eben.

Ich persönlich habe auch absolut nichts Anderes erwartet.

Ein Botschafts-Angehöriger unterhält sich allerdings eine Weile mit uns.

Bei ihm hier in Delhi wohnt zur Zeit ein Bekannter aus Deutschland mit einem ähnlichen Ziel. Auch er will mit dem Motorrad zurück nach Deutschland fahren. Nur, daß er mit einer 350-er Benziner fahren will.

Wir sollen uns um ein indisches Carnet bemühen, wird uns gesagt.

Der indische Automobilclub, ähnlich wie der ADAC in Deutschland, würde die Dinger ausgeben.

Schließlich kommt noch sein Kollege zu dem Gespräch hinzu.

Ein Bayer.

Nachdem er den Sachverhalt gehört hat, kann er sich nicht bremsen. In großsprecherischer Art hält er uns ein unmißverständliches Plädoyer:

„Warum kaufts euch nich a vernünftige Maschin? Oa BMW, oder oa vernünftige Japaniesche..? Woas wuallts denn ihr mit dem ihndhischen Schrott, Burschn.., a Diesl oach noch..? Ha, dös sag i euch gleich, wissn müßts ihr dös: Da kommts ihr nie und nimmer miet oan, nieamoals fährt so ahn Schrott bis Deutschland, nit mit, oder ohn oan Karrnett. Dös hat doch nur sechs PS. Dös fährt doch nur a fuffzg!

Da fliagt euch der Kolben umd Uohrn. Die Kurbelwell geht gerantiert nach tausend Kilometer an Uarsch...“

Und er lachte laut und bayrisch. Und er sah mitleidig auf die beiden Vollidioten, denen hier nicht zu helfen war. Er dozierte noch ein wenig weiter, was uns zwar nicht entmutigte, aber besonders aufbauend war es nun auch nicht gerade. Es kratzte an der Meinung.

Es würde dann eben so weit gehen, mit den Maschinen, wie es eben geht.

Angenehm war es nicht, in unserer Situation so ein Franz -Joseph-Aufbau - Seminar mitzumachen.

Obwohl es eigentlich nicht kalt ist, friert Lutz.

Wir waren auch noch nie so früh unterwegs. Sicher hängt es immer noch mit der Zeitverschiebung zusammen.

Auf dem Weg zurück zum Connaught Place haben wir dann das zweifelhafte Vergnügen, gigantisches Säbelrasseln zu filmen.

Aus Anlaß des Unabhängigkeitstages marschieren jede Menge bunt herausgeputzte Möchtegernsoldaten durch die Stadt. Dafür ist genug Geld da und paar Meter weiter haben die Ghetto-Kinder nichts zu essen.

Aber das ist wohl in vielen Ländern so.

Als wir nach etlichem Suchen endlich die ASS (Automobil Association Of Upper India) finden, erhalten wir dort wieder eine Absage.

Für Ausländer ist da gar nichts zu machen, sagt man uns.

Auch mit Geld nicht.

Mukesh meint, wie auch wir, man sollte es persönlich versuchen, mit Bakschisch und guten Worten. Er verspricht uns, es für uns zu tun.

Gleich morgen. Na klar, er merkt, daß wir nur dann kaufen wollen, wenn diese Seite geklärt ist. So freundlich er auch ist, er ist eben doch Geschäftsmann.

Und seine ewigen „TUMORROS“ sollen wir auch noch ausgiebig kennenlernen.

Nachmittags fahren wir dann mit ihm und seinem Bruder rund 40 Kilometer Richtung Südwesten zum Haupthändler. Dort ist ein Schoruhm, eine Bude zur visuellen Begutachtung der Motorräder.

Als es dann um Vorvertrag und Preis geht, sind plötzlich andere Zahlen aktuell. Natürlich keine niedrigeren Sümmchen.

Mukesh habe angeblich die Government-Tax, eine Art Mehrwertsteuer, vergessen. Wir sind frustriert und enttäuscht. Eine heftige Diskussion zwischen ihm und dem Haupthändler entbrennt, in deren Ergebnis es zwar noch mal einen Nachlaß gibt, aber ein großer Teil des Preisvorteils gegenüber Radjeev ist dahin.

Hatte der überhebliche Inder vielleicht doch recht? Niemand kann schneller und billiger als er unserem Anliegen gerecht werden. Und wenn, dann „will er es sehen“.

Wir können uns nicht entschließen, den Vorvertrag zu den neuen Bedingungen zu machen. Unverrichteter Dinge fahren wir mit den beiden Brüdern wieder zum Hotel zurück. Mukesh hält noch mal an und verzichtet nun auf einen Teil seiner Provision. Insgesamt 2000 Rupis will er ablassen.

Dafür sind wir jedoch noch nicht reif. Noch nicht wach genug.

Alle sind recht gedrückter Stimmung und wir sind nahezu bereit, Mukesh das „Versehen“ zu glauben. Übrigens wissen wir bis heute nicht, ob es nun Absicht war, um uns als potentielle Kunden erst einmal an die Angel zu kriegen, oder, gab es wirklich ein Mißverständnis zwischen den beiden Händlern am Telefon?

Summa summarum soll eine Maschine jetzt 68.800 Rupien, das sind ungefähr 3140 Mark mit Roadtax, Registrierung und Versicherung kosten. Angesagt waren aber nur 56.500 Rupis. Eine Differenz von etwa 600 Mark für jeden!

Wir sind nun schwer beim Überlegen. Dennoch ist es immer noch ein ganz Teil billiger, als bei Radjeev. So etwa dreivierhundert Mark!

Abends dann noch ins Internet.

ADAC hat reagiert, natürlich auf deutsch, versteht sich, womit aber nicht nur die Sprache gemeint ist:

Keine Sonderbedingungen.

Wir baten auf Grund des geringen Wertes der Maschinen um die Möglichkeit weniger Deposit hinterlegen zu können. Worauf gar nicht reagiert wurde. Ein Carnet stellen sie „gerne“ aus. Das heißt: Motorräder kaufen, indische Papiere nach Deutschland schicken, Motorräder, die in Indien stehen, in Deutschland zulassen (Zoll, TÜV, Versicherung), Deposit und Carnetkosten bezahlen, dann die Papiere und die Nummernschilder nach Delhi schicken. Und dann brauchen die nur noch angebaut zu werden.

Also gänzlich unkompliziert.

Wenn man einen TÜV - Prüfer finden kann, der Maschinen tüfft, die er nicht kennt und die er nicht sehen kann, weil sie nicht da sind. Dann eine Versicherung für etwas was nicht vorhanden ist. Und jemanden in Deutschland, der sich ein paar Tage von Windmühlenflügeln durchflattern läßt. Zu dummen Fragen Antworten hat und sich für saudumme Auskünfte freundlich lächelnd bedankt.

Ich frage dennoch nach dem Verfahrensweg und informiere Lutz’ Schwester über unsere ADAC-Bemühungen. Uns brummt der Schädel.


Mittwoch der 24. Januar. Es ist der 8. Tag

Wir ludern.

Heute sind wir zehn vor halb neun aufgestanden und gehen einkaufen. Vorher haben wir noch schnell Wäsche abgegeben und das Zimmer getauscht. Das neue ist viel ruhiger. Die Hotelchefs wollen Geld sehen. So bezahlen wir 1500 Rupis für die ersten fünf Nächte. Schafft ja auch Vertrauen. Von einem Straßenstand kaufen wir dann vier Fladenbrote, sowie Butter, Käse und Marmelade. Jetzt ist es bereits sechs Uhr abends und uns geht es wiederum immer noch gut.

Prima, unsere Mägen. Scheinen sich gut eingewöhnt zu haben.

Heute im Motorradviertel haben wir uns einige Tuk-Tuks angesehen und auch gefilmt. Ist schon erstaunlich, was die da so an Fahrzeugtechnik zusammenbasteln. Sie bekommen nur das Chassis mit Motor geliefert und machen den ganzen Aufbau selbst.

Mukesh gaben wir heute 700 Rupien damit er versucht, uns so ein Carnet zu beschaffen. Vielleicht hilft das, den Beamten zu überreden. Als Option wurde ausgemacht, daß wir bei Nichterfolg nur die Hälfte zurückbekommen. Schließlich macht das Ganze ja auch Mühe, selbst wenn es nicht klappt.

Nach unserem Besuch bei Mukesh haben wir Kaffee getrunken. Dazu gab es schöne schlabberige Schokopyramiden, so ähnlich wie unsere Granatsplitter. Vorher haben wir noch schnell eine Flasche Whisky, Bier und Brot gekauft.

Nun steht einem gemütlichen Abend nichts mehr im Wege.

Der Film „Sieben Jahre Tibet“ wird dann bei Kingfisher-Beer, Whisky-Cola und gelegentlichem Stromausfall genossen. In diesem Fall gibt es dann nur etwas Licht über Notstromaggregat. Ist aber trotzdem schön.

Und es ist nicht ganz ungeeignet, unsere Englisch-Kenntnisse zu trainieren.

Danach gehts noch mal zu Internet-Laden, um nachzusehen, ob es was Neues vom ADAC gibt. Ist aber nichts da, außer von Lutz’ Schwester und Fedo.

Ich tippe kurze Antwort und gehe zurück ins Hotel. Schlafen ... .


Donnerstag, 25.Januar, 9. Tag

Beziehungen bauen sich auf.

Um 9.20 Uhr gibts blauen Himmel und Sonne, wie jeden Tag. Jetzt ist es zwar noch frisch, aber tagsüber sind es dann ganz schnell schon wieder über 25 Grad.

Den Vormittag verbringen wir lesenderweise auf der Hotelterrasse.

Ich mit einem Fantasyklassiker (Watership Down), den ich im Bazar für 120 Rupis erstanden habe.

Mukesh war nur nach mehreren Versuchen zu erreichen und hat auch die E-Mail vom Vortag noch nicht gelesen. Habe ihm dann die Adresse vom indischen Automobilclub telefonisch durchgegeben. Er soll noch mal versuchen, was zu erreichen.

Kurz nach Mittag spazieren wir dann zu dem Händler, den Lutz am Vorabend im Bazar kennengelernt hat. Kleine Bude, vollgestopft mit Handarbeit aus Kaschmir.

Schals, Teppiche, Schnitzereien, Silberschmuck und Plunder.

Das sei noch lange nicht alles, wird uns gesagt und wir begleiten den Ladeninhaber durch enge Gassen zu einem Freund und Geschäftskollegen, der noch größere Mengen und auch bessere Qualität anzubieten hat.

Dort können wir dann beobachten, wie zwei Schweizer die dicken Geschäfte machen. Da werden die Silberringe im Kilo und die Schals und Teppiche im Dutzend verhandelt. Mit Aussicht auf fetten Profit, man spricht von bis zu 1000 Prozent! Ein Kilo Silberschmuck (jeder Ring ist trotz Mustergleichheiten ein Unikat aus 925-er Silber und mit einem Halbedelstein versehen) geht für 700 Mark über den Tisch. Das sind etwa dreivier Mark pro Ring.

Vielleicht werden wir auch etwas kaufen, probieren, wie es geht in Deutschland. Doch erst muß klar sein, wie es weitergeht. Noch haben wir nicht einmal ein Motorrad, ganz abgesehen von dem blöden Carnee.

Der Händler sagt auf meine Frage hin, es sei hundertprozentig möglich, so ein Carnet zu bekommen. In Delhi sei alles möglich.

Obwohl wir den Eindruck auch schon selbst haben, glaube ich ihm nicht so ganz.

Hier sagen alle erst einmal ja, egal, was du von ihnen willst. „No Problem“ ist wohl die am meisten verbreitete Floskel, außer „How are You?“.

Ich bin sicher, daß jeder, den ich um die Organisation einer Audienz beim Papst in Rom gebeten hätte, mit „no problem“ geantwortet hätte.

Es können auch alle englisch sprechen, wenn man danach fragt. Spätestens nach drei oder vier Sätzen merkt man dann, daß sie nur Dolmetscher für recht wenige Worte sein könnten.

Und wer weiß auch, ob sie wissen, was diese wenigen Worte dann schließlich übersetzt bedeuten? Na egal.

Jetzt ist es siebzehn Uhr zehn und ich sitze auf der Terrasse und schreibe.

Dabei trinke ich einen „Lutz“. Es ist das so bekannte und nach meinem Freund benannte Getränk, von dem die Meisten sicher gar nicht wissen wollen, was drin ist. Ein wenig Alkohol ist aber unabdingbar dabei.

Es sitzt sich recht gemütlich hier auf der Terrasse und wir genießen mit dem Buch in der Hand die letzten Sonnenstrahlen dieses Tages.

Morgen ist nun der tatsächliche Independence-Day und da wird sich nicht viel tun. Eine Woche ist vorbei und im Prinzip ist nichts dabei herausgekommen, aber wir sind viel schlauer als vorher!

Und das ist ja nicht nichts!


Freitag, 26.Januar. 10. Tag

Auf leeren Straßen zum Lotustempel.

Es ist fünf nach zehn. Wir haben recht lange geschlafen. Nach einem blöden Film gestern Abend und dem Lesen bis Buch runter fällt...

Nach Tee, oder Kaffee (mal sehen, was wir heute nehmen) lese ich einfach weiter. Das Rumsitzen ist uns dann doch zu doof und wir fahren mit einem der Trilliarden Tuktuks zum südwestlich gelegenen Lotustempel.

Erstaunlicherweise sind die Straßen fast völlig frei, was in Delhi schon ein Ereignis ist. Es ist recht kühl. Gut, daß ich meine Windjacke mit habe.

Der Tempel ist beeindruckend und das nicht nur wegen seiner futuristischen Bauart. Das Beste ist das saubere und grüne Umfeld.

Alles endlich etwas erholsam für das Auge und auch die Luft ist hier viel besser, als im Zentrum, um unser Hotel herum.

Danach ein Spaziergang durch das Viertel, über den Bazar. Die Sonne drückt und Unmengen von Menschen machen das Ganze dann doch mehr zum Unvergnügen.

Innerhalb von wenigen Sekunden haben wir beide einen leuchtendroten Punkt auf der Stirn und werden prompt abkassiert (für den Service, natürlich).

Das ist auch eine Art, Geld zu verdienen. Ich habe das Gefühl, daß mich die Passanten danach irgendwie anders ansehen, fühle mich nicht wohl und entpunkte mich mit Klopapier und viel Spucke.

Lutz ist da toleranter und läuft noch einige Zeit mit dem Klecks auf der Stirn herum.

Zwei sehr militante, fiese Bettelkinder können wir nur mit Gewalt loswerden. Nachdem sie uns entdeckten und von einem potentiellen anderen Opfer, einem betrunkenen Inder, abließen, stürzten sie sich dermaßen vehement auf uns, daß nichts Gutes zu ahnen war.

Die garstigen Mädels waren in dem Gewimmel dann auch nur mit Gewalt abzuschütteln.

Wie Kletten hingen sie an uns.

So nicht!

Lutz sagt immer, wenn wir an Bettler Geld verteilen, ich solle auf mein Herz hören. Diesmal hörte ich auf meinen Bauch. Es war schließlich eine echte Wut gegen diese kleinen Drahtbeine darin. Das ließ ich die Gören auch spüren. Selbst Lutz hatte nichts dagegen einzuwenden.

Wir nehmen wieder eins von den unvermeidlichen, so praktischen Tuktuks und lassen uns zum Delhi Gate fahren. Eigentlich wollten wir aber zum India Gate, was solls, Gate ist Gate denken wir uns und sehen uns das Ding an.

Ist es ein Rest der alten Stadtmauer? Egal, zu Fuß gehts weiter in Richtung Gandhi Museum, das natürlich, wie sollte es auch anders sein, geschlossen hat.

Man kann aber trotzdem auf das Gelände und sich wenigstens das ansehen, was im dazugehörigen Park so an Statuen und Figuren rumsteht.

Na ja, ganz schöner Personenkult. Allerdings sind die riesigen Skulpturen nicht gehauen. Auch nicht gegossen. Es ist so eine Art Pappe oder Polyester oder so was. Pappiger Personenkult. Stalin hätte sich niemals mit solchen Produkten abgefunden. P a p p e . . !

Wir, aus dem Osten, wir kennen diese Art Propaganda ja ziemlich gut.

Ab neunzig wurde so was ja von tausenden Quadratmetern Marlboro und Waschmittelreklame in jedem kleinen Kaff und auch in der deutschen freien Landschaft abgelöst.

Gepaart mit der modernen Ganzjahresbeflaggung von Autohäusern und Supermärkten, wird so die fade Sichtpropaganda unserer Kinder und Jugendjahre in jeder Hinsicht überboten.

Doch wir sind nicht in Germanistan. Die dünne Ruhe im Grünen und die relativ saubere Luft durch den geringeren Feiertagsverkehr, können wir schön genießen. Es ist tatsächlich Erholung.

Nach kleinem Fußmarsch zurück zum Delhi Gate, dann wieder mit dem Tuktuk zum Hotel. Immer wird ein bißchen gehandelt und wenn die Preise zuerst um den Faktor zehn erhöht angesagt werden nennen wir schon routiniert die Summe, die es kostet. Die wird auch noch sicher doppelt so hoch sein. Wenn einer nicht fahren will gehen wir weiter und nach wenigen mühevollen Zentimetern zu Fuß bietet sich das nächste Tucktuck-Taxi an.

Da wir inzwischen schon zum Inventar dieses Viertels gehören, benehmen wir uns auch so. Wir kaufen uns leichtsinnig was Gebratenes auf der Straße.

Dieses Essen stellt uns auf eine Stufe mit den Kulis. Die Hände des Verkäufers kennen bestimmt keine Seife. Klopapier sicherlich auch nicht.

Dennoch lecker, so eine Art Toastbrotscheibe, diagonal gefaltet, mit scharfer, sicher vegetarische Füllung und das Ganze dann in kochendem Fett gebacken. Schmeckt sehr gut und wird uns hoffentlich auch so bekommen?

Dazu gibt es noch Speck, Butter, Zwiebel, Knoblauch und den unvermeidlichen „Lutz“. Abendliches Lesen und danach zwei US-Billigfilme aus der Glotze beenden den Feiertag.

Samstag, 27.Januar. 11. Tag

Einer von vielen, dieser Tag. Die Gesundheit schwindet.

Nachdem wir relativ früh aufgestanden sind, holt Lutz etwas Brötchenähnliches. Dazu Tee und Marmelade.

Habe versucht, die deutsche Botschaft anzurufen, aber keiner da.

Wassn Wunda an Samstach!

Inzwischen meldet sich eine Angina mit Halsschmerzen und auch mein Rücken läßt grüßen. Chinasalbe und Langliegen auf dem Bett mit meinem Buch sollten eigentlich helfen.

Telefoniere noch mit Mukesh, der weiß, daß der Automobilclub Samstag und Sonntag geschlossen ist. Er verspricht uns, daß er am Montag, seinem freien Tag, hinfahren will.

Mein Rücken wird schlimmer und Gelenkschmerzen allgemeiner Art sind zu den Halsschmerzen dazugekommen.

Wir kratzen wohl nun langsam ab.

Um das zu verhindern, kaufen wir ayurvedische Medizin, Sirup und Pillen. Und ich will, nachher im Hotel dann, was gegen Fieber und Rückenschmerzen nehmen.

Jetzt sitzen wir aber erst einmal in der Dschörmenbäkerie.

Zitrone mit Honig tut gut. Und ein Gebäckstück dazu ist auch nicht schlecht. Wie Pogoda. Wer dies Cafe in Neustrelitz nicht kennt, kann mit dem Vergleich nichts anfangen,. Was auch egal ist.

Meine Uhr fängt plötzlich an zu spinnen, nachdem ich sie einfach nur auf die Ortszeit einstellen wollte. In halbsekündiger Frequenz zwitschert ein nervender Piepton und läßt sich nicht mehr abstellen. Mir bleibt nichts Anderes übrig, als das Ding aufzumachen und kurz die Batterie zu entfernen. Nach dem Widerzusammenbau geht gar nichts mehr. Aber sie lärmt auch nicht mehr unmotiviert vor sich hin.

Im Hotel stelle ich dann fest, daß sich die leichten Erkältungspillen nicht in unserer Reiseaftheike befinden. Nur die harten Drogen (Penizillin) habe ich zu Hause eingepackt. Mit dieser chemischen Keule will ich aber noch warten.

Erst wenn es schlimm wird, werde ich die dann nehmen.

Hoffentlich wirds bald schlimm!

Trotz Schwitzen und reichlich Halsbeschwerden schlafe ich gut.

Vielleicht fängt sich das ja doch alles wieder.


Sonntag, 28.Januar. 12. Tag

Die Sache mit den Carnets wird zum unlösbar

scheinenden Dauerproblem, verliert aber an Schrecken.

Völlig gegen meine Gewohnheit habe ich nach dem Aufstehen kalt geduscht. Frische Unterwäsche erscheint auch endlich mal angebracht.

Danach gehts zur „German Bakery“. Tausendmal dran vorbeigelaufen, dann gestern von Lutz entdeckt. Wir frühstücken dort.

Beim Rausgehen werden die Bettelkinder, die schon auf uns warten, mit Kuchen abgefüttert.

Auf dem Rückweg treffen wir zufällig die Schweizer, die etwas für uns recht Interessantes zu erzählen haben:

Einer ihrer Bekannten hat schon mal die Tour von der Schweiz nach Indien gemacht. Hatte wohl auch kein Carnet. An der iranischen Grenze mußte er dann 1000 Dollar hinterlegen, die er bei der Ausreise aus dem Land von der iranischen Regierung zurückerstattet bekam.

Es ging ausdrücklich nur um den Iran. Ist das vielleicht ein Hinweis darauf, daß es in Pakistan ohne Carnet geht? Man möchte es sich gerne so einreden. Sicher, eine recht weltfremde Art, mit Problemen umzugehen. Aber die eigene Ausstrahlung verbessert es.

Und dennoch, die Komplikationen unseres Vorhabens sind nebulöser Art und stehen erst mal noch sehr weit hinter denen, die hier und jetzt zu lösen sind.

Und so macht sich immer mehr der Gedanke stark, daß es schon irgendwie gehen wird. Gegenüber dem ausdrücklichen „no chance“ von Radjeev, gewinnt diese Überzeugung recht grundlos an Kraft.

Unsere Gedanken kreisen immer noch fast ständig um die kommenden Hinderlichkeiten. Doch sie tun es inzwischen mit routinierter Gelassenheit.

Sicherlich durchdringt uns schon ein wenig asiatischer Geist.

Da sonntags sowieso nichts mehr zu erreichen ist, wollen wir den Rest des Tages im Hotel abgammeln. Mal sehen, was morgen mit Mukeshs “Überredungsversuchen“ bei dem indischen Automobilclub rauskommt.

Er will uns dazu 12.00 Uhr abholen.

Was machen wir, wenn gar nichts zu machen ist?

Wir kaufen die Maschinen trotzdem und fahren einfach los, probieren es einfach. Ja, das machen wir! Oder fliegen wir lieber zurück?

Lutz schlägt gerade vor, heute doch noch was zu unternehmen und so fahren wir noch mal los. Zum India-Gate, so wird es gewünscht.

Auch heute ist es ruhig und nur wenige hundert Menschen sind in dem sehr weiträumigen Areal dort unterwegs. Mit der Zeit kriegen wir dann mit, daß heute der eigentliche Feiertag ist, und gestern nur die dazugehörigen Feiern (Umzüge, Paraden usw.) stattgefunden haben.

Ein Schlangenflöter will ganz aufdringlich gefilmt werden und wir sind einmal mehr so unclever, nicht vorher nach dem Preis zu fragen.

Natürlich muß man das in diesen Ländern immer und überall und ständig machen. Ob im Hotel, im Restaurant oder nur im Laden an der Ecke, immer erst fragen, was es kostet und dann erst bestellen oder kaufen. Tut man das nicht, so bezahlt man in der Regel mindestens den dreifachen, manchmal bis zum zehn oder zwanzigfachen Preis. Nach oben sicher offen, diese Sümmchen.

Der Typ, jedenfalls, will nach der Schlangenvorstellung von etwa einer Minute Dauer seine 500 Rupis haben. Das sind so etwa fast 25 Mark der Bundesrepublik Deutschland! Er läßt dann, kulant tuend ab. Wir wären seine ersten Kunden heute und er würde deshalb auch mit 300 zufrieden sein! Er merkt wohl, daß er es nicht mit absoluten Volltrotteln zu tun hat. Zum Schluß gebe ich ihm dann einen Zehner, was etwa 50 Pfennige sind, und er zieht beleidigt und vor sich hin schimpfend ab.

Aber selbst das ist ja für eine Minute Arbeit ein Spitzenverdienst. Für ein indischen Jungen auf alle Fälle.

Unser Weg führt uns dann zu einem etwas abseits gelegenen Park, wo man schön im Schatten sitzen und sich ausruhen kann.

Die Reste einer gigantischen Wehranlage sind von hier gut zu sehen und wir machen einige Videoschwenks.

Da wir vom Rumlaufen genug haben, machen wir uns auf den Rückweg zum Main-Bazar zu unserem Kaschmir - Händler, mit dem wir schon ein bißchen befreundet sind. Wir sitzen da dann rum, trinken Tee und die Verhandlungen beobachten die Verhandlungen eines Engländers. Von dem könnte man, was Verhandeln betrifft, noch was lernen. Aber es ist auch nicht unser Anspruch beim Handeln alle Register zu ziehen. Die Aufgabe gerade hier auch Mensch zu bleiben, steht genauso an, wie das Erkennen, wenn man schamlos übers Ohr gehauen werden soll. Was natürlich auch immer wieder passiert.

Kaufen wollen wir aber immer noch nichts. Erst muß klar sein, was in Bezug auf unsere Rückfahrt einzukalkulieren ist. Es hängt eben alles in der Luft, der Kauf der Maschinen, dieses dämliche Stück Papier… Die Gedanken kreisen dennoch gelassener denn je um alles.

Wieder im Hotel, geben wir einem der Boys 100 Rupis und nehmen sein Angebot an, uns Bier zu besorgen. Ob er zurück kommt ?

Er kommt. Für zehn Rupis mehr, bekommen wir ein angeblich besseres Bier. Na ja, ist nicht schlecht.

Meine Infektion läßt nach. Nur mit Salz gegurgelt. Hals wird vielleicht besser...

Lutz liest in dem Buch „Der Pferdeflüsterer“. Er hat es in so einer Bücherbude als eines der lesbaren Bücher ausfindig gemacht. Über mehrere Tage hat er immer wieder gehandelt und es dann schließlich gekauft.

Von anfangs zehn Mark, ist der Preis für die Schwarte dadurch auf realistische drei Mark gesunken. Geduld lohnt sich eben oftmals.


Montag, 29. Januar, 13. Tag

Gewissermaßen Behördentag. Anhaltende Versuche

die Sache mit diesem blöden Carnet zu lösen

Nach einem Spezialfrühstück in se Germanbäkeri.., Mokkatorte mit Pfefferminztee, warten wir jetzt auf Mukesh.

Meine Uhr funktioniert übrigens wieder. Habe sie noch mal völlig zerlegt, an verschiedenen Teilchen herum gewackelt und wieder zusammengebaut. Und siehe da, sie tut es wieder.

Dadurch legt sich sofort allgemeine Freude über das Land…

Wäre ja auch schade um diese Uhr gewesen…

Während wir warten, sehen wir im Fernsehen Bilder von einem schweren Erdbeben, das sich im Süden Indiens ereignet hat. Sie sprechen von bisher zwanzigtausend Opfern. Unsere Laune verschlechtert sich gemeinerweise nicht, da wir ja nicht dort waren und dadurch nicht unter den Opfern sind. Es hätte nämlich durchaus sein können, denn es war durch uns unmittelbar vorher eine Reise nach Süden in Erwägung gezogen worden.

Gut, daß wir nach Delhi geflogen sind und nicht in die Region, wo die Motorräder eigentlich hergestellt werden.

Warterei gestalten wir durch Lesen immer wieder erträglich. Dreiviertel zwölf kommt Mukesh endlich. Er entschuldigt sich, daß er eine Stunde zu spät ist. Komisch, nach meiner Uhr war er pünktlich.

Doch nicht so geglückt die Reparatur?

Es ist warm wie Sau und ich schwitze, als wir zusammen die 30 Kilometer in Richtung Süden fahren und uns mühselig zum Sitz der AAUI durchfragen.

Als wir den Verein endlich gefunden haben stellt sich heraus, daß der Typ, um den es geht, nicht da ist. Für ein paar Minuten weggegangen heißt es.

Da wir mit dem Fakt der Relativität der Zeit etwas vertraut sind, riechen wir den Braten sofort. Es wird sich um indische Minuten handeln. In einigen von ihnen vergehen ganze Nachmittage.

Ich stehe im Schatten vorm Gebäude rum. Zum Hinsetzen ist es zu dreckig. So warten wir, bis Mukesh wieder zurückkommt. Er sucht den Beamten wohl.

Drei Stunden später...

Selbes Bild. Selbes!

Nichts passiert und wir haben inzwischen an einem nahegelegenen Stand etwas Tee getrunken. Zwischendurch haben wir einen Wachbeamten vor einem der umliegenden Regierungsgebäude gefilmt. Er saß im Halbschatten und kämpfte. Sein Gegner allerdings überwältigte ihn ständig.

Er führte einen vollkommen aussichtslosen Kampf gegen die Müdigkeit.

Diese Schlafattacken zu beobachten und zu filmen war eine sehr amüsante Beschäftigung. Der Kopf des Mannes schien völlig lose. Wie an einem Bindfaden. Er rollte und nickte in alle Richtungen. Sabber tropfte auf die Uniform. Und immer wieder rissen kurze Muskelimpulse den Kopf wieder in die aufrechte Stellung, dort allerdings verharrte er nur bis zum sofortigen erneuten Absinken.

Wie bei solch einem Spiralfeder-Daumendruck-Clown. Falls jemand weiß, was ich meine…

Lutz fühlte sich an seine Berufsschulzeit erinnert. Dort hat er wohl ähnliche Kämpfe bestritten. So haben wir wenigstens Kurzweil und ein Thema, in dem kein Carnet vorkommt.

An diesem Nachmittag war uns hier kein Erfolg beschieden.

Morgen wollen wir einen zweiten Versuch machen.

Die Motorräder sind laut Mukesh telefonisch bestellt.

Morgen vielleicht sogar schon anzahlen?

Mal sehen, was sich ergibt.

Auf dem Rückweg ist die Luft wieder so schlecht, daß ich zu den stärkeren Halsbeschwerden auch noch Kopfschmerzen bekomme.

Wir trinken deshalb im Hotel zwei große Pötte Tee und essen paar Kekse dazu.

Knapp halb sieben ruft Gulzar an, der kleine moslemische Touristenfänger mit dem schmutzigen Anorak. Er will uns unbedingt mit zu seinen Freunden schleppen. Kann ja nicht schaden, auch mal noch paar andere Leute kennenzulernen. Mal sehen, was die zum Thema Enfield Diesel und Carnet de Passage zu sagen haben.

Mittels Tuktuk fahren wir dann in die Nähe des India Gates zu Freunden von ihm. Ein völlig anderer Stadtteil. Absolut keine Touristen. So tauchen wir in die nächtlichen Grachten zwischen den Häusern ein.

Gulzar scheint unser Kommen angekündigt zu haben.

Männer, die alle aussehen wie Islamistenführer empfangen uns.

Distanzierte Höflichkeit, Tee und verhaltenes Ableuchten.

Doch dann wird es lockerer und sie haben, eine große Lippe, von wegen alles kein Problem und sie könnten alles besorgen. Alles. Und eine Enfield Diesel ist schon absolut überhaupt keine Schwierigkeit.

Am Ende jedoch müssen sie passen. Wir unterrichteten sie darüber, was ein Dieselmotor ist. Das ist ein Thema, wovon im Koran sicher nichts zu lesen war.

Gulzar selbst macht einen ziemlich niedergeschlagenen Eindruck.

Das Haus seiner Eltern in Kaschmir sei abgebrannt, erzählte er.

Soll wohl eine Gasexplosion gewesen sein. Lutz tröstet ihn.

Aber wer weiß, vielleicht alles nur Trickserei um Nähe zu schaffen.

Egal. Irgendwie ist er ja auch nur eine arme Sau.

Wir haben dann noch Adressen getauscht. Vielleicht schickt Lutz dem einen Typ eine Einladung, daß er nach Deutschland kommen kann.

Ablichtungen vom Paß des Mannes werden dazu übergeben.

In einem späteren Gespräch mit unserem befreundeten Silber und Teppichhändler stellt sich dann heraus, daß die ganze Geschichte mit dem abgebrannten Haus wahrscheinlich nur erfunden ist.

Unser Freund Gulzar wollte so nur etwas auf die Tränendrüsen drücken, um uns zu überreden, mit ihm nach Kaschmir zu fahren. Ist ja sein Job. Aber etwas derb ist die Geschichte schon.


Dienstag, 30.Januar, welches der 14. Tag ist.

Geldgeschäftlicher erster Teil

Heute Haben wir uns etwas von der Bäckerei geholt und im Hotel gefrühstückt. Mein Hals ist deutlich besser, aber der Hintern juckt. Ob das mit dem scharfen Essen und dem Wasser zusammenhängt? Ich probiere eine Mischung aus Florena Creme und Teebaumöl. Vielleicht hilft das ja.

Das sind zwar Probleme, über welche man üblicherweise sogar beim Arzt nur zögerlich redet, aber in der Fremde können solche kleinen, ja eher doch sehr intimen Sachen durch Lästigkeit so ein Ausmaß annehmen, daß man an kaum was anderes denken kann. Aber die Reiseapotheke bietet ja ein paar universell verwendbare Artikel und damit ist bisher alles gerichtet worden.

Tatsächlich hoffen wir aber an diesem Vormittag immer noch, daß Mukesh kommt und mit uns noch einen zweiten Versuch bei der AAUI unternimmt.

Aber Pustekuchen.

So nehmen wir eine Rikscha und fahren zu ihm ins „Büro“.

Hier müssen wir nun bis ein Uhr warten. Dann kommt der Hauptdealer und schließt mit uns und Mukesh einen Vorvertrag ab. Dieser wird in allen Einzelheiten aufgesetzt. Dabei achte ich besonders darauf, für den Fall, daß die Maschinen bis zum kommenden Wochenende, ein Freitag, nicht da sind, daß wir die volle Anzahlung von 27500 Rupis umgehend zurückbekommen.

Mukesh unterschreibt, daß er in diesem Falle uns gegenüber für die Summe verantwortlich ist.

Wir sind zufrieden und denken, alles Wichtige bedacht zu haben.

Danach gehts mit Rikscha zurück zum Main Bazar und wir kaufen etwas Butter.

Gulzar hat uns schon wieder abgepaßt und wir gehen mit ihm essen. Lutz hat ihm 50 Rupis geschenkt. Was das sollte, weiß ich auch nicht.

Als wir abends im Hotel ankommen, gibt uns der Angestellte oder doch Mitinhaber an der Rezeption zu verstehen, daß er gerne noch mal etwas Geld sehen würde. Was solls, wir müssen ja doch irgendwann bezahlen und Lutz begleicht die Hotelrechnung für die letzten sechs Tage, was 1800 Rupis ausmacht.

„Top Secret“ ist ein ziemlich lustiger Film, aber völliger Blödfug. Danach fallen wir nur noch im Bett um und schlafen.


Mittwoch, der letzte Januartag und somit der 15. Tag der Reise.

Oam Oamnd woarn mar loangsam munta.

Wir haben zu lange geschlafen, aber im Urlaub ist das nun mal unbedingt erlaubt. Zumal unter solchen Bedingungen. Denn die Halsschmerzen sind recht schlimm und ich gurgle mit Salzwasser.

Wir ludern auf den Betten rum und lesen oder diskutieren.

Ich habe mir die Wechselkurse bei Thomas Cook notiert:

Ein Dollar auf dem Traveller Check bringt 45,65 Rupis.

Ein Dollar in bar verkauft sich nur für 45,40Rupis.

Die Deutsche Mark per Traveller Check ergibt 21,45 Rupis.

Für eine Mark Bargeld gibt es ebenfalls weniger, das heißt 21,20 Rupis.

Wir sind dann bei dem langen Teppichhändler aus Kaschmir, er ist der Kumpel von unseren Schmuckhändlern. Ein schneller, wendiger, junger Mann.

Wir wollen ihn wegen der Möglichkeit fragen, ob Geld vielleicht günstiger schwarz zu tauschen sei.

Der Kurs scheint aber nicht wesentlich besser zu sein, als im Thomas Cook Büro. Auf dem Rückweg zum Hotel essen wir in der deutschen Bäckerei und treffen den ersten Deutschen. Naja.., er ist aus Bayern…

Wir kaufen etwas ein und gehen ins Hotel zurück. Wir lassen es wieder mal ruhig angehen und es ist ja wirklich so: Lesen auf der Hotelterrasse des Innenhofes im Sonnenschein oder auch im Halbschatten der Topfpalmen ist nicht die schlechteste Beschäftigung.

Und es hat ja schließlich jeder seine Schwarte.

Nachdem wir beide zwischendurch etwas Sport gemacht haben, folgen wir einer Einladung der Schmuckhändler zum Dinner.

Unterwegs zahlt Lutz noch ein paar Bettler aus.

Das sogenannte Dinner findet erst um zehn statt, ist aber dafür sehr gut.

Gut scharf, wie immer hier.

Wir hören dabei viel zu, erzählen natürlich auch und lassen beim Vorführen der Teppiche und des Schmucks auch einige Sachen zurücklegen, für den Fall, daß noch genug Geld auch dann übrig ist, nachdem wir die Motorräder gekauft haben. Auch die Kosten für die Fahrt, das eigentlich Wichtige, sind zu berücksichtigen, bevor wir Geld für unwichtigen Schmuck, oder irgendwelche Schals als Geschenke ausgeben. Das werden wir dann zu gegebener Zeit entscheiden.

Und Reserven, die so bemessen sind, daß es immer noch möglich ist, Nachhause zu kommen, werden ohnehin nicht angetastet. Als wir losgehen, werden wir noch ermahnt, nicht durch die engen Häusergassen zu gehen.

Doch wir fühlen uns in Delhi absolut sicher und können uns nicht vorstellen, angegriffen zu werden. Wir haben die Menschen hier, trotz ihrer oftmals bitteren Armut, so sanft und friedfertig erlebt, daß wir diese Warnungen nicht ernst nehmen können. Lutz beruft sich nebenbei noch auf meine Fähigkeiten als Kampfsportler und tut so, als könne er kein Wässerchen trüben und ich sei so etwa sein Leibwächter.

Um halb eins gehts zu Fuß durch die Häusergrachten von Delhi zum Hotel zurück. Auf dem letzten Stück des fast menschenleeren Main- Bazars, quatschen wir noch mit Rauschgifthändlern aus Togo.

Die sind ziemlich nett und locker drauf. Bieten uns erst mal die ganze Palette ihrer Nervengifte an, obwohl wir sofort klargemacht haben, daß wir nicht rauchen, nicht mal richtig saufen und sie uns mit der anderen Scheiße getrost vom Hals bleiben können.

Ihr Geschäft sei schlecht gelaufen und wir sollten ihnen doch dreihundert Rupis schenken...

„Seid nicht böse“, sagte Lutz, „aber wir wollen euch kein Geld schenken.“

So war das für alle Zeiten geklärt, denn wir trafen sie noch ein paar Mal an anderen Abenden.

Donnerstag, der 1.Februar und der 16. Tag in Delhi.

Inzwischen kennen wir uns recht gut aus hier und bewegen uns

ziemlich routiniert.

Doch die Erkrankung macht uns zu schaffen.


Da wir nun über zwei Wochen hier sind, die Abgase und der Puls dieser siebzehn Millionen-Metropole uns deutsche Provinzpflänzchen fertig machen, ist die Hoffnung auf die Abfahrt gleichzeitig Hoffnung auf Genesung.

Meine Halsschmerzen sind so schlimm wie nie zuvor, trotz regelmäßigem Gespüle und Gegurgel.

Tee aus Rodenskrug und Weiß-Brötchen aus der Bäckerei mit dem Rest Marmelade und Zwiebeln sind das heutige Frühstück, das ich gerade noch so schlucken kann. Morgens ist das Wohlbefinden nun schon so getrübt, das man getrost von Krankheit reden kann. Lutz sieht auch nicht rosig aus, aber Penicillin wird er erst nehmen, wenn er nicht mehr laufen kann.

Ich hab sowieso nicht genug mit, um uns beiden eine ausreichende Menge über mehrere Tage verabreichen zu können.

Während wir auf Nachricht von Mukesh warten, daß die Maschinen da sind, machen wir etwas Wäsche. Ansonsten liegen wir auf den Betten rum und lesen. Keiner hat mehr Energie, was zu unternehmen. Wir müssen so schnell wie möglich raus aus dem Dreck !

Nachdem Mukesh nichts Neues weiß und ich heute abends um sieben noch mal anrufen soll, raffen wir uns doch auf und fahren in Richtung Lakshmi-Tempel. Laut Stadtplan müßte da ein größeres Grüngebiet sein.

Wir erwarten bessere Luft dort und auch ein wenig Ruhe vor dem immerwährenden Stadtlärm.

Das Gebiet entpuppt sich als eine Art trockenes, trostloses Dschungelgestrüpp mit Schweinen, Affen und Wächtern. Wenige Minuten nachdem wir die Straße verlassen haben, sind zwei Hanseln da, um uns auf die Straße zurückzuscheuchen. Bei genauerem Nachdenken leuchtet das auch ein.

Es gibt hier in Delhi so viele Obdachlose, daß diese Fläche sicher anderenfalls in kürzester Zeit besiedelt, vermüllt und verschwunden wäre.

Wir gehen also auf der Straße weiter und gelangen in einen größeren Park, recht ordentlich, ja sogar sehr schön und auch gut besucht, allerdings ohne Gewimmel oder Batzenbildung der üblichen Art. Mehr so wandelnde, spazierende Leute. Fast Geruhsamkeit alter europäischer Art. Der Park ist sehr gepflegt.

Von ein paar Jugendlichen werden wir dann aufgeklärt, daß es sich dabei um einen speziellen Platz handeln würde. Eigentlich ist der Aufenthalt hier nur für Pärchen üblich. Es scheucht uns aber keiner weg. Am Ausgang essen wir unser erstes Eis in Delhi. Ob das gut geht? Das war uns aus dem Inhalt der Reise-Ratgeberkiste noch als strengstens verboten in Erinnerung.

Mit einer Rikscha fahren wir zum Hotel zurück.

Nun kapituliere ich endgültig und helfe mir die ersten vier Berlocombin - Tabletten ein.

Lutz will die Krankheit ja auf seine Weise wegbekommen.

Bei ihm ist es auch nicht so schlimm, vermute ich.

Er schläft dann und ich lese bis kurz vor sieben.

Erst mal sind die Kopf-und Halsschmerzen noch schlimmer geworden.

Trotz Penicillin. Aber nach einem Naturfilm über Afrika schlafen wir beide doch ganz gut durch bis zum Morgen. Gut geschwitzt in der Nacht.

Freitag, 2.Februar, 17. Tag

Jeder von uns kauft sich nun eine Diesel - Enfield

Habe kurz geduscht und Hemd und Schlüpfer ausgewaschen. Geht mir nun ganz gut und auch der Hals fühlt sich besser an.

Wir sollen 13 Uhr bei Mukesh sein, die Enfields sind wohl da.

Aber erst einmal wieder zur Bäckerei, ich habe nämlich Hunger.

Danach laufen wir zum Büro von Thomas Cook, um die fehlende Summe für den Kauf in Rupis zu besorgen. Da es sich um eine, für hiesige Verhältnisse doch recht große Summe handelt, feilschen wir um den Kurs bis zum Letzten. Mit Erfolg. Statt 45,35 bekommen wir am Ende 45,80 rupiges Geld pro Dollar.

Mit 54.960 gebündelten Rupien, in allen meinen Taschen verteilt, sitzen wir dann am frühen Nachmittag in einer Straßenkneipe.

Ein bißchen fühle ich mich wie beim Altpapier-Sammeln in Kindertagen mit den vollen Taschen.

Lutz ißt konsequent Indisch. Er will den Infekt mit Schärfe bekämpfen.

So verleibt er sich auch jedesmal beim Essen sechs sieben Peperoni ein.

Die kleinen grünen Dinger stehen in stabilen Glasschalen auf den Tischen der Kneipen. Somit können sie sich nicht durch die Tischplatten ätzen.

Ich traue mich nicht an das richtige Essen ran. Das ist ja auch ohne die Peperoni schon so scharf, daß man damit bestimmt Ungarn töten könnte.

Ich bestelle für mich nur Fladenbrot, was Chapati heißt, dazu trinke ich Tee.

Dann gehts erwartungsvoll ab zu Mukeshs Bude. Die beiden Brüder sitzen wie die Ölscheichs hinter ihrem Schreibtisch.

Wie junge Eulen im Nest sehen sie aus.

Verschränkte Arme... wat kost die Welt?!

Wir wollen gemeinsam nach Gurgoan, wo der sogenannte Showroom ist.

Es kommen noch zwei der Monteurjungs mit. Der eine wird mit gelegentlichen schadenfrohen Kopfnüssen von dem dicklichen Mukesh-Bruder während der Autofahrt am Schlafen gehindert.

Wie letztes Mal schon, auch heute.., sicherlich immer.., ein Schweineverkehr. Und doch kommen wir hin.

Nun sehen wir sie zum ersten Mal. In voller indischer Schönheit.

Sie sind ausgepackt. In staubigen Kisten daneben stehen andere neue Enfields. Doch was heißt schon neu?

Mängel, die in Deutschland wohl kein Käufer toleriert hätte, gehören hier scheinbar zur Ware, wie Blätter zum Baum.

Es wird gar nicht verstanden, was wir wollen, als wir auf verschiedene Dinge weisen, die uns nicht passen. Das Geschäft ist für die hier gelaufen.

Die sind doch nicht doof, unbeteiligt und dickfellig hören sie kaum auf unsere Einwände. Der Verkauf ist in der Tasche, laß die dummen Deutschen doch nörgeln. Recht haben sie!

Was macht schon ein bißchen Rost an den Speichen?

Blöde pingelige Ausländer sind wir!

Beanstandete Lackkratzer, Beulen und leicht korrodierte Stellen werden zwar dann doch mit gemäßigt geschäftigem Treiben bedacht, aber geändert wird natürlich nichts. Mit lappenahnlichen Fetzen rubbeln sie hier und da ein wenig an den Maschinen herum.

Wir fahren dann eine kurze Proberunde. Erst nach mehreren vergeblichen Versuchen ist es mir gelungen ist, die Kiste per Kickstarter überhaupt anzuwerfen.

Lutz meinte sogar, er würde das nie hinkriegen, so eine ausgefeilte Technik scheint dabei erforderlich zu sein. Doch die Jungs, die etwa drei Gewichtsklassen unter uns rangieren und eine Körperlichkeit haben, wie wir sie vielleicht als Fünfzehnjärige hatten, machen es uns ein paar Mal vor. Lutz könnte sich schon ganz schön doof vorkommen, wenn er es denn könnte.

Es ist doch alles nur eine Sache der Übung.

Das stellt sich auch für ihn bald heraus.

Wir haben also jeder eine Royal Enfield Diesel, Modename Taurus, für je 3122 Mark gekauft. Inklusive Roadtax, also die Straßensteuer, Jahresversicherung für Indien und indischer Registrierung.

Der Kassensturz nach nunmehr 17 Reisetagen und Motorradkauf zeigt, daß wir gut gewirtschaftet haben: Ich habe noch knapp 4000 Mark. Also verbleibt mir doch ein winziger Notgroschen. Lutz ist auch noch lange nicht pleite. Von den Schecks mal abgesehen hat er ja auch noch den Tausender, den er in die Hose eingenäht ist, so daß ihn niemand hätte finden können. So unter normalen Umständen…

Bankrotteure sind wir jedenfalls nicht gerade.

Mukeshs Jungs fahren für uns die Maschinen durch den irrsinnigen Verkehr zurück in die Stadt. Wir sitzen im Auto und sind ganz froh, heute noch nicht selber fahren zu müssen. Nicht zuletzt auch wegen der angeschlagenen Gesundheit.

Tee, Apfel, Banane, Weißbrot und Gurken nachher im Hotel tragen nicht gerade zu überschäumender Laune bei.

Denn eigentlich hätte man einen Saufen müssen.

Wir sind schließlich unserem Ziel nun ein gutes Stück näher. Wir haben zumindest erst einmal die Maschinen gekauft, die uns nach Hause bringen könnten.


Samstag, 3.Februar, der 18. Tag

Die Welt bleibt wie sie ist, nur neue Probleme gesellen

sich hinzu.

Das war die schlechteste Nacht für mich seit wir aus Deutschland weg sind.

Erst konnte ich lange nicht einschlafen und dann hatte ich die ganze Nacht viel trockenen Husten. Lutz meint, er hätte gut durchgeschlafen.

Vielleicht waren auch die beiden Filme vom Vorabend schuld, daß es so eine beschissene Nacht war. Erst so ein Fliegerfilm vom zweiten Weltkrieg und dann noch mal son richtiger Ami-Mist als Nachtisch. Man sollte so was bleiben lassen. Aber Fernsehen ist auch ein gutes Schlupfloch, um nicht ständig die Gedanken um die Lösung der Probleme kreisen zu lassen.

Außerdem bin ich nicht ausgelastet. Hätte abends lesen sollen.

Trotzdem haben wir dann nach dem Frühstück noch bis halb zwölf gelegen.

Dann kam nämlich die Müdigkeit.

Aber jetzt sollten wir zu Mukeshs Laden und an den Motorrädern basteln.

Lutz jedoch will nicht so recht aufstehen, er möchte sich auskurieren.

Er hatte heute früh schon versucht, Medizin zu holen. Aber die machen erst um zehn Uhr ihre Buchten auf. Nach dem Frühstück unternehmen wir dann den zweiten Versuch und erstehen zwei Mal Hustensaft und Tabletten zum Gurgeln.

Ich habe mir ja schon vorgestern die harte Droge in Form von Penizillin-Tabletten eingepfiffen. Lutz versucht es weiterhin mit Geduld und Liegen und den hier erhältlichen Mittelchen, die wirklich von sehr guter Qualität sind und absolute Naturheilmittel.

Der Vormittag verging mit dem Ludern und dabei krank sein.

So gegen halb drei am Nachmittag sind wir dann in der German Bakery, wo wir einige Energie tanken, um danach mit der altbewährten Rikscha zu Mukesh zu fahren.

Dort müssen wir feststellen, daß das Interesse an uns merklich nachgelassen hat. Lutz meinte besorgt, daß die Bengels mit unseren Motorrädern umherkutschen würden. Ich glaube aber, daß eigentlich kein Grund zur Sorge besteht. Trotzdem maule ich den biederen Geschäftsmann diesbezüglich leicht an.

Er winkt gelassen ab und ich höre wieder die “no problem” -Platte.

Er hat ein paar Juden da, die auch Motorräder wollen. Intelligente, nette Burschen und wir unterhalten ins im "Cafe Mukesh" dann recht weitschweifig. Als das sich erschöpft hat, wenden wir uns wichtigeren Dingen zu. Da sehr viele Schraubverbindungen, die lose sein können auch wirklich nicht fest sind, und das, was an so einer Maschine tropfen kann, auch undicht ist, basteln wir erst mal herum. Für ein paar Rupis haben wir Dichtringe gekauft und installieren einige Dieselleitungs-Verbindungen neu.

Dann wechseln wir die Batterie der Maschine von Lutz. Die hatte leicht Beulen nach außen, oder stärkere, je nach den Augen des Betrachters. Europäische oder asiatische!

Nach ein paar energischen Worten ging das dann sogar gleich.

Was so „gleich” heißt. Auch eben ein asiatisches „Gleich“.

Nebenbei werden diverse Schrauben nachgezogen und einige Ersatzteile bestellt. Es geht vorwärts.

Die Israelis haben andere Probleme als wir. Haben den Mukeshs gegenüber einen anderen, ungeduldigeren Ton. Aber der hat auf keinen Fall mehr Wirkung bei den Brüdern, als unsere Art Wünsche und Beschwerden vorzutragen.

Irgendwann am späten Nachmittag haben aber auch wir die Schnauze voll.

Bei unserem etwas angegriffenen Gesundheitszustand ist das ja auch kein Wunder.

Der Rest des Abends besteht aus Fernsehglotzen. (Was auch erst nicht funktioniert).


Sonntag, 4.Februar, 19. Tag

Trotzdem emsige Geschäftigkeit.

Es ist jetzt halb zwei am Nachmittag und ich schreibe...

Obwohl die Nacht ganz gut war, habe ich immer noch reichlich Halsschmerzen.

Mukesh hat gestern nachmittag von uns noch 5050 Rupis erhalten. Da wären 2000 für seinen Service, weitere 2000 für die Gepäckträger und den Rest für die Spiegel und Ersatzteile für unterwegs. Die will er besorgen. Er verspricht auf unser Drängen hin, daß bis morgen noch zwei Mal Bordwerkzeug und mindestens ein Handbuch nachgeliefert wird.

Kostenlos selbstverständlich.

Nachmittags sind wir noch mal bei Th. Cook und tauschen fünfhundert Mark gegen 10.700 Rupis. Danach essen wir dann im Main Bazar.

Lutz frißt für Drei, also für etwa drei Mark. Ich kann mich nur wundern.

Natürlich ist es richtig gutes Essen. Anschließend gehen wir dann noch zur Bäckerei, um Kuchen mit heißer Zitrone und Honig zu genießen.

Dann sind wir absolut vollgefressen.

Zum nächsten Medizinladen schlendern wir auf Grund der satten Ernährungslage um dann gemächlich ins Hotel zurückzukehren.

Unterwegs dann schon wieder Gulzar. Für mich ist er nur noch der aufdringliche Kaschmiri. Lutz ist mehr so kumpelig im Umgang mit ihm. Hat Verständnis und gibt ihm öfter Tips. Nun gut. Solls sein. Ich frage nach der Möglichkeit Carnets zu besorgen, er kennt die Problematik vom Wortlaut her. Kurz danach ruft er im Hotel an und ich gehe zu seinem Boß: Ein unsympathisches, arrogantes Großmaul. Er will sich erkundigen und morgen bis 12.00 Uhr anrufen.

Na, mal sehen.

Heute abend ist nur Schrott in der Glotze und wir gehen relativ früh zu Bett, lesen und quatschen noch geraume Zeit.


Montag, 5.Februar, der 20. Tag

Es ist bald, als würden wir immer hierbleiben.

( Was wir nicht wollen.)

Lutz hat gleich nach dem Aufstehen Weißbrot und Honig gekauft.

Manchmal macht er den Überrascher. Wir lassen uns Beides schmecken und warten auf den Anruf von Mukesh; eigentlich will er uns abholen.

Wir liegen viel rum, um diese eigentümliche Atemwegserkrankung aus den Körpern zu bekommen. Dabei reden wir auch über Dinge, die sonst kaum zum Zuge kommen. Ich lese nun doch diesen blöden „Pferdeflüsterer” den Lutz ausgelesen hat.

Mit „Watership Down” bin ich durch. Da es in Englisch ist, kann Lutz nichts damit anfangen. Ganz so bewandert ist er da eben noch lange nicht, obwohl er sich in Diskussionen mit seinem hausbackenen Wortschatz recht gewandt anstellt. Und alle möglichen Situationen mittels sprachlicher Beipässe locker meistert.

Die Gesamtstimmung ist nicht schlecht. Wir möchten ja endlich raus aus Delhi und hoffen, berechtigter denn je, auf Luft und Landschaft. Und dieser Möglichkeit sind wir näher als bisher.

Allerdings ahnen wir, daß eine dichte Besiedelung wahrscheinlich flächendeckend ihre Prägung zeigen wird. Um dem zu entgehen, muß man wohl erst die Berge erreichen.

Bis nach Pakistan sind es über 500 Kilometer und in Pakistan noch mal gut 1000 Kilometer.

Doch mit welcher Arroganz bin ich gedanklich denn schon in Pakistan!?

Erst mal kommt eine fette Grenze, die sicher nicht schlechter ist, als es der Antifaschistische Schutzwall der zusammengebrochenen DDR- Heimat war.

Es ist nun schon halb zwei und Mukesh ist bis jetzt nicht gekommen.

Dafür hat der Mafia-Boß angerufen. Ich soll mich melden, wenn ich soweit bin. Um fünf Uhr sind wir dann bei ihm und haben ein ganz interessantes Gespräch. Und er macht einen besseren Eindruck auf uns, als es der erste war.

Er will bis morgen Mittag klären, ob es möglich ist, ein Carnet de Passages zu bekommen und was es kostet.

Danach kaufen wir uns noch ein schönes Cremestück (Salmonellenhort) und verspeisen dieses mit einem großen Pott Tee.

Das ist jedoch noch nicht alles. Wir gehen noch Nudeln essen.

Wir sind der lebende Beweis dafür, daß nicht alle in Indien hungern müssen.

Beim abendlichen Besuch im Internet schicken wir dann noch einen Artikel an Fedo, für die „Strelitzer Zeitung“, sowie einen kurzen Gruß an Carmen, die Schwester von Lutz.

Zurück im Hotel trinken wir Tee und müssen den Fernseher bald aus machen, weil nur Psycho-Kotze läuft.

Dienstag, 6.Februar, der 21. Tag

Basteln und abendliches Schoppink

Heute früh findet Lutz einen Lappen. Er feuchtet ihn an und kriecht in dessen Bann durch unser Zimmer um zu wischen. Ich denke, daß er auf diese Weise lediglich den, sich an manchen Stellen schon häufenden Dreck verteilt. Natürlich sage ich ihm das nicht so. Es sieht auf jeden Fall lustig aus. Zeigt, daß er schon wieder genug Energie für solche Sperenzchen hat. Ich glaube er nennt es -grob Saubermachen-.

Von Zimmerreinigung scheinen die Hoteljungs und ihre Chefs nicht viel zu halten. Wir haben während der drei Wochen Aufenthalt in diesem Hotel keinerlei Aktivitäten in dieser Hinsicht erkennen können. Zumindest nicht auf den Zimmern. Sonst tapern sie schon mal mit einem Besen durch die Flure und wedeln ein bißchen Staub auf.

Ich will Angelika anrufen. Dieser Wunsch war Fedos letzter Mail zu entnehmen. Irgendwas Wichtiges muß wohl zu Hause los sein.

Lutz möchte schon heute Delhi verlassen, ich hätte ja auch nichts dagegen, aber mal sehen, ob die Registrierung heute klappen wird.

Ich denke, daß wir morgen vormittag in Richtung Norden aufbrechen werden.

Wir fahren also zu Mukesh.

Es ist nichts Nennenswertes passiert. Nein, stimmt nicht. Die Werkzeug-Sets, die beiden Handbücher und einige Ersatzteile sind da.

So um halb Zwei kommen dann die Luggage-Sets (Gepäckträger).

Der Anbau durch Mukeshs Schrauber-Jungs ist ein Alptraum, schon das Zuschauen.

Wir sind inzwischen wieder mal recht nobel essen gegangen, um uns das Elend nicht länger vor Augen haben zu müssen. Wir sind selber Schlosser genug, zu sehen, daß die Dinger dreist in polnisch - indischer Russenmanier angenagelt werden. Es soll eben fertig werden, bloß nicht noch viel Gedöhns mit den Deutschen machen. Bezahlt ist ja alles!

Bei unserer Rückkehr sind die Dinger zwar dran, aber wie..!

Das wir es überhaupt von denen haben machen lassen war sicher auch einer Art Neugier zu verdanken. Doch unsere Erwartungen wurden weit übertroffen.

Wir hätten es wissen müssen!

Im Kontrast zu dem angerichteten Murks, mutete der Standard von Installationen, welche man in sowjetischen Armeeobjekten zu Gesicht bekommen konnte, wie technische Akkuratesse an.

Die Arbeit von Mukeshs Jungs als Russenpfusch zu bezeichnen, wäre eine Besudelung der technischen Errungenschaften dieser ehemaligen Weltmacht.

So ein Unrecht verbot sich einfach.

Und so gab es nur eine Alternative:

Abbauen!

Wir machten uns nun erst mal gerade.

Mukeshs Klamottenschlosser müssen sie dann wieder abbauen. Obwohl, so richtig verstand uns wohl niemand. War doch gut!

Perfekt sozusagen.

Was hatten die Deutschen bloß?

Mit unserer Unterstützung und nach unseren Anweisungen dann noch mal von vorne. So. Nun schon viel besser, das heißt, etwa Moskauer Standard.

Nach einem klärenden Telefongespräch mit dem zuständigen Registration Officer ist klar: Die Registrierung klappt erst morgen.

Mal sehen welches „Morgen“ es sein wird!

Jetzt ist es dreiviertel sieben, Dämmerung und gestopfter Verkehr.

Wir sind mit den Beiks das erste Mal allein in Delhi unterwegs gewesen, da wir zum Hotel gefahren sind.

Die Enfield, die Lutz fährt, stockt und läuft nicht richtig. Er dachte dann, mit Not noch die Tankstelle erreicht zu haben. Es könne ja nur am Kraftstoff liegen. Deshalb tankt er voll. Die Kiste tropft an verschiedenen Stellen Sieht ein bißchen aus, wie eine fahrbare Ölbohrmaschine.

Nach dem Tanken läuft die Möhre immer noch nicht richtig.

Bei meiner Enni geht, für ihn zum Trost das Licht nicht an.

Ansonsten bin ich zufrieden.

Das alles wollen wir aber erst morgen früh reparieren und danach gleich packen.

Dann müssen wir jedoch abends noch mal raus und eine Dieselleitung abdichten. Vorm Hotel hat sich unter der Ölquelle von Lutz schon eine ansehnliche Lache gebildet.

Nicht daß sich irgendeiner darüber aufgeregt hätte. Weit gefehlt.

Da gibt es andere Probleme als Diesellachen auf der Straße.

Dennoch beseitigen wir die Sauerei selbstverständlich.

Der Diesel wird mit Lappen aufgewischt. Gleich im Rinnstein verbrennen wir das Zeug. Auch das wird wie eine übliche Handlung hingenommen und kaum beachtet. Niemand stört sich daran.

Wir haben dann die Kraftstoffanlage dieser Maschine noch mal vollkommen von oben nach unten bis zur Düse hin entlüftet.

Nun läuft der Motor ganz gleichmäßig. Das freut nicht nur Lutz.

Obwohl es schon dunkel ist, gehen wir noch zu dem Händler aus Kaschmir.

Wir wollen, wie versprochen, noch einige Geschenke und Kleinzeug kaufen, bevor wir morgen ja nun hoffentlich endlich losfahren werden.

Ich kaufe erst mal zwei Schals für 1140 Rupis und wir gehen gemeinsam zurück zum Main Bazar, wo der „Kleine” seinen Laden hat.

Da geht das Gefeilsche dann richtig los. Aber lieb.

Zum Schluß haben wir dann handgeschnitzte schöne Mädschick-Boxes, die füllen wir mit 500 Gramm handverlesenen Silberringen.

Wir haben 2200 Rupis und 350 Mark dafür bezahlt. Dafür gibts dann noch drei Zugaben: Eine Kleine Kupfergöttin und für Lutz einen Schlüsselanhänger und eine Mütze für Ronja.

Für seine Tochter Ronja kauft Lutz dann auch noch eine sehr schöne silberne Halskette mit grünen Halbedelsteinen. Eher schon ein Geschmeide.

Na, ist doch ne ganze Menge Zeug geworden, aber was solls, wer weiß ob wir in den nächsten Monaten noch mal hier sind?

Noch ist zudem genug Geld in der Reisekasse. Wir haben sparsam gelebt, wie immer, wenn wir zusammen unterwegs sind.

Gerade bei dieser Reise ist das um so wichtiger, denn es ist ja völlig ungewiß, was auf der langen Heimfahrt noch an unerwarteten Ausgaben auf uns zukommen wird.

Erfahrung Neu Delhi-Neustrelitz.., Pakistan.., Iran..,Himalaja

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