Читать книгу Erfahrung Neu Delhi-Neustrelitz.., Pakistan.., Iran..,Himalaja - Andreas Goeschel - Страница 7
ОглавлениеDienstag, 13.Februar - 28. Tag
Die Reise könnte hier einfrieren.
Der nächste Zug dann erst in zwei Wochen!
Wir haben die offene Gasflamme über Nacht ausgemacht. Es hat draußen die ganze Nacht über geregnet. Geschlafen haben wir gut.
Jetzt gibt es den Rest Kuchen von gestern abend, während uns die Gasflamme wieder wärmt.
Habe mir neue Batterien für den Fotoapparat gekauft, umgerechnet sechs Mark. Dann wieder zu unserer neuen Arbeitstelle, das Custom-Haus.
Der offizielle Brief von Vagha ist nun da. Die richtigen Papiere.
Mit der Hilfe des überaus netten Beamten von gestern, verfasse ich einen Brief an den Super-Intendenten, der wohl der ganz große Chef hier ist.
Wir legen dar, daß wir die gesamte Verantwortung für alle Eventualitäten während der Fahrt nach Taftan, dem Grenzübergang zum Iran, auf uns nehmen. Sie sind ja so sehr um unsere Sicherheit besorgt. Das ist auch der offizielle Grund, warum wir nicht allein durch das Land fahren dürfen.
Vielleicht helfen ja dieses Schreiben und die Fürsprache unseres Betreuers.
Erst lungern wir auf dem Flur und dem Gelände rum.
Die Toiletten dieses Bürogebäudes hätte ich filmen müssen, aber wer weiß ob ich dieses Wagnis eingegangen wäre. Es hätte etwas von Spionage gehabt. Tatsächlich schätze ich, daß es richtig Ärger gegeben hätte, wenn ich dort gefilmt hätte. Von vier Buchten jedenfalls war eine benutzbar. Die zweite eigentlich nicht mehr und die andern beiden sahen aus, wie in einem Objekt, welches rohestem Vandalismus zum Opfer gefallen war. Unvorstellbar.
Auf dem Flur in einem Schaukasten lasen wir von einer Zollaktion hier in Quetta. Fünfzehn Tonnen Marihuana, das sind eben mal fünfzehntausend Kilogramm Rauschgift, die in Masten versteckt und eingeschweißt waren, sind entdeckt und beschlagnahmt worden.
Wer weiß, wo das Zeug gelandet ist. So ein Kilogramm wird hier sicherlich locker mit einzweihundert gehandelt!
Das Haus war sicher nicht umsonst mit so vielen schwer bewaffneten Kämpfern gesichert! Die Ruhe täuschte sicher. Für fünfzehn Tonnen Rauschgift könnte bestimmt schnell ein kleiner Krieg ausbrechen.
Doch wir spürten das nicht und hatten nur Nerven für unsere Belange.
Kurz tat sich was und dann warten wir eine, und noch eine Stunde in einem unbesetzten Büro auf die Entscheidung.
Die Rede war von fünf bis zehn Minuten gewesen. Fünf bis zehn Minuten würde es dauern.
Asiatische Minuten haben wir nun reichlich und zur Genüge kennengelernt.
Nach diesen zwei Stunden ist es aber dann doch endlich entschieden.
Weiter geht es nur mit dem Zug. Der nächste Zug nach Taftan ist unser.
Die Gurkenhälse hier wissen nicht mal, wann einer fährt, wir jedoch wissen es. Alle vierzehn Tage fährt ein Zug nach Taftan.
Und vor allem: Dieser Zug fährt morgen!
Auf dem Weg hierher hat Lutz noch mal so nebenbei Geld getauscht, um kleine Dollar Bargeld zu haben. Mit den Travelerchecks und den großen Bundesbanknoten kann man ja nichts Vernünftiges beginnen.
Wir fahren zurück zum Hotel, es regnet. Im angeschlossenen Restaurant essen wir Chapati mit Gemüse und gehen danach ins I-net Büro.
Im Osten, der für uns ja der Westen ist, gibt es nichts Neues.
Ich schreibe gerade eine längere Mehl an Fedo, plötzlich ist Stromausfall und von da an geht drei Stunden lang nichts mehr.
Es ist kalt. Frustriert gehe ich ins Hotel und ins Bett!
Mittwoch, 14.Februar 29. Tag
Natürlich geht es weiter, immer weiter. Was solls?
An diesem Tag schlafe ich etwas länger. Bis um neun Uhr, und nach dem Frühstück ludern wir wieder mal noch eine Zeit lang herum und diskutieren über Gott und die Welt und einige ganz private Themen.
Danach kutschen wir wieder zum Customs Office.
Es hat sich was getan, der Vorgang wurde abgeschlossen.
Also eigentlich Grund zur Zuversicht. Und die breitet sich auch ein wenig aus. Aufbruchstimmung.
Am Bahnhof dann, im dortigen Zollbüro, können wir erleben, wie unbeschreibliche Bürokratie zur Comicvorführung mutiert.
Es zu schildern hat zwar keinen Sinn.
Dennoch: Man stelle sich ein Büro von der doppelten Größe einer kleinen Bushaltestelle vor. Darin eine Fußballmannschaft.
An Stelle eines Balles gibt es jede Menge Papier.
Im ersten Augenblick möchte man glauben, es ist eine Altpapierannahmestelle, die als Asylbewerberbüro benutzt wird. Wichtig aussehende Männer tragen Zettel rein und raus. Uniformierte und Ziegenhirten, Heilige, Bettler und smarte Jungs. Einer tut wichtiger, als der Andere. Das Stempelkissen dampft.
Ein System ist bei bestem Willen nicht erkennbar.
Es ist wie ein Irrenhaus. Dadurch erkennen wir jedoch, aus was für bieder und gediegen organisierten Gesellschaften wir kommen.
Sei es nun die DDR oder der jetzige deutsche Beamtenstaat.
Wer das hier gesehen hat, der wagt den eigentlichen Wahnsinn in Deutschland möglicherweise längere Zeit nicht leichtfertig als Bürokratie zu bezeichnen.
Dennoch, letzten Endes ist auch unser Stempel getan und die Motorräder sind nach Taftan gebucht.
Dabei müssen wir den Preis für deren Transport hierher, nach Quetta begleichen, denn das stand noch aus. Diese Rechnung zeigt mit 1240 Rupis einen absoluten Spartarif. Es waren ja immerhin etwa 1500 Kilometer Bahnfahrt.
Da die Maschinen jetzt frei und während des täglichen Bahnbetriebes für viele zugänglich in einem Gatter stehen, wo sie auch die nächste Nacht bleiben, nehmen wir unser restliches Gepäck von dort mit zum Hotel.
Weiterhin suchen wir danach im Bazar nach einer Möglichkeit, Geld zu tauschen. Unser Vorrat an pakistanische Rupien ist etwas dürftig.
Wer weiß, was es diesmal kostet, die Maschinen im Zug zu transportieren.
Nach längerem Suchen finden wir dann einen kleinen Laden, dessen Betreiber bereit ist, uns für 200 Mark 4850 Rupis und noch 20 Dollar in Einer- Banknoten zu geben.
Das Geschäft tätigen wir mit einem etwa zehn jährigen Jungen.
Der verhandelte mit uns, als ob er noch nie was Anderes gemacht hätte. Vielleicht ist das sogar der Fall.
Dieses Tauschgeschäft mit dem kleinen Jungen, der recht gut englisch sprach und sehr souverän und sicher zu Werke ging, war schon merkwürdig und nötigte ziemlichen Respekt ab.
Lutz prophezeite dem Jungen zum Abschied, daß dieser sicher mal ein sehr erfolgreicher Geschäftsmann werden wird.
Alles fand in einer düsteren Basarbude statt. Wir waren mit dem Jungen allein. Ohne den geringsten Gedanken an möglichen Betrug gehabt zu haben, vermittelte die vermeintliche Sicherheit des Jungen die Ahnung, daß ein krummes Ding furchtbare Folgen haben würde!
Woher diese Gedanken kamen ist fraglich. Sicher war es das recht viele Geld und die augenscheinliche Unterlegenheit des Jungen.
Jetzt noch ins I-Net und ein ausführlicher Bericht an Fedo.
Bei dieser Gelegenheit vergesse ich auch nicht, Angelika anzurufen, sie hat ja heute Geburtstag und ich gratuliere wenigstens telefonisch.
Donnerstag, 15.Februar der dreißigste Tag.
Unsere Motorradtour mutiert zum Eisenbahnerlebnis.
Der erste Monat ist somit um. Eine gute Bilanz. Wir können zufrieden sein, da inzwischen wesentliche Schwierigkeiten und Unwägbarkeiten des Unternehmens hinter uns liegen. Wir sind gesund und zuversichtlich. Wir haben die Motorräder. Wir haben Indien verlassen. Und wir haben viel erlebt und gelernt.
Die Ausreise aus Pakistan dürfte kein Problem mehr werden. In ein paar Stunden sitzen wir im Zug und werden Quetta verlassen.
Da der Zug nach Taftan heute um 12.00 Uhr abfahren soll, genügt es bestimmt, wenn wir halb elf auf dem Bahnhof sind. Auf Grund der guten Erfahrungen von der ersten Zugfahrt haben wir nun die Erwartung, daß sich der immerhin mehr als doppelte Preis für Schlafwagenkarten lohnen wird.
Eine gewisse Spannung liegt in der Luft. Die Fahrtdauer für die 660 Kilometer bis zur iranischen Grenze ist offiziell mit 24 Stunden angegeben.
Nachdem wir die 1000 Rupis Hotelrechnung für die vier Nächte beglichen haben, schicken wir noch mal paar Kartengrüße vom Post-Office aus nach Deutschland.
Eine zwar lästige Angelegenheit, aber das sind wir den Neustrelitzern und auch den sonstigen Verwandten und Freunden wohl schuldig.
Als wir dann auf dem Bahnsteig ankommen, sehen wir sofort, daß der Zug mehr so was, wie ein riesiger Schrotthaufen auf ganz vielen Rädern ist.
Die wenigen Mitreisenden lassen unsere Mehrausgabe für die Schlafwagen- Karten dann auch ziemlich sinnlos erscheinen.
Da ist nun nichts mehr zu ändern. Wenigstens sind unsere Maschinen rechtzeitig verladen und auch in den richtigen Zug. Es ist schon besser, das alles ein wenig im Auge zu behalten. In Aufbruchstimmung suchen wir unseren Waggon und unser Abteil.
Zuerst muß ich dort mal den gröbsten Dreck beseitigen, ganz feiner Wüstensand, schon eher Staub, der alles überzuckert. Mit ein wenig von unserem eigenen Klopapier geht das ganz gut.
Es ist wohl der schlechteste Bahnwagen, den ich je gesehen habe, außer Dienst gestellte, entgleiste und Viehwaggons mit eingeschlossen. Die Elektroinstallation besteht nur aus geflicktem, offen liegendem Drahtgewirr.
Stromführende Kontakte sind durch Verdrillen der jeweiligen Kabelenden hergestellt. Mechanische Bauteile Scharniere, Türen Fenster, nichts funktioniert richtig. Die in jedem Abteil vor sich hinrostenden Ventilatoren bewegen sich natürlich auch kein Stück und das wenige Wasser aus den Dachtanks, ist schon nach der ersten Stunde alle. Über den Zustand der Toiletten kann man nur sagen, wenn man sie als Scheißhäuser bezeichnen würde, dann wäre das eine Verherrlichung.
Wir wechseln noch mal das Abteil. Es stehen ja genug leer.
Das neue Separee läßt sich sogar von innen verriegeln. Und auch von innen wieder öffnen. Das heißt mit Sicherheit, daß wir heute Nacht beide gleichzeitig schlafen können, niemand Nachtwache schieben muß, damit wir unser Gepäck nicht riskieren.
Nachdem wir das gegessen haben, was Lutz noch schnell und riskant in letzter Minute vor Abfahrt des Zuges auf dem Bahnhof erstanden hat, kriegen wir Besuch.
Ein Pakistani. Erst unterhalten wir uns mit ihm recht angeregt. Doch recht schnell merken wir, daß Gulzar gegen diesen Vertreter ja human mit seinen Missionierungsversuchen gewesen war.
Jetzt gabs nur noch einen Gott für alle. Eigentlich ganz unsere Meinung!
Aber doch nicht den!!
Wir ließen den Eiferer schließlich labern.
Auf der Fahrt machten wir noch schöne Video-Aufnahmen.
Lutz kletterte auf das Waggondach des fahrenden Zuges und filmte aus dieser Westernposition die Berglandschaften um die Hochebenen.
Es war schon ein tolles Gefühl, wieder weitergekommen zu sein. Die Fahrt ging durch Tunnel, über abenteuerliche, im Landesstandard ausgeflickte Brückenkonstruktionen, die riesige leere Flußbetten überspannten.
Alles was zum Filmen.
Im Abteil fiel uns nach einem Stündchen auf, daß unser Nachbar fehlte.
Erst wunderten wir uns, als wir feststellten, daß der Pakistani nach einem längeren Halt verschwunden war. Als er nach einer weiteren Stunde dann immer noch nicht wieder aufgetaucht war, sein Gepäck jedoch nach wie vor an seinem Platz neben uns stand, wurden wir schon so nervös und mißtrauisch.
Schließlich horchte ich wirklich an den verwaisten Gepäckstücken.
So verrückt das klingen mag. Aber es tickte nichts darin.
Da es ja auch elektronisch zündende Bomben gibt, gehen wir erst mal ein paar Abteile weiter. Außerdem sehen wir im Speisewagen nach und beim Halten des Zuges versuchen wir ihn zu entdecken. Aber der Mann bleibt spurlos verschwunden.
Bei einem der nächsten längeren Halte, so nach mehr als drei Stunden, ist er dann plötzlich wieder da. Nun wollten wir natürlich eine Erklärung haben.
So erzählte dieser Taliban uns von seinem Mißgeschick.
Er war vorhin in einer Moschee beten...
Dann war der Zug weggewesen.
Verbetet sozusagen.
Auf dieser langsamen Strecke, auf der man nicht einen korrekt sitzenden Schienennagel entdecken wird und die Schwellen manchmal wie loser Tabak im Wüstensand liegen, erwies sich dieses Mißgeschick jedoch nur als ein kleineres Problem.
Unser Zug zieht nämlich nur mit zwanzig bis vierzig Stundenkilometern durch die Wüste. So hatte es der Beter nicht sonderlich schwer, den Wüsten-Express mit dem Bus auf der parallel verlaufenden Straße einzuholen.
Das Ereignis ist natürlich für alle, die es mitbekommen äußerst belustigend.
Für die, denen wir es erzählen noch mehr.
So geht der Tag zur Neige und von der Außenwelt ist durch diese Art Fenster dann nichts mehr zu sehen.
Freitag, 16.Februar, 31. Tag
Interessante Landschaft, meistens Sand, manchmal Steine
und mütterliche Morganen.
Früh 8.00 Uhr und wir sind in Yakmach. Inzwischen ist es hell.
In der riesigen Wüste tauchen immer wieder große Seen auf.
Es sind verblüffend anzusehende Sinnestäuschungen.
Die Silhouette des Horizontes bilden Gebirgsketten, die sich in der Weite auch innerhalb von Stunden nicht ändern.
Einen riesigen Berg sehen wir den ganzen Vormittag über, bis er dann endlich im Dunst schräg hinter uns verschwimmt. Der Zug hält ständig an Orten, wo wir uns eigentlich keine menschliche Besiedelung vorstellen können.
Auch was die Ziegenherden und Dromedare fressen bleibt uns ein Rätsel. Wie so vieles, wenn nicht das meiste in diesen Ländern.
Als dann in Nok Kundi wieder mal ein längerer Halt stattfindet, versuchen wir, die Zuggarde zu überreden, uns hier aussteigen und abfahren zu lassen.
Die parallel verlaufende Straße ist ja fast immer in Sichtweite. Dem Ansinnen ist natürlich kein Erfolg beschieden.
Dafür bekommen wir dann gut Mecker aus Gesichtern mit hochgezogenen Augenbrauen, weil wir während der Fahrt ein paar mal über die Dächer der Waggons gelaufen waren, da wir uns das zum Fotografieren und Filmen und auch so zur Abwechslung zwischendurch gönnten.
Sie sind sehr besorgt um die Sicherheit der westlichen Touristen und müßten das eigentlich melden. Doch das kann ich ihnen schließlich ausreden, mit der Versicherung, daß wir uns von nun an für den Rest der Fahrt nur noch im Zug aufhalten werden. Was natürlich nicht heißt, daß wir nicht auch, wie alle, außen von Waggon zu Waggon klettern um auch mal zum Speisewagen zu gelangen.
Um 15.00 Uhr steht sich unser Zug wieder mal vorwärts.
Tozghi - der Ort, wenn man das so nennen darf, ist nicht auf unserer Karte.
Es kann aber nicht mehr sehr weit bis Taftan sein.
Es ist inzwischen nach fünf Uhr nachmittags und somit hat der Zug schon sieben Stunden Verspätung, dabei wird es nicht bleiben.
Wieder gibt es einen Halt. Weite, offene Strecke. Das Gerücht macht die Runde, die Lok sei kaputt. Na prima, denken wir. Auf den letzten paar Kilometern hat uns das gerade noch gefehlt.
Lutz redet nochmals auf die Zugbegleiter ein, uns die Motorräder rauszugeben damit wir weiterfahren können, wenn jetzt auch noch die Lok kaputt ist.
Wir haben ja bis Deutschland noch ein paar tausend Kilometer.
Natürlich ist sein Gehabe vollkommen sinnlos.
Ich hatte ihm vorher gesagt, daß er sich das sparen könne.
Nach ein paar kläglichen Fehlversuchen der schwarz qualmenden, wieder und wieder verreckenden Lok, den rollbaren Schrotthaufen weiter in Richtung Westen zu bewegen, endlosen weiteren Reparaturversuchen, setzt sich die Rostlaubenkolonie auf Rädern dann doch recht zögernd und langsam wieder in Bewegung.
Abends um halb sieben sind wir dann in Taftan, dem Grenzort zum Iran.
Wie gehabt krallt uns, samt unserer ausgeladenen, fast startbereiten Motorräder umgehend der Zoll, bevor wir etwa losdüsen können. So fahren wir nur brav auf den Zollhof, es sind nur zweihundert Meter.
Die Grenze ist sowieso für heute geschlossen. Drängeln hilft da gar nichts.
Als Entschädigung gibts eine prophezeite Überraschung. Wir können uns freuen, denn die Leute mit der Feuerwehr treffen wir hier in Taftan wieder.
Sie stehen auf dem Zollhof. Wir werden uns noch oft treffen, hatte Anthony, der Fahrer schon in Quetta versichert.
Sie müssen hier auch bis zum nächsten Morgen warten. Sie laden uns ein, bei ihnen zu übernachten.
Als wir die Preise des einzigen ortsansässigen Hotels erfahren und obendrein die Zimmer sehen, nehmen wir das Angebot der beiden jungen Eltern, in ihrem roten Heim zu nächtigen, nur zu gerne an. Lutz macht es sich dann im Fahrerhause richtig schnuckelig.
Samstag, 17.Februar, 32. Tag
Auf nach Persien!
Ich habe durch meine Schuld recht schlecht geschlafen. Man soll sich beim Herrichten des Nachtlagers doch etwas mehr Zeit lassen! Wie man sich bettet, so schläft man! Ich weiß nicht wie alt der Spruch ist, aber es ist schon was dran.
Meine Verdauung macht auf eilig und ich lasse mir in der Feuerwehr schwarzen Tee machen. Mal sehen, was draus wird.
Um neun Uhr gehts dann zum Zoll. Die haben wieder alle Zeit der Welt und ich glaube wieder unsere lahmen Säcke in den deutschen Verwaltungen sind, im Vergleich mit denen hier, flink wie Wiesel.
Aber irgendwann geht die Post dann mit Zoll Eskorte zum Grenzkontrollpunkt, der nur 500 Meter entfernt ist.
Eine Gruppe Pakistani stellt uns Geldbündel-wedelnd nach. Sie wollen tauschen. Da ich keine Lust habe, mich in großem Stile übers Ohr hauen zu lassen, fahre ich zur Grenze. Lutz überläßt ihnen seine restlichen Rupis um dafür sicherlich nur halb soviel Rial zu bekommen, wie sie wert sind.
Ihm ist das aber egal. Selbst auf diesen paar Metern lassen uns die Beamten nicht aus den Augen. Die müssen schreckliche Angst haben, daß wir unsere Krafträder noch im letzten Augenblick verscheuern und dabei unheimlich reich werden. Wenn man bedenkt, daß die Motorräder hier angeblich mit dem fünffachen Preis gehandelt werden, ist das Getue sogar verständlich.
Die Abfertigung geht ziemlich glatt und ohne viel Theater und nach einer Stunde sind wir kostenfrei im Iran. Prima.
Anthony und seine Frau, die Feuerwehrleute, haben ein bißchen Probleme mit ihrem, in Indien geborenen, paar Wochen alten Kindlein. Dieser kleine Mensch hat nämlich keinen Paß. So haben sie Probleme, über die Grenze zu kommen. Aber sie machen sich deswegen absolut nicht heiß.
Bei uns wird das fehlende Carnet vollkommen problemlos durch einen Eintrag in unseren Paß ersetzt. Die Pässe verlieren nun in diesem Lande ohne das Beisein der eingetragenen Motorräder ihre Gültigkeit.
Unsere Freude über dieses Entgegenkommen kann sich kaum jemand vorstellen, denn dies war die letzte ernsthafte Hürde, vor der uns bangte.
Seit Delhi hatten wir uns ständig mit diesem Problem beschäftigt.
Das ist nun Vergangenheit und völlig zu Unrecht fühlen wir uns schon fast Zuhause. Es liegen doch noch über achttausend Kilometer vor uns!
Der Beamte, der kaum was zu tun hat und angenehm nett ist, bekommt von Lutz zur Belohnung für seine Kulanz ein paar Kondome.
Lutz sagte mir, die Dinger wären hier Goldstaub.
Ich stelle meine Uhr weitere 90 Minuten zurück.
An der letzten Kontrollstelle dieser Grenze, die Lutz dann auch schon flott und zuversichtlich durchfahren hatte, werde ich gestoppt. Daraufhin kommt Lutz auch gleich mit schlechtem Gewissen zurückgedüst. Aber es ist nichts Gravierendes mehr. Die Soldaten wundern sich bloß, daß wir keine Carnets haben. Kontrolle, nur noch mal so. Zeigen, daß man uns auch ja nicht übersehen hat. Endlich können wir wieder auf den eigenen vier Rädern weiterfahren.
Es geht durch endloses Niemandsland. Dann entsteht ein kleiner Stau vor einer fetten Straßensperre. Eine massive Kette versperrt die Weiterfahrt. Und eine Horde junger Bengels in Uniformen, ihre fickrigen Finger an den Abzügen ihrer Kaschis. Das alles unterstreicht die Funktion dieser Anlage.
Aber es gibt keine Probleme.
Wir machen dann so 200 Kilometer bis Zahedan, wo wir volltanken.
Ehrlische Preise. 22 Liter Diesel erhalten wir für 2000 Rial. Das sind umgerechnet 80 Pfennige !!!
Da macht das Tanken richtig Spaß. Zwischen zwei und vier Pfennige kostet hier der Liter Sprit. Das Aufsehen an der Tankstelle ist etwa so, wie ein achtsitziger Regierungs-Lincoln in den sechziger Jahren in der DDR erregt hätte, oder heutzutage ein fliegender Teppich mit dem Bundeskanzler drauf in der Fußgängerzone einer Kleinstadt.
Das Letztere würde allerdings sicherlich nur als gelungene Wahlkampfaktion empfunden werden, denn das Staunen stirbt ja in Deutschland sicherlich vollkommen aus!
Wir allerdings haben es vielerorts bis in unsere Heimatstadt hinein, doch noch ein paar Mal aus der Sicht der Verursacher mit diesen Motorrädern erlebt.
Irgendwann unterwegs, wir fahren nun schon so sechzig, siebzig, sieht Lutz dann rot. Im Rückspiegel. Die Feuerwehr kommt, düdelt kurz und freudig und überholt uns. Aber sie fährt für unsere frischen Maschinchen zu schnell und so lassen wir uns rasch wieder abfallen, nachdem wir ein paar Kilometer im Windschatten hinterhergerattert sind.
Gegen fünf am Nachmittag haben wir dann in Nosratabad auch die Weltreisenden Feuerwehrleute wieder eingeholt. Sie stehen auf einem Parkplatz und wollen Feierabend machen. Wir fahren von einer unfreundlichen Gastwirtschaft, die hier ist, wieder los. Drehen um und düsen zwei Kilometer zurück. Da ist dann so eine Art Raststätte für LKW-Fahrer.
Wer weiß das schon. Woran soll man das erkennen?
Doch es scheint richtig zu sein. Wir sind die einzigen Gäste und essen Hühnerbein mit Reis, Gemüse, Brot und dazu Cola. Es schmeckt uns ausgezeichnet und wir bezahlen für vier Personen acht Dollar, das ist zwar nicht viel, aber so schätzungsweise das vierfache vom Üblichen.
Dafür dürfen wir zwei auch noch im Nebengebäude des Restaurants schlafen. Leerer Raum, mit Teppich, abschließbar und die Enfields passen auch mit rein.
Ein Zustand also, der nur mit dem Wort ideal charakterisiert werden kann.
Aus dem zusammengerollten Teppichboden machen wir uns ein feines Nachtlager. Das haben wir auch nötig.
Sonntag, 18.Februar, 33. Tag
Wir fühlen Freiheit, denn wir sind auf Tour. Abba richtich.
Ein sehr schöner Sonnenaufgang begrüßte uns halb sieben.
Der Lkw - Verkehr ist noch nicht richtig erwacht. Wir machen Sport, besuchen das Klo, welches uns, nach den Eindrücken in den Waggonscheißhäusern, nicht mehr emotional erreichen kann und waschen uns so leidlich im Freien.
Das Wasser stammt aus einem großen Zinkstahlfaß, das neben dem Klohaus steht. Es ist kalt. Oder frisch. Wir haben gut geschlafen und mein Magen hat sich offenbar auch beruhigt.
Nach einem kurzen Frühstück, bestehend aus Bananen, Waffeln und einem Rest Limonade, schwingen wir uns wieder auf die Renner und sehen zu, daß wir weiter kommen. Immer in Richtung Nordwesten.
Die Feuerwehr Besatzung schläft noch als wir abfahren.
Kräftiger Gegenwind von links vorn. Es ist zum Auswachsen - ich komme nicht aus dem Arsch. Meine Maschine ist deutlich langsamer, als die von Lutz. Nicht, was die Höchstgeschwindigkeit betrifft, die wir eigentlich noch gar nicht ausgetestet haben; sind es nun siebzig oder achtzig?, sondern der Anzug, der Durchzug, alles ist irgendwie lahmer.
Sobald es bergauf geht, oder etwas Gegenwind aufkommt, kocht mich Lutz auf seiner Möhre hoffnungslos ab. Das quält wie Scheiße am Stiefel, da man ja möglichst zusammenbleiben will.
Und er erklärt mir immer lachend, daß ich mich ja im Showroom sofort auf dieses Motorrad gestürzt hätte, nur weil ein anderer Schriftzug den Tank meiner Maschine verziert. Dort steht, nämlich „Enfield Diesel“, während auf dem Tank seiner Rakete „Taurus“ zu lesen ist.
Um der Lahmheit abzuhelfen, könnte ich ja versuchen, die Einspritzmenge zu erhöhen. Abgesehen davon, daß wir nicht wissen, welche der drei Einstellschrauben die richtige ist, will ich auch kein Risiko eingehen. Lieber etwas langsamer, aber alles hält durch.
Lutz hat seine Sitzbank verändert, die dadurch sieben oder acht Zentimeter tiefer als die meiner Maschine ist. Außerdem hat er die Hinterschwinge tiefer gestellt.
Er will mir weismachen, daß mein höherer Luftwiderstand und das massige Querliegen meines Rucksacks für die Lahmheit meiner Fahrweise verantwortlich wären. Außerdem wäre ich schwerer als er, was nun der völlige Blödsinn ist. Schließlich tauschen wir die Maschinen. Sie ist langsamer, sagt er dann auch, bleibt aber trotzdem, stur wie er eben ist, bei seiner These.
Um einigermaßen zusammenbleiben zu können, fahre ich also im Windschatten von Lutz. Das ist sehr anstrengend. Ich muß höllisch aufpassen. Nicht zu dicht auffahren und trotzdem dranbleiben.
Zweidrei Meter Abstand und schon bin ich raus aus dem Sog. Dann heißt es jedesmal flach auf den Tank legen um wieder heran zu kommen.
Alles in allem zu stressig, um das längere Zeit zu machen. So muß Lutz seine Geschwindigkeit wieder einmal, wie dann noch so oft, an meine lahme Ente anpassen. Der Spaß bleibt ein bißchen auf der Strecke, obendrein sitz uns ja auch die Zeit im Genick.
Um zehn haben wir gerade mal 108 Kilometer geschafft.
Mittags habe ich auf meinem Tacho 985 Gesamtkilometer und wir durchfahren die Stadt Bam. Diese endlosen Weiten hier führen dazu, daß sich ein Zustand einstellt, wo alle Körperfunktionen nur noch auf das Folgen des Straßenverlaufs reduziert sind. Im Iran wird wieder rechts gefahren, also sehr gewohnt und nach ein paar Stunden ist es dann oft so eine Art Schlaf, wie man so dahindüst.
In Kerman, eine große Stadt auf unserer Route, ist dann für heute endlich Endstation. Es ist jetzt dreiviertel sechs und wir sind vierhundertvierzig Kilometer gefahren. Diese lange Etappe wird sich als die weiteste Tagesentfernung der Gesamtreise entpuppen. Wir sind auch ziemlich geschafft. Einige Klimawechsel, fünf sechs Straßensperren und der zweite Tag im Iran liegen hinter uns. Während wir im Laufe des Tages in großer Hitze an Hunderten Dromedaren vorbei fuhren, die durch die weite Wüste zogen, haben wir nun alle Sachen an, denn von den verschneiten Bergen fällt ein frostiger Wind. Die Stadt ist groß und relativ modern.
Eine dreiviertel Stunde später haben wir dann ein Hotel gefunden und zahlen 35.000 Rial für ein Doppelzimmer. Das sind Achtmarkfünfzig. Die Dusche ist eine Etage höher, wir stürzen uns beide nacheinander in dieses erquickende Vergnügen. Wir haben es nötig. Wie Lutz erst sehr viel später feststellt, läßt er in der Dusche seinen silbergefaßten Rubin hängen.
Das Essen unten im Restaurant ist absolut erstklassig. Einen Qualität, die immer wieder angenehm überrascht ist. Wir essen viel zu viel. Aber wer weiß, wann es das nächste Mal so was Gutes gibt!
Vorher hatten wir uns mit unserem Anliegen durchgesetzt und die Maschinen in den Hotelhausflur hineingewuchtet. Die Motorräder nahmen wir ab diesem Hotelaufenthalt sozusagen immer mit ins Bett. Das erstaunte auch niemanden, es wurde gut verstanden.