Читать книгу Hörnchen & Bär. Haufenweise echt waldige Abenteuer - Andreas H. Schmachtl - Страница 8

Kapitel drei

Оглавление

… in dem es zu heftigem Wellengang kommt

Na, zum Glück muss ich heute keine Wäsche aufhängen, dachte Hörnchen, als er am Dienstag die Nase aus seiner urgemütlichen Schlafhöhle hielt. Denn am Dienstag wehte so ein ungestümer Wind durch den Wald, dass er hier und da sogar das Laub von den Bäumen rupfte. Und obwohl es noch viel zu früh für die bunten Herbstblätter war, taumelte Hörnchen ein besonders buntes Blatt entgegen. Ein kunterbuntes sozusagen.

Hörnchen erschreckte sich wirklich nur ganz kurz und grapschte das Blatt dann einfach so aus der Luft. Von einem Baum stammte das aber nicht! Bei genauerer Betrachtung war es auch nur von einer Seite bunt. Hörnchen erkannte darauf Wellen, die gegen große Felsen schlugen. Und auf den Felsen stand ein irgendwie rundes Haus mit einer großen Laterne auf der Spitze. Das Ganze war enorm merkwürdig.

Im nächsten Moment wehte der Wind Bär heran. Da kann man mal sehen, wie ungestüm er war. Der Wind, natürlich. Nicht Bär! Und bevor Bär etwas sagen konnte, hielt Hörnchen ihm das bunte Blatt vor die Nase und fragte: »Hey, Bär, was ist das?«

»Das ist ein Leuchtturm«, antwortete Bär.

»Uiii … ein Leuchtturm!«, staunte Hörnchen und reckte seine Ohren pfeilgerade in die Höhe. Er hopste vom Baum, schnappte seine Angel und ging mit Bär zum See. Immer wieder betrachtete Hörnchen den Leuchtturm. Gehört hatte er davon nämlich schon.

»Das ist also ein Leuchtturm«, murmelte Hörnchen vor sich hin. »Bist du sicher?«

»Ziemlich«, antwortete Bär. »Warum?«

»Na, eigentlich …«, antwortete Hörnchen, »… hatte ich mir so ein Ding ein bisschen größer vorgestellt. Und runder. Und mindestens …« Wie ein Blitz sauste Hörnchen den nächsten Baumstamm hinauf. »… sooo hoch!«

Bär rief Hörnchen hinterher: »Das ist ja auch nur ein FOTO von einem Leuchtturm.«

Hörnchen flitzte wieder hinab und meinte: »Na, das hättest du auch gleich sagen können.«

Als sie an den drei Kiefern vorübergingen, fragte Hörnchen: »Warum leuchtet so ein Leuchtturm eigentlich?«

Bär antwortete: »Damit die Schiffe sich bei starkem Wellengang nicht verirren.«

»Klar, hätte ich mir denken können«, sagte Hörnchen. Und als sie an dem Wasserfällchen bei der Felskante vorbeikamen, wollte er wissen: »Und wo leuchtet so ein Leuchtturm?«

»Meistens direkt am Meer«, erklärte Bär.

»Logisch. Da gibt’s haufenweise Wellengang«, entschied Hörnchen. »Aber wer knipst das Licht im Turm denn an?«

»Die sogenannten Wärter«, sagte Bär. »Sie kümmern sich um alles. Soweit ich weiß, wohnen sie manchmal sogar in ihrem Turm. In einem Stockwerk wird gegessen, im nächsten gelesen. Und hoch oben gibt es vermutlich eine Schlafkammer. Du verstehst schon.«

»Na, und ob«, versicherte Hörnchen. Denn das verstand er nun wirklich besser als irgendwer sonst. Immerhin war sein Baum ja praktisch ein Leuchtturm. Nur eben als Baum … der nicht leuchtete. Leider! Trotzdem war Hörnchen von der Idee absolut begeistert und verkündete: »Uiii … ein Wärter. Ich glaube, so was sollte ich auch sein.«

»Warum wundert mich das nicht?«, seufzte Bär.

Dann kamen sie zum See. Der war normalerweise spiegelglatt. Aber heute kräuselte der ungestüme Wind die Oberfläche. Als Bär zu rudern begann, platschten doch tatsächlich ein paar winzige Spritzer zu ihnen hinauf.


Hörnchen verengte die Augen zu Schlitzen. Wodurch er enorm abenteuerlustig aussah, als er raunte: »Das sieht mir nach heftigem Wellengang aus.«

»Ach ja?«, staunte Bär.

»Allerdings«, versicherte Hörnchen. »Ich bin Wärter. Ich kenne mich aus!«

»Ich hatte das für ein laues Lüftchen gehalten«, sagte Bär, warf seine Angel aber gar nicht erst aus. Denn Hörnchen antwortete: »Ja, da kann man sich ganz schön täuschen. In null Komma nichts wird aus dem lauen Lüftchen …«

»… heftiger Wellengang?«, fragte Bär.

»Du sagst es!«, antwortete Hörnchen. »Ich sollte mich lieber um meinen Leuchtbaum kümmern. Könntest du mich bitte zum Ufer paddeln?«


»Klar«, sagte Bär und tat es. So ging Hörnchen ausnahmsweise ohne Bär zurück. Dabei hatte er es natürlich eiliger als auf dem Hinweg. Das war auch gut. Denn der ungestüme Wind wurde immer ungestümer. Und irgendwann wurde das Blätterrauschen so heftig, dass es sich für Hörnchen wie waschechtes Meeresrauschen anhörte. Wo zuvor noch weiches Moos den Waldboden bedeckt hatte, sah Hörnchen heftigen Wellengang. Er hopste von einem Baumstumpf zum nächsten, wie man an einer steinigen Küste von einem Felsbrocken zum nächsten hopsen würde. Bei der Gelegenheit rettete er übrigens auch gleich ein bis zwei Mäuse und einen kleinen Igel aus den vermeintlich rollenden Wellen. Ob sie allerdings tatsächlich gerettet werden wollten, ließ sich nicht so genau sagen. Sie waren nämlich viel zu verdutzt, als sie plötzlich in den Baum hinaufgeschleppt wurden. Hörnchen setzte sie auf einen Ast und rief: »Keine Angst! Hier seid ihr in Sicherheit.«

Da Hörnchen ab sofort, sozusagen ganz offiziell, Wärter war, musste er sich schleunigst um seinen Leuchtbaum kümmern. Er las nur kurz in seinem Lexikon nach, wie das eigentlich ging.

»Laterne anzünden, Rettungsleinen auswerfen, Gerettete versorgen. Okidoki, das kann ich«, beschloss Hörnchen und las weiter. Dann entdeckte er das tollste Wort überhaupt und sagte: »Uiii … ein NEBELHORN!«

Doch zunächst flitzte Hörnchen immer wieder zum Waldboden, äh, natürlich in die Wellen hinab, um weitere Waldbewohner zu retten. Und als Bär später vom Angeln zurückkam, knallte ihm plötzlich das Ende eines Rettungsseils aus dem Baum direkt vor den Latz.

»Halte dich fest!«, rief Hörnchen vom anderen Ende. »Ich ziehe dich rauf.«

Bär packte das Seil und musste die Arbeit fast nicht ganz allein machen. Schließlich hockte auch er mit all den anderen Geretteten auf einem Ast. Hörnchen versorgte sie mit heißem Tee und warmen Decken. Das dauerte den einen oder anderen Moment. Womöglich sogar noch einen weiteren. Denn als die Geretteten beim besten Willen keinen heißen Tee mehr trinken konnten, zog schon die Nacht über dem Wald herauf.

Die Geretteten schlangen ihre Decken noch enger um sich. Es sah nämlich nicht so aus, als ob sie die Nacht zu Hause in ihren Betten verbringen würden. Das konnte schon mal angehen, wenn man von heftigem Wellengang überrascht wurde.


Unterdessen wurde es höchste Zeit, den Leuchtbaum auch tatsächlich zum Leuchten zu bringen. Hörnchen hatte enorm wärtermäßig darüber nachgedacht, wie er das anstellen sollte. Und so konnten die Geretteten auf ihren Ästen beobachten, wie er sich eine Taschenlampe auf den Rücken schnallte und dann um den Baumwipfel sauste. Immer und immer im Kreis herum. Das Licht der Taschenlampe schien, flackerte und blitzte kreuz und quer durchs Geäst, und Hörnchen war hochzufrieden. In dieser Nacht würde bestimmt kein Schiff in Seenot geraten.

Unglücklicherweise schien, flackerte und blitzte das Licht auch immer wieder über die Geretteten. Darum bekam in dieser Nacht keiner ein Auge zu. Und darum waren am nächsten Morgen auch alle völlig erledigt. Na, jedenfalls sauste Hörnchen nicht mehr mit seiner Lampe umher, als es langsam hell wurde. Als dann aber dichter Morgennebel über den Waldboden waberte, ertönte plötzlich ein markerschütterndes »HUUUP! Huuup! Hup!«.

Die Geretteten zuckten vor Schreck zusammen. Und Hettie fragte: »Was war DAS denn?«


»Ich fürchte, das war ein Nebel-Hörnchen«, seufzte Bär, kam unter seiner Decke hervor und sagte zu den anderen: »Ihr könnt jetzt nach Hause gehen.«

Das ließen sich die Geretteten nicht zweimal sagen und stiegen vom Baum hinab. Bär hingegen stieg den Baum noch ein Stück hinauf und entdeckte Hörnchen. Der lag völlig erledigt auf dem Ast vor seiner urgemütlichen Schlafhöhle und hauchte ein letztes, enorm schwaches »Huup!«.

»Geht es den Geretteten gut?«, murmelte Hörnchen, obwohl er die Augen kaum noch offen halten konnte.

»Geht es«, versicherte Bär.

Und dann wollte Hörnchen noch wissen: »Bär, gab es eigentlich wirklich heftigen Wellengang?«

»Irgendwo bestimmt«, antwortete Bär. »Nur hier nicht. Aber du hast das trotzdem enorm wärtermäßig gemacht.«

»Danke«, wisperte Hörnchen, während Bär ihn vorsichtig in seine urgemütliche Schlafhöhle legte. Und als Bär endlich wieder festen Boden unter den Pranken hatte, hörte er Hörnchen dort oben erst gähnen und dann murmeln: »Manchmal ist es ein bisschen anstrengend, ich zu sein.«


Hörnchen & Bär. Haufenweise echt waldige Abenteuer

Подняться наверх