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„Ich glaube, dir bleibt nichts anderes übrig”, sagt Michael Reichert, während er den Börsenteil sorgfältig faltet und in seinem Lederkoffer verschwinden lässt. Benjamin kann sich lebhaft vorstellen, wie Reichert abends in seiner Designerwohnung sitzt und sein Geld in den Zusammenhang mit den klein gedruckten Zahlen in der Zeitung bringt. Claudia hatte keine guten Nachrichten. In der Bibliothek kannte niemand den Namen George Lavelle und man soll auch nicht besonders freundlich zu Claudia gewesen sein. Benjamin ist es unangenehm sie da hineingezogen zu haben.

„Ich meine, das Geld, das der Titel „A man falls in love with Judy“ Jahr für Jahr einspielt, wird an die Bibliothek überwiesen, da muss George Lavelle doch irgendetwas damit zu tun haben. Was weiß ich, warum ihn da keiner kennt.“

„Und was ist, wenn er inzwischen einen anderen Namen hat?“ fragt Benjamin Michael Reichert kleinlaut.

„Ich weiß es nicht, Ben. Es ist mir eigentlich auch egal. Du hast den Mann damals entdeckt und jetzt bist du es auch, der ihn ausfindig machen muss. Egal wie.“

Reichert faltet die Hände vor sich, so als müsse er sich selbst beruhigen.

„Es gibt keinen wichtigeren Job als diesen für Phonostar Records, Benjamin. Versag jetzt nicht! Fahr da hin, guck dich in der Bibliothek um und finde diesen Mann!“ Michael Reichert macht eine Pause, als wolle er den Worten Zeit geben, auch wirklich da anzukommen, wo sie hingehörten.

„Diese Bibliothek da, in Saigon oder wie das Kaff heißt, bekommt Jahr für Jahr eine unglaubliche Summe von uns überwiesen. Davon können die der ganzen Provence mehr Bildung anbieten als die Gymnasien in ganz Hamburg. Eine kleine Dorfbibliothek scheffelt da das ganz große Geld und ein Mann ist für all das verantwortlich, den keiner kennt? Die verarschen uns.“

Reicherts Hände sind nicht mehr gefaltet. Sie liegen nun nebeneinander auf dem Tisch. Er spricht jetzt bewundernd, wie er es immer tut, wenn er von Menschen erzählt, die viel Geld verdienen und dabei noch eine Kreativität entwickeln, die noch in keinem seiner Börsenblätter erwähnt wurde.

„Das nächste Mal, wenn du dieses Büro hier betrittst, dann leg mir den unterschriebenen Vertrag von George Lavelle hin.“

Jetzt hat Benjamin den Eindruck, dass Reichert die Vorgänge nur aufzählt, so als handle es sich um Routinearbeiten, die tagtäglich in seinem Büro stattfinden. Seine Stimme klingt jetzt so, als würde er sich inmitten eines wunderbaren Traums befinden: „Danach werde ich bei Bruce Butcher in New York anrufen, ihm sagen, dass Deutschland seinen Teil zu dem größten Popwerk aller Zeiten beigetragen hat. Bryan White wird diese Platte aufnehmen, die Fans werden vor Begeisterung weinen, kleine Mädchen werden ihren ersten Orgasmus bekommen, wenn sie in der ersten Reihe stehen und textsicher „A man falls in love with Judy“ mitsingen und milde lächelnd den alten Knacker am Bühnenrand akzeptieren, den du uns aus diesem Kaff zurück auf die Bühne gebracht hast. Wir alle werden sehr, sehr reich und du bekommst den ersten Bonus deines Lebens. So einfach ist das und jetzt geh hin und mach uns alle glücklich.“

Das Gespräch, oder besser gesagt, die Phantastereien finden ein jähes Ende, als Monica anruft, um ihm irgendein wichtiges Telefonat durchzustellen. Diesmal will er Benjamin nicht vor seinem Schreibtisch sitzen haben, wenn er telefoniert. Er hat genug von ihm und macht eine Handbewegung, als wolle er ein lästiges Insekt verjagen.

Der Sound der Provence

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