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2.3.4 Basis-, Leistungs- und Begeisterungsfaktoren

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Das GAP-Modell und der SERVQUAL-Ansatz wurden aufbauend auf dem Einstellungsmodell entwickelt, um die Aspekte zu identifizieren, die zu Kundenzufriedenheit führen können. Dabei stellt sich allerdings die Frage, wie relevant die einzelnen Aspekte sind. Für die Kunden können (Stichwort Anspruchsinflation) letztendlich sehr viele Elemente der Servicequalität wünschenswert sein. Aus Unternehmenssicht gilt es, unter dem Blickwinkel einer möglichst effizienten Generierung von Kundenzufriedenheit, diejenigen Aspekte zu identifizieren, die in besonderem Maß hierzu beitragen.

Von KANO (1995) wurde mit dieser Zielsetzung das sog. Kano-ModellKano-Modell entwickelt, das (ähnlich wie bei der MASLOW’schen Bedürfnispyramide; vgl. Kap. 1.2.2.2) zwischen Basis-, Leistungs- und Begeisterungsfaktoren unterscheidet (vgl. Abb. 27).

 BasisfaktorenBasisfaktoren stellen dabei einen implizit vorausgesetzten Basisnutzen voraus. Dies kann z. B. die Tatsache sein, dass ein reserviertes Hotelzimmer bei Anreise dann auch wirklich verfügbar ist. Basisfaktoren stellen eine Art Markteintrittsschwelle dar. Ihr Vorhandensein bzw. ihre Erfüllung führt nicht zu Kundenzufriedenheit, da die Erfüllung eben vorausgesetzt wird. Umgekehrt resultiert die Nichterfüllung bzw. das Fehlen von solchen Basisfaktoren in Unzufriedenheit.

 LeistungsfaktorenLeistungsfaktoren sind erwartete oder erwünschte Nutzen oder Leistungen. In einem Hotel kann dies z. B. eine gute Erreichbarkeit oder ein umfangreiches Frühstücksbuffet sein. Eine gute Servicequalität führt hier auch zu einer Zunahme der Kundenzufriedenheit, genauso wie das Fehlen wiederum zu Unzufriedenheit führt.

 BegeisterungsfaktorenBegeisterungsfaktoren werden vom Kunden normalerweise nicht erwartet. Zu unerwarteten Leistungen kann z. B. zählen, wenn auf dem Hotelzimmer ein Früchtekorb oder ein Bademantel zur Benutzung durch den Hotelgast offeriert wird. Fehlt eine solche Leistung, führt dies – da sie ja nicht erwartet wird – nicht zu Unzufriedenheit. Umgekehrt wird das Vorhandensein mit Zufriedenheit honoriert (vgl. Abb. 27).

Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auch darauf, dass sich das Konstrukt Kundenzufriedenheit durch zeitliche Dynamik und individuelle Nutzenerwartung der Kunden auszeichnet. Hier spielen neben gesellschaftlichen Wandlungsprozessen vor allem der Erfahrungszuwachs und die dadurch veränderten individuellen Erwartungshaltungen eine Rolle (vgl. Kap. 2.2). So können im Laufe der Zeit Begeisterungsfaktoren zu Leistungs- und später auch zu Basisfaktoren „degradieren“. Illustriert sei dies nochmals am Beispiel eines umfassenden Frühstücksbuffets. Wurde dieses vor einigen Jahrzehnten noch nicht erwartet und stellte somit bei Vorhandensein einen Begeisterungsfaktor dar, gehört es inzwischen zum Standard, und Kundenzufriedenheit kann nur durch ein möglichst umfassendes und differenziertes Buffet mit hochwertigen Produkten generiert werden. Denkbar ist, dass es künftig irgendwann dann zum Basisfaktor wird, mit dem keine zusätzliche Kundenzufriedenheit mehr geschaffen werden kann.

Abb. 27:

Basis- Leistungs- und Begeisterungsfaktoren und deren Einfluss auf die Kundenzufriedenheit (Quelle: eigener Entwurf nach PECHLANER, SMERAL & MATZLER 2002, S. 19)

Operationalisiert wird die Zugehörigkeit zu Basis-, Leistungs- und Begeisterungsfaktoren zumeist durch den Vergleich der explizit abgefragten Wichtigkeit (= emotionale Komponente der Einstellung) mit der impliziten Wichtigkeit. Implizite Wichtigkeit wird als Beitrag des entsprechenden Items zur Gesamtzufriedenheit verstanden, die üblicherweise mittels einer Regressionsanalyse berechnet wird (genau z. B. bei KAGERMEIER 2006).

Für die Darstellung wird häufig das sog. Importance GridImportance Grid gewählt. Bei diesem werden die Bezüge zwischen expliziter und impliziter Wichtigkeit für die einzelnen Items in vier Quadranten dargestellt (vgl. Abb. 28). Für die Analyse werden die Ergebnisse für die einzelnen Items in die Quadranten eingetragen. Dabei bilden die beiden Mittelwerte aller Itemmittelwerte meist die Achsenschnittpunkte.

Abb. 28:

Importance Grid (Quelle: eigener Entwurf nach MATZLER 2000, S. 301)

Eine beispielhafte Darstellung findet sich in Abbildung 29. Die dargestellten Werte stammen aus einer Erhebung in einer industriekulturtouristischen Einrichtung (Zeche Zollern in Dortmund). Festzuhalten ist an diesem Fallbeispiel, dass zum einen keine klaren Begeisterungsfaktoren identifiziert werden konnten. Die Leistungsfaktoren werden stark von der Art der museumsdidaktischen Aufbereitung („Architektur“, „übersichtliche Anordnung der Objekte“, „stimmige Atmosphäre“ und „in Vergangenheit zurückversetzen“) geprägt.

Nicht weiter eingegangen werden soll an dieser Stelle auf den nächsten Analyseschritt, der in einer ähnlichen Darstellungsweise wie das Importance Grid die beiden Wertebereiche für die Zufriedenheit und die explizite Wichtigkeit darstellt und als „HandlungsrelevanzmatrixHandlungsrelevanzmatrix“ bezeichnet wird. Niedrige Zufriedenheiten und hohe Wichtigkeiten signalisieren bei dieser Darstellungsform die Aspekte mit hohem Handlungsbedarf (vgl. Abb. 107 in Kap. 6.4).

Abb. 29:

Beispiel für das Ergebnis eines Importance Grid (Quelle: KAGERMEIER 2006, S. 301)

Neben den ausführlich dargestellten multiattributiven Verfahren zur Messung von Kundenzufriedenheit existieren eine Reihe weiterer Verfahren. Diese sind überblicksartig in Abbildung 30 wiedergegeben. Dabei wird grundsätzlich unterschieden zwischen den sog. „objektiven Messansätzenobjektive Messansätze, bei denen aus „Expertensicht“ – und damit vermeintlich objektiv – versucht wird, die Servicequalität zu erfassen. Neben strukturierten Beobachtungen kommt dabei oftmals auch das „Silent Shopping“ oder „Mystery Guest“ genannte Verfahren zum Einsatz. Bei diesem durchläuft ein Testbesucher den gesamten Kundenpfad und dokumentiert strukturiert Stärken und Schwächen an den einzelnen Kundenkontaktpunkten. Dieses Verfahren kommt auch bei Qualitätsmanagementansätzen zu Einsatz. So wird es (ab Stufe II) bei der Initiative „ServiceQualität Deutschland“ des Deutschen Tourismusverband (DTV 2015) eingesetzt, bei der im Zuge der Zertifizierung von touristischen Angeboten die dortige Servicequalität gemessen wird (vgl. Abb. 91 in Kap 6.2). Das in Deutschland eingesetzte Verfahren lehnt sich stark an das früher entwickelte „Qualitätsgütesiegel für den Schweizer Tourismus“ an, das vom „Schweizer Tourismusverband“ (STV/FST 2015) getragen wird.

Hinsichtlich der Zahl der unterschiedlichen Verfahren und auch der Verbreitung bei der Analyse von Kundenzufriedenheit dominieren eindeutig die sog. „subjektiven Messansätzesubjektive Messansätze“. Diese setzen beim Kunden und dessen subjektiver Sichtweise an. Der hier ausführlicher behandelte und bei weitem am weitesten verbreitete Ansatz entspricht in der Systematik den „multiattributiven Modellen“ multiattributive Modelle in der Rubrik „merkmalsorientierte Verfahren“ der „subjektiven Messansätze“. Weitere subjektive Messansätze sind insbesondere die „ereignisorientierten Verfahren“,ereignisorientierte Verfahren bei denen der Fokus nicht auf einzelnen Eigenschaften (Items) der Servicequalität liegt, sondern im Wesentlichen dem Kundenpfad, d. h. den einzelnen Kontaktpunkten folgt. Dabei werden neben quantitativen Verfahren wie der (stark an den multiattributiven Modellen angelehnte, aber eben am Kundenpfad orientierten) „sequentiellen Ereignismethode“ oftmals qualitative Verfahren wie „Story Telling“ oder auch die „Critical Incident Technique“ eingesetzt. Bei diesen werden entweder frei die Erfahrungen sequentiell berichtet oder es wird gezielt auch nach Problemen und Schwachstellen gefragt. Ähnlich gehen die „problemorientierten Verfahren“ problemorientiere Verfahren vor, bei denen meist die Beschwerdeanalyse (sei es eingegangene Beschwerden oder auch aktiv abgerufene potentielle Beschwerdeanlässe) eingesetzt wird (genauer bei KAGERMEIER 2006).

Abb. 30:

Kundenorientierte Ansätze zur Messung von Zufriedenheit (Quelle: eigener Entwurf nach KAISER 2002, S. 106)

Die Ansätze zur Erfassung der Kundenzufriedenheit sind insgesamt dadurch gekennzeichnet, dass diese nicht einfach oder direkt zu messen ist. Daher versuchen alle Ansätze, sich dem Konstrukt „Kundenzufriedenheit“ indirekt zu nähern. Insgesamt gesehen hat die Kundenzufriedenheitsforschung im Tourismus in den letzten Jahren deutlich an Bedeutung gewonnen, da sie eine zentrale Grundvoraussetzung für darauf aufbauende QualitätsmanagementansätzeQualitätsmanagement darstellt. Vor dem Hintergrund der steigenden und sich permanent verändernden Bedürfnisse der Reisenden sowie angesichts sich akzentuierender Wettbewerbskonstellationen wird deren Bedeutung sicherlich auch künftig noch zunehmen. Bis Ende des 20. Jahrhunderts kamen dabei vor allem multiattributive Modelle zum Einsatz. Da diese aber bezüglich der Möglichkeiten zur Erfassung der Detailliertheit und Differenziertheit von Kundenerfahrungen klare Grenzen aufweisen und oftmals nur stark generalisierte Befunde liefern, zeichnet sich inzwischen ab, dass künftig neben den sog. objektiven Messansätzen auch stärker ereignisorientierte und problemorientierte Verfahren zum Einsatz kommen werden, auch wenn diese oftmals zu keinen so klar standardisierten und quantifizierbaren Befunden führen.

Zusammenfassung

 In diesem Kapitel wurde zunächst die quantitative Entwicklung der touristischen Nachfrage vorgestellt und die dafür relevanten Hintergrunddimensionen angesprochen.

 Gleichzeitig sollte ein Verständnis dafür geweckt werden, dass sich die touristische Nachfrage kontinuierlich ausdifferenziert und komplexer wird. Damit besteht für die Anbieterseite die Herausforderung darin, die Kundenwünsche nicht nur zu erfassen, sondern auch entsprechende Trends frühzeitig zu antizipieren.

 Entsprechend der Relevanz der Erfassung von Kundenzufriedenheit wurde im dritten Abschnitt des Kapitels auf Ansätze zur Messung von Kundenzufriedenheit eingegangen. Diese wurde als sozialpsychologisches Konstrukt eingeführt und exemplarisch die multiattributiven Ansätze zur Messung von Kundenzufriedenheit beim Subjekt des Kunden genauer besprochen.

Weiterführende Lesetipps

KAISER, Marc-Oliver (2002): Erfolgsfaktor Kundenzufriedenheit. Dimensionen und Messmöglichkeiten. Berlin

Eine umfassende Einführung in die unterschiedlichen Konzepte und Ansätze zur Erfassung und Messung der Kundenzufriedenheit.

Wichtige Datenquellen für grundlegende quantitative Angaben zur touristischen Nachfrage:

FUR (= Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen): Reiseanalyse. Kiel

Jährlich erscheinende Publikation mit Basisinformationen zur Struktur und Entwicklung des deutschen Urlaubsreisemarktes auf der Basis einer als repräsentativ geltenden Befragung bei der deutschen Wohnbevölkerung. Wichtigste Quelle für länger zurückreichende Zeitreihen zur touristischen Nachfrage. Erhebung zu Jahresbeginn retrospektiv für das zurückliegende Jahr. Erscheint im Herbst mit den Daten für das zurückliegende Jahr. Vorstellung erster Ergebnisse im März auf der Internationalen Tourismusbörse in Berlin (ITB) bzw. auf anderen Tourismusbörsen. www.fur.de

UNWTO (United Nations World Tourism Organization): Yearbook of Tourism Statistics. Madrid

Jahrbuch mit Angaben zu Einreisen und Übernachtungen weltweit und differenziert nach jedem Land. www.unwto.org

Statistisches Bundesamt: Tourismus. Wiesbaden

Angaben zu Ankünften und Übernachtungen im gewerblichen Beherbergungswesen der Bundesrepublik Deutschland differenziert nach unterschiedlichen Parametern. www.destatis.de

Europäische Kommission, Eurostat: Tourismus. Luxembourg

Neben Angaben zu Ankünften und Übernachtungen im gewerblichen Beherbergungswesen der EU-Länder (auch weiter regional differenziert) werden auch Angaben über die Reiseteilnahme von EU-Bürgern veröffentlicht. Dabei auch eine Vielzahl von kartographischen Darstellungen auf unterschiedlichen räumlichen Ebenen verfügbar. ec.europa.eu/eurostat/de

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