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2Der ungestörte Schriftspracherwerb

Lernziele

■Modelle der Worterkennung und des Wortschreibens kennen (Kap. 2.1 und 2.2)

■Zusammenhänge zwischen der Worterkennung, dem Sprachverständnis und dem Leseverständnis verstehen (Kap. 2.3)

■die unterschiedlichen Phasen des Schriftspracherwerbs und die dabei vorrangig eingesetzten Strategien kennen und daraus Konsequenzen für einen entwicklungsorientierten Unterricht ableiten können (Kap. 2.4)

unterschiedliche Perspektiven

Schriftsprachliche Kompetenzen und deren Erwerb lassen sich aus zwei Perspektiven betrachten. Entwicklungsmodelle zum Lesen- und Schreibenlernen (Kap. 2.4) gliedern den Schriftspracherwerb in unterschiedliche Phasen und ­beschreiben ­dominante Strategien innerhalb dieser Abschnitte, während Prozessmodelle (Kap. 2.1 und 2.2), insbesondere Modelle zur Worterkennung, Hinweise auf die dabei ablaufenden grundlegenden kognitiven Prozesse und deren Einflussfaktoren liefern (Reber 2009).

2.1Dual-Route Modelle

Um gedruckte Wörter lesen und verstehen zu können, müssen die visuellen Symbolfolgen der Schrift in Sprache umgewandelt werden. Um die unterschiedlichen Strategien beim Lesen von Wörtern zu beschreiben und deutlich zu machen, welche Teilprozesse für deren Anwendung notwendig sind, und damit einen Rahmen für die Unterstützung beim Erlernen der Worterkennung abstecken zu können, wird üblicherweise auf das Dual-Route-Modell von Coltheart (1978, 2005) verwiesen, der zwei grundlegende Strategien beim Lesen von Wörtern unterscheidet, die indirekte Lesestrategie des phonologischen Rekodierens und die Strategie der direkten Worterkennung (auch lexikalische Strategie).

unterschiedliche Verarbeitungswege

Ausgangspunkt des Dual-Route Modells ist die Tatsache, dass es zum einen Wörter gibt, die auf der Grundlage der gelernten Graphem-Phonem-Korrespondenzregeln (GPK-R) erlesen und verstanden werden können, während die lautsprachliche Realisierung von Wörtern, deren Schreibweise von den typischen GPK-R abweichen, als wortspezifisches Wissen im orthographischen Lexikon abgespeichert werden muss. Zum anderen sollten Wörter, die im Langzeit­gedächtnis repräsentiert sind, unabhängig davon ob es sich um regelmäßige Wörter oder Ausnahmewörter handelt, auf anderem Weg verarbeitet werden als Wörter, die dem Leser in der schriftsprachlichen Modalität unbekannt sind.

Um die beiden Wege des Dual-Route Modells beschreiben zu können (Abb. 4), wird als Ausgangspunkt die Konfrontation eines Lesers mit einer Buchstabenfolge (Wort oder Pseudowort) angenommen, deren Aussprache und Bedeutung aktiviert werden sollen.

indirekter Leseweg

Der erste Verarbeitungsprozess besteht in der visuellen Analyse des orthographischen Inputs, also der Buchstabenfolge. Kommt der Leser dabei zu dem ­Ergebnis, dass es sich um eine unvertraute Buchstabenfolge handelt, dass also im orthographischen Lexikon kein entsprechender Eintrag repräsentiert ist, muss das Wort über die indirekte Strategie des phonologischen Rekodierens erlesen werden (linke Seite der Abb. 4).

Umwandlung einzelner Buchstaben in Laute

Dabei wird jeder einzelne Buchstabe des Wortes bewusst verarbeitet und auf der Grundlage der gelernten GPK-R in den entsprechenden Laut umgewandelt. Diese in Laute umkodierten Buchstaben müssen in der phonologischen Schleife des Arbeitsgedächtnisses (Kap. 5.2.3) zwischengespeichert werden, damit sie ­koartikulatorisch zu einem Wort synthetisiert werden können. Die Semantik des Wortes wird dabei zunächst nicht berücksichtigt, der Weg zur Aussprache des Wortes führt am semantischen System vorbei.

phonologische Rohform

Das Ergebnis dieses Umwandlungsprozesses stellt eine phonologische Rohform dar, die aufgrund der wechselseitigen koartikulatorischen Beeinflussung der Laute bei der natürlichen Aussprache eines Wortes und der Bedeutung des Silbenkontextes bei der lautlichen Realisierung von Vokalen mit der tatsächlichen Aussprache nicht identisch sein muss, ihr aber aufgrund der hohen Transparenz der deutschen Orthographie üblicherweise recht nahekommt. Dennoch bilden auch deutschsprachige Leseanfänger zunächst oft ein künstlich synthetisiertes Wort, indem sie die im Erstleseunterricht gelernten Lautwerte der einzelnen Buchstaben aneinanderreihen (z. B. [e:n:te.]). Erst über auditive Rückkopplungsprozesse und einen Vergleich mit den im mentalen Lexikon gespeicherten Einträgen (beim Satz- und Textlesen unter Ausnutzung von Kontextinformationen) können dann die tatsächliche Aussprache und die Bedeutung des Wortes aktiviert werden [ɛntǝ]. Voraussetzung dafür ist, dass das Wort zum Wortschatz des Kindes gehört und die generierte phonologische Rohform der echten Aussprache nicht zu unähnlich ist.


Abb. 4: Dual-Route Modell

wechselseitige Einflüsse

Dass die Generierung der korrekten Aussprache inklusive der korrekten Betonung sowie der Zugriff auf die Bedeutung auch vom Kontext abhängig sind, zeigen die folgenden Beispiele:

■„Die Kissen sind modern, aber sie fangen an zu modern.“

■„Ich bin alle Montage auf Montage.“

■„Du wachst am Morgen auf und wachst die Skier.“

■„Wir rasten zum Parkplatz um zu rasten“ Brügelmann (1992, 17).

■„Die Ziegel des Dachs sind rot. Die Haare des Dachs sind rot“ (Costard 2011, 44).

Bei der indirekten Strategie handelt es sich um eine sichere, aber langsame, mühsame und unökonomische Vorgehensweise. Zum einen belastet sie die Kapazität des Arbeitsgedächtnisses, da die bereits verarbeiteten Grapheme für die anschließende Synthese in phonologischer Form im Arbeitsgedächtnis solange präsent gehalten werden müssen, bis die anderen Grapheme parallel verarbeitet wurden. Zum anderen wird ein großer Teil der kognitiven Ressourcen beansprucht, die dann nicht mehr für das Leseverständnis zur Verfügung stehen.

Verarbeitung größerer sublexikalischer Einheiten

Die Anwendung der indirekten Lesestrategie reduziert sich aber nicht auf die Anwendung der GPK-R. Auch das Erlesen von Wörtern durch die simultane Verarbeitung größerer sublexikalischer Einheiten als einzelne Buchstaben (Silben, häufig vorkommende Buchstabenfolgen) kann dieser Strategie zugeordnet werden. Es handelt sich dabei um einen wichtigen Lernschritt, der zwischen dem buchstabenweisen Erlesen und der direkten automatisierten Wort­erkennung angesiedelt ist, im klassischen Dual-Route Modell aber nicht explizit berücksichtigt wird. Die sukzessive Vergrößerung der schriftsprachlichen Einheiten, die ganzheitlich-simultan verarbeitet und mit der entsprechenden Phonologie assoziativ verknüpft werden können, dürfte den entscheidenden Schritt auf dem Weg zur Automatisierung der Worterkennung darstellen.

Die indirekte Strategie des phonologischen Rekodierens ermöglicht es Lesern, die eine relativ transparente Orthographie erlernen, von schriftsprachlich unbekannten, regelmäßigen Wörtern und Pseudowörtern eine phonologische Rohform zu bilden und diese der Artikulation zuzuführen, ohne dass damit ein Verständnis des Gelesenen zwingend verbunden ist.

direkter Leseweg

Ausnahmewörter, also Wörter, die von den üblichen GPK-R abweichen, können nur mittels der direkten lexikalischen Lesestrategie verarbeitet werden. Dabei geht das Dual-Route Modell von einer direkten Assoziation zwischen der Orthographie und den im mentalen Lexikon repräsentierten Bedeutungen, also der unmittelbaren Aktivierung der Bedeutung durch die Orthographie. Aufgrund der assoziativen Verknüpfung zwischen der semantisch-konzeptionellen Ebene und der Wort­formebene im mentalen Lexikon kann in der Folge auch auf die Phonologie zugegriffen werden.

Mittels der direkten Lesestrategie können aber auch regelmäßige Wörter erlesen werden. In der Folge des wiederholten phonologischen Rekodierens von Wörtern bilden sich im orthographischen Lexikon sukzessive Repräsentationen aus, sodass dieselbe Verarbeitung wie bei Ausnahmewörtern angenommen wird, nämlich die unmittelbare Aktivierung der Bedeutung.

Über diese Route ist eine schnelle und mühelose Aussprache sowohl bekannter regelmäßiger Wörter als auch von Ausnahmewörtern möglich. Dagegen können Pseudowörter, von denen keine mentalen Repräsentationen im Lexikon angenommen werden, nur mit Hilfe der indirekten Strategie erlesen werden.

Da bei der direkten Worterkennung einige wesentliche Charakteristika des Wortes ausreichend sind, um die Bedeutung und natürliche Aussprache zu aktivieren, handelt es sich um eine Verarbeitungsstrategie, die das Lesen schneller, flüssiger und mühe­loser macht, das phonologische Arbeitsgedächtnis nur in geringem Maße beansprucht, sodass die vorhandenen kognitiven Ressourcen für die ­komplexen Prozesse des Leseverständnisses zur Verfügung stehen (LaBerge / Samuels 1974). Die indirekte Strategie durch die direkte Worterkennung zu ergänzen, stellt deshalb ein wesentliches Ziel des schriftsprachlichen Anfangsunterrichts dar.

Das Dual-Route Modell nimmt also an, dass bei der indirekten Lesestrategie das Schriftbild in eine phonologische Form umgewandelt wird, die genutzt werden kann, um auf die Bedeutung des Wortes zuzugreifen („prälexikalische phonologische Rekodierung“, Klicpera / Gasteiger-Klicpera 1995, 19). Für die direkte Lesestrategie werden dagegen direkte Assoziationen zwischen dem Wortbild und der Bedeutung angenommen. Erst deren Aktivierung ermöglicht in der Folge ­einen Zugriff auf die Phonologie („postlexikalische phonologische Rekodierung“, Klicpera / Gasteiger-Klicpera 1995, 18).

Kritik am Dual-Route Modell

Kritik am Dual-Route Modell wurde insbesondere hinsichtlich der angenommenen Unabhängigkeit der beiden Lesewege und der nur marginalen Bedeutung der Phonologie bei der Anwendung der direkten Lesestrategie formuliert.

Bspw. kommen Frederiksen / Kroll (1976, 373) aufgrund ihrer Forschungsarbeiten zu dem Ergebnis, „[…] that there is no evidence to support the idea that phono­logical translation must be performed prior to accessing the internal lexicon.”

Dagegen wurde von Coltheart (1978, 196) betont, dass Leser auch bei der Anwendung der direkten Lesestrategie den graphemischen Input in eine phonologische Form umkodieren:

„One thing is quite clear from the experiments […]. Subjects presented visually with a string of letters […] do derive a phonological recoding of the letter string, even when the task does not require this, and even when this can make the task more difficult.”

Die Annahme einer direkten Verknüpfung zwischen der Orthographie und der Wortbedeutung unter Umgehung der Phonologie resultiert aus den insbesondere im Englischen häufig vorkommenden unregelmäßigen Wörtern, bei denen das phonologische Rekodieren wenig zielführend ist und deren visuelle Charakteristika (Schriftbild) deshalb mit der Wortbedeutung assoziativ verknüpft werden müsse. Dagegen betonen Ehri (1997) und Seidenberg (2005), dass es auch in der englischen Orthographie kaum Wörter gibt, die vollständig von den üblichen GPK-R abweichen. Auch Ausnahmewörter hätten üblicherweise große Überschneidungen mit regelmäßigen Wörtern und nur einzelne Buchstaben eines Wortes weichen von den üblichen GPK ab, weshalb eine völlige Unabhängigkeit der Verarbeitung regelmäßiger Wörter und Ausnahmewörter wenig wahrscheinlich sei. Dass die Umwandlung einer Buchstabenfolge in einen phonologischen Code zwar beim Erlernen und der Anwendung der indirekten Lesestrategie eine zentrale, bei der Ausbildung der direkten Worterkennung aber keine Rolle mehr spiele, sei zudem deshalb nicht plausibel, weil die meisten Kinder, die Schwierigkeiten beim Erlernen des phonologischen Rekodierens haben, üblicherweise auch beim Erwerb des direkten Lesewegs beeinträchtigt sind.

visuell phonologische Assoziationen

Ehri (1992) zufolge sei es deshalb naheliegender, bei der sukzessiven Automatisierung der Worterkennung systematische Assoziationen zwischen visuellen und phonologischen Informationen und keine arbiträren Verbindungen zwischen dem Wortbild und der Bedeutung anzunehmen. Zum einen seien visuell-semantische Verknüpfungen aufgrund der fehlenden Systematik unökonomisch und eine enorme Belastung des Gedächtnisses. Zum anderen seien Wortbilder visuell auch nicht eindeutig genug voneinander zu diskriminieren, um die üblicherweise sehr hohe Lesegenauigkeit zu erklären. Der entscheidende Schritt zur automatisierten Worterkennung sei vielmehr den kontinuierlich verbesserten Fähigkeiten im Bereich des phonologischen Rekodierens geschuldet, die es dem Kind ermöglichen, sukzessive größer werdende orthographische Einheiten simultan zu verarbeiten und mit der entsprechenden Phonologie zu verknüpfen. Während zu Beginn des Leselernprozesses die Ausbildung von Assoziationen zwischen einzelnen Buchstaben und den entsprechenden Lauten im Mittelpunkt stehe, würden im Laufe der Entwicklung Silben, Morpheme, häufig vorkommende Buchstabengruppen und schließlich ganze Wörter ganzheitlich erfasst und mit der entsprechenden Phonologie verknüpft. Demnach lässt sich die direkte genauso wie die indirekte Lesestrategie durch systematische visuell-phonologische Assoziationen charakterisieren. Bei beiden Strategien handelt es sich demnach um denselben Zugangsweg zur Bedeutung über die Phonologie eines Wortes mit dem Unterschied, dass die Größe der verarbeiteten Einheiten zunimmt.

Diese Annahme wurde insbesondere von Seidenberg / McClelland (1989) im Rahmen des konnektionistischen Modells (Kap. 2.2) ausgearbeitet.

Schreiben

Analog zum Dual-Route Modell der Worterkennung nehmen Ellis / Young (1991), Cholewa et al. (2008) und Heber (2010) auch für das Schreiben einzelner Wörter eine segmentale und eine direkte lexikalische Verarbeitungsroute an.

Vereinfacht dargestellt (für eine detaillierte Darstellung des Modells von Ellis / Young sowie einer Weiterentwicklung des Modells vgl. Heber 2010) nimmt die Produktion eines diktierten Wortes seinen Ausgangspunkt im auditiven Analy­sesystem. Bei diesem Verarbeitungsschritt wird die phonologische Struktur des Wortes identifiziert, die dann in der phonologischen Schleife des Arbeitsgedächtnisses aufrechterhalten werden muss.

Die weitere Verarbeitung erfolgt nun entweder über die segmentale oder die lexikalisch-semantische Route. Obwohl sowohl das Schreiben orthographisch vertrauter Wörter als auch solcher, zu denen kein wortspezifisches Wissen im Langzeitgedächtnis vorhanden ist, beide Wege aktivieren, stellt die segmentale Verarbeitungsroute bei bekannten Wörtern eher einen Kontrollmechanismus dar und tritt erst beim Schreiben von schriftsprachlich unbekannten Wörtern in den Vordergrund.

segmentale Schreibstrategie

Die segmentale Route führt vorbei am semantischen System; das zwischen­gespeicherte Wort wird nach der auditiven Analyse in einzelne Phoneme, Silben oder Silbenbestandteile segmentiert, die so entstandene „Phonemkette“ (Heber 2010, 47) liefert den Input für den nächsten Verarbeitungsschritt, bei dem den identifizierten Phonemen bzw. Phonemgruppen die entsprechenden Grapheme bzw. Graphemgruppen zugeordnet werden (phonemisch-graphemische Konversion).

Nachdem schließlich für jedes aktivierte Graphem eine passende allographische Variante (Druckschrift, Schreibschrift, Groß- oder Kleinbuchstaben) ausgewählt wurde, werden diese schreibmotorisch umgesetzt.

Werden Wörter ausschließlich über die segmentale Route verarbeitet, führt dies nur bei lautgetreuen Wörtern und Pseudowörtern zu einem richtigen Ergebnis; Wörter, deren Schreibweise sich nicht ausschließlich am phonologischen Prinzip orientieren, werden mithilfe dieser Strategie zwar lautgetreu, aber orthographisch inkorrekt wiedergegeben.

lexikalische Schreibstrategie

Das Schreiben eines Wortes mittels direkter lexikalischer Strategie wird möglich, wenn das auditive Analysesystem zu dem Ergebnis kommt, dass das in der phonologischen Schleife gespeicherte Wort im orthographischen Inputlexikon vollständig repräsentiert ist. In einem nächsten Schritt können die korrespondierenden Formen in einem graphematischen Output-Lexikon aktiviert werden, sodass das Wort als Ganzes, ohne eine bewusste Segmentation in Einzellaute oder Silben, schreibmotorisch realisiert werden kann.

Wörter, deren Schreibweise stark von den üblichen Phonem-Graphem-Korres­pondenzen (z. B. <Clown>) abweicht, können nur mithilfe der direkten lexikalischen Strategie korrekt geschrieben werden.

2.2Das konnektionistische Modell der Worterkennung

Die skizzierte Kritik am Dual-Route Modell, insbesondere die Annahme zweier weitgehend unabhängiger Verarbeitungswege für regelmäßige und Pseudowörter auf der einen und Ausnahmewörter auf der anderen Seite, führte zu Überlegungen, ob und wenn ja wie sich die Worterkennung auch durch ein einziges Verarbeitungssystem erklären lässt (Seidenberg 2005).

Annahme eines Verarbeitungs­systems

Daraus resultierten unterschiedliche Modelle, wobei das konnektionistische oder Netzwerkmodell (Seidenberg / McClelland 1989; Seidenberg 2005, 2007) das bekannteste sein dürfte.

Dieses Modell nimmt weder für das Erlernen des phonologischen Rekodierens die Notwendigkeit eindeutiger GPK-R an, noch sei eine lexikalische Strategie mit einer unmittelbaren Beteiligung der semantisch-konzeptionellen Ebene des mentalen Lexikons bei der Rekodierung von Schrift in Sprache von zentraler Bedeutung. Es geht vielmehr davon aus, dass ein einziges Verarbeitungssystem ausreichend ist, um die Entwicklung der Worterkennung und die Verarbeitung unterschiedlich transparenter Wörter zu erklären.

Der zentrale Unterschied zwischen den beiden Modellen ist darin zu sehen, dass das Dual-Route Modell insbesondere für Wörter, deren Aussprache von den gelernten GPK-R abweicht, eine direkte Verbindung zwischen der Orthographie und der Bedeutung des Wortes annimmt, während konnektionistische Modelle für die Verarbeitung bedeutungstragender Einheiten (Morpheme, Wörter) denselben Mechanismus annehmen wie für sublexikalische sinnfreie Graphemfolgen. Die Aussprache von Wörtern wird demzufolge nicht erst als Resultat der Aktivierung der semantisch-konzeptionellen Ebene des mentalen Lexikon generiert, vielmehr werden im Laufe der Leseentwicklung direkte Verknüpfungen zwischen der Orthographie und der Phonologie ausgebildet. Lediglich für die korrekte Aussprache von homographen Wörtern mit unterschiedlicher Phonologie wird eine stärkere Beteiligung der semantisch-konzeptionellen Ebene des mentalen Lexikons angenommen (vgl. Beispiele von Brügelmann 1992 und Costard 2011 in Kap. 2.1).

Annahme einer Quasiregularität

Während das Dual-Route Modell von den zahlreichen Ausnahmewörtern der englischen Orthographie ausgeht, die mithilfe der indirekten Lesestrategie nicht verarbeitet werden können, weshalb eine zweite visuell-lexikalische Strategie angenommen wird, geht das konnektionistische Netzwerkmodell von einer Quasiregularität (Seidenberg / McClelland 1989; Seidenberg 2005, 2007) der englischen Ortho­graphie aus, die aus einem Korpus an Regeln besteht, aber zahlreiche Un­re­gelmäßigkeiten und Ausnahmen zulässt. Auch in der opaken (i. e.: Orthographien mit uneindeutigen GPK) englischen Schriftsprache sind die Verbindungen zwischen der Orthographie und der Phonologie nicht völlig arbiträr („HAVE is not pronounced ‚glorp’.” Seidenberg 2007, 12), vielmehr kann auch die Aussprache der Ausnahmewörter großteils durch visuell-phonologische Korrespondenzen erklärt werden, die im Englischen aber eher auf der Ebene des Silbenreims als auf Buchstaben-Lautebene zu suchen sind. Während der Buchstabe <a> im Englischen lautsprachlich unterschiedlich realisiert wird (Can, Heat, Plate), wird die Buchstabenkombination <air> durchgängig identisch als [ɛ:ɐ] artikuliert (Chair, Stair, Pair, Fair).

Bei den Assoziationen zwischen einer orthographischen Einheit und der entsprechenden Phonologie handele es sich demzufolge nicht um eine statische Regel­haftigkeit, sondern um Verknüpfungen, die in einer korrelativen Beziehung zueinander stehen. Manche Verknüpfungen sind wahrscheinlicher als andere. In der deutschen Orthographie wird das Graphem <v> in den meisten Fällen als [f] und nur in einigen wenigen Wörtern als [v] realisiert. Die Korrespondenz zwischen <v> und [f] wird also als wahrscheinlicher angenommen, ist assoziativ enger verknüpft als die Verbindung zwischen <v> und [v].

interaktive Netzwerke

Das Modell postuliert, dass das Wissen über Schriftsprache in Form eines inter­aktiven Netzwerks gespeichert ist, in dessen untereinander verknüpften Einheiten verschiedene Informationen zur Orthographie, Phonologie und Bedeutung repräsentiert sind, die sich wechselseitig Rückmeldungen geben können (Abb. 5).

Der zentrale Lernschritt im Laufe des Schriftspracherwerbs besteht nun darin, Assoziationen zwischen dem (visuellen) orthographischen und dem phonologischen System auszubilden, wobei das Netzwerk insbesondere in der Lage ist, die gebildeten Verknüpfungen unterschiedlich stark zu gewichten, also manche Verbindungen als wahrscheinlicher anzunehmen als andere.


Abb. 5: Das konnektionistische Netzwerkmodell (Seidenberg 2005, 239)

Entwicklung der Worterkennung

Die Entwicklung und sukzessive Automatisierung der Worterkennung erklärt das Netzwerkmodell folgendermaßen: Die Begegnung mit unterschiedlichem Wortmaterial während des Leselernprozesses führt dazu, dass das orthographische System sukzessive mit visuellen Einträgen gefüllt wird. Da die orthographischen Einheiten üblicherweise gemeinsam mit der entsprechenden Aussprache präsentiert, wahrgenommen und verarbeitet werden, werden die in diesem System gespeicherten Repräsentationen mit entsprechenden Einheiten im phonologischen System ein erstes Mal assoziativ verknüpft (z. B. <iege> – [i:gǝ]).

Durch die wiederholte Konfrontation mit einer Vielzahl orthographischer Muster und der gemeinsamen Aktivierung orthographischer und phonologischer Repräsentationen werden diese in der Folge positiver Rückmeldung (korrekte Aussprache, sinnentnehmendes Lesen) verstärkt, durch Fehlermeldungen (fehlerhafte Aussprache, kein Auffinden eines entsprechenden Eintrags im mentalen Lexikon) oder Verbesserung der Aussprache (durch die Lehrkraft oder einen anderen kompetenten Leser) geschwächt bzw. modifiziert. Je häufiger die gemeinsame Aktivierung einer orthographischen und phonologischen Einheit zu einer positiven Rückmeldung führt, desto stärker wird diese Verknüpfung gewichtet, desto schneller und automatisierter wird aufgrund des orthographischen Inputs auf diese phonologische Repräsentation zugegriffen (z.B <chs> = [ks] wie in Fuchs). Seltener auftretende Konnexionen zwischen orthographischem Input und phonologischem Output (z. B. <chs> = [χ s] in <Buchseite>) gehen dagegen nur lose Verbindungen ein.

keine festen Zuordnungen

Damit gibt es dem konnektionistischen Modell zufolge keine festen Zuordnungen zwischen orthographischen und phonologischen Einheiten, die über explizite Regeln gelernt werden, sondern Verknüpfungen, die infolge umfassender Lese­erfahrungen in Schule und Freizeit als wahrscheinlicher als andere angenommen werden.

Das konnektionistische Netzwerkmodell fokussiert die Verknüpfungen zwischen den orthographischen und den phonologischen Einheiten und grenzt sich dadurch vom Dual Route Modell ab, das für die lexikalische Lesestrategie eine unmittelbare Verbindung zwischen der Orthographie und der Semantik annimmt.

Dennoch räumt auch das Netzwerkmodell einer Verknüpfung von orthographischen und semantischen Informationen einen gewissen Stellenwert ein (Abb. 5, s. S. 34), die sich Seidenberg /McClelland (1989) zu Folge folgendermaßen darstellen lässt: Beim Lesenlernen würden dem Modell zufolge zunächst Assoziationen zwischen der Orthographie eines Wortes und der Phonologie ausgebildet. Da die Phonologie bedeutungstragender sprachlicher Einheiten (Morpheme und Wörter) im mentalen Lexikon immer auch mit der semantisch-konzeptionellen Ebene verknüpft sei, bilden sich sukzessive auch Verbindun­- gen zwischen der Orthographie und der Wortbedeutung aus. Nach Abschluss dieser Lernprozesse würde die Worterkennung durch beide Ebenen des mentalen Lexikons (Phonologie und Semantik) gelenkt. Während das Dual-Route Modell aber eine direkte Verknüpfung zwischen Buchstabenfolge und Wortbedeutung ohne Beteiligung des phonologischen Systems annimmt, wird der semantisch-konzeptionellen Ebene im konnektionistischen Modell lediglich eine unterstützende Funktion bei der Generierung des phonologischen Outputs zugesprochen. Diese Unterstützung sei insbesondere notwendig, um die Aussprache homographer Wörter (orthographisch identische Wörter mit unterschiedlicher Phono­logie) zu verifizieren (Der Dachs wandert über die Schindeln des Dachs.)

Daraus wird ersichtlich, dass auch im konnektionistischen Modell zwei mögliche Routen der Wortverarbeitung angenommen werden. „Ours is a dual-route model“ (Seidenberg / McClelland 1989, 559). Aber die Autoren betonen auch den zentralen Unterschied zum Dual-Route Modell von Coltheart (1978, 2005): Während dieses davon ausginge, dass ein Wort entweder phonologisch rekodierend oder mittels lexikalischer Strategie verarbeitet würde, nimmt das konnektionistische Modell ein System für die Worterkennung an, das sowohl von der Phonologie als auch von der Semantik gelenkt wird.

2.3Das Modell des Simple View of Reading

Das Dual-Route Model (Coltheart 1978, 2005) und das konnektionistische Netzwerkmodell (Seidenberg / McClelland 1989; Seidenberg 2005, 2007) fokussieren die Worterkennung. Beide versuchen deutlich zu machen, welche sprachlich-kognitiven Prozesse bei der Verarbeitung gedruckter Wörter ablaufen und wie sich Fähigkeiten in diesem Bereich sukzessive automatisieren. Auch wenn beide Modelle den Zugriff auf die Bedeutung im Blick haben, haben sie die Sinnentnahme allenfalls auf Wortebene im Blick.

Der Ansatz des Simple View of Reading (Gough / Tunmer 1986; Hoover / Gough 1990, für den deutschsprachigen Raum vgl. Marx / Jungmann 2000) berücksichtigt neben der Worterkennung nicht nur den Zugriff auf die Wortbedeutung, sondern auch das Leseverständnis auf Satz- und Textebene. Da das Modell kaum Aussagen über die bei der Worterkennung ablaufenden kognitiven Prozesse und deren Entwicklung macht, handelt es sich nicht um eine Alternative, sondern vielmehr um eine Ergänzung der beiden bislang skizzierten Ansätze.


Abb. 6: Simple View of Reading (Hoover / Gough 1990)

Das Modell des Simple View of Reading stellt eine einfache Gleichung auf, die Abb. 6 zu entnehmen ist.

Teilkomponenten des Lese­verständnisses

Dabei ist den Autoren dieses Ansatzes sehr wohl bewusst, dass sich hinter den beiden Faktoren dieses Produkts jeweils sehr komplexe Fähigkeiten verbergen. Dennoch trifft das Modell keine Aussagen darüber, aus welchen Teilkomponenten sich die beiden Variablen Worterkennung (Decoding) und Hörverständnis (Comprehension) zusammensetzen, welche grundlegenden (meta-)sprachlichen und kognitiven Komponenten notwendig sind, damit sich diese Fähigkeiten ungestört entwickeln können oder welche Ursachen für Beeinträchtigungen angenommen werden können. Das Modell geht lediglich davon aus, dass sich das Leseverständnis trotz aller Komplexität auf diese beiden Faktoren reduzieren lässt.

Bedeutung der Worterkennung

Mit dem Begriff der Worterkennung nehmen die Autoren Bezug zum Dual-Route Modell und subsummieren darunter sowohl die indirekte als auch die direkte Lesestrategie. Es handelt sich hier also um die spezifische schriftsprachliche Fähigkeit, die Kinder in den ersten Schuljahren möglichst schnell und sicher erlernen und automatisieren müssen.

Auch wenn die Worterkennung für das Leseverständnis nicht ausreichend ist, die Umwandlung der Zeichenfolge in Lautsprache mittels der indirekten Lesestrategie vielmehr auch ohne Zugriff auf die Wortbedeutung möglich ist, stellt die Worterkennung nichtsdestotrotz eine Conditio sine qua non – also eine notwendige Bedingung – des Leseverständnisses dar, wobei dieser Umwandlungsprozess auf Satz- und Textebene auch durch semantische und syntaktisch-morphologische Antizipationen gelenkt werden kann. Bei beeinträchtigter Worterkennung müssen Kinder nun einen Großteil der vorhandenen kognitiven Kapazitäten auf die Lesetechnik lenken, sodass kaum mehr Ressourcen für das Leseverständnis (Reading Comprehension) zur Verfügung stehen.

Miller / Keenan (2009) ergänzen diese Annahme, indem sie betonen, dass Kinder im Fall der beeinträchtigten Worterkennung insbesondere nicht mehr in der Lage seien, ihre Aufmerksamkeit auf die textstrukturellen Hinweise zu lenken, die auf zentrale Aussagen und Ideen hinweisen, bzw. die wichtigsten Aussagen untereinander zu verbinden und von peripheren Informationen zu differenzieren. Die Worterkennung kann als die erste Hürde im Komplex des Leseverständnisses betrachtet werden, an der insbesondere Kinder mit einer spezifischen Lesestörung bereits scheitern.

Bedeutung des ­Hörverständnisses

Unter dem Begriff Hörverständnis (Listening Comprehension), dem zweiten Faktor in der Gleichung des Simple View of Reading, werden keine spezifisch schriftsprachlichen, sondern alle sprachlich-kognitiven Fähigkeiten verstanden, die allgemein zur korrekten und situationsangemessenen Interpretation von Sprechakten benötigt werden. Es handelt sich also primär um rezeptive semantisch-lexikalische, grammatische und pragmatische Kompetenzen. Sie werden üblicherweise durch die Wiedergabe der Inhalte eines vorgelesenen Textes, das Ausagieren mündlich präsentierter Äußerungen mit konkreten Gegenständen (Petermann et al. 2010) erfasst oder indem aus mehreren Alternativen das zu ­einem Satz am besten passende Bild ausgewählt werden muss (Fox 2020).

multiplikativer Zusammenhang

Von besonderer Bedeutung ist der in der Gleichung angenommene multiplikative Zusammenhang. Geht man davon aus, dass die beiden Faktoren und damit auch das Produkt Werte zwischen Null und Eins annehmen können, nimmt das Leseverständnis den Wert Null an, sobald einer der Faktoren dem Wert Null entspricht. Auf der anderen Seite wird durch die Gleichung ausgedrückt, dass bei perfekter Kompetenz in einem der beiden Faktoren das Leseverständnis der Qualität des zweiten Faktors entspricht. Eine perfekte Worterkennung vorausgesetzt, kann ein Text also genauso gut verstanden werden wie eine analoge lautsprachlich präsentierte Äußerung.

Allerdings relativieren die Autoren die Aussage dieser Gleichung zu Recht. Die Prozesse des Leseverständnisses können auch bei perfekter Dekodierfähigkeit nicht mit den Prozessen des Sprachverständnisses gleichgesetzt werden, weil die in der mündlichen Kommunikation vorhandenen nonverbalen Informationsträger wie Mimik, Gestik, Prosodie sowie der räumliche und situative Kontext, die für die Dekodierung lautsprachlicher Äußerungen eine nicht unbedeutende Rolle spielen, in der Schriftsprache nicht zur Verfügung stehen. Der Ansatz geht aber davon aus, dass die Unterschiede weniger stark ausgeprägt sind als die Parallelen.

Forschungs­ergebnisse

Die zentralen Annahmen des Simple View of Reading können aufgrund zahlreicher Forschungsergebnisse als bestätigt angenommen werden. Gough / Tunmer (1986) und Hoover / Gough (1990) fassen die Resultate zahlreicher Studien zusammen, die belegen, dass die beiden Faktoren jeweils unabhängige, spezifische Beiträge zur Varianzaufklärung des Leseverständnisses liefern.

Dabei lassen sich in Abhängigkeit vom Alter der Kinder unterschiedliche Zusammenhänge nachweisen. Vermutlich aufgrund der geringen sprachlichen Komplexität des Lesematerials, das auch von Kindern mit gering ausgeprägtem Sprachverständnis verarbeitet werden kann, ist der Einfluss der Worterkennung auf das Leseverständnis in den ersten Schuljahren größer als derjenige des Sprachverständnisses. Mit zunehmender Automatisierung der Worterkennung und paralleler Zunahme der sprachlichen Komplexität der Lesetexte, übernehmen lexikalische und grammatische Fähigkeiten in der rezeptiven Modalität (Sprachverständnis) sukzessive die dominante Rolle bei der Erklärung von Unterschieden im Leseverständnis, wenn auch die Worterkennung nach wie vor einen signifikanten Einfluss ausübt. Insbesondere in der Sekundarstufe scheint der Umfang und die Differenziertheit des Wortschatzes den stärksten Einfluss auf das sinnentnehmende Lesen auf Textebene auszuüben (Cromley/Azevdeo 2007, van Steensel et al. 2016). Die Prämissen des Simple View of Reading konnten für den deutschsprachigen Raum von Marx / Jungmann (2000, 83) bestätigt werden:

„Demnach scheinen Schwierigkeiten im Worterkennen bei Leseanfängern der Hauptgrund für Schwierigkeiten beim Leseverstehen zu sein. Mit zunehmend besseren Fertigkeiten zum Worterkennen bildet das Fertigkeitsniveau des Hörverstehens die obere Leistungsgrenze im Leseverstehen“.

praktische ­Implikationen

Der Annahme, dass Schwierigkeiten mit dem Leseverständnis einerseits aus einer Beeinträchtigung im Bereich der Worterkennung resultieren, andererseits die Konsequenz aus Defiziten in der Verarbeitung lautsprachlicher Strukturen darstellen können, hat unmittelbare Implikationen für die diagnostische und therapeutische Praxis. Um die grundlegenden Defizite von Kindern mit Verstehensschwierigkeiten identifizieren zu können, sollten diagnostisch sowohl die Fähigkeiten im Bereich der Worterkennung, z. B. mithilfe des SLRT II (Moll / Landerl 2010; Kap. 7.1), als auch das Sprachverständnis, z. B. mithilfe des TROG-D (Fox 2006) oder einzelner Subtests des SET 5–10 (Petermann et al. 2010), erfasst werden.

Was die Förderung bzw. Therapie angeht, impliziert der Simple View of Reading, dass neben den spezifischen Methoden im Rahmen des schriftsprachlichen Anfangsunterrichts (Unterstützung beim Erlernen des phonologischen Rekodierens und der automatisierten Worterkennung) eine Unterstützung im lautsprachlichen Bereich, insbesondere bei der Verarbeitung semantisch-lexikalischer und syntaktisch-morphologischer Strukturen, indirekt auch eine Förderung des Leseverständnisses darstellen kann (Stothart / Hulme 1992).

2.4Entwicklungsmodelle

Im Folgenden wird eine Synopse der Aussagen verschiedener Autoren zur Entwicklung schriftsprachlicher Kompetenzen vorgestellt, die verdeutlichen soll, in welchen Schritten und mithilfe welcher Strategien es Kindern gelingt, die in Kapitel 2.1 und 2.2 modellhaft dargestellte Verarbeitung einzelner Wörter beim Lesen und Schreiben sukzessive zu automatisieren, sodass das Niveau eines kompetenten Lesers und Schreibers erreicht wird.

Lesen und Schreiben als ­Entwicklungsprozess

Frith (1986) betonte bereits vor 35 Jahren, dass der Schriftspracherwerb kein linearer Vorgang ist, bei dem das Kind von Anfang an dasselbe Verständnis von Schriftsprache hat wie Erwachsene und dieselbe Tätigkeit perfektioniert (wie z. B. beim Fahrradfahren), sondern dass das (meta)sprachlich-kognitive System im Laufe der Entwicklung qualitativen Umstrukturierungen unterworfen ist, die sich als unterschiedliche Phasen mit jeweils dominanten Strategien kennzeichnen lassen.

keine eindeutige Entwicklungs­abfolge

Dabei dürfen die angenommenen Stufen nicht als eindeutig voneinander ­abgrenzbare Phasen interpretiert werden. Die Strategien, die für die einzelnen Stufen charakteristisch sind, entwickeln sich zum Teil parallel und überlappen sich. Klicpera et al. (2013, 26) betonen bspw., dass ihr „Kompetenzentwicklungsmodell“ weniger als eindeutige Abfolge bestimmter Entwicklungsphasen zu interpretieren ist, sondern sich an den wesentlichen Lesekompetenzen orientiert, die im Laufe der Entwicklung zu erwerben sind. Auch Costard (2011) geht davon aus, dass sich die unterschiedlichen Lese- und Schreibstrategien von Beginn an gleichzeitig entwickeln und sich gegenseitig positiv beeinflussen. „Entsprechend findet man bei ein und demselben Kind zu ein und demselben Zeitpunkt Wörter in verschiedenen Lese- bzw. Schreibweisen nebeneinander“ (Costard 2011, 42).

2.4.1Präliteral-symbolische Phase

Bedeutung der Bilderbuch­betrachtung

Insbesondere von Günther (1986) wurden in Ergänzung zum Modell von Frith präliteral-symbolische Voraussetzungen für einen erfolgreichen Schriftsprach­erwerb hervorgehoben. Valtin (2000) und Kirschhock (2004) übernehmen eine entsprechende Phase, die sie übergreifend als Nachahmen äußerer Verhaltensweisen und auf Seiten des Lesens als So-tun-als-ob-Lesen sowie auf der Seite des Schreibens als Kritzeln bezeichnen. Auf der Seite der Rezeption nimmt diese ­Phase ihren Ausgangspunkt in der Fähigkeit, Bilder(-bücher) zu betrachten und die darin enthaltenen Informationen zu erkennen und zu verstehen. Da in graphischen Darstellungen eine Reduktion von drei- auf zweidimensionale Flächen stattfindet, benötigt das Kind, im Vergleich zur Betrachtung eines konkreten realen Gegenstandes, ein höheres Maß an Abstraktionsfähigkeit. Da der Gegenstand aber selbst abgebildet und nicht symbolisiert wird, bleiben diese Erfahrungen präliteral.

Bilder malen

Diese zunächst rezeptiven Erfahrungen eines Kindes provozieren Gestaltungen auf produktiver Seite. Das Kind beginnt aufgrund motorischer Schwierigkeiten noch recht unvollkommene Bilder zu malen und seinen Bildern eine Bedeutung zu geben. Dieses graphische Gestalten mit der Zuweisung einer Bedeutung bereitet unmittelbar auf das spätere Schreiben vor.

qualitative Veränderungen

Gegen Ende dieser Phase lassen sich sowohl auf rezeptiver als auch auf produktiver Seite qualitative Veränderungen identifizieren. Im Vergleich zur Schreibprobe in Abb. 7 links, in der das Kind versucht, das Gemeinte konkret darzustellen, fallen beim Schreibprodukt auf der rechten Seite der Abbildung v. a. die lineare Anordnung und die Verwendung kleinerer buchstabenähnlicher Zeichen auf.


Abb. 7: Schreibproben aus der präliteral-symbolischen Phase (Teilabbildung links aus Crämer / Schumann 2002, 271)

Während in der rezeptiven Modalität anfänglich Bilderbücher ausschließlich betrachtet und evtl. einzelne Bildausschnitte benannt werden, beginnt das Kind gegen Ende dieser Phase mit dem „Vorlesen“ der Bücher. Dabei unterscheidet sich seine Sprechweise deutlich von seiner Alltagssprache. Die Prosodie ist deutlich ausgeprägter. Das Kind achtet auf grammatikalisch vollständige Sätze. ­Direkte Rede wird eingebaut und die Sprechweise ist deutlicher und langsamer.

Ausbildung einer impliziten phonologischen Bewusstheit

Gegen Ende dieser Phase gelingt es Kindern nun auch sukzessive, ihre Aufmerksamkeit in spielerischer Art und Weise auf die Klanggestalt der Sprache zu lenken, was sich in einer (zunächst noch unbewussten, impliziten) Fähigkeit zeigt, Reime zu erkennen und zu produzieren sowie Wörter in Silben zu segmentieren. Es handelt sich also um Fähigkeiten, die der „phonologischen Bewusstheit im weiteren Sinn“ (Skowronek / Marx 1989, 42) bzw. der impliziten phonologische Bewusstheit für größere sprachliche Einheiten (Schnitzler 2008) zugeordnet werden (Kap. 5.3).

Aber auch auf Phonemebene lassen sich in dieser Entwicklungsphase bei vielen Kindern bereits implizite Fähigkeiten nachweisen. So sind sie häufig bereits in der Lage, einfache Laut-zu-Wort-Aufgaben („Hörst Du ein [a] in Ameise?“) oder Aufgabenstellungen zur Anlautkategorisierung („Welche Wörter hören sich am Anfang gleich an? Ameise, Ahorn, Fuß.“) zu lösen, v. a. wenn es sich bei dem zu identifizierenden Phonem um einen silbenwertigen Vokal handelt.

2.4.2Logographemische Phase

visuelle Strategie

Der Wechsel von der präliteral-symbolischen zur logographemischen Stufe wird üblicherweise durch die Motivation zum Lesen ausgelöst. Das zentrale Charakteristikum dieser Phase ist die rein visuelle Vorgehensweise. Die Kinder bilden arbi­träre Assoziationen zwischen den besonders hervorstechenden Merkmalen eines visuellen Zeichens und dessen Bedeutung. Die rein visuelle Vorgehensweise wird bspw. an der Fähigkeit ersichtlich, Embleme von Firmen oder Produkten zu erkennen, die aber nur im Kontext der charakteristischen Merkmale, aber nicht mehr im normalen Buchstabenformat identifiziert und benannt werden können (Ehri 1992).

Der zentrale Lernfortschritt in dieser Phase besteht darin, dass die Kinder erkennen, dass die Symbole der Schrift Sprache abbilden. Während in alphabetischen Schriften aber die phonologische Struktur der Sprache abgebildet wird, bilden Kinder in dieser Phase Assoziationen zwischen der Schrift und der Bedeutung des Wortes.

Auch auf produktiver Seite geht das Kind rein visuell vor. Bei Schreibversuchen findet keine auditive Analyse im Sinne einer Analyse des Wortes in Einzellaute mit anschließender Graphemzuordnung statt. Vielmehr werden einige wesentliche, visuell besonders hervorstechende Merkmale des Wortes aus dem Gedächtnis wiedergegeben.

Zweifel an der Existenz der ­logographemischen Strategie

Wimmer / Hummer (1990) gehen davon aus, dass die in den meisten Entwicklungsmodellen postulierte logographemische Strategie weniger eine natürliche Entwicklungsstufe, sondern vielmehr den Anfangsunterricht im angloamerikanischen Raum widerspiegelt. Aufgrund der Unregelmäßigkeit der GPK war es in englischsprachigen Ländern lange Zeit Usus, Kindern zu Beginn des Erstlese­unterrichts, das Erkennen wichtiger Wörter anhand zentraler visueller Charakteristika zu vermitteln, eine Vorgehensweise, die Parallelen zu der Ganzwortmethode im deutschsprachigen Raum in den 1960er Jahren aufweist. Aktuell werden Kinder hierzulande dagegen von Anfang an mit den GPK und dem Prinzip der Synthese und Analyse konfrontiert. Entsprechend konnten Wimmer / Hummer bei Deutsch sprechenden Erstklässlern keine Zeichen der logographemischen Strategie erkennen. Vielmehr waren die meisten Kinder bereits wenige Monate nach Schuleintritt in der Lage, Pseudowörter korrekt zu lesen, eine Fähigkeit, die sich nur durch die Anwendung der alphabetischen Strategie erklären lässt. Die logographemische Strategie dürfte sich ausschließlich auf das Vorschulalter beschränken, wenn bekannte Firmenlogos und Produktnamen benannt und auf der produktiven Seite mit dem eigenen und dem Namen der engsten Bezugspersonen experimentiert wird. Auch Klicpera et al. (2013) sprechen von einer möglichen, aber nicht zwingend auftretenden kurzen rudimentären Phase logographemischen Lesens in der Vorschulzeit.

2.4.3Alphabetische Phase

Kern des Erwerbs der alphabetischen Strategie ist der schrittweise Erwerb und das Verstehen des Prinzips der GPK-R sowie das Erlernen der indirekten Lese- (Coltheart 1978, 2005, Kap. 2.1) und der segmentalen Schreibstrategie. Von zentraler Bedeutung ist die Ausbildung eines impliziten Verständnisses dafür, dass die visuellen Symbole der Schriftsprache die phonologische Struktur der Lautsprache abbilden.

Der vollständige Erwerb und die Perfektionierung der alphabetischen Strategie nehmen auch bei Kindern ohne Schriftspracherwerbsprobleme üblicherweise einen längeren Zeitraum in Anspruch. Da sich innerhalb dieser Phase auch qualitativ unterschiedliche Strategien identifizieren lassen, wurde sie von einigen Autoren in Zwischenstadien gegliedert.

Zwischenstadien

Kirschhock (2004) beschreibt die Entwicklung des Lesens innerhalb der alphabetischen Strategie folgendermaßen: Ausgehend von einer beginnenden alphabetischen Strategie, mit Hilfe derer einzelne Buchstabennamen und Laute benannt werden und Wörter aufgrund des Kontextes in Zusammenhang mit dem Anfangsbuchstaben erraten werden, gelingt es mit der teilweise entfalteten alphabetischen Strategie einzelne Laute und der sich anschließenden weitgehend entfalteten ­alphabetischen Strategie ein Wort vollständig zu synthetisieren. Die voll entfal­tete alphabetische Strategie mit der sicheren Anwendung der Synthese bildet den Abschluss dieser Phase. Auch hier kommt es noch vereinzelt zu einer verzögerten Sinnentnahme, wenn die Kinder nach der Generierung einer phonologischen Rohform im mentalen Lexikon nach dem Eintrag mit der größtmöglichen Übereinstimmung suchten und das Wort dann in natürlicher Aussprache artikulieren. Eine analoge Entwicklungsabfolge nimmt Kirschhock (2004) für das Schreiben an. Auch hier differenziert sie eine beginnende alphabetische Strategie, mit der die Kinder den Anfangslaut oder einen besonders prägnanten Laut eines Wortes wiedergeben, eine teilweise entfaltete alphabetische Strategie, bei der die Schreibweisen über Skelettschreibweisen in der Folge immer genauer werden und eine voll entfaltete alphabetische Strategie, bei der auch die durch Vorsprechen und Abhören eines Wortes vorkommenden Zwischenlaute und dialektale Besonderheiten wiedergegeben werden.

Auch Klicpera et al. (2013) unterscheiden in dieser Phase Schreibweisen, bei denen zunächst jede Silbe durch einen Buchstaben abgebildet wird, während später phonetische Merkmale verschriftet werden, die von Erwachsenen gar nicht mehr wahrgenommen werden (z. B. Auslautverhärtung).

Am Ende der alphabetischen Phase lassen sich beim Schreiben bereits manchmal orthographische Besonderheiten identifizieren, die aber inkonstant und unsystematisch verwendet werden. Vereinzelt kommt es dabei auch zu Übergeneralisierungen, die aber nicht als Entwicklungsrückschritt interpretiert werden dürfen. Bspw. werden die zu einem früheren Zeitpunkt bereits richtig geschriebenen Wörter <Sofa>, <Opa> und <Oma> später als <Sofer>, <Oper>, und <Omer> verschriftet, wenn das Kind die orthographische Besonderheit des Deutschen, dass ein [ɐ] am Wortende mit der Buchstabenfolge <er> wiedergegeben wird, verinnerlicht hat.

Zusammenhang zur phonologischen Bewusstheit

In der alphabetischen Phase werden die wechselseitigen Einflüsse zwischen der phonologischen Bewusstheit und dem Schriftspracherwerb besonders deutlich. Um die GPK sowie die indirekte Lese- und segmentale Schreibstrategie zu durchschauen und anzuwenden, ist es von Vorteil, zumindest über ein rudimentäres Wissen zu verfügen, dass Wörter aus kleineren Einheiten aufgebaut sind und einzelne Laute zu Wörtern synthetisiert werden können. So gelingt es in enger Wechselwirkung mit dem schriftsprachlichen Anfangsunterricht, die für das phonologische Rekodieren und die segmentale Schreibstrategie notwendigen expliziten Fähigkeiten der Phonemsynthese und Phonemsegmentation auszubilden.

Grenzen der alphabetischen Strategie

Die parallele Erfahrung von korrektem Schriftbild in der Rezeption und abweichender eigener Schreibung ist eine denkbare Erklärung dafür, dass ein letzter Strategiewechsel vorgenommen wird (Günther 1986). Die alphabetische Strategie zeigt ihre Unzulänglichkeit jedoch vor allem auf rezeptiver Seite. Auch wenn es mithilfe dieser Strategie gelingt, schriftsprachlich noch unvertraute Wörter in Lautsprache umzuwandeln, bündelt sie ein so hohes Maß an kognitiven Ressourcen und beansprucht das Arbeitsgedächtnis so stark, dass für die Sinnentnahme oft nicht mehr genügend Kapazitäten zur Verfügung stehen. Es handelt sich um eine sichere, aber v. a. auf Satz- und Textebene unökonomische Strategie.

Der Wechsel zur orthographischen Phase findet deshalb zunächst auf der Seite der Rezeption statt, wenn das mühevolle, langsame phonologische Rekodieren zugunsten der direkten Worterkennung abgebaut wird.

2.4.4Orthographische Phase

ganzheitliche Verarbeitung größerer schriftsprachlicher Einheiten

Der Kern dieser Strategie besteht darin, dass es Kindern durch zunehmende Lese­erfahrung und / oder systematische Instruktion im Rahmen des schriftsprachlichen Anfangsunterrichts gelingt, sukzessive größere schriftsprachliche Einheiten (Silben, Morpheme) ganzheitlich simultan zu verarbeiten und mit der entsprechenden Phonologie zu verknüpfen, sodass es nicht mehr auf die Analyse und Synthese einzelner Buchstaben bzw. Laute angewiesen ist.

Die orthographische Strategie ist demzufolge zunächst primär eine Lesestrategie, die durch eine zunehmende Automatisierung der Worterkennung chrakterisiert werden kann. Nichtsdestotrotz ist die Anwendung dieser Strategie beim Aufbau wortspezifischen orthographischen Wissens natürlich unverzichtbar (Günther 1986).

Aufgrund der Tatsache, dass die Graphem-Phonem-Korrespondenzen beim Lesen eindeutiger sind als die Phonem-Graphem-Korrespondenzen beim Schrei­ben (Kap. 1.2.1), stellt das Erlernen der korrekten Orthographie meist einen wesentlich längeren Entwicklungsprozess dar als die Automatisierung des Lese­prozesses.

Erwerb der ­orthographischen Strategie als ­entscheidende Hürde

Der Erwerb der orthographischen Strategie und damit die Automatisierung des Lese- und Schreibprozesses stellen den entscheidenden Schritt auf dem Weg zum kompetenten Leser und Schreiber dar. Während das Erlernen der indirekten Lese- und Schreibstrategie aufgrund des einzellautorientierten schriftsprachlichen Anfangsunterrichts verbunden mit der relativ hohen Transparenz der Orthographie auch leseschwachen Schülern im deutschsprachigen Raum vergleichsweise geringe Schwierigkeiten bereitet, sind Probleme beim Erwerb der orthographischen Strategie das zentrale Charakteristikum lese-rechtschreibschwacher Kinder.

2.4.5Integrativ-automatisierte Phase

Die von Günther (1986) als integrativ-automatisierte bezeichnete Phase stellt keine neue Strategie im Rahmen des Schriftspracherwerbs dar, sondern soll ausdrücken, dass die Automatisierung schriftsprachlicher Fähigkeiten einen längeren Zeitraum in Anspruch nimmt, bis das Niveau eines kompetenten Lesers und Schreibers und damit die „automatisierte und konsolidierte Integration aller beteiligten Verarbeitungsprozesse“ (Klicpera et al. 2013, 34) tatsächlich erreicht ist.

Literaturempfehlung zur Entwicklung schriftsprachlicher FähigkeitenMayer (2018): Gezielte Förderung bei Lese-Rechtschreibschwierigkeiten. Ernst Reinhardt Verlag, München, Kapitel 2

Zusammenfassung

Das Erlernen der indirekten Lesestrategie des phonologischen Rekodierens auf der Grundlage der GPK-R stellt einen ersten Schritt auf dem Weg zum kompetenten Leser dar. Dennoch darf sich der schriftsprachliche Anfangsunterricht nicht auf die Vermittlung dieser Fähigkeit reduzieren. Um die Lesefähigkeit sukzessive zu automatisieren, benötigen insbesondere leseschwache Kinder eine systematische Förderung im Bereich der direkten Worterkennung, also Unterstützungsangebote, die ihnen den Übergang von der alphabetischen Phase zur orthographischen Phase ermöglichen.

Dem konnektionistischen Modell der Worterkennung folgend sind dafür Assoziationen zwischen orthographischen und phonologischen Einheiten von zentraler Bedeutung. Nachdem die Kinder die wesentlichen GPK-R erlernt haben, verfolgt ein effektiver Erstleseunterricht deshalb das Ziel, die Kinder dabei zu unterstützen, Verknüpfungen zwischen kontinuierlich größer werdenden schriftsprachlichen Einheiten und deren Phonologie auszubilden. Das Angebot entsprechender Unterstützungsmaßnahmen hat primär dann seine Berechtigung, wenn es Kindern gelungen ist, die alphabetische Strategie anzuwenden.

Auch wenn Beeinträchtigungen im Bereich der Worterkennung das zentrale Symptom der Lese-Rechtschreibstörung darstellen (Lyon et al. 2003; Kap. 4), macht das Modell des Simple View of Reading deutlich, dass neben spezifisch schriftsprachlichen Kompetenzen im Bereich der Worterkennung semantische, grammatische und pragmatische Fähigkeiten einen entscheidenden Beitrag für das sinnentnehmende Lesen insbesondere auf Textebene leisten. Aus diesem Grund muss eine einzelfallorientierte Diagnostik ergeben, ob eine Förderung / Therapie des Sprachverständnisses notwendig ist, um Beeinträchtigungen im Bereich des Leseverständnisses überwinden zu können.

Lese-Rechtschreibstörungen (LRS)

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