Читать книгу Getting Pro - kompakt - Andreas Mistele - Страница 6

Оглавление

3Gesang

3.1Basis

Der Gesang ist das Aushängeschild eines Songs. Daher solltest du beim Gesangsrecording und bei der Weiterbearbeitung besonders auf Qualität und Fehlervermeidung achten.

Warum ist dies bei Sprache und Gesang so außerordentlich wichtig? Ganz einfach: Wir Menschen kennen nun mal kein anderes Signal so gut wie die menschliche Artikulation. Daher reagieren wir hier besonders stark auf Fehler, seien sie tontechnischer oder auch rein tonaler Natur.

Also verwendest du beim Vocal-Recording immer das beste Mikrofon für den gewünschten Klang, die besten Effekte (vor allem den Raumeffekt) und gibst dir größte Mühe beim Editing.

Als Richtwert für ein gutes Signal kannst du dich am natürlichen Klang orientieren: Klingt das aufgenommene Signal so, als ob der Sänger in natura vor dir im Raum steht, ist es eine gelungene Aufnahme.

3.2Mikrofonierung

3.2.1Einzelaufnahmen

Gesangsaufnahmen einzelner Künstler werden normalerweise im Nahfeld gemacht und mit stark gerichteten Mikrofonen realisiert. Die klassische Charakteristik ist die Niere.

Gemäß den Tipps aus den letzten Kapiteln suchst du für die Aufnahmen einen Platz im Raum, an dem du mit keinen Flatterechos, dröhnenden Resonanzen oder Kammfiltereffekten zu kämpfen hast. Dieser Platz wird bei praktisch allen Sängern derselbe sein.

Interessanter ist die Suche nach der optimalen Ausrichtung des Mikrofons zum Sänger. Bei der Positionierungsentscheidung sind der Sänger und dessen Klangeigenschaften und natürlich die verfolgte Anwendung an sich entscheidend. Bei einer Gesangsaufnahme im Stehen brauchst du nun mal eine andere Mikrofonposition als bei einer Sprecheraufnahme im Sitzen.

Grundsätzlich solltest du bei allen Sprach- und Gesangsaufnahmen einen Poppschutz verwenden. Lediglich bei Sprachaufnahmen ohne zu erwartende Explosivlaute kannst du eventuell darauf verzichten, wenn das Mikrofon dabei oberhalb des Sprechers angebracht wird.

Um S- und Popplaute zusätzlich zu entschärfen, kannst du das Mikrofon etwas um die vertikale Achse drehen, wodurch der Luftschwall nicht mehr direkt auf die Membran auftreffen kann. Eine Drehung um 10 bis 15 ° ist ausreichend.

Ist dies immer noch nicht genug, kannst du den Bleistifttrick versuchen: Hierzu bringst du einen Bleistift mittig am Poppschutz an. Dies klappt z. B. sehr einfach mit einem Gummiband, wie im Bild. Der Bleistift spaltet den Luftschwall bevor dieser auf die Membran auftrifft. Hierdurch werden vor allem S-Laute gemindert, tiefere und somit langwelligere Frequenzen beugen sich ohne Widerstand um den Bleistift.


Bleistifttrick (Mistele)

Kommen wir nun zu den unterschiedlichen Mikrofonpositionen. Grundsätzlich kannst du drei Positionen unterscheiden:

1 Mikrofon auf Mundhöhe: Dies ist die klassische Position, welche zu praktisch jeder Anwendung passt. Der Klang ist sehr präsent, da er über viele Signalanteile der Artikulation verfügt und die ausgestoßenen Schallwellen direkt auf die Membran einwirken können.Es wird zudem eine relativ homogene Mischung an Signalanteilen der körpereigenen Resonanzquellen aufgenommen. Sowohl die Kopfresonanzen als auch Brustresonanzen werden zu ähnlichen Anteilen abgebildet. Bei Sängern ohne unnatürliche Über- oder Unterbetonungen kannst du so eine sehr gute Aufnahme erzielen.

2 Mikrofon über Mundhöhe: Diese Position wird ebenfalls sehr häufig angewandt, da sie gegenüber der Frontalposition einige interessante Vorteile bietet. Zunächst führt ein aufgehängtes Mikrofon automatisch dazu, dass der Sänger aufrechter steht, was zu einem freien und voluminöseren Klang führen kann. Aber Vorsicht: Achte darauf, dass bei hohen Tönen nicht überstreckt wird!Praktisch ist auch, dass Texte unter und neben dem Mikrofon platziert werden können, da der Ständer nicht im Weg ist.Generell nehmen gute Mikrofone die Signale trotz des schrägen Aufnahmewinkels sehr detailliert auf. Der Grundklang ist aber etwas weicher und nicht ganz so präsent wie bei der Frontalaufnahme.Durch das Ausrichten des Mikrofons über Kopf kannst du zudem tonale Verhältnisse aktiv beeinflussen. Bei einer Position auf Stirnhöhe mit auf den Mund zielender Membran kannst du beispielsweise die Überbetonungen nasaler Sänger etwas ausgleichen. Zudem werden Poppgeräusche, die sowieso immer nach unten strahlen, etwas gemindert.Rein technisch gesehen stammt diese Positionierung von Röhrenmikrofonen: Damit die Membran nicht durch die Abwärme der Röhrentechnik beschädigt wird, hat man die Mikrofone eben kopfüber nach unten hängen lassen.Trotz der Positionierung oberhalb des Mundes schaut das Mikrofon klassischerweise dennoch auf den Mund. Da die Luft aber kaum direkt gegen die Membran gerichtet wird, kann man unter Umständen auf den Poppschutz verzichten. Typische Anwendung hierfür wäre eine Lesung oder eine reine Sprachaufnahme.

3 Mikrofon unter Mundhöhe: Dies ist eher ein Spezialfall, der für besondere Klangziele eingesetzt wird. Auch hier schaut das Mikrofon grundsätzlich auf den Mund, wird aber 10 bis 15 cm unterhalb dessen angebracht. Da hierdurch sehr viele Anteile der Brustresonanzen aufgenommen werden, entsteht ein Klang mit viel Fundament. Dies sorgt vor allem bei eher dünnen Stimmen für eine ausgleichende Aufwertung. Aber auch bei Aufnahmen klassischer Gesänge kann das Spiel mit den Brustresonanzen zu tollen Ergebnissen führen.Bei dieser Positionierung musst du unbedingt auf eine eventuell entstehende Überbetonung der Popplaute achten!

Der Abstand zwischen Mund und Mikrofon beträgt zwischen 5 und 50 cm, je nach gewünschtem Klang. Je näher der Sänger an die Membran kommt, desto intimer und präsenter wird der Klang. Dies liegt an dem bereits besprochenen Nahbesprechungseffekt. Zudem wird natürlich immer weniger Raumanteil aufgenommen.

Unerfahrenen Sängern solltest du unbedingt die Grundlagen der Mikrofondisziplin nahebringen! Hast du die optimale Mikrofonposition gefunden, muss sichergestellt sein, dass der Sänger sie nicht ständig ändert, indem er seine Position variiert. Bewährt hat sich hierbei der klassische Streifen Gaffatape auf dem Boden, der die Position der Zehen definiert!

Hast du mit Störgeräuschen wie Schmatzer, Kleidungsgeraschel oder extremen Atmern zu kämpfen, sprich den Sänger gleich drauf an! Mit etwas Mühe sind diese Störungen leicht zu vermeiden. Schmatzer kann man mit der richtigen Benetzung der Mundschleimhäute verhindern. Gegen Kleidergeraschel hilft meist, das raschelnde Stück auszuziehen oder sich einfach weniger zu bewegen.

Bei den Atmern kommt es auf den Stil an, denn bei vielen Sängern gehört dies einfach dazu! Solange das Atmen nicht lauter als der Gesang ist oder einfach nervt, kannst du damit arbeiten.

Insbesondere bei Gesangsaufnahmen läufst du Gefahr, ggf. den mitlaufenden Klick oder anderes Übersprechen mit aufzunehmen. Wird die Spur anschließend stark komprimiert, kann das aufgenommene Übersprechen unangenehm laut werden.

Zur nachträglichen Lösung dieses Problems kann man einen Trick versuchen: Du nimmst den gleichen Teil nochmals unter gleichen Bedingungen auf, jedoch ohne die eigentliche Gesangsaufnahme. Anschließend drehst du die Phase der neuen Spur und mischst sie so bei, dass sich die beiden Störsignale gegenseitig auslöschen.

Du bittest also den Sänger nochmal vor das Mikrofon und nimmst den Teil erneut auf. Dabei muss der Sänger an derselben Stelle wie zuvor stehen und darf natürlich nicht mitsingen. So habt ihr nur das Störsignal aus dem Kopfhörer auf der Aufnahme und könnt die beschriebene Technik anwenden.

Selbstverständlich ist dies alles nur Flickwerk und lohnt nur im absoluten Notfall oder beim Take deines Lebens. Schließlich hat das Ganze den faden Beigeschmack von potentiellen Phasenschweinereien!

Idealerweise investierst du in einen guten, geschlossenen Kopfhörer und verhinderst diese Probleme im Voraus! Beim Aufnehmen kannst du aber auch den Klick oder die potentiell übersprechende Spur bei den gefährdeten Stellen leiser oder ganz aus machen.

3.2.2Gruppenaufnahmen und Backing-Vocals

Bei Gruppenaufnahmen wie Chören oder Vocal-Ensembles ist es zwar manchmal möglich, jedem Sänger ein eigenes Mikrofon zur Verfügung zu stellen, sinnvoll ist es aber meist nicht. Zum einen fängst du dir schnell Phasenprobleme ein und zum anderen sollte so ein Sängerverbund idealerweise auch als Einheit abgebildet werden.

Der Chor als Summe ist das Instrument. Besteht der Chor aus mehreren Reihen, sind die Mikrofone so zu platzieren, dass nicht nur die erste Reihe abgenommen wird. Daher schauen die Mikrofone dann eher von oben über mehrere Reihen hinweg.

Um eine tonale Ausgeglichenheit zu erlangen, kannst du in einem Chor die tiefen Sänger tendenziell in die Mitte positionieren und die mittleren und hohen Lagen um sie herum platzieren. Wie wir wissen, lassen sich tiefe Töne nicht so gut orten wie höhere. Die beschriebene Anordnung kommt dieser Eigenschaft sehr entgegen und erzeugt einen Gesamtklang mit zentralem Fundament und aufgefächertem Obertonbereich, was den Stereoeffekt unterstützt.

Für ein natürliches Abbild muss ein Chor in Stereo abgenommen werden. Die Möglichkeiten und Regeln der Stereomikrofonierung haben wir bereits in einem der vorangegangenen Kapitel erörtert.

Daher folgt hier nur eine kurze Rekapitulation:

 Willst du eine Aufnahme mit detaillierter Richtungsinformation, nutzt du eine Mikrofonierung zur Intensitätsstereophonie.

 Für einen breiten, aber etwas verschwommenen Klang nutzt du Techniken der Laufzeitstereophonie.

 Ist eine besonders dicke Klangfülle gefragt, ist ein Laufzeitpaar aus zwei Kugeln interessant.

Bei der Aufnahme von Chören musst du stets die akustische Täuschung bei der Umwandlung des Klangkörpers in ein Stereosignal beachten. Die Personen, die am nächsten zu den Mikrofonen stehen, werden immer am lautesten und deutlichsten abgebildet. Das heißt: Ein auf einer geraden Linie aufgestellter Chor wird mit einem Stereomikrofon oder einer XY- bzw. ORTF-Aufstellung immer kreisförmig abgebildet. Bei einer A/B-Aufstellung wird der gerade stehende Chor wellenförmig verzerrt.

Um ein homogenes Klangbild zu erhalten, musst du also die Aufstellung des Chors immer mit der Position der Mikrofone abgleichen. Bei einem Stereomikrofon in der Mitte muss der Chor kreisförmig um das Mikrofon stehen. Bei A/B-Mikrofonierung muss der Chor wellenförmig in zwei sich überlagernden Kreisen aufgestellt werden.

Diese Arbeitsweise gilt natürlich nicht nur speziell für Chöre. Ebenso bei Big-Bands, Orchestern oder anderen breiten Klangkörpern solltest du diese Denkweise im Hinterkopf behalten.


Akustische Täuschung bei breiten Objekten (Mistele)

Natürlich sind nicht nur Chöre oder Ensembles Gruppenaufnahmen, sondern auch einfache Backing-Vocals. Auch diese kann man als verschiedene Einzelspuren anlegen, bei unterschiedlichen Sängern kann es aber für das Feeling positiv sein, mehrere Sänger gleichzeitig mit einem Mikrofon aufzunehmen. Die verschiedenen Stimmen ergänzen sich auf natürliche Weise und der Gruppeneffekt beim Einsingen befreit und führt zu einem satten Klang. Üblicherweise nimmst du hierfür zwei bis vier Monospuren auf, die dann im Panorama verteilt werden.

Mit dieser Technik und beispielsweise drei Sängern kannst du sehr schnell einen schicken Chor erzeugen, der mit 12 Stimmen auf verschiedenen Panoramapositionen schon recht mächtig klingt!

Bei der Aufnahme von Backings hast du häufig mit einem „Konsonantengewitter“ zu kämpfen. Dies entsteht, wenn die Sänger und die unterschiedlichen Spuren zueinander nicht synchron genug sind. Über eine Phrase hinweg fällt dies nicht stark auf und kann sogar gewünscht sein. Problematisch ist es aber immer am Ende eines Takes.

Wenn hier das finale „S“ oder ein „T“ zu unterschiedlichen Zeitpunkten und zusätzlich aus verschiedenen Panoramarichtungen intoniert wird, ist das irritierend und einfach nicht schön!

Was tun? Das Beste ist natürlich: Üben! Alternativ können die Sänger die kritischen Konsonanten einfach abschwächen oder gar weglassen. Besonders dann, wenn die Backings mit gleichem Text unter dem Hauptgesang liegen, fällt das Weglassen einiger Backingkonsonanten am Ende einer Phrase absolut nicht auf und hält den Track sauber.

Ein guter Leadsänger ist übrigens meist kein guter Backgroundsänger! Es ist für viele recht schwer, sich beim Singen in ein Backinggefüge einzugliedern. Dies können meist nur sehr erfahrene Sänger, die eine gute Disziplin und eine reflektierte Sicht über ihre Kunst haben. Probieren kann man es natürlich immer!

Getting Pro - kompakt

Подняться наверх