Читать книгу Im Zeichen des Ares - Andreas Parsberg - Страница 3

Prolog

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Cape Sabatiki, Griechenland

1579 v Chr.


Er hatte die beiden Befehle direkt von seinem Vater erhalten.

Nicht, dass ihn die Wünsche seiner Eltern jemals besonders interessiert hätten, aber diesmal war es anders gewesen. Aus einer normalen Erziehungsmaßnahme war mehr geworden, denn diese Befehle waren von seinen beiden Onkeln unterstützt worden.

Aber er verstand die Strafmaßnahmen nicht!

Was hatte er schon Großartiges verbrochen, das eine so strenge Bestrafung gerechtfertigt hätte?

Gut, überlegte er, ich hätte mich nicht im Ehebett mit einer verheirateten Frau erwischen lassen dürfen, mit der ich bereits fünf Kinder gezeugt habe. Das hat dem gehörnten Ehemann nicht gefallen.

Aber sein Vater sollte sich mit solchen Vorwürfen besser zurückhalten, war dieser doch mit der eigenen Schwester verheiratet und hatte zehn Kinder mit fünf verschiedenen Frauen gezeugt.

Wahrscheinlich war der Hauptgrund für die Bestrafung, dass er mit seinem Schwert bei der letzten Schlacht über zweihundert Männern die Bäuche ausgeschlitzt hatte. Sein Vater und die beiden Onkel liebten es nicht besonders, wenn die Erde mit den Innereien der Sterblichen bedeckt wurde.

Er schloss für einen kurzen Moment die Augen und dachte über sein Leben nach. Seine Freunde nannten ihn den Gott des Kriegsgemetzels.

Aber besaß er überhaupt Freunde?

Die wenigen, die dieses Privileg besessen hatten, waren tot, hinterrücks ermordet, gefallen in irgendeiner sinnlosen, blutigen Schlacht, hingemetzelt auf dem Feld der Ehre, das so wenigen wirklichen Ruhm und so vielen den Tod gebracht hatte.

In vielen bitteren Visionen sah er das vor sich aufsteigen, was die Nachwelt vielleicht eines Tages beim Klang seines Namens empfinden mochte. Heldenmut? Unerschütterlichkeit? Treue, Ergebenheit oder Mut?

Er zuckte mit den Schultern, denn es war ihm gleichgültig. Wichtiger war ihm, was die Feinde über ihn dachten. Und er wusste, alle hatten Angst und Respekt vor ihm, denn Streit, Blutbäder und Mordgetümmel sind sein Ein und Alles. Berauscht und hemmungslos findet er kein Ende, wenn er einmal am Schlachten und Morden ist. Er ist ungehobelt und wild. Einmal in Mordlust versetzt, ist er nur schwer zu bändigen. Mit seinem berühmten Schwert zieht er in jede nur mögliche Schlacht und verlässt diese stets als Sieger. Denn er ist unbesiegbar!

Er öffnete die Augen und blickte das Schwert an, das er in seiner rechten Hand hielt. Lag seine Unbesiegbarkeit an seinem Kampfschwert? Er strich fast zärtlich über die Klinge.

Dieses Schwert hatte viele Besonderheiten, denn er hatte es von Vulcanus, dem Schmied der Schmiede, anfertigen lassen. Dieser schützte das Schwert mit mächtigen Zaubern, sodass nur Außerwählte es tragen können. Er schmiedete das Schwert aus den härtesten Materialien, die er selbst kannte. Die Klinge wurde nie abgeschliffen, denn sie verlor niemals ihre Schärfe. Ein dunkles Schwert, das seinem Träger die Unsterblichkeit verleiht und ihn so unbesiegbar macht. Dieses Schwert trägt die Seelen der gefallenen Krieger in sich, weswegen nur die erfahrensten Kämpfer in der Lage sind, dieses Schwert zu kontrollieren.

Er gab seinem Kampfschwert den Namen Unique.

Und nun hatte er den Befehl erhalten, sein Schwert von der höchsten Klippe ins Meer zu werfen. Dort würde es sein Onkel Poseidon, der Herrscher der Meere, in Empfang nehmen und sicher verwahren.

Das sollte doch bereits Strafe genug sein!

Aber nein, sein Vater hatte eine weitere Strafe bestimmt. Er musste noch zusätzlich die Welt der Menschen verlassen und sich in die Obhut von seinem Onkel Hades, dem Herrscher der Unterwelt, begeben. Dort sollte er so lange bleiben, bis seine Seele ausreichend geläutert war.

So ein Mist, dachte er. Diese Strafe empfand er als starke Erniedrigung. Er sollte viele Jahrhunderte in der Unterwelt verbringen. Wahrscheinlich würde er vor Langeweile eingehen, wir ein Mensch ohne Liebe.

Diese zusätzliche Strafe hatte er dem gehörnten Ehemann seiner Geliebten zu verdanken. Nur weil er mit dessen Ehefrau fünf Kinder gezeugt hatte? Er wusste, dass Hephaistos nicht eifersüchtig war, denn er betrog seine Gemahlin ebenfalls ständig. Aber der gehörnte Gatte fühlte sich in seinem Stolz und in seiner Ehre beschmutzt. Dem Betrogenen war bewusst, dass er in einer direkten Auseinandersetzung verlieren würde, daher hatte er auf der zusätzlichen Strafe mit dem Gang in die Unterwelt bestanden.

Pah!, dachte er. So ein Feigling!

Aber dann huschte ein Lächeln über seine Lippen, denn plötzlich dachte er an seine Geliebte, an die Ehefrau des Hephaistos. Wie sehr er die Frau liebte, spürte er mit jedem Atemzug. Es war niemand Geringeres als Aphrodite, die Göttin der Liebe, der Schönheit und der sinnlichen Begierde. Er hatte fünf Kinder mit Aphrodite gezeugt: Anteros, Gott der verschmähten Liebe; Harmonia, Göttin der Eintracht; Deimos, Gott des Grauens; Phobos, Gott der Furcht; Enyalios, Gott des Kampfes.

Sein Herz zog sich zusammen, wie von einer mächtigen Faust gepresst. Was würde aus seinen Kindern werden, wenn er in die Unterwelt zu seinem Onkel Hades verbannt wird? Würde Aphrodite ihren unehelichen Nachwuchs verstoßen, wie es der gehörnte Ehemann sicher verlangen wird?

Erneut zuckte er mit den Schultern und öffnete die Augen. Er blickte über das offene Meer und war sicher, dass sein Onkel Poseidon unter der Wasseroberfläche bereits auf das Schwert wartet und ihn aufmerksam beobachtet.

Er wandte seinen Kopf nach links und erkannte den Fluss Acheron, der nur unweit von seiner Position in das Meer mündete. Auf dem Fluss wartete bereits der Fährmann Charon, der ihn zu seinem Onkel Hades bringen würde.

Er schloss abermals die Augen, legte den Kopf in den Nacken und genoss für wenige Augenblicke die letzten wärmenden Strahlen der Sonne. Kalter Wind war über der griechischen Küste aufgekommen, fuhr raschelnd durch das Gras unter seinen Füßen. Irgendwie hatte dieser Wind eine fast symbolische Bedeutung für ihn. Für dieses Land, vielleicht für die ganze Welt. Es war Abend, aber es schien nicht nur der Abend eines Tages zu sein, sondern der Sonnenuntergang einer Epoche, die kurze Dämmerung, der Jahrhunderte der Finsternis folgen sollten.

Er wusste, dass die Menschen ihn als unbesiegbaren Helden ansehen werden. Was würden all diese nachfolgenden Generationen wohl sagen, dachte er, wenn sie ihn jetzt sehen könnten? Einen verurteilten Gott, der mit gebeugten Schultern auf einer felsigen Klippe steht und mit Tränen in den Augen an seine fünf Kinder denkt.

Gegen seinen Willen musste er lächeln. Götter weinen nicht! Das war einer der Grundsätze, die sie ihm immer und immer wieder eingehämmert hatten.

Er öffnete die Augen und trat dicht an den Felsabbruch heran. Das Meer rollte fast hundert Meter unter ihm donnernd gegen die schwarzen Klippen.

Er hob das Schwert, fing die letzten Strahlen der untergehenden Sonne auf dem blitzenden Metall ein und studierte die verschlungenen Gravuren auf der fast meterlangen Klinge. Es schimmerte immer noch makellos und rein in seinen Händen. Nicht der winzigste Fleck war auf dem gehärteten Stahl zurückgeblieben. Das viele Blut hatte keine Spuren hinterlassen.

Er spürte das sanfte, beruhigende Pulsieren der Waffe in seinen Händen: den Pulsschlag der ungeheuren magischen Kräfte, die in dem schlanken Stück Stahl eingeschlossen waren. Die Macht, die in diesem Schwert schlummerte, war ihm nur zu deutlich bewusst.

Mit Unique war er unbesiegbar!

Mit einer entschlossenen Bewegung holte er aus und schleuderte sein Kriegsschwert von sich. Die Waffe beschrieb einen weiten, glitzernden Bogen, drehte sich wie unter einer inneren Kraft schneller und immer schneller, bis es einem flammenden Feuerrad zu gleichen schien.

Dann tauchte es in den Wellen unter. Poseidon, der Bruder seines Vaters, würde das Schwert gut verstecken, sodass es niemals in falsche Hände fallen würde, um als unbesiegbare Waffe missbraucht zu werden.

Er blieb noch lange so stehen, starrte auf die Stelle, an der Unique verschwunden war, und dachte nach. Er fühlte sich wie von einer schweren, drückenden Last befreit, denn er hatte den Befehlen seines Vaters, dem Göttervater Zeus, gehorcht.

Dann spürte er eine schwere Hand, die sich auf seine Schulter legte. Er drehte den Kopf und blickte in die schwarzen Augen des Fährmannes Charon.

„Kommst du, Ares?“, forderte der Fährmann. „Hades wartet bereits auf dich.“

Und Ares, der Gott des Kriegsgemetzels, nickte zustimmend und folgte dem Fährmann in die Unterwelt.


Im Zeichen des Ares

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