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Kapitel 1

Ein Griot ergreift das Wort

- Von Raubtieren und Pflanzenfressern -

Wer oder was ich bin? – Nun, viel wichtiger erscheint mir die Frage, wer oder was ich nicht bin. Ich bin kein Angehöriger einer dominierenden Kaste. Ich diene keiner Industrie, keinem Meinungsmacher, keinem selbsternannten Führer, keinen Phantomen im Hintergrund. Es liegt mir auch fern zu missionieren. Doch ich lebe für eine Welt, in der das Wohlergehen aller Menschen und Völker im Zentrum allen Handelns steht. Eine Welt, die Konflikte gleich welcher Art auf dem Acker gesunder Individualität innerhalb einer respektierten und respektierenden Gemeinschaft, umfassender Bildung und des Verständnisses für die Symbiose allen Lebens löst. Vernunft, Verständnis, Respekt und Nächstenliebe müssen wieder einkehren und das Zepter der Macht führen.

Ihr haltet das für Utopie, nicht zu verwirklichen und weit ab jeder Realität? – Selbstverständlich, denn das lehrt man euch seit eurer Geburt. Eltern haben es von ihren Eltern gelernt. Sie geben es an ihre Kinder und Enkelkinder weiter. So ist der Lauf der Dinge, unveränderlich, wie in einem nie endenden Kreislauf. Also, warum darüber nachdenken, wo das Denken doch ohnehin andere für einen übernommen haben, die doch scheinbar so viel klüger sind als man selbst. Und schließlich, was geschrieben steht, muss Wahrheit sein. Besonders dann, wenn jeder sonst es auch liest und für Wahrheit hält. So hat es Homo sapiens sapiens, der sogenannte zivilisierte Mensch der modernen Informationsgesellschaft, verinnerlicht.

In eurem Innersten wisst Ihr es besser, wisst Ihr, dass alle Menschen in ihrem Menschsein vereint sind – gleich welcher Kultur, Religion oder Region dieser einen Welt sie entstammen, welchen Ort sie auch immer ihre Heimat nennen. Wir alle sind und waren immer, fähig so viel Liebe zu geben, daneben aber auch so maßlos zu hassen und zu demütigen. Doch wer hält uns Menschen davon ab, an ein gedeihliches Miteinander zu glauben? Wer sät Zwietracht und Missgunst anstatt zu einen, kreiert unablässig Kriege, schürt Extreme und ist bestrebt, Menschen überall ihrer Wurzeln und Identität zu berauben? Ja, wer hat die Macht und den Willen, weltweit Elend und Zerstörung herbeizuführen, um darüber neue Völkerwanderungen zu erzwingen? Und wer gebietet zur selben Zeit auch über Regierungen, Banken, weltumspannende Organisationen und herrschende Medienkonzerne, kann ganze Stämme, Völker und Nationen davon abhalten, Hand in Hand und doch selbstbestimmt aus der erträumten Utopie ein erreichbares Ziel werden zu lassen?

Doch verzeiht – wie ich heiße und welchen gesellschaftlichen Rang ich bekleide, ist für euch zunächst natürlich wichtiger, als was ich zu sagen habe. Ihr seid es gewohnt, jeden Unbekannten einer vorgefertigten Schublade zuzuordnen. Ohne dieses Wissen kommen Unsicherheit und Verwirrung auf.

Seht in mir also einen „Griot“, einen Erzähler. In der Tradition meiner Vorfahren berichte ich als unablässiger Beobachter und Informationsquelle über das Vergangene und das Gegenwärtige. Verschwommenes lasse ich klarer erscheinen, unterstütze mein Publikum dabei, das Offensichtliche nicht zu leugnen und Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft als untrennbare Einheit zu begreifen.

Und deshalb weiß ich auch zu berichten, dass, seit die Europäer sich vor Jahrhunderten das erste Mal aufgemacht haben, ihr Verständnis von Zivilisation in die Welt zu tragen, erst Gold, dann fruchtbarer Lebensraum und seit der technischen Revolution eine breite Palette an Rohstoffen ihre Gier gereizt hat. So sehr gereizt hat, dass stets Knechtschaft, Zerstörung und Genozid die Folge waren. Die wenigen teuflischen Machtmenschen, in deren Verantwortung es lag und welche auf Kosten weit entfernter Völker ihren eigenen alles verachtenden Reichtum mehrten, bluteten mit derselben Hingabe auch das eigene Volk daheim weiterhin aus. Immer sprachen sie dabei vom gemeinsamen Fortschritt, Wohlstand, Ruhm – doch meinten sie in Wahrheit nur die eigene Person und Dynastie.

Und bis heute folgten und folgen diese wenigen „Herren“ über die Geschicke der Welt dabei zwei entscheidenden Maximen: 'Teilen und Herrschen' sowie niemals zu offenbaren, was man wirklich denkt, niemals zu tun, was man vorher versprochen hat.

Doch was man in die Welt hinausträgt, kehrt früher oder später zurück – in Zeiten der Globalisierung mehr denn je. In der Gegenwart ist auch das hochmoderne fortschrittliche Europa zum Buffet geworden, sturmreif geschossen von der eigenen Ignoranz und Dekadenz.

Mein Rat an euch Europäer und alle, denen Europa lieb und teuer ist: Nehmt die Bekämpfung von Fluchtursachen endlich ernst, die Ihr euch so vollmundig auf die Fahnen schreibt. Brecht mit dem „Teile und Herrsche“-Prinzip, lasst um der gemeinsamen Zukunft willen euren Versprechungen Taten folgen. Denn Menschen brauchen nun einmal Heimaterde. Entwurzelte Menschen in zu großer Zahl werden zur Belastung und Gefahr. Afrika und Vorderasien sind dafür zu groß, der europäische Kontinent zu klein.

Die „Wächter der Schöpfung“ – von jenen möchte ich euch erzählen. Als erklärter Gegner von Machtgier, Nationalismus, Rassenideologie und religiösem Wahn, den vier Eckpfeilern menschlicher Vernichtungswut, stellt sich diese geheime Gesellschaft solchen Eliten, Unternehmen und Organisationen entgegen, welche nichts als Knechtschaft, Raubbau und Mordlust in die Welt tragen. Einhundert Jahre lang haben sie im Verborgenen getan, was in freier Wildbahn seit Anbeginn der Zeit geschieht. Sie haben gelernt, dem Raubtier zu trotzen. Wie die Pflanzenfresser des weiten Graslandes, so haben sie sich den Jägern angepasst. Sie sind größer und stärker geworden, haben gefährliche Verteidigungswaffen ausgebildet und ebenbürtige Strategien entwickelt, wie die Kunst der Tarnung und Täuschung.

Auch die menschlichen Raubtiere haben einen Strategiewechsel vollzogen und verhüllen alte Motive in neuem Gewand. Sie predigen Moral und Demokratie, orakeln von einer neuen Weltordnung ohne Grenzen und Identitäten, inszenieren sich als Heilsbringer und Philanthropen dort, wo sie tatsächlich Armut, Zerstörung und Tod bringen. Nie hatte der Begriff Doppelgesichtigkeit mehr Bedeutung – schon gar nicht für die rohstoffreichen Länder Schwarzafrikas. Diese menschlichen Raubtiere begreifen sich ebenso als Krönung der Schöpfung, wie Ihr es tut, doch nehmen sie das gemeinsame Königreich ausschließlich für sich in Anspruch, legen es in Schutt und Asche ...

Im Kampf um das „schwarze Herz Afrikas“ senden die „Wächter der Schöpfung“ einen Mann aus, der wie kein anderer sonst in ihren Reihen dazu befähigt ist, uraltem Recht mit der erforderlichen List, Besonnenheit und gebotenen Härte zum Sieg zu verhelfen. Als Sohn eines Deutschen und einer Kongolesin ist er Brücke zwischen Europa und Afrika, ist er eine Speerspitze beider Welten.

Sein Name: Bonifacius Kidjo, Codename „Shango“.

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