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Personalwirtschaftslehre heute und in Zukunft

Die Einführung in die Personalwirtschaftslehre soll gleich mit einem Sprung in das kalte Wasser beginnen. Fast wöchentlich erscheinen in den Tageszeitungen Artikel über (drohende) Entlassungen in dem einen oder anderen Unternehmen.

Lesetipp

Recherchieren Sie in der überregionalen Tagespresse Meldungen über betriebliche Personalanpassungen, und notieren Sie sich die Namen der Unternehmen. Suchen Sie anschließend nach ähnlichen, aber etwas älteren Meldungen zu diesen Unternehmen.

Es handelt sich um ein Phänomen, mit dem sich Mitarbeiter in Unternehmen laufend auseinander setzen müssen. Eine zusätzliche Belastung resultiert dabei aus der Tatsache, dass es sich bei derartigen Personalanpassungen nicht etwa um Kündigungen auf Grund individueller, persönlicher Verfehlungen handelt, sondern dass jeder Mitarbeiter unabhängig von seiner Leistung jederzeit davon betroffen sein kann. Das erhöht den Druck weiter, denn es erzeugt ein Gefühl der Ohnmacht und hat etwas Schicksalhaftes, weil man die Konsequenzen auch bei noch so guter eigener Arbeit nicht beeinflussen, geschweige denn abwenden kann. Man kann nur hoffen, dass die Mitarbeiter in dem betreffenden Unternehmen die geplanten Personalanpassungen wenigstens nicht erst aus der Zeitung erfahren, sondern bereits zuvor persönlich darüber informiert wurden, beispielsweise im Rahmen von Betriebsversammlungen. Unmittelbare Kommunikation ist bei so weitreichenden Veränderungen übrigens nicht nur für die Mitarbeiter wichtig, sondern auch für das Unternehmen von Vorteil, weil es die Akzeptanz erhöhen und Widerstände zumindest reduzieren kann, wenn auch vermutlich nicht ganz vermeiden.

Aber wie auch immer die Personalanpassungen kommuniziert werden, für die betroffenen Mitarbeiter sind das natürlich dennoch stets schlimme Nachrichten; noch dazu, wenn man bedenkt, dass man die Zahlen mal drei, vier oder auch fünf nehmen muss, um zu erkennen, wie viele Menschen davon tatsächlich betroffen sind. Denn nicht nur die Mitarbeiter selbst sind bei Personalabbau in ihrer wirtschaftlichen Existenz zumindest temporär bedroht. Auch deren Familien teilen das gleiche Schicksal. Aber auch damit ist das Problem noch nicht vollständig beschrieben. Denn selbst die im Unternehmen verbleibenden Mitarbeiter – froh, dass es sie nicht getroffen hat – werden sich die Frage stellen, wie oft das wohl noch gut geht, und wann es sie selbst treffen könnte.

Die unternehmerische Notwendigkeit dieser Personalmaßnahmen steht dabei meist außer Zweifel – wenn man von den natürlich auch vorkommenden Managementfehlern einmal absieht. Selbstverständlich kann es notwendig sein, Personal abzubauen, um auf sich verändernde Wettbewerbsbedingungen zu reagieren und das Unternehmen strategisch neu auszurichten. Denn in den immer globaler, volatiler und unübersichtlicher werdenden Märkten gehören eben auch Personalanpassungen mittlerweile zum Standardrepertoire eines jeden Unternehmens. Es handelt sich also um etwas, womit man als angestellter Mitarbeiter rechnen muss.

Und trotzdem kann Personalabbau für das Unternehmen zu einem erheblichen personalwirtschaftlichen Problem werden, wenn die Mitarbeiter derartige Meldungen über die eigene Firma oder auch nur über ähnliche Firmen im Wettbewerbsumfeld vernehmen und sich über ihre eigene Zukunft mehr Sorgen machen, als über die aktuell anstehenden Aufgaben im Unternehmen. Angst lähmt.

Lesetipp

Betrachten Sie Ihre Presse-Recherche zu betrieblichen Personalanpassungen. Wie würden Sie diese Nachrichten als Mitarbeiter des entsprechenden Unternehmens aufnehmen? Welche Gedanken hätten Sie dabei?

Für viele der betroffenen Mitarbeiter stellt sich in jedem dieser Fälle schnell die grundlegende, persönliche Existenzfrage. Aber auch auf die verbliebenen Mitarbeiter haben die wiederkehrenden schlechten Nachrichten eine nicht zu unterschätzende Wirkung. Auf sie muss es wirken, als ob die »Einschläge« immer näher kommen, und als ob es nur eine Frage der Zeit wäre, bis es auch sie einmal treffen könnte.

Gerade die gut ausgebildeten und von allen Unternehmen umworbenen Mitarbeiter werden in dieser Situation die Entwicklungen in ihrem Unternehmen kaum ruhig abwarten. Wahrscheinlicher ist es, dass sie ihr Glück selbst in die Hand nehmen und sich bietende Chancen ergreifen – auch wenn dies zum Nachteil ihres Arbeitgebers sein sollte. Denn in Situationen wie diesen ist sich jeder selbst der Nächste.

So verständlich es ist, dass Unternehmen zu den Personalanpassungen gezwungen sind, so klar ist es auch, dass Mitarbeiter dann ebenfalls nur an sich selbst und nicht an das Unternehmen denken. Je höher qualifiziert und flexibler sie sind, umso leichter fällt ihnen eine Neuorientierung, weil sie als Mitarbeiter für jedes Unternehmen interessant sind.

Es geht nicht darum, die Unternehmen, die derart weitreichende Personalanpassungen durchführen müssen, dafür auf den heißen Stuhl zu setzen. Viele dieser Maßnahmen sind notwendig, ohne dass das betreffende Unternehmen eine unmittelbare Schuld daran träfe. Schließlich sind Marktentwicklung oder auch gesellschaftliche Entwicklung mit Einfluss auf das Marktpotenzial nicht immer vorher- und absehbar. Man denke nur an den gesellschaftlichen Wandel nach der Katastrophe von Fukushima. Es ist also für jedes Unternehmen eine nicht zu unterschätzende Herausforderung, einerseits unternehmerisch zu agieren und sich im Wettbewerbsumfeld zu behaupten, und andererseits mit geeigneten personalwirtschaftlichen Maßnahmen einen ungewollten »brain drain« zu verhindern.

Unternehmen müssen sich auf zwei Märkten gleichzeitig behaupten: nicht nur in ihrem Absatzmarkt, sondern auch auf dem Arbeitsmarkt befinden sie sich heute immer mehr im Konkurrenzkampf um die besten Köpfe. Und das sind nun mal diejenigen Menschen, die sich relativ frei für eine Tätigkeit in dem einen oder auch anderen Unternehmen entscheiden können, weil sie auf dem Arbeitsmarkt nachgefragt sind. Und gerade in Fällen wie dem hier gezeigten, in dem der zeitliche Abstand zwischen zwei pauschalen – und damit für den einzelnen Mitarbeiter nicht durch Leistung und Anstrengung beeinflussbaren – Personalanpassungen ziemlich gering ist, steigt das Risiko auch für das Unternehmen.

Im Ergebnis müssen Unternehmen also einerseits stets flexibel auf sich verändernde Marktbedingungen reagieren, was auch Personalabbau bedeuten kann. Auf der anderen Seite sind jedoch gerade die hochqualifizierten Mitarbeiter in der Lage, ihre ganz persönlichen Ziele unabhängig von den Interessen ihres derzeitigen Arbeitgebers zu realisieren. Das tun sie in umso stärkerem Maße, je unsicherer ihr Verbleib bei ihrem aktuellen Arbeitgeber ist oder zumindest zu sein scheint.

Und so kommt es, dass die Ziele der Mitarbeiter und die Ziele des Unternehmens, für das sie arbeiten, in einem latenten Spannungsverhältnis zueinander stehen. In einem Verhältnis also, in dem es keineswegs sicher ist, dass die Ziele der Mitarbeiter tatsächlich zu den Zielen des Unternehmens passen, und dass die Mitarbeiter tatsächlich die gleichen Interessen verfolgen wie das Unternehmen, bei dem sie angestellt sind.

Unternehmen müssen mit größt möglicher Flexibilität auf sich ändernde strategische Rahmenbedingungen reagieren können. Zugleich haben sie jedoch viele Angestellte, deren größter Wunsch es ist, in genau diesem Unternehmen einen möglichst sicheren Arbeitsplatz zu haben. Um seine Mitarbeiter zu halten, müsste das Unternehmen eine Beschäftigungsgarantie über einen bestimmten, für die Mitarbeiter interessanten Zeitraum anbieten. Das wiederum kann es aber eigentlich nicht, wenn es tatsächlich in der Lage sein will, flexibel auf sich ändernde Rahmenbedingungen reagieren zu können. Dies ist ein klassisches Beispiel dafür, dass die Ziele der Mitarbeiter und die Ziele des Unternehmens stets in einem Spannungsverhältnis zueinander stehen. Die personalwirtschaftliche Herausforderung ist, dieses Spannungsverhältnis durch geeignete Maßnahmen soweit wie möglich aufzulösen, und zwar zum Nutzen aller: dem des Unternehmens und dem seiner Mitarbeiter.

1.1 Das Spannungsfeld der Interessen

Ein Unternehmen wird von seinen Kunden und Investoren daran gemessen, wie ökonomisch es handelt; wie gut es also mit den stets knappen Ressourcen haushält und wie gut es ihm gelingt, aus diesen Ressourcen den größt möglichen Nutzen zu erzielen. Die unternehmerischen Ziele können dabei sehr unterschiedlich sein. Natürlich steht früher oder später immer die Maximierung des Gewinns im Vordergrund. Die Frage ist jedoch, auf welche Weise und über welchen Zeitraum dieser Gewinn maximiert werden kann. Kurzfristige Gewinnmaximierung könnte bedeuten, dass das Unternehmen seine langfristige Wettbewerbsfähigkeit verliert. Denn die schnellste Art, den Gewinn im laufenden Geschäftsjahr zu maximieren, wäre, einfach einen großen Teil der Mitarbeiter zu entlassen. Die Maschinen können nicht einfach abgebaut werden, denn das würde die Produktion lahm legen. Die Anzahl der Mitarbeiter ist schon eher verhandelbar, denn im Gegensatz zu Maschinen kann man Mitarbeiter eine gewissen Zeit lang durchaus auch mal überlasten, ohne ihnen Schaden zuzufügen. Jeder Mensch ist bereit und auch fähig, mal etwas mehr zu arbeiten als ihm vielleicht unmittelbar gut tut; zumindest dann, wenn anschließend auch wieder Phasen der Entspannung kommen. Maschinen kann man jedoch auf keinen Fall und auch nicht kurzfristig überlasten. Sie laufen heiß und gehen kaputt.

Möglich ist es also, den Gewinn eines Unternehmens kurzfristig zu maximieren. Die Frage ist nur, zu welchem Preis. In dem eben genannten Beispiel der Maximierung des Gewinns durch Abbau eines Teils des Personals würde die kurzfristige Gewinnmaximierung zu Lasten der Zukunftsfähigkeit des Unternehmens erfolgen. Das Unternehmen hätte auf Dauer nichts davon, weil es für den kurzfristigen Erfolg sein langfristiges Überleben riskiert. Man muss also bei der Festlegung der ökonomischen Ziele des Unternehmens immer auch die langfristige Wirkung dieser Ziele im Blick behalten.

Andererseits hat es natürlich auch keinen Sinn, nur die langfristige Wirksamkeit der Zielplanung zu betrachten und die kurzfristigen Effekte außer Acht zu lassen. Denn was nützen langfristig attraktive Zielen, wenn das Unternehmen gar nicht lange genug existiert, um davon profitieren zu können? Der Zeitbezug ist also eine ganz wesentliche Komponente bei der Festlegung der ökonomischen Ziele des Unternehmens. Allerdings zeigt schon allein die Frage, wie kurz- oder langfristig die ökonomischen Ziele eines Unternehmens sein sollten, die Vielschichtigkeit des Problems.

Ein Beispiel hierfür ist die andauernde Kontroverse um die Bezahlung von angestellten Geschäftsführern und Vorständen. Viele Vorstände auch und gerade von Großunternehmen haben zeitlich befristete Arbeitsverträge. Welches Interesse haben sie wohl, dass das Unternehmen langfristig prosperiert, wenn sie angesichts der vergleichsweise kurzfristigen Arbeitsverträge erstens nicht absehen können, wie lange sie dem Unternehmen wohl dienen werden, und zweitens üblicherweise mit ihrem Gehalt und Bonus an den Ergebnissen jeweils eines Geschäftsjahres gemessen werden?

Es ist ein Dilemma: sollte man kurzfristig möglichen Gewinn nicht vollständig realisieren, weil es bedeuten könnte, zu Gunsten von langfristigem Profit die eigene Kostenbasis zu sehr zu drücken? Oder sollte man kurzfristigen Gewinn vielleicht sogar auf jeden Fall realisieren, weil die längerfristige Zukunft immer unsicher ist und weil man sonst vielleicht sogar Gefahr läuft, Übernahmekandidat zu werden?

Aber nicht nur die zeitliche Komponente der unternehmerischen Ziele ist vielschichtig. Auch ihr Inhalt ist durchaus nicht immer so klar, wie er erscheinen mag. Natürlich ist Profitabilität ein wichtiges Ziel. Daneben gibt es aber auch noch eine ganze Reihe weiterer unternehmerischer Ziele, wie beispielsweise Wachstum. In vielen Unternehmen ist es schon fast selbstverständlich, dass die Ziele des Vorjahres im darauffolgenden Geschäftsjahr übertroffen werden müssen; insbesondere die vertrieblichen Ziele wie Umsatz, Absatz und Auftragseingang. Aber auch das Wachstumsziel ist kein »Naturgesetz«, wie Max Frisch in seinen berühmt gewordenen 25 Fragen deutlich machte, die er anlässlich der Entgegennahme der Ehrendoktorwürde an der Technischen Universität Berlin am 29. Juni 1987 formulierte. Eine davon lautete: »Die Saurier überlebten 250 Millionen Jahre. Wie stellen Sie sich ein Wirtschaftswachstum über 250 Millionen Jahre vor? Stichworte genügen.«

Ist wirtschaftliches Wachstum also tatsächlich notwendig? Und wenn ja, in welcher Höhe ist es angemessen? All diese Fragen können natürlich nur in einem konkreten Fall beantwortet werden. Aber an dieser Stelle sollen sie ja auch nur zum Ausdruck bringen, wie vielschichtig die ökonomischen Ziele eines Unternehmens sein können. Verallgemeinert ist Grundlage jeder unternehmerischen Zielüberlegung immer die Abwägung zwischen erzielbarem Gewinn auf der einen Seite und den diesem entgegenstehenden Kosten auf der anderen Seite.

Der variabelste Kostenblock eines Unternehmens ist dabei immer die Belegschaft. Denn Mitarbeiter können – wie schon erwähnt – auch schon mal deutlich mehr arbeiten, als ursprünglich im Arbeitsvertrag vereinbart wurde. Oder sie können ihren Arbeitseinsatz stark reduzieren, wenn die Auftragslage gerade weniger gut ist, aber niemand entlassen werden soll. Allerdings können sie natürlich auch mal krank werden. Dann kosten sie, ohne dafür eine produktive Gegenleistung zu erbringen. Insgesamt ist es also ein sehr variabler, um nicht zu sagen stark volatiler Kostenblock des Unternehmens. Vor allem aber ist es ein Kostenblock mit eigenen Vorstellungen und wiederum eigenen Zielen.

Angesichts der Vielfältigkeit der Unternehmensziele, der Volatilität der Mitarbeiterziele und der möglichen Diskrepanz zwischen beiden ist es für das Unternehmen geradezu überlebensnotwendig, die Ziele der Belegschaft und damit die Ziele jedes einzelnen Mitarbeiters zu betrachten, sehr genau zu analysieren und in das unternehmerische Kalkül zu integrieren.

Das Problem ist jedoch, dass die Belegschaft nicht nur als solche bestimmte Ziele verfolgt, sondern dass die Ziele der Mitarbeiter natürlich genauso vielfältig sind wie die Menschen selbst. Ein sicherer Arbeitsplatz, ein ausreichendes oder sogar hohes Gehalt, ein freundlicher Umgang mit Kollegen und Vorgesetzten? All dies sind mögliche persönliche Ziele von Mitarbeitern. Es könnte aber auch sein, dass sie mit ihrem Engagement im Unternehmen ganz andere Ziele verfolgen. Vielleicht ist ja nur der nächste Karriereschritt wichtig, um anschließend den Arbeitgeber zu wechseln. Das könnte zumindest sein.

Die persönlichen Ziele von Mitarbeitern heraus zu finden, ist keine einfache, aber eine äußerst wichtige Aufgabe. Denn eines ist allen individuellen, persönlichen Zielen der Mitarbeiter gemein: sie stehen in latentem Konflikt zu den Zielen des Unternehmens. Profitabilität beispielsweise, also Umsatz minus Kosten, erreicht das Unternehmen am ehesten, wenn die Mitarbeiter viel arbeiten für wenig Geld. Das Interesse des Mitarbeiters ist mit hoher Wahrscheinlichkeit jedoch genau entgegengesetzt. Aus diesem Grund ist die Kenntnis der persönlichen Ziele jedes einzelnen Mitarbeiters so wichtig. Zusammengefasst und verallgemeinert bezeichnet man diese als soziale Ziele, um den Unterschied zu ökonomischen Zielen des Unternehmens deutlich zu machen.

Die Personalwirtschaftslehre beschäftigt sich mit dem, was der Begriff der Personal-Wirtschaft ausdrückt: dem Spannungsverhältnis zwischen den Interessen der Menschen als dem Personal des Unternehmens und den wirtschaftlichen Interessen des Unternehmens.

Abbildung 1: Das Spannungsfeld der Personalwirtschaft


Um das Spannungsfeld zwischen den ökonomischen Zielen als den Primärzielen des Unternehmens und den sozialen Zielen als den Primärzielen der Mitarbeiter aufzulösen, sollte allen Beteiligten stets bewusst sein, dass dies nur im gegenseitigen Einvernehmen geht. Über allem muss daher die Realisierung der Ziele aller Beteiligten stehen. Denn weder das Unternehmen, noch die Mitarbeiter können auf Dauer ihre jeweiligen Ziele zu Lasten und zum Nachteil des jeweils anderen realisieren. Maximale Profitabilität des Unternehmens beispielsweise, ohne dass die Mitarbeiter auch etwas davon haben, wird diese so demotivieren, dass die Besten und Flexibelsten unter ihnen dem Unternehmen über kurz oder lang den Rücken kehren. Aber natürlich ist ebenso wenig akzeptabel, vom Unternehmen ständiges Verständnis dafür zu erwarten, dass der eine oder andere Mitarbeiter meint, gerade nicht so einsatzfähig sein zu können, weil das Wetter draußen so schön ist und er sowieso nicht weiß, was er gerade heute – am Brückentag – im Unternehmen soll, wo doch morgen Feiertag ist und die meisten Kollegen gleich ganz weggeblieben sind; etwas überspitzt ausgedrückt.

Beide Seiten können ihre jeweiligen Ziele nur unter der Voraussetzung erreichen, dass auch der jeweils andere profitiert. Leider tun sich aber beide Seiten mit diesem Anspruch oftmals ziemlich schwer. Mitarbeiter schimpfen auf »die da oben«, und die Unternehmensleitung betrachtet die Mitarbeiter vielfach nur als eine zu optimierende Kennzahl. Beides ist gleich wenig zielführend und verstärkt nur das Spannungsverhältnis zwischen den beiden Zielsystemen. Vor allem aber beschädigt es die wirtschaftliche Basis, das Fundament aus den Ansprüchen all der anderen Anspruchsgruppen, die als Stakeholder ebenfalls ein Interesse am Erfolg des Unternehmens haben: allen voran die Kunden und Investoren. Deren Erfolg beruht nämlich auf der möglichst effizienten und effektiven Kooperation des Unternehmens und seiner Mitarbeiter.

Die Fähigkeit zur Auflösung des personalwirtschaftlichen Spannungsfeldes zwischen den ökonomischen und den sozialen Zielen innerhalb eines Unternehmens ist Voraussetzung für den Bau eines wirklich stabilen wirtschaftlichen Fundaments, auf dessen Basis das Unternehmen sich erst für die Herausforderungen auf seinen Absatzmärkten wappnen kann. Aber: alle im Unternehmen müssen mitmachen; egal, ob sie als Führungskräfte auch für andere Personen Verantwortung tragen, oder ob sie nur für die Ergebnisse der eigenen Arbeitsleistung verantwortlich sind.

Abbildung 2: Zielbeziehungen im personalwirtschaftlichen Spannungsfeld


Das Spannungsverhältnis zwischen den ökonomischen und den sozialen Zielen ist dann abgemildert und relativ einfach beherrschbar, wenn das Unternehmen den betreffenden Mitarbeitern für ihre Mitarbeit ein für sie persönlich attraktives Gegenangebot machen kann. Wenn sie also beispielsweise für viel Arbeit auch viel Geld verdienen, oder wenn sie bei hohem persönlichen Einsatz einigermaßen verlässlich damit rechnen können, in naher Zukunft befördert zu werden, oder was auch immer sich die Mitarbeiter von ihrer Arbeit versprechen. In diesem Fall spricht man davon, dass die ökonomischen und sozialen Ziele komplementär sind: sie unterstützen sich gegenseitig.

Problematisch wird es, wenn die ökonomischen Ziele des Unternehmens und die sozialen Ziele der Mitarbeiter zueinander in Konkurrenz stehen. Das ist immer dann der Fall, wenn die Mitarbeiter den Eindruck bekommen, dass sie zwar zum Vorteil des Unternehmens arbeiten, selbst jedoch kaum etwas davon haben; sei es finanziell, wenn das Unternehmen trotz aus ihrer Sicht hoher Gewinne einen ebenfalls aus ihrer Sicht zu geringen Lohn bezahlt, oder aber weil sie sich angesichts immer mal wieder vorkommender Personalanpassungen im Unternehmen ganz allgemein Sorgen um ihre persönliche Zukunft machen.

In diesem leider gar nicht so seltenen Fall kann ein regelrechter Teufelskreis entstehen: wenn die Mitarbeiter nämlich meinen, sich nicht auf das Unternehmen verlassen zu können, arbeiten sie möglicherweise nicht so intensiv, wie sie vielleicht könnten. Einen Teil ihrer Aufmerksamkeit und Arbeitskraft verwenden sie eventuell darauf, sich außerhalb des Unternehmens umzusehen und bei der nächst besten Gelegenheit die Firma zu wechseln. Stellen sie ihre Arbeitskraft jedoch nicht vollständig zur Verfügung, könnte sich ja aber das Unternehmen gerade deswegen gezwungen sehen, überhaupt erst über Alternativen zu dem betreffenden Mitarbeiter nachzudenken, was wiederum dazu führt, dass der Arbeitsplatz erst recht unsicher ist, und der Mitarbeiter umso mehr Grund hat, sich bedroht zu fühlen, worauf hin er seine Arbeitskraft tatsächlich für die Suche nach Alternativen einsetzt. Ein Teufelskreis, der keinem von beiden hilft und an dem irgendwann auch keiner mehr unmittelbar schuld ist. Konkurrierende Ziele sind immer für alle Beteiligten bedrohlich. Und dennoch kommen sie häufig vor.

Der dritte Fall ist eine eher hypothetische Möglichkeit: dass die ökonomischen und sozialen Ziele neutral zueinander sind. Das kann natürlich theoretisch passieren, wenn es für den Mitarbeiter beispielsweise keinen Unterschied macht, ob er für das Unternehmen intensiv arbeitet oder nicht und es genau deswegen tut, auch wenn er selbst davon nicht profitiert. Ein wie gesagt eher hypothetischer Fall. Denn wenn man davon ausgeht, dass Menschen nur dann für ein Unternehmen arbeiten, wenn sie etwas davon haben, wenn es sich also für sie lohnt, dann ist es unwahrscheinlich, dass sie sich im Unternehmen engagieren, wenn das Engagement keinerlei Auswirkungen auf die Erreichung ihrer persönlichen Ziele hat. Sie würden vermutlich irgendwann überlegen, ob sie sich nicht vielleicht doch in einem anderen Unternehmen um eine Anstellung bemühen sollten; und zwar in einem Unternehmen, in dem ihre Mitarbeit so sehr geschätzt wird, dass es sich positiv auf ihre eigenen Ziele auswirkt. Dies wäre dann wieder ein Fall komplementärer Ziele.

Selbst wenn die Ziele des Unternehmens und die Ziele des Mitarbeiters also neutral zueinander sein sollten, ist es äußerst unwahrscheinlich, dass sie auf Dauer neutral bleiben. Sehr bald werden sie gerade wegen der Neutralität als Konkurrenz wahrgenommen werden. Denn so altruistisch ist kein Mitarbeiter im Unternehmen, dass er sich auf Dauer engagiert, ohne selbst etwas davon zu haben. Zielneutralität ist also in der Tat eine ausgesprochen hypothetische Option. In der Praxis werden sowohl das Unternehmen, als auch seine Mitarbeiter laufend überprüfen, ob ihre jeweiligen Ziele und die des Gegenübers in Konkurrenz zueinander stehen, oder sich (hoffentlich) gegenseitig ergänzen.

1.2 Die personalwirtschaftlichen »W«-Fragen

Ziel der Personalwirtschaft ist es, dafür zu sorgen, dass die Ziele des Unternehmens und die Ziele der Mitarbeiter gleichzeitig und am besten jeweils auch zum Nutzen des anderen realisiert werden können, damit sie gar nicht erst in Konkurrenz zueinander treten. Verantwortlich dafür, dass das auch klappt, ist jedoch nicht nur die Personalabteilung, sondern jede einzelne Person im Unternehmen selbst.

Die Personalwirtschaftslehre beschäftigt sich mit den grundlegenden »W«-Fragen der Personalwirtschaft: mit dem »Was«, dem »Wer«, und vor allem mit dem »Wie« dieses personalwirtschaftlichen Ziels.

Bei dem »Was« geht es vor allem um die personalwirtschaftlichen Aufgaben, denen der zweite Teil dieses Moduls gewidmet ist.

Das »Wer« fragt danach, welche Personen im Unternehmen in welchen Funktionen und mit welchen Zielen in die personalwirtschaftlichen Fragestellungen einbezogen werden sollten. Nicht jeder kann und will managen. Manche sind aktiv gestaltende »Träger« der Personalwirtschaft und manche tatsächlich nur Objekte. In diesem Fall ist es allerdings gar nicht so schlimm, »Objekt« zu sein, wie sich noch zeigen wird.

Das »Wie« ist letztendlich die ganz große Frage, vor der alle Unternehmen stehen. Von der Art der Antwort auf diese Frage hängt ab, ob es dem betreffenden Unternehmen gelingt, einen Wettbewerbsvorteil herauszuarbeiten, weil es in der Lage ist, die guten Leute zu halten und zu motivieren. Und weil es – ganz offen gesagt – auch in der Lage ist, die weniger guten Leute loszuwerden.

Das »Was«: die personalwirtschaftlichen Aufgaben

Die personalwirtschaftlichen Aufgaben sind das Handwerkszeug der Personalwirtschaft. Sie beziehen sich auf die Bereitstellung, den Erhalt und die Förderung der Leistung von Mitarbeitern. Durch sie sollte es möglich sein, gute Mitarbeiter für das Unternehmen zu gewinnen, und sie sowohl zu guter Leistung, als auch zum längerfristigen Verbleib im Unternehmen zu bewegen.

Abbildung 3: Definition personalwirtschaftlicher Aufgaben

Die personalwirtschaftlichen Aufgaben dienen der Bereitstellung, dem Erhalt und der Förderung der Leistung der Mitarbeiter im Unternehmen.

Bei professioneller Umsetzung dieser Aufgaben wird das Unternehmen über eine Belegschaft verfügen, in der nicht nur jeder einzelne Mitarbeiter leistungsbereit und leistungsfähig die ihm zugedachten Aufgaben erledigen kann, sondern in der die Mitarbeiter auch harmonisch und relativ konfliktfrei zusammen arbeiten. Das ist natürlich der Idealfall, von dem sich die Realität aber nicht zu weit entfernen sollte. Denn schließlich ist es ja die Belegschaft, die all die wichtigen Wettbewerbsfaktoren, wie Marktposition, Innovationsfähigkeit und Produktivität, erarbeitet – oder eben auch nicht.

Die wesentlichen personalwirtschaftlichen Aufgaben sind in Abbildung 4 dargestellt und werden im Laufe des Buches jeweils in einem eigenen Kapitel detailliert erläutert. Für Personalreferenten in Personalabteilungen sind sie das tägliche Handwerkszeug. Aber auch alle anderen Mitarbeiter in den operativen Fachabteilungen sollten zumindest davon gehört haben. Besser wäre es, auch sie würden die personalwirtschaftlichen Aufgaben sicher beherrschen. Denn auch die Personalabteilung kann die Personalbedarfsplanung und die Personaleinsatzplanung nur in Kooperation mit den betreffenden Fachabteilungen sinnvoll durchführen.

Abbildung 4: Übersicht personalwirtschaftlicher Aufgaben

– Personalbedarfsplanung

– Personaleinsatzplanung

– Personalbeschaffung

– Personalabbau

– Personalbeurteilung

– Personalentlohnung

– Personalentwicklung

Bei der Personalbeschaffung, wie beispielsweise dem Bewerbungsgespräch, ist der Chef der jeweiligen Fachabteilung im Allgemeinen sogar federführend dabei; ebenso bei der oftmals euphemistisch als Freisetzung genannten Kündigung von Mitarbeitern, dem Personalabbau. Personalentlohnung ist ein Thema, das sowohl aus Kostengründen, als auch aus Gründen der Gerechtigkeit allerdings normalerweise unternehmensweit geregelt wird, und es ist damit eines der Kernthemen der Personalabteilung. Das Gleiche gilt für die Personalentwicklung, wobei auch hier die operativen Fachabteilungen mitwirken sollten, da Personalentwicklung eng mit der Planung und Entwicklung des Unternehmens als solchem verknüpft ist.

Das »Wer«: die personalwirtschaftlich Verantwortlichen

Die »Wer«-Fragen beziehen sich auf die organisatorische Umsetzung der personalwirtschaftlichen Aufgaben. Ziel des Personalmanagements ist es, dafür zu sorgen, dass die personalwirtschaftlichen Aufgaben so umgesetzt werden, dass sie die übergeordneten unternehmerischen Ziele möglichst optimal unterstützen. Allgemein ausgedrückt soll das Personalmanagement also dafür sorgen, dass das Unternehmen profitabel bestehen und nach Möglichkeit wachsen kann. Damit ist auch klar, dass für das Personalmanagement jede einzelne Person im Unternehmen verantwortlich ist; unabhängig von ihrer hierarchischen Einordnung und operativen Fachfunktion.

Im alltäglichen Sprachgebrauch der Unternehmenspraxis wird der Begriff des Personalmanagements häufig gleichgesetzt mit dem des Personalwesens. Gemeint ist dann meistens die Personalabteilung. Diese hat natürlich eine wichtige Funktion, aber nicht, um dafür zu sorgen, dass das Personal im operativen Tagesgeschäft auch tatsächlich mit Sachverstand organisiert und geleitet wird. Dafür sind alle, und insbesondere die Führungskräfte selbst verantwortlich. Personalmanagement ist der Begriff für diese operative Steuerung des Personals.

Abbildung 5: Definition von Personalwesen, bzw. Personalbereich

Das Personalwesen, bzw. der Personalbereich ist die Organisation der Personalwirtschaft

– als separate Abteilung (Personalabteilung),

– zur Erledigung der personalwirtschaftlichen Aufgaben,

– in kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) oft auch »nur« Teilaufgabe der Führungskräfte.

Personalwesen hingegen ist der übergeordnete Begriff für die Funktion der Personalabteilung, die in kleineren Unternehmen oft gar nicht als eigene Abteilung, sondern eher als Teilaufgabe einer damit betrauten Führungskraft existiert. Das Personalwesen (in der Abteilungssprache auch Personalbereich genannt) ist dafür verantwortlich, dass die personalwirtschaftlichen Aufgaben professionell erledigt werden; und zwar auch dann, wenn dies im Verantwortungsbereich der operativen Führungskräfte liegt.

Das Personalwesen, bzw. der Personalbereich ist damit ein ganz besonders interessanter Bereich im Unternehmen. Er ist natürlich nicht wichtiger als andere Bereiche, wie z.B. Vertrieb, Marketing, Entwicklung oder Produktion. Aber er hat mit jedem einzelnen dieser Bereiche zu tun und muss die jeweiligen personalwirtschaftlichen Anforderungen aus diesen operativen Fachbereichen sehr genau verstehen, um z.B. die richtigen Mitarbeiter für diese Bereiche zu finden und sie auch richtig weiterzuentwickeln. Aus diesem Grund versteht sich der Personalbereich oft als interner Dienstleister oder auch als interne Beratung.

Abbildung 6: Definition von »Träger der Personalwirtschaft«

Träger der Personalwirtschaft setzen die personalwirtschaft-lichen Entscheidungen kooperativ um:

GeschäftsleitungZielvorgabe
VorgesetzteDurchführung
PersonalabteilungPlanung
BetriebsratMitbestimmung

Quelle: nach Jung (2006), S. 11

Als »Träger« der Personalwirtschaft werden die Entscheidungsträger auf den verschiedenen hierarchischen Ebenen eines Unternehmens bezeichnet. Auch in diesem Kontext wird nochmal deutlich, dass die Personalabteilung die personalwirtschaftlichen Entscheidungen zwar vorbereiten sowie initiieren kann und in der Umsetzung selbstverständlich beratend zur Seite steht. Verantwortlich für die Umsetzung sind jedoch darüber hinaus auch die Geschäftsleitung, die die Ziele vorgibt, und die jeweiligen disziplinarischen Vorgesetzten, die im operativen Tagesgeschäft bei einem großen Teil der personalwirtschaftlichen Aufgaben aktiv involviert ist. Personalwirtschaft ist daher eine Fachdisziplin, in der alle Funktionsträger im Unternehmen bewandert sein sollten, unabhängig von ihrer eigentlichen Fachexpertise.

Träger der Personalwirtschaft ist jedoch auch der Betriebsrat, dessen Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte im Betriebsverfassungsgesetz verankert sind. In der Unternehmenspraxis ist sowohl der Zeitpunkt als auch der Grad der Einbindung des Betriebsrats durch die Geschäftsleitung bei betrieblichen Entscheidungen immer wieder ein Politikum, das für Konfliktpotenzial sorgen kann. Aber auch unabhängig von der rechtlichen Lage ist es selbst aus Sicht der Geschäftsleitung sinnvoll, den Betriebsrat bei geplanten Personalmaßnahmen möglichst frühzeitig einzubinden, weil das Unternehmen ja nur bei Abstimmung seiner ökonomischen Ziele mit den sozialen Zielen der Mitarbeiter erfolgreich sein kann. Konkurrenz zwischen ökonomischen und sozialen Zielen erhöht immer das Konfliktpotenzial im Unternehmen und sorgt daher für unnötige und das Unternehmen im Wettbewerb benachteiligende interne Reibungsverluste. In jeder Hinsicht ist es also wichtig, dass die Träger der Personalwirtschaft die notwendigen personalwirtschaftlichen Entscheidungen kooperativ umsetzen.

Nun zu den Objekten der Personalwirtschaft: Der Begriff »Objekt« ist eigentlich sehr unpassend, denn Menschen sind niemals Objekte. In diesem Fall ist der Begriff des Objekts jedoch trotzdem sinnvoll, weil er ausdrückt, dass bei der Umsetzung der personalwirtschaftlichen Aufgaben mit den Menschen im Unternehmen etwas passiert, was sie selbst nicht unbedingt beeinflussen können. So erfolgt beispielsweise die Festlegung des Entlohnungssystems, die Entwicklung bestimmter Angebote zur persönlichen Weiterentwicklung der Mitarbeiter, aber auch bereits die Festlegung der erforderlichen Anzahl von Mitarbeitern im Rahmen der Personalbedarfsplanung ohne deren Zutun. Sie werden vielleicht beratend gehört, aber da die personalwirtschaftlich relevanten Entscheidungen in den meisten Fällen unternehmensweit umgesetzt werden, ist die Berücksichtigung aller individuellen Wünsche hierbei kaum möglich.

Abbildung 7: Definition von »Objekte der Personalwirtschaft«

Personalwirtschaftliche Objekte sind alle im Unternehmen beschäftigten Menschen (Belegschaft / Mitarbeiter / Personal).

Sie sind:Sie haben:
– Arbeits- und Entscheidungsträger– Bedürfnisse
– Kooperationspartner– Werte
– Kostenverursacher– Ziele
– Gewinnproduzenten

Quelle: nach Olfert (2005), S. 24 f.; Jung (2006), S. 8 f.

Insofern ist der Begriff des Objekts durchaus passend. Aber er zeigt damit natürlich auch, mit welch hohem Maß an vorausschauender Verantwortung die personalwirtschaftlichen Maßnahmen geplant und umgesetzt werden müssen. Denn schließlich handelt es sich um ganz besondere Objekte, um solche nämlich mit eigenen Bedürfnissen, eigenen Werten und individuell höchst unterschiedlichen persönlichen Zielen.

Die Objekte der Personalwirtschaft sind natürlich in aller erster Linie Arbeitsträger: In ihren jeweiligen Tätigkeits- und Verantwortungsbereichen erledigen sie die unternehmerisch notwendigen Aufgaben. Um dies effektiv (d.h. zielorientiert) und effizient (d.h. ressourcenschonend) tun zu können, müssen sie jedoch auch Entscheidungsträger sein. Und die Frage ist dabei nicht, ob ein bestimmter Mitarbeiter überhaupt etwas entscheiden darf oder nicht, sondern bis zu welchem Grad er selbstständig Entscheidungen treffen und umsetzen darf, denn Entscheidungen treffen alle Mitarbeiter, auch auf der untersten Hierarchieebene. Daher muss man sich auch für jedes einzelne »Objekt« der Personalwirtschaft über diesen Punkt Gedanken machen, nicht nur bei Führungskräften.

Darüber hinaus ist jeder Mitarbeiter im Unternehmen Kooperationspartner von anderen Mitarbeitern und damit zugleich auch Kostenverursacher. Unternehmerisch stellt sich daher unmittelbar auch die Frage, wie weit man die innerbetrieblichen Kosten der Abstimmung zwischen den verschiedenen Mitarbeitern (die Transaktionskosten) reduzieren kann, damit die Mitarbeiter auch das sind, was für das Unternehmen am interessantesten ist: Gewinnproduzenten.

Der Begriff des »Objekts« mag negativ klingen, der Inhalt dieses Begriffs ist aber äußerst positiv: Arbeitsträger, Entscheidungsträger, Kooperationspartner, Gewinnproduzent. Und bei richtiger Umsetzung der personalwirtschaftlichen Aufgaben ist er dies auch für beide zugleich: für das Unternehmen und für dessen Mitarbeiter.

Das »Wie«: die Verbindung unterschiedlicher personalwirtschaftlicher Ziele

Die Frage nach dem »Wie« der Personalwirtschaftslehre könnte man auch mit »auf welche Weise« übersetzen. Es klang eben schon bei der Frage an, zu welchem Zeitpunkt man den Betriebsrat involvieren sollte: jede der genannten personalwirtschaftlichen Aufgaben kann man kooperativ und integrativ, oder auch konfrontativ umsetzen. Welchen dieser Wege das Unternehmen und die Mitarbeiter wählen, hängt ganz wesentlich davon ab, welche Philosophie in dem Unternehmen herrscht; wie sich das Unternehmen und seine Mitarbeiter also selbst wahrnehmen, wofür sie stehen und wovon sie überzeugt sind. Diese grundsätzlichen Einstellungsfragen bestimmen das Verhalten der innerbetrieblichen Kooperationspartner untereinander und haben damit zugleich auch Auswirkung auf die Wahrnehmungen externer Partner. Die Unternehmensphilosophie und ihre Umsetzung (die Unternehmenspolitik) prägen das Bild des Unternehmens bei allen Interessengruppen (Stakeholdern): intern wie extern.

Wichtige Stakeholder des Unternehmens sind natürlich die Mitarbeiter. Sie sind an der Unternehmenskultur als für sie sichtbares Zeichen der Unternehmensphilosophie und Unternehmenspolitik interessiert. Die Unternehmenskultur kann sehr unterschiedlich ausgestaltet sein. So herrscht beispielsweise in Unternehmensberatungen manchmal eher eine Kultur der individuellen Leistung, während in sozialen Berufen Leistung natürlich auch zählt, die Kultur jedoch teils eher von einer bestimmten Art und Weise des Umgangs untereinander und mit den Klienten geprägt wird. So unterschiedlich die Unternehmenskulturen sein können, es geht niemals um richtig oder falsch. Das einzige Kriterium, das bei der Beurteilung der Unternehmenskultur zählt, ist, ob sie zu dem Unternehmen und den Mitarbeitern passt oder nicht, ob sich die Mitarbeiter dabei wohl fühlen, und ob das Unternehmen auf diese Weise erfolgreich ist.

Für die Kunden ist das sichtbare Zeichen der Unternehmensphilosophie und der daraus resultierenden Unternehmenspolitik die Unternehmensidentität. Denn für Kunden stellt sich die Frage, ob sie sich mit dem Unternehmen und seinem Verhalten identifizieren können. In diesem Zusammenhang ist durchaus nicht nur das Verhalten des Unternehmens im Markt wichtig, also wie es sich gegenüber den Kunden mit ihren Wünschen oder Problemen verhält, sondern auch, ob es sich gegenüber seinen Mitarbeitern ebenso korrekt verhält wie gegenüber seinen Kunden. Die Werte, die ein Unternehmen nach außen wie auch nach innen transportiert und lebt, bestimmen das mögliche Identifikationspotenzial. Ein sehr aktuelles Thema.

Sowohl bei der Ausgestaltung der Unternehmenskultur, als auch mit Blick auf die Unternehmensidentität ist letztlich die Frage, auf welche Weise das Unternehmen die ökonomischen und sozialen Ziele seiner wichtigsten Stakeholder miteinander verbindet. Das wiederum hängt davon ab, wie es das Verhalten und damit die Einstellungen und Werte seiner als wichtig erachteten Interessengruppen interpretiert. Die daraus resultierenden Handlungsweisen des Unternehmens zeigen seine ethische und moralische Verortung.

Das ethische Grundgerüst eines Unternehmens zu ermitteln und kennen zu lernen ist nicht nur für die Mitarbeiter, Kunden und Investoren wichtig und vielleicht noch für einige weitere Stakeholder, sondern für die gesamte Gesellschaft. Denn jedes Unternehmen ist neben seinen privatwirtschaftlichen Verpflichtungen zugleich auch gesellschaftlicher Akteur, und zwar einer mit einer oftmals erheblichen ökonomischen Macht. Auf Grund dieser Macht müssen Unternehmen nicht nur entscheiden, wie viel Gewinn es in welchem Zeitraum aus seinen unternehmerischen Aktivitäten zu generieren plant, sondern auch auf welche Weise und unter Anwendung welcher Mittel es dies tut.

Die wirtschaftliche Macht zur Gewinnerzielung nur soweit zu nutzen, wie daraus kein Schaden für andere entsteht, ist eine erhebliche ethische und moralische Herausforderung für ein Unternehmen. Denn in dem Moment, in dem es das tut, stellt es sich zumindest bis zu einem gewissen Maße gegen die Interessen seiner Investoren und vielleicht sogar seiner Kunden. Und trotzdem wäre es aus ethischer Sicht gut beraten, dies in bestimmten Fällen dennoch zu tun oder zumindest zu erwägen; nicht auf Grund seiner Rolle als Marktteilnehmer, aber als Mitglied der Gesellschaft.

Das »Wie« der Personalwirtschaft als Frage nach der Art und Weise der Verbindung ökonomischer und sozialer Ziele wichtiger Stakeholder des Unternehmens ist so schwierig zu definieren, weil es wie schon erwähnt kein Richtig und kein Falsch gibt. Die Frage ist einzig, wofür das Unternehmen stehen möchte und wie es wahrgenommen werden möchte. Und manchmal ist die Frage auch nur, womit es »durchkommt«.

Ob es dann tatsächlich mit seinen Handlungsweisen »durchkommt«, kann sich immer erst im Nachhinein erweisen. Diese »ex post«-Betrachtung führt allerdings häufig dazu, dass sich das Unternehmen mit seiner wirtschaftlichen Macht gegen die Interessen anderer durchsetzt.

Ethischer und moralischer wäre eine »Ex ante«-Betrachtung; also zu überlegen, was man tun möchte, was man auf keinen Fall tun wird, selbst wenn es ökonomisch interessant wäre, und wie man von den wichtigen Interessengruppen wahrgenommen werden möchte. Das ist natürlich ein hoher Anspruch. Blickt man jedoch zurück auf die jüngsten Katastrophen mit Unternehmensbeteiligung, wie zum Beispiel das Ölleck im Golf von Mexiko oder der Atomunfall in Fukushima, dann stellt sich die Frage, ob die Gesellschaft nicht viel häufiger »ex ante«- Betrachtungen durchführen sollte.

1.3 Zukünftige personalwirtschaftliche Herausforderungen

Was wird in der Zukunft personalwirtschaftlich wichtig sein? Es gibt sicherlich eine ganze Reihe wichtiger Einflussfaktoren auf die zukünftigen personalwirtschaftlichen Aufgaben und Herausforderungen. Einige davon sind in Abbildung 8 dargestellt.

Abbildung 8: Zukünftige personalwirtschaftliche Herausforderungen


Die Komplexität der Herausforderungen ergibt sich vor allem aus der Tatsache, dass bei all diesen unterschiedlichen Einflussfaktoren nicht nur die Entwicklungen am Standort des Unternehmens berücksichtigt werden müssen, sondern immer auch die auf all seinen Absatzmärkten. Einige dieser personalwirtschaftlichen Herausforderungen können aber selbst innerhalb eines einzigen Zielmarktes äußerst heterogen sein, wie das folgende Beispiel der demographischen Entwicklung verdeutlicht.

Auf der Grafik in Abbildung 9 ist der Altersaufbau der Bevölkerung in Deutschland im Jahr 2009 als Linie dargestellt und der vermutliche Aufbau der Bevölkerung in Deutschland im Jahr 2060 als Fläche markiert, und zwar in zwei verschiedenen Szenarien: links die geringste vermutete Bevölkerungszahl als Untergrenze und rechts die vermutliche Obergrenze. Diese graduellen Unterschiede können hier jedoch vernachlässigt werden. Die Grafik verdeutlicht dennoch sehr prägnant das zunehmende demographische Problem in Deutschland: wenige junge Menschen und zunehmend viele ältere, die früher oder später von den Jüngeren mitfinanziert werden müssen. Für viele Unternehmen ist die abnehmende Bevölkerungszahl im Erwerbsbereich schon jetzt ein großes Problem.

Abbildung 9: Altersaufbau in den Jahren 2009 und 2060


14. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung für Deutschland

links: Bevölkerungsminimum, rechts: Bevölkerungsmaximum

Quelle: Stat. Bundesamt (Destatis), Genesis-Online, 2020; Datenlizenz by-2-0

Aus personalwirtschaftlicher Sicht müssen diese Entwicklungen allerdings noch sehr viel genauer untersucht werden. Die Frage ist nämlich außerdem, wie sich die Bevölkerungsstruktur nach Ausbildungsstand, nach Mobilitätsbereitschaft und insbesondere innerhalb des Landes auch geographisch ausdifferenziert. Solche Zahlen liegen zwar vielfach bereits vor. Für die personalwirtschaftlichen Aufgaben werden sie jedoch nicht nur für Deutschland benötigt, sondern für alle Länder auf der Welt, in denen das Unternehmen auf Mitarbeiter angewiesen ist; und innerhalb der Länder ausdifferenziert nach relevanten Regionen. Das ist eine gigantische Herausforderung für das strategische Personalmanagement.

Und nun noch ein zweites Beispiel für die personalwirtschaftlichen Herausforderungen der Zukunft: die Entwicklung der Werte und Einstellungen der Gesellschaft in Bezug auf die privatwirtschaftlichen Unternehmen.

Abbildung 10: Entwicklung der Werte und Einstellungen im Zeitvergleich

1908 Henry Fayol: Erfolgsfaktoren für einen Betrieb2005 Studenten über ihre Zukunft: Die wichtigsten Karriere-Kriterien
– Einheit der Leitung– Interessante Arbeitsinhalte
– Hierarchische Befehlskette– Anerkennung eigener Leistung
– Festlegung von Machtbefugnissen– Ausgewogenheit von Arbeit und Privatleben
– Entscheidung über Zentralisation– Entwicklungschancen der eigenen Persönlichkeit
– Befehl und Gehorsam
– Disziplin– Weiterbildungsmöglichkeiten
– Planung– Selbständiges Arbeiten
– hierarchische Organisationsstruktur– Vereinbarkeit von Familie und Beruf
– Arbeitsplatzsicherheit
– Einheit der Ziele und Aktivitäten– Verantwortung/Führungsposition
– Ergebnisplanung auf allen Ebenen– Internationale Kontakte
– Hohes Einkommen
– Hohes Ansehen/Prestige von Beruf bzw. Position

Quelle: Wren, Bedeian, et al. (2002), S. 912 ff.

Quelle: o.V. (2005)

Abbildung 10 zeigt einen Vergleich der Faktoren, die der Unternehmer Fayol 1908 als erfolgsbestimmend für einen Betrieb ausgemacht hat, mit denen, die sich Studierende im Jahr 2005 für ihr Berufsleben in einem Unternehmen wünschten. Da stehen Einheit der Leitung, hierarchische Befehlskette, Festlegung von Machtbefugnissen, Zentralisation, Befehl, Gehorsam und Disziplin Karriere-Kriterien gegenüber, wie zum Beispiel interessante Arbeitsinhalte, Anerkennung der eigenen Leistung, Ausgewogenheit von Arbeit und Privatleben, persönliche Entwicklungschancen, Weiterbildung, Selbstständigkeit und Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Unterschiedlicher geht es nicht; und das obwohl zwischen diesen beiden Einschätzungen gerade einmal knapp einhundert Jahre liegen. Das klingt nach viel, es sind aber tatsächlich nur vier Generationen. Die meisten Unternehmen wollen erheblich länger erfolgreich existieren und tun es vielfach auch bereits.

Wenn man davon ausgeht, dass sich die Wünsche, die Menschen an ihren Arbeitgeber haben, auch in Zukunft weiter entwickeln und verändern werden, dann wird deutlich, wie wichtig die Personalwirtschaft als unternehmerische Funktion ist. Was sind die Konsequenzen? Als Arbeitgeber muss ein Unternehmen mit dem Personalmarkt ebenso professionell umgehen können, wie es sich auf seinen Absatzmärkten bewegt. Es muss für Bewerber jederzeit attraktiv sein, muss sich für seine Mitarbeiter attraktiv halten, damit diese sich entscheiden zu bleiben, und es ist daher darauf angewiesen, dass die personalwirtschaftlichen Aufgaben in allen Unternehmensbereichen und auf allen Hierarchieebenen mit derselben hohen Professionalität umgesetzt werden: heute und in aller Zukunft. Ja, das ist ein hoher Anspruch an die Personalabteilung und an alle operativen Führungskräfte; aber kleiner geht es nicht.

1.4 Zusammenfassung

Trotz seiner größeren wirtschaftlichen Macht erreicht das Unternehmen seine ökonomischen Ziele nur, wenn die Mitarbeiter ihre persönlichen Ziele auch realisieren können. Das ist eine der wesentlichen personalwirtschaftlichen Erkenntnisse. Allerdings herrscht in vielen Fällen ein nicht zu unterschätzendes Konfliktpotenzial zwischen den ökonomischen Zielen des Unternehmens und den zusammengefasst als soziale Ziele bezeichneten Wünschen und Bedürfnissen der Mitarbeiter. Natürlich ergänzen sich im Idealfall die Ziele des Unternehmens und die seiner Mitarbeiter gegenseitig. Häufig konkurrieren sie jedoch miteinander. Personalwirtschaftliche Aufgabe ist es dann, dieses Spannungsfeld zum Vorteil aller Beteiligten so weit wie möglich aufzulösen. Hierfür steht das personalwirtschaftliche Instrumentarium zur Verfügung, das Inhalt dieses Moduls ist.

Kernbestandteil des personalwirtschaftlichen Instrumentariums sind die personalwirtschaftlichen Aufgaben: von der Personalbedarfsund Personaleinsatzplanung, über Personalbeschaffung und -abbau, bis zu Entlohnungssystemen und Fragen der Personalentwicklung. Zur Umsetzung der personalwirtschaftlichen Aufgaben bedarf es in jedem Fall einer leitenden und steuernden Organisationseinheit: Personalwesen, oder auch Personalbereich genannt. Ob hierfür allerdings tatsächlich eine ganze Personalabteilung zur Verfügung steht, oder dies in kleineren Unternehmen von einzelnen Führungskräften mitübernommen wird, ist sekundär. Wichtig ist nur, dass die personalwirtschaftlichen Aufgaben mit hoher Professionalität umgesetzt werden, und dass sie über die organisationale Verankerung auch einen hohen Stellenwert im Unternehmensgeschehen haben. Die Art und Weise der Ausgestaltung der personalwirtschaftlichen Aufgaben lässt dabei Rückschlüsse auf die Unternehmensphilosophie zu. Diese äußert sich gegenüber den Mitarbeitern des Unternehmens als Unternehmenskultur. Von außen ist eher das Verhalten des Unternehmens als solches sichtbar und lässt Rückschlüsse auf seine ethische und moralische Disposition zu. Die Personalwirtschaft ist damit trotz ihrer innerbetrieblichen Ausrichtung ein durchaus sichtbarer Faktor der Unternehmensführung. Ihr Ergebnis sollte für alle Beteiligten im Unternehmen, aber auch für externe Interessengruppen wie Kunden, Investoren und die Gesellschaft als solche gleichermaßen nützlich und wertvoll sein.

Die zukünftigen personalwirtschaftlichen Herausforderungen sind vielfältig. Einige, wie beispielsweise der demographische Wandel und die Entwicklung der Einstellungen und Werte von Menschen in Bezug auf das Unternehmen, in dem sie arbeiten, sind in diesem einführenden Kapitel beispielhaft skizziert worden. Insgesamt sollte deutlich werden, dass Personalwirtschaft in mehrerer Hinsicht ein wesentlicher Faktor erfolgreicher Unternehmensführung und ein differenzierendes Merkmal im Wettbewerb sein kann.

Vorausberechnet und rechnerisch prognostiziert werden kann der Einfluss einer professionellen personalwirtschaftlichen Arbeit auf das Unternehmensergebnis jedoch nicht. Das macht die Argumentation für eine Investition in die innerbetriebliche Personalarbeit oftmals schwierig. Der finanzielle und personelle Aufwand lohnt sich aber dennoch. Denn die Mitarbeiter sind die wertvollste Ressource des Unternehmens; und die volatilste.

Fachkräfte in der Mangel

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