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Einleitung Die Vision bleibt

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Runde Geburtstage sind in der Regel ein Grund zum Feiern, zumal im höheren Alter. Doch im 75. Gründungsjahr der UNO gab es zum Feiern wenig Lust und kaum Möglichkeiten. 2020 war bestimmt durch die Corona-Pandemie und dramatisch eskalierende humanitäre Katastrophen, durch die seit vier Jahren ständig verschärfte UNO-Feindschaft der USA unter Donald Trump und durch das Scheitern aller Bemühungen, laufende Kriege zu beenden und neue Gewaltkonflikte zu verhindern. Ende Dezember überstieg die weltweite Zahl der von der UNO registrierten Flüchtlinge und Vertriebenen die traurige Rekordmarke von 80 Millionen. Zudem blieben dringend erforderliche Reformen des UNO-Systems, für die den Mitgliedstaaten seit 2005 detaillierte Vorschläge vorliegen, weiterhin aus. Einziger Lichtblick war die im Oktober 2020 erfolgte 50. Ratifikation des UNO-Abkommens zum Verbot von Atomwaffen, damit das völkerrechtliche Verbot derartiger Massenmordinstrumente über 75 Jahre nach ihrem Einsatz in Hiroshima und Nagasaki am 22. Januar 2021 endlich in Kraft treten konnte.

Wegen der Corona-Pandemie war 2020 für viele Menschen auf der Erde das schlimmste Krisenjahr seit dem Zweiten Weltkrieg. Bis Mitte Januar 2021 registrierte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bereits über 100 Millionen Infizierte und fast 2,2 Millionen Tote. Betroffen waren Menschen in sämtlichen 193 UNO-Mitgliedsländern sowie in weiteren 20 Territorien und Gebieten. Damit hatte die Pandemie bereits nach nur zwölf Monaten noch globalere Auswirkungen als der Klimawandel, über dessen Bekämpfung die UNO-Staaten bereits seit den achtziger Jahren verhandeln. Wird sich die Corona-Pandemie 2021 noch weiter verschärfen und in den Kriegs- und Notstandsgebieten dieser Welt zur größten humanitären Katastrophe seit dem Zweiten Weltkrieg führen, wie UNO-Generalsekretär Antonio Guterres im Dezember 2020 befürchtete? Oder wird es gelingen, diese Pandemie durch Impfprogramme und andere Maßnahmen einzudämmen oder gar ganz zu überwinden? Und dies nicht nur in den reichen Industrieländern, sondern überall auf der Welt? Das hängt ganz wesentlich davon ab, ob die Industriestaaten Solidarität mit den ärmeren Ländern und gerechte Kooperation im Rahmen der WHO nicht nur ankündigen, sondern endlich auch umsetzen. Und ob alle Mitgliedstaaten bereit sind, die seit den achtziger Jahren betriebenen neoliberalen Fehlentwicklungen in der globalen und in den nationalen Gesundheitspolitiken zu korrigieren und die WHO wie auch die eigenen Gesundheitssysteme bei der Prävention und Bekämpfung von Pandemien wieder handlungsfähig oder handlungsfähiger zu machen.

Die Reform der WHO war einer von über 100 Vorschlägen zur Stärkung des UNO-Systems, die Generalsekretär Kofi Annan den Mitgliedstaaten zum 60. Geburtstag im Jahr 2005 vorgelegt hatte. Unter dem prophetischen Titel »In größerer Freiheit: auf dem Weg zu Entwicklung, Sicherheit und Menschenrechten für alle« machte Annan detaillierte Vorschläge für politische, strukturelle und finanzielle Reformen, um die Handlungsfähigkeit der UNO zur Bewältigung der globalen Herausforderungen sowie zur Eindämmung zwischen- und innerstaatlicher Gewaltkonflikte zu stärken. Damals herrschte noch eine gewisse Aufbruchstimmung. Die Generalversammlung im Herbst 2005 nahm Annans Reformvorschläge zustimmend zur Kenntnis. Über 90 Prozent von Annans Vorschlägen harren allerdings weiterhin der Umsetzung.

Auch zum 70. UNO-Geburtstag im Jahr 2015 bekundeten die Mitgliedstaaten noch einmal den Willen zu gemeinsamen Fortschritten. Die Generalversammlung verabschiedete nach zweijährigen intensiven Verhandlungen die ambitionierte Agenda 2030 mit Zielen für eine nachhaltige Entwicklung, die die Mitgliedstaaten bis zum Jahr 2030 erreichen wollen. Die erste, Ende 2020 vorgelegte Zwischenbilanz fiel allerdings enttäuschend aus. Die meisten Staaten sind bei der Umsetzung ihrer Agendaverpflichtungen zum Teil erheblich im Verzug. Ähnliches lässt sich für die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens feststellen, das im November 2016 in Kraft trat.

Reform oder Blockade

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