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»Die UNO«

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Die Zweifel an der UNO und an ihrer weiteren Nützlichkeit sind allerdings nicht erst 2014 und in der Folge entstanden. Sie wurden bereits im ersten Jahrzehnt nach dem Ende des Kalten Krieges genährt. Dieses Ende war zunächst mit großen Hoffnungen auf eine Weltorganisation verbunden, die, befreit von der Blockade der Ost-West-Konfrontation, nun endlich uneingeschränkt handlungsfähig sei und den Blick frei auf alle Ziele und Aufgaben richten könne, die in der Gründungscharta von 1945 definiert worden waren. Warum hat die UNO die Völkermorde von Ruanda und Srebrenica nicht verhindert? Wieso tut die UNO nichts gegen die völkerrechtswidrige Besatzung der palästinensischen Gebiete durch Israel? Was ist das Völkerrecht noch wert, nachdem es vor allem vom gewichtigsten UNO-Mitglied USA seit Ende der neunziger Jahre immer häufiger gebrochen wurde? Warum tut die UNO nicht mehr, um verbindliche Arbeits-, Sozial- und Umweltnormen auch gegenüber großen Konzernen durchzusetzen? Wieso halten sich die fünf Vetomächte des UNO-Sicherheitsrats nicht an ihre Verpflichtungen zur Abrüstung von Atomwaffen? Warum kommen die Bemühungen der UNO um das Verbot von Kleinwaffen, Uranmunition und anderen grausamen Rüstungsgütern nicht voran? Wieso hat die UNO nicht auf die globale Finanzkrise von 2008 und ihre Folgen reagiert?

Auf all diese Fragen will dieses Buch versuchen, detaillierte Antworten zu liefern. Wobei sich all diese Antworten auf eine oftmals übersehene Tatsache gründen: »Die UNO« als ein eigenständig handlungsfähiges Subjekt existiert nicht, sondern die UNO ist ein kompliziertes Netzwerk von inzwischen 193 souveränen Nationalstaaten mit oftmals sehr unterschiedlichen Interessen. Dieser Satz ist zwar banal, aber man muss ihn sich immer wieder in Erinnerung rufen. In der Alltagssprache von Medien und Politik taucht »die UNO« alltäglich als Subjekt auf, das »beschließt, fordert, verurteilt, handelt, untersucht, scheitert« und so weiter. Durch diese undifferenzierte Sprache von Politik und Medien wird in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit immer wieder neu die Vorstellung genährt, es gebe »die UNO« als eigenständiges Subjekt, das uneigennützig und nach objektiven Maßstäben zur Schlichtung und Lösung von Konflikten wie ein unabhängiger Richter eingreifen könne. Jedes Mal, wenn sich diese Vorstellung dann als Illusion erweist, entsteht Enttäuschung über die Weltorganisation.

Tatsächlich bestimmen die Mitgliedstaaten das Handeln der UNO. Ob sich die UNO überhaupt um ein Problem kümmert oder nicht, ob sie dabei erfolgreich ist oder scheitert – das ist immer das Ergebnis der Interessen von Mitgliedstaaten, die sich bei den Entscheidungen des Sicherheitsrats, der Generalversammlung oder anderer Gremien und Institutionen des UNO-Systems entweder durchsetzen oder nicht. Allerdings setzen sich die Mitgliedstaaten mit hohem politischem, wirtschaftlichem und militärischem Gewicht besonders häufig durch und bestimmen das Handeln der UNO. Diese Tatsache sowie der Umstand, dass einige dieser übergewichtigen Mitgliedstaaten, insbesondere die USA, die UNO-Charta und andere Bestimmungen des Völkerrechts in den letzten Jahren in besonders eklatanter Weise gebrochen haben, ohne dass diese Verstöße irgendwelche Folgen hätten, haben inzwischen selbst bei vielen langjährigen Befürwortern der UNO zur resignativen bis zynischen Abkehr von der Weltorganisation geführt.

Diese Haltung ist zwar verständlich, aber sie übersieht, dass die UNO trotz aller auch in diesem Buch beschriebenen Unzulänglichkeiten und Widersprüche in den letzten 75 Jahren viel erreicht hat. Und diese Haltung der Abkehr von der UNO gibt auch keine Antwort auf die Frage, was denn die Alternative wäre.

Reform oder Blockade

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