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EIN NEUER AUFTRAG

Eine irre und irgendwie auch beängstigende Geschichte, die Tim uns da erzählt hat.

Er, Balu, Billy und ich, Abena, sitzen zusammen im Büro unseres Chefs, der »Prof«, wie wir ihn als Abkürzung für »Professor« einfach immer nur nennen. Unser neues Geheimquartier ist gemütlicher als das alte. Obwohl es sich um einen uralten Bunker handelt, der sich unter einer Imbissbude befindet, die unseren Eingang tarnt. Die Einrichtung aber ist fast dieselbe geblieben wie im alten Quartier unterhalb einer Tankstelle. An der Stirnseite des Raums steht wieder der große Massivholz-Schreibtisch im englischen Kolonialstil, hinter dem nur und ausschließlich der Prof Platz nehmen darf. Ich habe schon im alten Quartier nicht verstanden, wieso der eigentlich in unserem Quartier stehen muss. Denn das eigentliche Büro, in dem der Prof arbeitet, befindet sich ganz woanders. Dieser Ort hier existiert nur für die geheimen Treffen von uns YOUNG AGENTS. Immerhin ist der neue Raum größer als der alte, und so müssen wir Kinder endlich nicht mehr irgendwie verkrümmt auf dem Boden vor dem Schreibtisch hocken, weil zu wenig Besucherstühle da sind, sondern sitzen nun – wie erwachsene Agenten auch – an einem großen Sitzungstisch auf schicken, lederbezogenen, gut gefederten Bürostühlen.

Kaum aber, dass wir dieses Quartier bezogen haben, sind Charles und Naomi in ihre Heimatstädte zurückgeflogen, und nun wirkt der neue, moderne Sitzungsraum viel zu groß und fast schon verlassen leer. Das kann aber auch einfach nur daran liegen, dass ich die beiden sehr vermisse; besonders Naomi, die ja meine Mentorin war.

Während wir auf den Prof noch warten, diskutieren wir untereinander, was der wahre Grund für die Explosion gewesen sein könnte. Denn an die Version des zufälligen Unfalls glaubt keiner von uns. Dafür sind wir alle zu sehr Agenten.

Eigentlich bleibt für uns als logische Ursache nur: ein geplanter Anschlag auf Tim. Obwohl alle möglichen Indizien dagegensprechen. Erstens: Wieso ausgerechnet gegen Tim? Wen hat er wann so verärgert, dass ein Anschlag auf ihn verübt wird? Zweitens: Woher wussten die Attentäter, dass Tim genau an diesem Tag zu diesem Zeitpunkt mit Maria verabredet war und in den Garten gehen würde? Drittens: Wieso machten es sich die Attentäter überhaupt so umständlich, gleich das ganze Gartenhaus in die Luft zu sprengen, mit dem Risiko, ein unbeteiligtes Mädchen wie Maria schwer zu verletzen oder gar zu töten, verbunden mit dem Risiko, Tim dennoch nicht zu erwischen? Viertens: Wer sollte überhaupt je darauf gekommen sein, dass es uns YOUNG AGENTS überhaupt gibt und Tim einer von uns ist?

Nein, je mehr wir darüber nachdenken, desto weniger glauben wir an einen Anschlag auf Tim. Was aber sonst? Ein Anschlag auf Marias Familie? Absurd! Warum sollte das jemand tun? Marias Eltern sind brave und fleißige Bürger, die ein gutes Restaurant führen. Also doch ein Unfall, wie auch die Feuerwehr nach eingehender Untersuchung glaubt?

Sogar Marias Eltern behaupten, dass eine defekte Gasflasche die Ursache war. So hat Tim es uns jedenfalls berichtet. Die Eltern waren natürlich bestürzt, gleichzeitig aber heilfroh, dass ihrer Tochter und Tim nichts passiert ist. Was mir dabei allerdings schon wieder merkwürdig vorkommt: Angeblich hätten Marias Eltern als erste Reaktion nicht etwa angekündigt, dass sie den kleinen Gasherd rauswerfen und künftig auf eine Elektroherdplatte umstellen, sondern sofort entschieden, ihren Garten aufzugeben! So ein tolles Erholungsparadies mitten in einer Großstadt wie Hamburg, auf das andere jahrelang warten müssen, von heute auf morgen aufgeben? Statt einfach nur den Gasherd stillzulegen? Das kann ich nicht verstehen. Irgendetwas stimmt da nicht.

Obwohl es ja eigentlich zu meinen Stärken gehört, mich in andere Menschen hineinzuversetzen und zu ahnen, was sie umtreibt, bleibt mir dieses Mal die Reaktion der Eltern ein großes Rätsel. Und ich habe nicht die kleinste Idee, wer und vor allem warum irgendjemand das harmlose kleine Gartenhäuschen in die Luft gejagt hat.

Endlich kommt der Prof zur Tür hinein. Wie immer marschiert er mit strammem Schritt auf seinen Platz zu, grüßt so knapp, wie es knapper gar nicht geht, pflanzt sich in seinen dicken, weichen Chefsessel und kommt ohne Umschweife sofort zur Sache. Er fragt nicht einmal bei Tim nach, wie es ihm geht. Gut, er weiß, dass Tim unversehrt geblieben ist und nicht einmal eine Schramme davongetragen hat. Aber ein kleines »Hallo, Tim. Wie geht es dir?« hätte ihm ja nun auch keinen Zacken aus der Krone gebrochen, wie man hier in Deutschland sagt. Schließlich wird auch auf einen Agenten nicht alle Tage ein Sprengstoff-Anschlag verübt. Das kann einen psychisch schon ganz schön aus der Bahn werfen. Aber ich befürchte, von Psychologie hat unser Chef noch nie etwas verstanden.

»So«, beginnt der Prof. »Ich denke, uns allen ist klar, womit wir es hier zu tun haben.«

Billy, Balu, Tim und ich schauen uns ratlos an. Niemandem von uns ist klar, womit wir es hier zu tun haben. Nicht einmal annähernd.

Der Prof sieht es unseren Gesichtern an. Sein Blick himmelt zur Decke. Mit einem lauten Seufzer lässt er sich in die Rückenlehne seines Sessels fallen und stöhnt: »Ach, Leute. Wo lebt ihr denn? Ich denke, ihr wollt Agenten sein?«

Wir sind Agenten! Aber das spielt der Prof immer gern herunter, wenn wir mal etwas nicht so schnell kapieren, wie er es gern hätte.

Der Prof lehnt sich wieder vor, beugt sich nun weit über seinen Schreibtisch, sieht uns in die Augen und fragt: »Schon mal etwas von Schutzgelderpressung gehört?«

Wieder sehen wir uns verwundert an. Schutzgeld? Darauf war von uns eben in der Diskussion wirklich niemand gekommen.

Zum Glück ist es Tim, der nachfragt. Dann muss ich es nicht tun.

»Schutzgeld?«, wiederholt er. »Wer? Wie? Marias Eltern werden erpresst?«

»Das ist es ja gerade«, antwortet der Prof. »Das kann man bei Schutzgeld so gut wie nie nachweisen. Die Betroffenen schweigen aus Angst vor … na ja, zum Beispiel Explosionen im Gartenhaus. Beweise findet man so gut wie nie. Und genau deshalb sitzen wir jetzt alle hier.«

Ich ahne, was unser nächster Auftrag sein wird.

»Das Landeskriminalamt hat vor Kurzem mitgeteilt, dass in unserer Stadt die Kriminalität mit Schutzgeld-Erpressung sprunghaft angestiegen ist.«

»Schutzgeld?«, fragt Balu dazwischen, der zwar wesentlich besser Deutsch spricht, als Charles aus London es je gelernt hat, aber mit bestimmten Begriffen trotzdem noch so seine Schwierigkeiten hat. »Ist das …?«

»Ja«, unterbricht ihn Tim, um es zu erklären. »Ein paar Gauner kommen einfach in dein Lokal und verlangen die regelmäßige Zahlung einer gewissen Geldsumme, damit sie dein Lokal nicht in Schutt und Asche legen. Sie nennen das ›Sicherheitsservice‹ und verlangen dafür eine Monatsgebühr. So als würden sie dich tatsächlich vor Überfällen schützen. In Wahrheit aber sind sie ja selbst die Täter und kassieren einfach nur dafür ab, dass sie dich nicht überfallen.«

Der Prof nickt. »Genau. Und da sich die Opfer aus Angst vor der angedrohten Gewalt nicht trauen, die Verbrecher anzuzeigen oder auch nur gegen sie auszusagen, zahlen sie und schweigen. Obwohl die hohen Summen, die sie zahlen müssen, manche bis an den Rand des Ruins treiben.«

»Und wenn du nicht zahlst, dann kommen halt die Geldeintreiber und machen deinen Laden kaputt«, ergänze ich. »Oder eben als Warnung erst mal deinen Garten.«

»Aber dabei wäre Maria um ein Haar schwer verletzt oder getötet worden!«, wendet Tim ein. »Nur wegen Schutzgeld?«

»Das war vermutlich ein unglücklicher Zufall«, erklärt der Prof. »Die Gangster konnten ja nicht wissen, dass Maria ausgerechnet zu dem Zeitpunkt in den Garten kommt. Die Explosion muss durch einen Fern- oder Zeitzünder ausgelöst worden sein. Auch wenn die Feuerwehr angeblich nichts dergleichen gefunden hat. Aber wer weiß, ob sie überhaupt danach gesucht hat.«

»Ich verstehe«, sagt Balu. »Und um gegen solche Leute vorzugehen, braucht man Beweise.«

»Ganz genau«, bestätigt der Prof. »Die ihr beschaffen müsst. Die Polizei kommt da nicht weiter. Und will es gar nicht weiter untersuchen, weil für sie der Fall abgeschlossen zu sein scheint: Unfall durch eine explodierte Gasflasche. Wir brauchen den Geheimdienst. Kurzum: Wir brauchen euch.«

»Aber wir sind Kinder!«, wende ich ein.

»Eben!«, sagt der Prof.

Das verstehe ich nicht.

»Die Beweise zu beschaffen, geht doch nur, wenn wir uns in ein Lokal heimlich einschleusen«, wende ich ein. »Am besten, indem man dort anfängt zu arbeiten. Als Kellnerin oder so.«

Wieder nickt der Prof mir zu. »Genau!«

Ich verstehe es noch immer nicht. »Aber das geht doch nicht. Kinder dürfen dort nicht arbeiten.«

»Wieso nicht?«, fragt Balu.

»Kinder dürfen eigentlich überhaupt nicht arbeiten«, erläutere ich ihm.

»Wirklich? Wer sagt das?«, fragt Balu. »Bei uns in Indien arbeiten rund 13 Millionen Kinder im Alter von fünf bis 14 Jahren.«

»Ich weiß«, sage ich. »Bei uns in Ghana müssen auch Millionen Kinder arbeiten. Aber hier in Deutschland ist es verboten. Nur mit Ausnahmegenehmigungen dürfen hier Kinder unter strengen Auflagen zum Beispiel beim Film als Schauspieler oder in der Werbung arbeiten. Man könnte auch sagen: In Ghana müssen die Kinder die Kakaobohnen auf der Plantage ernten, für die die Kinder in Europa dann Fernsehwerbung machen.«

»Bitter!«, kommentiert Tim.

»Das finde ich gut, dass es hier verboten ist«, sagt Balu. Schränkt dann aber ein: »Und wir YOUNG AGENTS? Wir sind doch auch Kinder, arbeiten als Agenten und bekommen dafür Geld. Dürfen wir das gar nicht?«

»Wir haben niemanden gefragt«, gibt der Prof zu.

»Uns gibt es doch eigentlich gar nicht«, ergänzt Billy.

Balu versteht. Und lächelt: »Gut. Ich bin nämlich gern Agent! Aber dass Kinderarbeit an sich verboten ist, finde ich trotzdem prima.«

Ich stimme ihm zu, allerdings: »Für uns ist es aber gerade blöd. Wir kommen nicht in ein Restaurant hinein als Arbeitskraft.«

»Nein«, bestätigt der Prof. »Das hat aber den Vorteil, dass niemand Verdacht schöpft und euch für Spitzel hält, wenn ihr euch dort aufhaltet und Beweise sammelt.«

»Aber wie sollen wir das denn, wenn wir nicht hineinkommen?« Irgendwie habe ich das Gefühl, der Prof hat mich immer noch nicht verstanden.

»Wer sagt denn, dass ihr nicht hineinkommt?«, entgegnet der Prof. »Nur halt nicht als Arbeitskraft. Aber …«

Der Prof zeigt auf Tim. »Seine Pflegeeltern führen einen asiatischen Imbiss. Und das jüngst betroffene Gastronomen-Ehepaar sind die Eltern von Tims neuer Schulfreundin Maria.«

»Zahlen meine Pflegeeltern auch Schutzgeld?«, fragt Tim, gleichermaßen überrascht und betroffen. »Davon habe ich bisher noch nichts mitbekommen.«

»Keine Ahnung. Könnte zumindest gut sein«, sagt der Prof.

Balu, Tim, Billy und ich schauen uns an.

»Aber wie könnten wir das angehen?«, frage ich. Der Plan ist mir noch gänzlich unklar.

Balu hat einen Vorschlag.

»Um alles mitzuhören, muss man ja nicht anwesend sein«, sagt er und grinst verschmitzt.

Ich begreife, was er meint. Balu ist unser Technik-Genie. Deshalb schlägt er auch sofort eine technische Lösung vor. Balu will im italienischen Restaurant von Marias Eltern Abhörgeräte verstecken, damit uns nichts entgeht, was dort – auch hinter vorgehaltener Hand – gesprochen wird.

Der Prof ist voll und ganz mit Balus Vorschlag einverstanden.

»Gut. Aber das reine Abhören hätte der normale Geheimdienst natürlich auch erledigen können. Doch das kann man vor Gericht nicht verwenden. Als Beweise brauchen wir etwas anderes. Am besten Zeugen. Vergesst das nicht.«

»Gut, wir denken dran«, verspreche ich. Obwohl ich mir nach wie vor nicht vorstellen kann, wie wir das hinkriegen sollen. Aber diesen Einwand behalte ich für mich.

»Also dann«, sagt der Prof. »Ihr habt verstanden, worum es geht. Tim und Abena übernehmen es, das Restaurant zu verwanzen. Balu bleibt am Computer, um die Operation technisch zu überwachen. Billy hält sich im Hintergrund bereit, falls ihr Hilfe braucht. Auf geht’s.«

Der Prof erhebt sich und verlässt ohne Verabschiedung den Raum, so wie er ihn auch schon ohne Begrüßung betreten hatte.

Und wir YOUNG AGENTS haben einen neuen Auftrag.

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