Читать книгу Flo... Momente des Lebens - Angela Hünnemeyer - Страница 5

3. Kapitel

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Wir hatten inzwischen den zweiten Kakao getrunken. Ich hatte brav die SMS gelesen und mir alles angehört, was sie zu erzählen hatte. Nun rutschte Britt unruhig auf ihrem Stuhl hin und her.

„Unter einer Bedingung“, lenkte ich schließlich ein. „Du lässt mich mitlesen, meinetwegen, aber ich werde das Ganze nicht kommentieren, hast du verstanden? Ich weiß noch nicht, was ich davon halten soll, da will ich ganz ehrlich zu dir sein. Aber dir scheint ja viel daran zu liegen, mich in diese Sache mit hineinzuziehen, darum sage ich jetzt: meinetwegen. Ich will versuchen, die Geschichte zu verstehen, ok? Mehr kannst du nicht von mir erwarten. Wenn ich das Gefühl habe, dass es gefährlich für dich wird“, ich sah Britt ernst an, „und nur dann, werde ich es dich wissen lassen. Ja? Einverstanden?“

Sie nickte, strahlte und steckte ihr Handy in die Tasche.

„Jetzt mach schon, hüpf zu deinem Flo an den PC und schreibe ihm. Sage ihm, was für eine verrückte Nudel du bist, damit er schon einmal vorgewarnt ist.“ Lachend nahm ich sie in die Arme und freute mich sogar mit ihr.

Verrückt das alles, wirklich verrückt. Da sollte man doch meinen, Frauen wie wir seien mit Ende Vierzig so weit, dass endlich die Vernunft Einzug in unser Leben halten könnte, und dann geschah aus heiterem Himmel etwas vollkommen Unvorhersehbares und stellte unser ganzes Gefühlsleben auf den Kopf.

Aber ich bin auch ehrlich, denn ein wenig neidisch war ich schon auf sie, nicht dass ich es ihr nicht gönnte, nein im Gegenteil, ich erwischte mich nur dabei, dass ich mir wünschte, so etwas auch einmal zu erleben.

Wie sie dieses Geturtel über ihr Handy verändert hatte! Ihre Augen strahlten richtig. So sah sie damals auch aus, unter dem Apfelbaum, als sie einen Strauß Gänseblümchen geschenkt bekommen hatte von Sven Bergman.

Neugierig beobachtete ich sie und fragte, wie er denn mit Nachnamen hieße.

„Lindqvist, er heißt Karsten Lindqvist. Er trägt einen schwedischen Namen.“ Britts Stimme war leise geworden, fast ein wenig melancholisch. Die Sehnsucht nach allem Schwedischen war tief in uns verwurzelt. Die alte Schwedensiedlung, in der wir seit Jahrzehnten wohnten, war inzwischen fast vollkommen in deutscher Hand, nahezu alle unsere Verwandten waren irgendwann zurück nach Schweden gegangen, darunter auch Britts Bruder Lars und meine ganze Familie. „Es ist schon eigenartig“, fuhr Britt fort, „schon in der ersten SMS heute Morgen spürte ich etwas. Ich wusste nichts über ihn, gar nichts. Es war die Art, wie er schrieb und dass er mir überhaupt antwortete.“

Ich kochte mir den dritten heißen Kakao und lehnte mich nachdenklich gegen die Küchenzeile. Ein wenig wusste ich, wovon sie sprach, denn einmal hatte ich etwas Ähnliches gespürt. Ich war ihm auf der Straße begegnet. Es fühlte sich an wie Energiewellen, die von einem zum anderen ausgesendet wurden, es war wie Magnetismus, ich wurde einfach von jemandem angezogen und wusste nicht warum. Ehe ich es selber bemerkte, klebte ich schon fest und konnte mich kaum lösen, weil es spannend war, weil es elektrisierte, weil es plötzlich regelrecht knisterte.

„Und du denkst, dass ihr euch weiter schreiben werdet? Es ist schon verrückt, da gibt es so viele Millionen Menschen, die ein Handy haben und du triffst den Menschen, der so ähnlich tickt wie du. Auch mit den Fotos, Britt, das ist der Hammer. Ich finde euch beide sehr mutig, wenn ich ehrlich bin.“

Britt zuckte mit den Schultern. „Ich hatte zunächst Bedenken, ob er das mit dem Bild nicht vielleicht falsch versteht. Damit überschreite ich eine Grenze, verstehst du? Das hätte auch nach hinten losgehen können, oder?“

Britt schien keine Antwort von mir zu erwarten, deshalb gab ich ihr auch keine. Sie schwieg einen Moment, dann sah sie wieder aus dem Fenster. „Ich spürte Wärme in seinen Worten. Den ganzen Tag hatte ich ein Lächeln im Gesicht. Ich schaute mir dann lange seine Homepage an, auch sein Bild dort. Es ist das gleiche, das er mir geschickt hat. Ich las alles über seine Arbeit und allmählich formte sich in meiner Vorstellung ein Eindruck von diesem Mann und seinem Leben. Ich kenne allerdings keine privaten Details.“ Sie seufzte und sah mich direkt an. „Und ich weiß im Moment noch nicht, wie es weitergehen wird.“

Ich atmete tief durch und schaute sie an. Sie sah verträumt aus, aber auch glücklich und irgendwie erfüllt. Ich merkte, wie ich ihr insgeheim wünschte, diese SMS Affäre hätte eine Zukunft.

Sie zappelte plötzlich wieder hin und her und ich vermutete, dass sie es wirklich kaum noch abwarten konnte an ihren Laptop zu eilen, um ihm die erste Email zu schicken.

Wir vereinbarten, dass sie mich mit Infos zuschütten würde und dass ich eine Geschichte, besser gesagt ihre Geschichte daraus formen würde, wenn der Stoff das hergab.

Britt bedankte sich bei mir und ich umarmte sie, wünschte ihr ganz viel Glück, sagte ihr auch, dass sie lernen musste, Momente in ihrem Leben als Geschenk anzusehen, sie zu genießen und einfach einmal das Glück auf sich zukommen zu lassen, sollte es hier wirklich, in Form des unbekannten Karsten, endlich seinen Weg zu ihr finden.

Als wir an der Haustüre standen, fiel mir doch noch eine Frage ein: „Wie kommst du eigentlich auf den Namen Flo?“

Sie drehte sich um und lächelte. „Es war sein Foto, dieses Gesicht und so wie er schrieb. Es wirkt so filigran und fein, seine Worte sind so warmherzig. Ich hatte das Gefühl, ich müsste einen Kosenamen für ihn finden, den nur ich benutze. Karsten wird er bestimmt von den meisten in seinem Umfeld genannt, und da fiel mir sofort der Name Flo ein.“ Sie zuckte die Schultern, mummelte sich in ihre dicke warme Jacke und eilte in die kalte Nacht hinaus. Ich schloss nachdenklich die Tür.

In meinem Wintergarten setzte ich mich an den PC. Flo kommt aus dem Lateinischen und ist die Abkürzung für florens, für blühend und in einem hohen Ansehen stehend. Ich starrte auf die Beschreibung, sie war passend. Sie konnte diese Bedeutung nicht gewusst haben, denn auch ich musste lange danach suchen. Ihr Unterbewusstsein musste ihr das Wort suggeriert haben.

So etwas machte mich immer nachdenklich, denn nichts geschah ohne tieferen Grund. Da wirkte etwas Großes, aber ganz gewaltig.

Flo... Momente des Lebens

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