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2. Utopie und Religion

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Dieses Suchen und Finden in allem, was lebt und sich regt, in allem Werden und Wechsel, in allem Tun und Leiden, und das Leben selbst im unmittelbaren Gefühl nur haben und kennen als dieses Sein, das ist Religion.

(Friedrich Schleiermacher, Reden über die Religion)

Alle Religion war Wunschwesen, (…) aber sie war kein zersplittertes oder begrenztes Wunschwesen, sondern totales, und keine völlig nichtige Illusion, sondern versucherische, mit einer Vollendung im Sinn, die nicht ist.

(Ernst Bloch, S.1415)

Ernst Bloch beschreibt den utopischen Charakter, aber auch den Ernst von Religion: Religion ist die Suche nach einem vollendeten, umfassenden Sinn, der mich ganz und gar fordert, dem ich mich immer wieder anzunähern suche, im Wissen, dass er immer zukünftig bleiben wird, nie einfach nur ist.

Religion ist nichts Gegebenes, ist aber erfahrbar, existenziell als unmittelbares Gefühl (Schleiermacher) oder als Illusion (Bloch), wobei sich im Wort Illusion eine Doppelbedeutung versteckt, nämlich spielen (lat. ludere) und ein Spiel treiben, täuschen, verspotten (von lat. illudere). Spiel als Metapher für Religion ist nur in seiner Abart negativ oder oberflächlich. In seiner Grundbedeutung drückt das Wort eine Tätigkeit aus, die mit Freude und Ernst verrichtet wird. Das Spiel erfordert die zielgerichtete Hingabe an die Sache und den ganzen Einsatz des Spielenden. Sein Sinn liegt – wie der Sinn der Religion – im versucherischen Tun, im immer wieder neu Tun.

Religion ist aber mehr als ein illusionäres Spiel. Die Religion stellt uns ein ganzheitliches Wunsch- und Idealbild mit dem Anspruch auf Vollendung im Sinn, – wenn auch nicht der Realität nach, – vor Augen. Religion weist deshalb einen ihr immanenten Hoffnungsüberschuss auf, wofür es, wie Ernst Bloch im Prinzip Hoffnung ausführt, in unserer religiösen Kultur eine bestimmte Folie gibt, nämlich die Messias-Idee, die allerdings älter ist als der Messias-Glauben. Was diese Idee in ihrer jüdisch-christlichen Ausprägung jedoch von anderen Kündern und Religionsstiftern wie beispielsweise Buddha oder Zoroaster, einem Zeitgenossen des Propheten Ezechiel (alle drei um 600 v. Chr.), unterscheidet, ist die Wucht der eschatologischen Verheißungen bei Moses und den Propheten und die von ihnen dem Volk als erwartbar vorgestellte endzeitliche Zielgestalt; im Neuen Testament ist es die utopische Frohbotschaft in der Form einer Realerinnerung (Bloch, S.1501) an Jesus Christus, den Menschensohn, dessen Lebensprogramm seit 2000 Jahren Menschen anspricht und herausfordert.

Der Messianismus ist in der Religion die Utopie, die das Ganz Andere des Religionsinhalts in jener Form sich vermitteln läßt, worin es keine Gefahr von Herrensalbung und Theokratie enthält:(…) als das Wunderbare.

(S.1464)

Die Bibel - ein menschliches Buch

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