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In Gottes Namen

Wer sind diese Männer, die Tag für Tag mehr oder weniger feierlich die Särge unserer Angehörigen von der Kapelle auf den Friedhof tragen und uns die Berührung mit den Toten abnehmen?

Vordergründig betrachtet haben die Sargträger nicht viel zu tun: Am Ende der Feier betreten sie die Kapelle oder den Kirchraum, die Gemeinde erhebt sich. Sie räumen die Blumen zur Seite oder auf einen extra Wagen, stellen sich rechts und links neben dem Sarg auf und sprechen ihr gemeinsames „In Gottes Namen“. Die Gesichter sind ernst, meist etwas nach unten geneigt, die Stimmen sind tief. Das leise Poltern im Tonfall klingt wie ein Grollen des Abgrunds. Dann heben sie den Sarg an und tragen ihn hinaus.

Der Moment hat etwas Endgültiges.

Immer wieder erlebe ich die starke Diskrepanz zwischen der auf die Persönlichkeit des Verstorbenen und der Angehörigen ausgerichteten Feier und dem Auftreten dieser wildfremden Männer, die den Sarg wegtragen. Ihr Erscheinen erinnert an die Gestalt des Charon2, des Fährmanns, der in der griechischen Mythologie die Toten über den Fluss Styx in die Unterwelt geleitet. Besonders eindrücklich ist dieser Zusammenhang noch in Venedig zu beobachten, wo man inmitten des regen Treibens auf den Kanälen plötzlich ein kleines, mit schwarzen Stoffen behängtes Schiff sehen kann, auf dem ein Sarg, umgeben von sechs schwarz bekleideten, schweigenden Männern, zur Toteninsel San Michele gefahren wird – als würde das Jenseitige eine Furche in die Zeitlichkeit ziehen.

Neben diesem erfahrbaren, überpersönlichen Aspekt geht von der Präsenz der Sargträger aber auch oft etwas Plumpes und Antiquiertes, manchmal wieder etwas sehr Anrührendes oder auch Komisches aus.

Der Ritus wackelt und wird nicht selten zum fragwürdigen Schauspiel.

In ländlichen Gegenden heißt es noch heute: Sechs Freunde musst du haben. Das heißt: Sechs, die deinen Sarg eines Tages zum Friedhof tragen können.

Warum tragen die Angehörigen die Särge ihrer Verstorbenen eigentlich nicht selber?

2 Im „Wörterbuch der Mythologie“ heißt es: „Charon, der Fährmann in der Unterwelt: eine, wie es scheint, spätere Vorstellung, wahrscheinlich aus Ägypten gekommen, wo die Sitte herrschte, alle Toten, welche eines ehrenvollen Begräbnisses gewürdigt wurden, auf einem Kahn von einem Fährmann nach den Inseln der Seligen, d.h. nach den allgemeinen Begräbnisstätten, bringen zu lassen. Nach der griechischen Sage hält Charon, ein alter Diener des Pluto, am Höllenfluss Wache, nimmt die Seelen, welche Merkur ihm zuführt, in seinen Kahn auf und setzt sie über den Styx oder Acheron, wofür man ihm einen Obolus zahlen musste, der dem Verstorbenen unter die Zunge gelegt wurde; diejenigen, welche kein Begräbnis empfangen hatten, mussten ein Jahrhundert lang um die Ufer des Styx schweben.“

(Dr. Vollmer’s Wörterbuch der Mythologie aller Völker. Stuttgart, Hoffmannsche Verlagsbuchhandlung 1874. Fotomechanischer Neudruck der Originalausgabe, Zentralantiquariat der DDR, Leipzig 1978)

Liturgisches Husten

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