Читать книгу Helden, ihre Frauen und Troja - Angelika Dierichs - Страница 10

Helden rund um Troia sind schwierig zu fassen

Оглавление

Die Heterogenität thematisch, zeitlich und quellenbedingter Mythosversionen musste ich tolerieren. Uneinheitlichkeiten waren in ein Gefüge zu pressen, um eine ‚spannende Heldenshow‘ anzubieten, die nicht detailverliebt ausufern durfte, obgleich die Recherchen zum Thema beachtliche Abweichungen und nuancenreiche Unterschiede ergaben, was fünf Statements zeigen.

Erstens: Ältere Quellen berichteten noch nicht, was jüngere Quellen wussten, weil Mythen verändert wurden. Geht man chronologisch vor, dann lassen sich die Epen, besonders Ilias und Odyssee, auswerten. Nur spärlich erhaltene Lyrik ist heranzuziehen. Tragödien von Aischylos, Sophokles und Euripides bieten Material. In Texten aus römischer Zeit wird man fündig. Sogar mittelalterliche Troiaromane könnte man ausschöpfen.

Zweitens: Motivstränge intensivieren sich in verschiedenen Jahrhunderten oder Jahrzehnten. Nicht nur die Ereignisse der Ilias und ihres Haupthelden Achilleus wirkten weiter in schriftlichen Zeugnissen und bildender Kunst, sondern auch seine vor und nach der Ilias positionierten Liebesgeschichten.

Drittens: Darstellungsbestandteile variierten in den Kulturräumen, welche bildende Kunst hervorbrachten. So kommt der Apfel – Auszeichnung für die schönste der Göttinnen im Parisurteil – im Griechischen selten oder gar nicht vor. Im Etruskischen und im Römischen sieht man ihn öfter.

Viertens: Bildfindungen mussten keinen bestimmten Moment aus einem schriftlichen Zeugnis wiedergeben und konnten eine ausgewählte Episode individuell gestalten, grob vereinfachen oder phantasievoll ausschmücken.

Fünftens: Bildliche Wiedergabe vermochte, ungleichzeitige Geschehnisse in einer Szenerie zu vereinen.

Trotz derartiger Vielschichtigkeit stelle ich jeden Helden kurz mit ‚persönlichen Daten‘ vor. Es ist gewissermaßen sein ‚Steckbrief‘. Diesem folgen unterschiedlich lange Ausführungen unter den Teilüberschriften: Kindheit und Jugend, Wesenszüge und Erscheinungsbild, Das machte ihn berühmt, Heimkehr aus Troia, Tod, Vorprogrammiertes Heldenschicksal, Nachantike Seitenblicke, Museumswelten – Standorte; mit Leseproben und Textfelder. Inhaltliche Überschneidungen respektive Wiederholungen waren zuweilen unerlässlich, um die Leserschaft sicher durch den Informationsreichtum zu führen. Sieht man davon ab, dass sich alle Troianischen Helden uniform mit Helm, Panzer, Schild und Schwert rüsten, und dass da viel männliche Schönheit zu preisen ist, dann ziehen doch recht unterschiedliche Männer in den Krieg. Aufgrund von Vorabgeschehnissen sind sie Freunde, Rivalen oder Einzelkämpfer, deren Handlungen zwischen Schuld und Sühne weitgehend von Gottheiten manipuliert werden. Neben ‚Hauptakteuren‘ gibt es ‚Nebenakteure‘. Junge Kämpfer dominieren, aber auch Senioren treten auf, die wichtige Ratschläge bereithalten. Halb göttlicher oder rein menschlicher Abstammung sind die Helden. Nach Körpergröße und Körperkraft lassen sie sich sondern, gegensätzliche Wesenszüge charakterisieren sie, familiären Geflechten können sie sich nicht entziehen, nach ‚uralten‘ oder ‚modernen‘ Verhaltensmustern agieren sie, vom Willen der ihnen wohl oder übel gesonnenen Gottheiten hängen sie vollends ab (s.u. Ohne Gottheit geht gar nichts). Aus Götterberatungen entsteht ein übergeordneter Schicksalsplan, dem sich die Helden unterwerfen müssen. Einige überleben den Troianischen Krieg und gründen Städte im fernen Westgriechenland, also werden mit Siedlungen in Unteritalien verknüpft. Troianische Helden sind winzige Steine in einem riesi gen Mosaik des mythologischen Heldentums der griechischen Antike, welches man aktuell nur schwer ‚heldenhaft‘ nennen mag, denn häufig vergesellschaften sich jene ‚gelebten oder gestorbenen bewundernswerten‘ Heldentaten mit hinterhältigen, grausamen, rachsüchtigen, eifersüchtigen Aktionen. Das heißt: Troianische Helden folgen keineswegs der zuvor versuchten Charakterisierung (s.o. Helden in aktueller Erklärung). Sie weichen in ihrem Handeln also oft ab von dem, was in die gängige, moderne Helden-Definition passt. Dass ihre Heldentaten – Schleifen der Leiche eines Gefallenen, Hinschlachten von Gefangenen, Morden aus Vergeltung – eher ekelhafte und unsittliche Schandtaten sind, in denen sich die Sinnlosigkeit des Kriegs manifestiert, belegt nicht nur die hier vorgestellte begrenzte Auswahl. Sehr akribisch kommt ihren ‚guten und schlechten‘ Taten Udo Reinhardt auf die Spur in seiner 2011 erschienenen Publikation „Der antike Mythos. Ein systematisches Handbuch“. Dieses Werk half mir, meine Studien zu ‚meinen Helden rund um Troia‘ zu vertiefen und meine bereits erstellte Textfassung kritisch zu überprüfen, bestätigt zu finden oder zu ergänzen. Ohne Udo Reinhardts neue fächerübergreifenden Forschungen hinzuzuziehen, bleibt jede Behandlung mythologischer Sujets unzureichend bearbeitet. Zuweilen übernahm ich sorgsam zusammengestellte Epitheta zu den Troianischen Helden, die der kompetente ‚Kommissar des Mythos‘ hervorhob. Solche epischen Beiwörter verraten etwas über Aussehen und Persönlichkeit des Helden oder sind rein ausschmückend gebraucht. Udo Reinhardts Angaben in 528 Textseiten, 1593 Anmerkungen, Literaturverzeichnis, Indices, Tabellen und Kartenübersichten sind so minutiös, dass sie auch höchst detailfixierte Fragen bedienen. Deshalb darf ich für ‚mein bescheidenes Lesebuch‘, das nur eine kleine Annäherung an ein großes Thema ist und nur einige Helden des letzten mythenchronologischen Hauptereignisses herausgreift, bewusst auf Fußnoten und Hinweise zum Weiterlesen verzichten.

Helden, ihre Frauen und Troja

Подняться наверх