Читать книгу Helden, ihre Frauen und Troja - Angelika Dierichs - Страница 12

Also: Schlag nach bei Homer!

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Der berühmte Dichter Homer/Hómeros des 8/7. Jhs. v. Chr., wenn er denn überhaupt als Einzelpersönlichkeit zu fassen ist, stammte vielleicht aus Smyrna (Izmir) oder aus einer anderen ionischen Siedlung nahe der kleinasiatischen Westküste. Um die zwanzig Gemeinwesen geben an, Vaterstadt oder Heimatort Homers zu sein. Die Meinung antiker Schriftsteller, Homer sei blind gewesen, ist wohl nicht wirklich biographisch zu werten, sondern soll darauf hinweisen, dass verlorenes Augenlicht Dichter oder Sänger befähigt, sich besonders gut zu erinnern. Jahrhunderte nach Homers Tod erfanden griechische Künstler sein Porträt. Hingewiesen sei auf das hagere Bildnis eines Greises mit faltiger Stirn und starken Schrägfurchen auf den Wangen. Es handelt sich um eine sehr bekannte römische Kopie nach einem um 460 v. Chr. entstandenen griechischen Original (München, Staatliche Antikensammlungen und Glyptothek, Inv. GL 273). Tief eingesenkt in ihren Höhlen liegen die Augen des alten Mannes und schwer lasten die oberen Lider auf den unteren. Das muss der blinde Homer sein! Jener Homer, der selbst zum Helden wurde, indem man sein Porträt erdachte, ihn auf Münzen verewigte, ihm Weihreliefs errichtete und ihn vor allem als Begründer der Dichtkunst ehrte. Zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen fokussieren homerische Dichtung als Keimzelle für spätere literarische Werke bei Griechen und Römern, finden Homer wieder in philosophischen Texten und entdecken ihn in mittelalterlichen Schrifttum zum byzantinischen Osten oder zum lateinischen Westen. Fachgelehrte haben auch die kaum noch übersehbare literarische Homer-Rezeption in der Neuzeit und sogar Verfilmungen homerischer Themen erörtert. Da es keine Manuskripte aus der Zeit Homers gibt, beschäftigen sich Graecisten mit dem überhaupt Auswertbaren. Man untersucht die ältesten aus dem 10. Jahrhundert stammenden Handschriften zu homerischer Dichtung, sondert Überlieferungsstufen, analysiert den Dialekt, bezieht antike Textvarianten und antike Homer-Papyri ein. Nach diesen unerlässlichen allgemeinen Hinweisen zu Homer nun ‚ein bisschen Konkreteres zum Übervater aller Dichter‘.

Von Homer selbst – oder unter seinem Namen überliefert – sind jene in der Ilias aufgeschriebenen Kämpfe, die in der 2. Hälfte des 2. Jahrtausends, vielleicht im 13. Jh. v. Chr. zwischen Griechen und Troianern optional angenommen werden könnten. Es geht nicht um den gesamten zehnjährigen Troianischen Krieg, sondern nur um dessen Endphase. Diese epische Gesamthandlung umfasst nach Udo Reinhardts exakter Berechnung gut sieben Wochen. Ein Epos ist eine erzählende Dichtung in Versen. Man spricht auch vom Heldengedicht, das eine Mischung aus Mythos und sehr bedingt fassbarer Historie behandelt. Aber wer liest heutzutage noch die homerische Ilias, Vers für Vers, in renommierten Übertragungen (Hans Rupé, 1. Auflage 1961; Wolfgang Schadewaldt, 1975)? Besteht überhaupt noch ein breites Interesse am verkleinerten Nachdruck (1978) der prächtig illustrierten Ilias-Originalausgabe der Vossischen Übersetzung (1882)? Johann Heinrich Voß (1751–1826) beendete sie 1793 und genoss den Ruhm, Versmaß und Gehalt des griechischen Originals weitgehend bewahrt zu haben. So schuf er eine Art heiliges Buch für Bildungsbürger. Zwölf Kohlezeichnungen von Friedrich Preller d.J. (1838–1901) und Kopfleisten nach John Flaxman (1755–1826) bereichern das Werk. Flaxmanns Illustrationen zu den homerische Dichtungen erschienen 1793 erstmalig in Rom und machten die Troianischen Themen später durch die druckgraphischen Vervielfältigungen europaweit bekannt. Was tut der moderne ‚Ilias-Konsument‘? Rasch blättert er sich durch zu jenen ‚prickelnden‘ Passagen, wo der beleidigte Achilleus schmollt, Hera ihren Göttergatten Zeus überlistet oder Aphrodite Paris vom Schlachtfeld ins Schlafgemach zu Helena entrückt. Wer die Darstellung von Grausamkeiten mag, erfreut sich an detail- und wortreichen Beschreibungen von tödlicher Verwundung oder makabrer Leichenschändung. Es verwundert kaum, dass eine intensive Gesamtlektüre der Ilias selten bleibt.

Helden, ihre Frauen und Troja

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