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Kapitel 8: Emilie kennt sich aus

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Emilie rannte als wäre ein beißender Bullterrier hinter ihr her. Ihre kleinen Beinchen rannten so schnell die großen Stufen des alten Schlosses hoch, dass Tobias schon dachte, dass die Beine seiner Hündin gewachsen sein mussten. Der kleine Hund rannte die Treppen hoch, dann ging er ein Stück auf dem geraden Treppenteil, um sofort wieder weiterzurennen. Das Ganze machte er solange bis er vor der Dachbodentreppe stand. Von hier aus konnte Emilie nicht weiter, eine Tür versperrte ihr den Weg.

Ganz außer Atem kam Tobias angerannt, Schniefer folgte auf dem Schwebefuß.

»Was ist, Emilie, müssen wir da rein?«, fragte Tobias seinen Hund.

Es war Schniefer, der anstelle Emilies antwortete.

»Genauso ist es. Wir müssen dort rein. Von dort aus geht’s bestimmt noch höher, denn wir haben noch nicht die letzte Etage des Schlosses erreicht, wenn Du mich fragst. Hast Du einen Schlüssel für diese Tür?«

»Nein, habe ich nicht.« antwortete Tobias, der bereits ahnte, was nun kommen würde.

»Dann musst Du ihn holen gehen. Emilie und ich warten hier auf Dich. Beeil Dich aber!«, schlug der in Jeans gekleidete Geist vor.

»Na, danke, als wenn ich es nicht geahnt hätte. Ich kann also die ganzen Stufen nochmals runter rennen, um sie anschließend wieder hoch zu rennen. Warum machst Du das nicht, Schniefer? Immerhin suchen wir ja Deine und nicht meine Vergangenheit.«

»Tobias, ich kann das schon machen, nur bezweifle ich, dass mir deine Mutter den Schlüssel für hier oben geben würde. Erst recht dann nicht, wenn man bedenkt, dass sie mich erst mal gar nicht sehen kann. Oder meinst Du, dass Deine Mutter Geister sehen kann, Tobias?« Schniefer machte ein unschuldiges Geistergesicht.

»Ich hab´s schon verstanden, ich geh ja schon. Emilie, Du bleibst bei Schniefer.« Tobias drehte sich um und rannte die Stufen wieder hinunter.

Seine Mutter war gerade dabei einige Einstellungsgespräche zu führen. Tobias machte ihr ein Zeichen, dass sie mal kurz zu ihm kommen sollte.

Karin van de Ströhm täuschte einen Hustenanfall vor und ging kurz aus dem Zimmer.

»Hab ich Dir nicht gesagt, dass Du Dein Zimmer aufzuräumen hast...«

»Das hab ich schon getan, Mama. Und jetzt ist mir langweilig und da dachte ich, dass ich mir mal den Dachboden des Schlosses ansehe. Immerhin habe ich noch niemals in meinem Leben einen Schlossdachboden gesehen. Wer weiß, vielleicht finde ich da ja auch ein paar alte Kräuterbücher, die Dich interessieren. Aber, um dorthin zu kommen, brauche ich einen Schlüssel und den hätte ich gerne von Dir. Du hast doch nun hier die Schlüsselgewalt, wie? Du brauchst ihn mir auch nicht zu holen, ich hole ihn mir schon selbst. Sag mir einfach nur, wo er hängt.«

»Er hängt im Schlüsselschränkchen in der großen Schlossküche. Aber, was Dein Zimmer angeht, wenn ich da nachher nachsehen gehe und es nicht aufgeräumt ist, dann bekommst Du eine Woche-Zimmerarrest, also überleg´ Dir gut, ob Du nun lieber auf den Dachboden oder in Dein Zimmer gehst. Und das nächste Mal, wenn Du siehst, dass ich Gespräche führe, dann wartest Du gefälligst bis ich damit fertig bin. Immerhin sind wir jetzt Schlossbesitzer und da kann ich von meinen Kindern auch erwarten, dass sie sich auch als solche benehmen. Und jetzt stör´ mich nicht weiter.« Mit quietschendem Absatz drehte sich Karin van de Ströhm auf dem frisch gebohnerten Parkettboden um und ging zurück zu der jungfräulichen Gouvernante, die sich um den Posten der Haushälterin bewarb. Allerdings war sich Tobias´ Mutter bereist jetzt schon sicher, dass sie diese Frau niemals einstellen wollte, denn die, so wie sie aussah, brächte es noch fertig, ihr ihr Bierchen im eigenen Schloss zu verbieten. Und so etwas, das wollte sich Karin mal so gar nicht vorschreiben lassen.

Tobias sah seiner Mutter mit großen Augen nach. Danach konnte er nur noch hören, wie sie entschuldigend zu der gouvernantenhaften Frau sagte: »Entschuldigen Sie bitte, aber ein Fröschlein hatte sich in meinem Hals verirrt. Nun, wo waren wir stehen geblieben? Ah, ja. Sie wollten mir Ihre Zeugnisse zeigen. Bei wem, sagten Sie, waren Sie schon in Anstellung? Wie, bei Miss Marple? Oh, tatsächlich, ich dachte immer, dass die ihren Mister Stringer hatte. Da sehen Sie mal, wie man sich irren kann. Wie... Und auch noch bei Mister de Winter? Noch zu Lebzeiten von – Rebecca –?«

Während Karin van de Ströhm verzweifelt nach den richtigen Worten suchte, die Bewerberin wieder abzuwimmeln und loswerden zu können, schlappte Tobias ins das Schlüsselkämmerlein und suchte das Schlüsselschränkchen.

– Hier können sich sogar die Schlüssel noch verlaufen – dachte Tobias, – so groß ist hier alles. –

Nach langem Suchen fand er endlich, nach was er gesucht hatte. Zumindest, wenn man davon ausging, dass er erst mal das Schlüsselschränkchen hatte finden müssen, um überhaupt an den Schlüssel zum Schlossdachboden kommen zu können.

Tobias stand vor dem Schlüsselschränkchen und suchte und suchte. So viele Schlüssel auf einmal hatte er noch nie zuvor gesehen. Aber was sollte es, da musste er durch. Zum Glück stand unter jedem Schlüssel der Raum, die Tür, zu der er gehörte. Wie es nicht anders sein konnte, war es der vorletzte Schlüssel. Schnell schnappte sich der Junge den Schlüssel und begann erneut die vielen Stufen nach oben zu rennen. Als er oben ankam, fand er Schniefer mit Emilie spielend vor.

– Klasse, der will was von mir und ich kann rennen, während er spielt, und das auch noch mit meinem

Hund – , dachte Tobias, doch er sagte nichts. Mit zittrigen Fingern nahm er den Schlüssel und versuchte die Tür zu öffnen. Aber irgendwie wollte der Schlüssel nicht so recht ins Schloss passen.

»Vielleicht hast Du ja den falschen Schlüssel mitgebracht.« überlegte Schniefer.

»Nee, bloß nicht. Ich hab echt keine Lust nochmal alle Stufen runter und wieder rauf zu rennen.« stöhnte Tobias.

»Wird Dir aber gar nichts anderes übrig bleiben, denn der Schlüssel passt nicht. Sie selbst, auf der Tür steht ganz versteckt die Nummer Dreizehn, aber auf dem Schlüssel ist die Zwölf. Hier, sieh her, Tobias, hier steht die Ziffer, darauf musst Du achten.«

Tobias stöhnte. Jetzt konnte er tatsächlich nochmals alle Treppenstufen nach unten rennen. Das Runterrennen war ja noch nicht mal das Schlimmste, schlimm war das wieder Hochrennen-Müssen.

Dieses Mal brauchte er auch viel länger als beim ersten Mal bis er wieder bei seinem Geisterfreund angekommen war. Denn er hatte alle Schlüssel durchsehen müssen bis er endlich die Nummer Dreizehn gefunden hatte. Aber dann hatte er ihn endlich. Als er ihn hatte, ging er langsam die Stufen hoch. Er hatte keine Lust mehr nochmals hoch zu rennen. Einmal war genug. Ein zweites Mal brauchte er dies nicht. – Aber was tut man nicht alles für einen Geist –, dachte Tobias, während er mit müden Beinen die vielen Stufen erneut hoch lief.

Tobias, ich schreib Dir ein Buch

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