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8 - Ungebetener Besuch

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Kaum dass sie drinnen waren, öffnete Brunhilde das Fenster gänzlich. Hierzu bedurfte es lediglich einem Zauberspruch von ihr. Dafür musste sie weder vom Besen steigen, noch sonst etwas tun. Nur eben den richtigen Zauberspruch vor sich hinsagen.

Anschließend suchten sie das Wohnzimmer auf.

Herrmann Schreien, der Muffler, war wieder einmal vorm Fernseher eingeschlafen.

»Da liegt er, der alte Schnarchsack«, flüsterte Hoxa und grinste dabei die beiden Kinder an.

»Was ist, wenn er uns entdeckt?«, fragte Gisela ängstlich.

»Keine Bange, das wird er nicht. Wir alle sind unsichtbar.« Brunhilde konnte sich ein belustigtes Grinsen nicht verkneifen.

»Unsichtbar«, staunte Lothar, nicht schlecht, der gar nicht glauben konnte, dass die Hexen sie auch unsichtbar werden lassen konnten.

»Sicher doch. Immerhin wollen wir doch nicht, dass er uns entdeckt«, flüsterte Hoxa nun auch, und stimmte Brunhilde zu.

Sofort nutzte Brunhilde die Gelegenheit und strich allen über die Köpfe und ihren Besen über die Stiele. Fortan waren allesamt auf der Stelle unsichtbar.

»Sind wir schon unsichtbar?«, wollte Gisela wissen, da sie alle immer noch sehen konnte.

»Ja«, war Hoxas Antwort.

»Ich kann uns aber noch sehen«, sagte nun auch Lothar, sehr enttäuscht.

»Sicher doch. Wir können uns nach wie vor gegenseitig sehen; nur der dort vorne«, Brunhilde deutete auf den immer noch schlafenden Muffler, »der kann uns weder sehen noch hören.«

»Echt nicht?« Gisela war wieder einmal sprach- und fassungslos.

»Sicher, sicher!«, lachte Hoxa.

»Und jetzt lasst uns loslegen«, lachte Brunhilde und pfiff durch die Zähne, wieder einmal. Bereits im gleichen Augenblick ging die Lautstärke des Fernsehers nach oben, so dass der Muffler erschrocken aus dem Sessel hochfuhr.

»Mist, verdammter. Dass diese Dinger auch einfach von sich aus lauter werden«, meckerte er, lautstark, vor sich hin. Er suchte nach der Fernbedienung. Dummerweise lag sie auf dem Fernsehtisch.

»Wann hab‘ ich die denn dort hingelegt?«, wunderte er sich und lief zum Fernseher, nahm die Fernbedienung und schaltete die Lautstärke zurück.

Hoxa glitt von ihrem Besen und flüsterte ihm dabei etwas zwischen die Borsten.

Der Besen wieherte. Tatsächlich, er wieherte! Und da Hoxa wollte, dass es auch der Muffler hörte, schaute der Muffler sich suchend nach dem Geräusch um.

»Los jetzt!«, rief Hoxa dem Besen zu. Der Besen gehorchte aufs Wort. Sofort hub er auf den Boden ein, so dass es dem Muffler vorkam, als würde von unten gegen die Decke geschlagen werden.

»Is‘ ja gut. Kann ich ‘was dafür, dass der Kasten von alleine lauter geworden ist«, maulte er.

Doch das Hämmern hörte nicht auf. Immer lauter wurde es. So laut, dass sich Herrmann Schreien eine Zeit lang die Ohren zuhielt.

Als das Klopfen überhaupt nicht mehr aufhörte, stapfte er in die Küche und holte seinen Besen. Sowie er im Wohnzimmer zurück war, stieß er wütend mit dem Besenstiel gegen den Boden. »Wenn da unten jetzt bald Ruhe ist!«, schrie er dabei, völlig aufgebracht darüber, dass ihm, ausgerechnet ihm, geklopft wurde.

Doch statt, dass von unten jetzt Ruhe eingekehrt wäre, klopfte es nun auch noch von der Decke zu ihm herunter.

Brunhilde hatte ebenfalls ihrem Besen Zeichen gegeben und ihm befohlen, mit zu poltern, allerdings gegen die Decke.

Je mehr die Hexenbesen hämmerten und polterten, desto wütender wurde der Muffler. Immer heftiger schlug er gegen Decke und Boden, und immer lauter war das Echo, das zu ihm zurück kam.

Hoxa verdrehte lachend die Augen. Gleich darauf ertönte ein Martinshorn und Blaulicht flackerte durch Mufflers Fenster herein.

»Oh, kacke. Die Polizei.« Eilig nahm der Muffler den Besen und versteckte ihn im Schlafzimmer unterm Bett.

Als er wieder ins Wohnzimmer zurück ging, stand ein Polizist mitten im Zimmer.

»Wie …, wie kommen Sie denn hier herein?«, stotterte Herrmann Schreien, und warf dabei einen hastigen Blick über seine Schulter, hin zur Abschlusstür. Doch die war zu.

»Na wie schon!«, antwortete der Polizist. »Kann es sein, dass Sie bereits seit einiger Zeit Ihre Nachbarn mit Lärm belästigen? Lauter Fernseher, dacht‘ ich’s mir doch«, sagte er und blickte zum Fernseher hin.

»Der ist von alleine laut geworden. War eingeschlafen«, versuchte der Muffler, dem Polizisten, die nächtliche Störung zu erklären.

»Das mag ein Grund, aber keine Entschuldigung sein.« Der Polizist lief im Zimmer auf und ab. Suchend schaute er sich um. »Wo haben Sie das Ding versteckt?«, fragte er, dabei schoben sich seine Augenbrauen dicht zusammen.

»Versteckt? Wen?« Schreien schluckte.

»Ihren Radaumacher, mit dem Sie andauernd Ihre Nachbarn belästigen«, sagte der Polizist in gefährlich ruhigem Ton.

»Ich belästigte niemanden! Wer behauptet so etwas?«

»Die Polizei ist immer über alles genaustens informiert.«

Wieder schluckte der Muffler. »Ich habe nichts gemacht. Nur der Fernseher war halt laut geworden«, wiederholte er nochmals.

»Und der Besen, wo ist der?« Der Polizist ließ nicht locker.

»Besen?«, versuchte der Muffler, den Unwissenden zu spielen. »Ich weiß nichts, von einem Besen«, log er.

»Lügen Sie mich nicht an, Mann! Sie wissen genau, welchen Besen ich meine. Nämlich den, den Sie versteckt haben! Vor mir, der Polizei versteckt haben!«

»Ich habe gar nichts versteckt. Auch keinen Besen. Den schon gar nicht.« Schweiß brach dem Muffler aus.

»Also haben Sie doch einen Besen; und den vor mir, ausgerechnet vor mir, versteckt«, blökte der Polizist den Mann an.

»Nein, nicht doch«, versuchte Herr Schreien, sich immer noch, herauszureden. »Nichts habe ich versteckt vor Ihnen, rein gar nichts.« Beinahe weinerlich hörte er sich an, der Muffler, der sonst nichts anderes konnte, als mit allen und jedem nur herumzumeckern und zu stänkern.

Das Blaulicht, wenn sie doch wenigstens das Blaulicht ausmachen würden. Nicht mehr lange, und die ganze Nachbarschaft würde wissen, dass bei ihm die Polizei war.

Das kriegen die zurück. Sowie der Bulle wieder weg ist, werde ich mir für die nächsten Tage etwas ausdenken, schwor er seinen Nachbarn, Rache. Als wenn die etwas für sein nächtliches Dilemma dafür gekonnt hätten.

»Sie haben also nichts versteckt. Sicher?«, fragte der Polizist nochmals. »Ihre letzte Chance, die Wahrheit zu sagen.« In seinen Worten lag ein unterschwelliger Unterton; beinahe drohend widerhallten sie in den Ohren des Mufflers.

»Ich sage die Wahrheit«, wehrte der Mann sich, und dabei war er schon fast selbst soweit, seine eigene Lüge als Wahrheit zu glauben.

»Okay, wie Sie wollen! Soll doch ein jeder in dem Bett liegen, das er sich gemacht hat. Das gilt auch für Sie!« Der Polizist holte eine Trillerpfeife unter seiner Jacke hervor und blies hinein.

Ein greller Pfiff drang durch die Mauern des Hauses. Ohrenbetäubend laut, war er.

»Sind Sie verrückt geworden, Mann!«, tobte der Muffler zeitgleich los. »Sie wecken ja noch das ganze Haus auf.«

»Beamtenbeleidigung auch noch. Na, da kommt ja ’ne ganze Latte zusammen.« Er pfiff nochmals die Trillerpfeife, und kurz darauf kam der versteckte Besen aus seinem Versteck hervor und tänzelte zu dem Polizisten hin, dicht an dem Muffler vorbei.

Dem Muffler blieb der Mund offen stehen. Er griff sich an den Kopf. »Das gibt es doch gar nicht«, flüsterte er, keines klaren Gedankens mehr mächtig.

»Nächtliche Ruhestörung«, schrieb der Polizist auf seinen Notizblock, »durch einen Fernseher. Verstecken eines unschuldigen Besens. Beamtenbeleidigung durch Herrn Herrmann Schreien, den Muffler.«

»Wie bitte? Wie haben Sie mich eben genannt?«, legte der Muffler los.

»Ruhe! Sonst kommt’s noch teuerer!«

Verschreckt hielt der Muffler inne.

»Wo war ich stehen geblieben?« Der Polizist kratzte sich hinterm Ohr, und die Mütze rutschte ihm in den Nacken, dabei sah er zum Muffler hin und grinste. »Sie können Ihren Hut übrigens abziehen«, sagte er.

Erst da fiel Schreien auf, dass er noch seinen Hut aufhatte. War anscheinend mit ihm sogar eingeschlafen; was auch nicht zum ersten Mal passiert war.

»Nächtliche Ruhestörung. Beamtenbeleidigung. Festhalten einer fremdartigen Rasse.«

»Fremdartige Rasse?«, wunderte sich der Muffler.

Ohne ein Wort zu sagen, deutete der Polizist zu dem Besen hin, der vor seinen Füßen zu Boden gefallen war.

»Aber«, auch der Muffler zeigte auf den Besen, »das ist doch ein ganz normaler Besen. Den habe ich erst heute bei Besen-Fritze gekauft.«

»Besen-Fritze? Ihr Komplize?«

»Was?«, kreischte der Muffler los. »Haben Sie noch alle Tassen im Schrank?«

»Nochmalige Beamtenbeleidigung. Sie müssen jede Menge Kohle haben, um sich das alles zu erlauben.« Der Polizist schrieb und schrieb.

Dem Muffler kam es vor, als hätte er Gefallen daran, ihm alles Mögliche anzuhängen.

Doch der Polizist ließ sich von Herrn Schreien nicht aus dem Konzept bringen, auch nicht durch sein stetiges Gemosere. Am Schluss legte er dem Muffler einen Strafzettel auf den Tisch, der sich gewaschen hatte, so vieles, hatte er auf diesem festgehalten.

»Ist bis morgen zu bezahlen. Verstanden?«

Der Muffler nickte nur. Er traute sich schon gar nicht mehr, noch etwas zu sagen. Alleine der Strafzettel, eine Länge hatte der. Für das, was er als Strafe zu zahlen hatte, hätte er sicherlich eine komplette Heerschaft an Besen, von Besen-Fritze kaufen können. Doch daran durfte er gar nicht erst denken, denn dann würde ihm der Kamm aufs Neue anschwellen und dem Polizisten neuerliche Gründe geben, den Strafzettel weiter auszufüllen und die Strafe noch höher werden zu lassen.

»Und den hier, den nehme ich mit. Nicht, dass Sie ihn wieder einsperren. Immerhin, er muss artgerecht gehalten werden.« Der Polizist beugte sich zu dem Besen hinunter und nahm ihn auf.

»Ich bitte Sie! Das ist doch nichts weiter, als ein ganz normaler Besen.«

»Mag sein. Auch interessant, wenn man bedenkt, dass, laut Ihren anfänglichen Aussagen, Sie gar keinen Besen besitzen. Von daher dürfte der«, er hielt ihm den Besen vor die Nase, »gar nicht hier sein. Doch wie dem auch sei, es geht immer noch um den Besen und die Art, wie er zu halten ist. Und davon haben Sie nicht den blassesten Schimmer.«

»Ich bitte Sie, was soll das denn? Das ist doch Willkür. Als wenn es Regeln gäbe, nach denen Besen untergebracht zu sein hätten.«

»Sie sollen mir nicht andauernd widersprechen«, mahnte der Polizist.« Er schüttelte den Kopf. »Sie haben keine Ahnung, wie man mit dieser Rasse umzugehen hat.«

»Das ist keine Rasse, verdammt noch eins! Das ist nichts weiter, als ein lumpiger Besen; und er fegt noch nicht einmal sauber, wie Sie selbst an den Staubflocken sehen können, die hier noch überall in den Ecken herum liegen«, keifte Herrmann Schreien drauflos.

»Kann er wohl auch kaum, wenn Sie ihn heute erst bei Besen-Fritze gekauft haben, Herr Muff…, ähm, Herr Schreien.«

»Das ist doch Jacke wie Hose. Ändert jedoch aber nichts daran, dass das Ding in Ihrer Hand, nichts weiter ist, als ein ganz stinknormaler Besen.« Dem Muffler lief der Schweiß von der Stirn, seine Wangen waren hochrot, dermaßen verärgert war er unterdessen. »Nur ein dämlicher Besen ist das, und basta!«, bestand er weiterhin, auf sein Recht.

»Aber nicht artgerecht gehalten«, beharrte der Polizist auf seiner Meinung. »Und bevor ich jetzt gehe, will ich, dass Sie den Fernseher endlich ausschalten und sich auf der Stelle schlafen legen. Tun Sie das nicht, kommt auch noch Widerstand gegen die Staatsgewalt hinzu.«

Als der Muffler sah, dass der Polizist bereits nochmals nach dem Strafzettel langte, hob er abwehrend die Hände. »Ist ja schon gut«, sagte er, ging und machte den Fernseher aus.

»Licht nicht vergessen, zu löschen!«, befahl der Polizist, als der Muffler bereits auf dem Weg zum Schlafzimmer war. »Unnötige Stromverschwendung ist zwar kein Strafdelikt, für das ich Sie belangen könnte, zeugt jedoch von Fahrlässigkeit, der Umwelt gegenüber. Und Sie wollen doch nicht umweltunfreundlich sein; oder etwa doch?« Drohend blinkte es in den Augen des Polizisten auf.

»Nein, natürlich nicht«, antwortete Herr Schreien hastig.

»Immerhin sind wir uns darin wenigstens einig.« Der Polizist machte ein zufriedenes Gesicht.

»Wenn Sie bitte auch daran denken, die Tür hinter sich zu schließen«, erinnerte Herrmann Schreien den Polizisten, in der Erwartung, dass der Mann endlich seine Wohnung verlassen und woanders seine Pflicht erfüllen würde.

»Ich weiß schon, was ich zu tun habe«, knurrte der Polizist ihn an. »Und jetzt, ab in den Kahn! Aber ein bisschen flott!«

»Bin schon weg«, stotterte der Muffler verängstigt, huschte hastig in sein Schlafzimmer und schloss eiligst die Tür hinter sich. Ohne sich umzuziehen, legte er sich ins Bett und deckte sich mit der Bettdecke zu.

Dabei dachte er noch lange darüber nach, woher der ungebetene Besuch, der Polizist, überhaupt gekommen war. Und wer ihn überhaupt in seine Wohnung gelassen hatte.

Was für eine Kacknacht, dachte er noch, bevor er einschlief.

Im Wohnzimmer unterdessen verwandelte sich der Polizist in die Hexe Hoxa zurück. Auch das Blaulicht hatte aufgehört, zu blinken. Es war ohnehin nur in Mufflers Wohnung zu sehen gewesen, doch das wusste Herrmann Schreien nicht.

Es war nichts weiter gewesen, als das Werk der Hexen.

Den Strafzettel jedoch, den ließen sie liegen. Sollte er ihn doch bezahlen! Die Bankverbindung war ohnehin die, einer wohltätigen Organisation. Und durch einen Hexenzauber in der Art geschrieben, dass der Muffler zwar lesen würde, dass der Betrag dem Staat gutgeschrieben werden, in Wahrheit jedoch einer wohltätigen Organisation zugute kommen würde.

Brunhilde machte Hoxa Zeichen.

Gemeinsam verließen sie, mit den beiden Kindern, den Besen, wie auch dem Besen des Mufflers, die Wohnung. Sie flogen die Kinder zurück in ihr Zimmer, danach verließen sie sie.

»Wir sehen uns bald wieder!«, versprachen die Hexen, und waren im nächsten Augenblick durchs Fenster hinaus, in die Nacht hinein verschwunden.

Mufflers Besen jedoch, der stand jetzt neben dem, den Besen-Fritze den Kindern erst nachmittags geschenkt hatte.

Der Muffler

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