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5 - In einem Haus, wie vielen
ОглавлениеAls die Frauen weg waren, hatten die Kinder die Qual der Wahl.
Besen-Fritze zeigte ihnen viele unterschiedliche Besen und erklärte ihnen, wofür sich jeder Einzelne von ihnen, am besten eignete. Dabei erkundigten sich Lothar und Gisela, ganz nebenbei, nach Herrn Schreien.
»Den Muffler, meint ihr. Ihr müsst nicht annehmen, dass ich nicht weiß, wie er von den meisten Menschen genannt wird. Hinter seinem Rücken, natürlich. Der würde sie alle ansonsten jagen, bis hinter Timbuktu, wenn’s sein muss, und er davon wüsste.«
»Wirklich doch so weit«, staunte Lothar, der keine Ahnung hatte, wo dieses Hinter Timbuktu überhaupt lag.
»Die vielen Besen, die er immer bei mir kauft,« er schaute die Kinder besorgt an, »braucht er die, um euch damit zu jagen?«
Beide schüttelten den Kopf.
»Nein, das nicht. Aber er klopft damit gegen die Decken und auf die Böden«, erklärte Gisela dem Mann.
»Hm«, machte der nur, und versuchte, nachzudenken.
»Was ist denn, wenn Sie ihm keine Besen mehr verkaufen?«, kam Lothar endlich mit seiner Frage heraus.
Besen-Fritze schüttelte den Kopf. »Das geht nicht. Zum einen ist es mein Geschäft, und zum anderen, wenn ich ihm die Besen nicht verkaufe, geht er in ein anderes Geschäft und kauft sie dort.«
»Dann muss er aber weiter laufen. Vielleicht verliert er dabei sogar auch die Lust daran.« Lothar schaute ihn, mit dem Schimmer aufkeimender Hoffnung an.
»Nein, das wird er nicht. Dieser Mann ist dermaßen grantig. Ich kenne ihn gar nicht anders«, antwortete der Ladeninhaber; und in dem Jungen starb bei diesen Worten, seine schüchtern gewagte Hoffnung, dass endlich alles einmal sein Ende haben würde.
»Wir kennen ihn auch nicht anders, als so muffig, wie er immer ist. Und das wird noch schlimmer werden, wenn unsere Mama erst einmal das neue Baby hat. Dann wird er noch mehr Besen brauchen.«
»Frau Lümmel ist schwanger. Hm, ja, da wird er noch mehr Besen brauchen, Kinder, da habt ihr wahrlich Recht. Babys können manchmal sehr viel, lange und laut schreien, wenn’s sein muss.« Besen-Fritze kratzte sich am Kinn.
»Vielleicht muss es aber auch nicht sein, und das Baby ist von vorneherein leise«, wagte Lothar kleinlaut, zu sagen.
»Nein, wohl kaum. Das Schreien, das ist das Recht der Neugeborenen, und davon machen die meisten auch Gebrauch«, lachte Besen-Fritze.
Als er in die betroffenen Gesichter der Kinder sah, versuchte er, sie zu trösten: »Einen, wie den Muffler, den hat’s, so gut wie in jedem Haus. Und wenn du in keiner Mietswohnung, sondern in einem Mietshaus wohnst, dann lebt so ein Motzbeutel auch in deiner Straße.«
»Kennen Sie das?«, erkundigte sich Gisela. »Haben Sie auch solch einen Nachbarn?«
»Heute nicht mehr, zum Glück. Doch als ich noch ein Kind war, bei Gott, da wohnte eine alte Frau in unserer Straße, die stand von morgens bis abends draußen und wartete nur darauf, dass einer von uns Kindern zu laut wurde.« Er wehrte ab. »Die war ein böses, altes Weib. Irgendwann ist sie dann gestorben. Die Leute, die danach in das Haus eingezogen sind, die waren eigentlich recht nett. Nur der Opa, der mit ihnen eingezogen war, das war so einer, wie euer Muffler einer ist. Er war nicht ganz so schlimm, wie die Alte gewesen war, doch leicht war das Leben mit ihm auch nicht. Stets hatte er irgendetwas an uns auszusetzen. Wenn wir auf der Straße Ball gespielt haben, hat er nur darauf gewartet, dass der Ball in seinen Garten rollte.«
»Hat er ihn auch wieder rausgerückt?«, wollte Lothar wissen.
»Nein. Er hat ihn vor unseren Augen mit einem Pfadfindermesser zerschnitten.«
»Bäh! Wie gemein!« Lothar sah den Muffler vor sich, und wie er einen seiner Bälle zerschnitt. Pfui Teufel, wie fies! Doch bisher waren seine Bälle alle heil geblieben, allerdings hatten sie auch keinen Garten, und der Muffler auch nicht. Von daher war es wahrscheinlich doch auch nicht weiter verwunderlich, dass der Muffler sich bisher noch nicht an seinen Bällen, hatte, zu schaffen machen können.
»Hört zu, Kinder. Gleich muss ich schließen. Es ist Feierabend. Aber ich verspreche euch, dass ich mir etwas einfallen lassen werde, wie wir dem Muffler einen Denkzettel verpassen können, um dass er aufhört, damit, euch Kinder andauernd zu ärgern.« Er blickte zu Gisela hin. »Bis wann kommt denn euer Baby?«
»Genau weiß ich das auch nicht. Aber Papa sagt immer, nur noch einige Monate, dann ist es mit der Ruhe aus, denn unser neues Baby ist im Haus.«
»Gut, demzufolge haben wir ja noch etwas Zeit, um uns etwas auszudenken.« Er nahm einen Besen und gab ihn Gisela. »Nehmt den hier mit. Und wenn der Muffler das nächste Mal wegen euch klopft, klopft ihr einfach zurück.« In sein Gesicht legte sich ein schiefes Grinsen. »Darüber wird sich der alte Stinkbeutel sicherlich zwar noch mehr ärgern, aber zumindest weiß er dann, wie es ist, wenn einem geklopft wird.« Er nickte den Kindern aufmunternd zu.
Gisela wehrte ab. »Nein, danke. So gerne wir den Besen auch nehmen würden, aber leider, haben wir soviel Geld nicht dabei. Schon gar nicht für solch einen großen Besen.«
»Der macht aber sicherlich tollen Krach?«, überlegte Lothar, dem es leid tat, dass sie nicht genug Geld hatten, um den Besen mit nach Hause zu nehmen. Dem Muffler auch einmal mit einem Besen zu klopfen, das hätte ihm schon gut gefallen.
Besen-Fritze winkte ab. »Geht aufs Haus. Den schenke ich euch. In Erinnerung an meine eigene Kindheit.«
»Danke«, freuten sich die beiden und verließen Besen-Fritzes Laden.
Den Reisigbesen trugen sie abwechselnd stolz vor sich her. Als er ihnen jedoch zu groß und schwer wurde, zogen sie ihn hinter sich her, und auch dabei wechselten sich die Geschwister ab.