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Aratos und der Aufstieg der Achäer (251–229 v. Chr.)
ОглавлениеAlexander war 20 Jahre alt, als ihm der Thron von Makedonien und die Verantwortung, die Griechen auf einen Feldzug gegen Persien anzuführen, übertragen wurden. Demetrios Poliorketes hatte dasselbe Alter, als er 307 v. Chr. Athen befreite, woraufhin ihm von den Athenern göttliche Ehren zuteilwurden. Als Pyrrhus 298/297 v. Chr. nach Epirus zurückkehrte, um seinen Thron zurückzugewinnen, war er 21 Jahre alt. Und im Alter von 20 Jahren |84|beendete Antiochos III. den Aufstand in den östlichen Provinzen des Seleukidenreichs, das er 220 v. Chr. als 17-Jähriger geerbt hatte. In Monarchien stellte der Tod von Königen junge Männer vor Herausforderungen und Gelegenheiten. In der Welt der poleis mussten junge Männer auf eine Führungsposition warten, zumindest wenn die Institutionen korrekt funktionierten; sie verbrachten ihre Jugend damit, Amtsaufgaben zu erlernen und sich durch persönliche Leistungen, soziale Verbindungen und geerbtes Vermögen einen Ruf aufzubauen. Nur in Krisenzeiten konnten Männer, die gerade erst das Alter eines Vollbürgers erreicht hatten, die Initiative ergreifen. Einer dieser Männer war Aratos. Er nutzte die politische und soziale Krise im Norden der Peloponnes zu seinem Vorteil und prägte mit seinem Handeln die Geschichte von ganz Griechenland.
Die Peloponnes war im 3. Jahrhundert immer noch eine Welt der poleis; aber deren politische Ordnung war durch Jahrzehnte sozialer Unruhen und Eingriffe durch Monarchen durcheinandergeraten. Wie in Syrakus und Kleinasien hatten ehrgeizige Männer persönliche Herrschaften errichtet. In zeitgenössischen Quellen werden sie „Tyrannen“ genannt, obwohl sie ihre autokratische Herrschaft in der Regel unter dem Deckmantel eines traditionellen Amtes verbargen. Argos wurde nacheinander von einer ganzen Reihe von Tyrannen aus einer Elitefamilie regiert, die mit der Unterstützung von Antigonos Gonatas an die Macht gelangt war. Tyrannen herrschten auch in Megalopolis und Sikyon. Korinth unterstand der direkten Kontrolle von Antigonos Gonatas – er hatte seinen Halbbruder Krateros als Kommandanten der Garnison und damit im Grunde als Statthalter eingesetzt. Indem er diese Tyrannen stürzte, sollte Aratos das Geschick der Peloponnes für ein Jahrhundert verändern.
Geboren um 271 v. Chr., hatte Aratos schon in seiner Kindheit politische Gewalt erlebt. Sein Vater Kleinias war ein Mitglied einer der führenden Familien in Sikyon und ein Gegner der Tyrannen. Als Aratos sieben Jahre alt war, ergriff ein neuer Tyrann die Macht; sein Vater wurde getötet, Aratos gelang es, nach Argos zu fliehen. Obwohl er sich im Exil befand, erhielt er die für Personen seines Standes übliche Erziehung, erfuhr Bewunderung als Athlet und wurde zum Anführer der exilierten Sikyonier. Er war 20, als er 251 v. Chr. eine kleine Gruppe von Exilanten nach Sikyon zurückführte. Sie kletterten bei Nacht über die hohe Stadtmauer, nahmen die Wachen gefangen und verbreiteten die Nachricht von der Revolte. Die Bürger erhoben sich gegen den Tyrannen Nikokles und setzten seinen Palast in Brand, und letzten Endes wurde die Tyrannenherrschaft von Sikyon gestürzt, wobei nur |85|eine Person ums Leben kam. Um zu vermeiden, dass es zum Bürgerkrieg kam, als die heimkehrenden Exilanten ihren Besitz zurückforderten, ergriff Aratos zwei Maßnahmen: Er machte Sikyon zum Mitglied eines alten, aber bis dahin unbedeutenden Städtebundes, des Achäischen Bundes, und er ließ sich von demjenigen König finanziell unterstützen, der von der Schwächung der makedonischen Macht in Griechenland profitieren würde: vom König von Ägypten. Aratos’ Entscheidung, Sikyon dem Achäischen Bund beitreten zu lassen, hatte weitreichende Konsequenzen für die gesamte Peloponnes und die griechische Geschichte.
Bis zur Mitte des 3. Jahrhunderts v. Chr. gab es auf der Peloponnes Gruppen von Gemeinwesen, die sich in einigen Punkten unterschieden: im Dialekt, hinsichtlich der mythischen Gründungsheroen, auf die sie ihre Geschichte zurückführten, und in ihren politischen Institutionen. Einige dieser Gruppen (die Achäer, Eleier und Arkader) waren in losen Bündnissen organisiert, sogenannten koina. In klassischer Zeit war der bedeutendste Städtebund derjenige der Arkader im Herzen der Peloponnes. Das koinon der Achäer hatte nie eine wichtige Rolle gespielt. Ursprünglich bestand es aus zwölf Gemeinwesen im Nordwesten der Peloponnes. Zwei dieser Städte, Helike und Olenos, wurden 373 v. Chr. von einem Erdbeben und dem davon verursachten Tsunami zerstört, und die übrigen Städte verfielen aufgrund der Einmischungen der makedonischen Könige in einen Zustand der Zwietracht. Um 280 v. Chr. wurde der Bund auf Initiative der Städte Dyme, Patrai, Pharai und Tritaia wiederbelebt. 275/274 v. Chr. zogen die anderen Städte nach, vertrieben Tyrannen und Garnisonen, und der Städtebund wurde neu organisiert unter der Führung eines Sekretärs und zweier Generäle (später auf einen reduziert), die jährlich gewählt wurden. Die Möglichkeiten, die eine solche Zusammenarbeit hinsichtlich der Freiheit von Tyrannenherrschaft und der Unabhängigkeit von Makedonien bot, machten den Achäischen Bund für Aratos attraktiv. Als Sikyon, eine Stadt auf der gegenüberliegenden Seite der Peloponnes, dem Bund beitrat, veränderte das seinen Charakter – es handelte sich bis dahin um einen regionalen Städtebund. Der Achäische Bund beschritt einen Weg, der ihn zunächst zu einer peloponnesischen und später zu einer griechischen Macht werden ließ.
245 v. Chr. wurde Aratos in das höchste Amt gewählt, das Amt des Generals (strategos). Um diesen Städtebund in eine einflussreiche Macht in Griechenland zu verwandeln, musste er sich der makedonischen Vorherrschaft in Südgriechenland entgegenstellen. Das wichtigste Ziel war hierbei Korinth, eine Stadt von größter strategischer Bedeutung. Dort bewachte |86|eine makedonische Garnison die Zitadelle von Akrokorinth, die den Verkehr zwischen Zentralgriechenland und der Peloponnes kontrollierte. Aratos führte eine kleine Einheit von 400 Mann durch einen Geheimgang in die Zitadelle, besiegte die Besatzungstruppen und befreite Korinth, das sich sofort dem Bund anschloss. Von diesem Erfolg ermutigt, zogen Megara, Troizen und Epidauros nach, vertrieben ihre makedonischen Garnisonen und traten dem Bund bei. In seiner durchgängigen Amtszeit als General von 241 bis 235 v. Chr. stürzte Aratos Tyrannen in mehreren Städten, Argos allerdings, die Stadt, in der er seine Kindheit verbracht hatte, konnte er nicht zum Beitritt bewegen. Ein Meilenstein beim Aufstieg des Bundes zur Macht war die Entscheidung des Lydiadas, des Tyrannen von Megalopolis, seine Stadt dem Bund anzuschließen. In den folgenden Jahren wechselte Lydiadas sich mit Aratos im Amt des strategos ab (234–230 v. Chr.). Eine kurzzeitige Allianz mit dem Ätolischen Bund ermöglichte eine weitere Expansion, und 229 v. Chr. stand Aratos mit seinen Truppen vor den Toren Athens.
Einst war die Stadt Anführer der Griechen gewesen, doch nun stand sie seit 261 v. Chr. unter der Kontrolle einer makedonischen Garnison. Aratos überzeugte den Garnisonskommandanten davon, seine Truppen abzuziehen, indem er ihm einen Betrag von 150 Talenten anbot – 20 Talente steuerte Aratos selbst bei, und die verbleibende Summe wurde teils vom athenischen Staatsmann Medeios bestritten und teils vom König von Ägypten gespendet, der alles daran setzte, den makedonischen Interessen zu schaden. Die Insel Ägina, Hermione, die Mehrheit der arkadischen Städte und Argos traten nun dem Bund bei, der den Höhepunkt seiner territorialen Ausdehnung erreicht hatte, Sparta als größte Macht auf der Peloponnes in den Schatten stellte und dem Ätolischen Bund an Einfluss gleichkam. Polybios, ein Bürger des Bundes und schon früh in seinem Leben ein Kommandant seiner Kavallerie, hinterließ uns eine ungemein schmeichelhafte Beurteilung:
Im Allgemeinen liegt der Unterschied zwischen der ganzen Peloponnes und einer einzigen Stadt nur darin, dass seine Einwohner nicht von derselben Stadtmauer umgeben werden. In jeder anderen Hinsicht ist die Situation im Bund und in den einzelnen Städten nahezu identisch … nirgends lässt sich ein politisches System der Gleichheit, Redefreiheit und, kurz gesagt, der wahren Demokratie finden, das reiner ist als das der Achäer … Keinem der ursprünglichen Mitglieder werden besondere Privilegien zugestanden, und auch die neuen Mitglieder haben die gleichen Rechte.
|87|Es überrascht nicht, dass Polybios’ Sicht derart wohlwollend ausfiel; seine Hauptinformationsquelle für die Ereignisse dieser Zeit waren Aratos’ (nicht erhaltene) Memoiren. Und natürlich stellte der wichtigste Protagonist den Aufstieg dieser unbedeutenden Macht an der Peripherie zu einem der Hauptakteure der „internationalen“ Politik als Erfolgsgeschichte dar. Doch bei näherer Untersuchung der Zeugnisse zeigen sich Spannungen und Brüche, die den Achäischen Bund letzten Endes daran hinderten, die Griechen zu vereinen. Aratos und die anderen Anführer des Bundes repräsentierten eine wohlhabende Elite von Grundbesitzern, die jahrzehntelang die Macht monopolisiert hatten, bisweilen als gewählte Beamte, bisweilen als Tyrannen. Der Bund hatte zwar Prozesse für die friedliche Beilegung von Gebietsstreitigkeiten zwischen seinen Mitgliedern entwickelt, die traditionellen Feindseligkeiten aber lebten weiter. Das größte Problem bestand jedoch darin, dass der Bund völlig versagte, die gesellschaftlichen Probleme zu lösen, die sich in den vorangehenden Jahrhunderten auf der Peloponnes aufgestaut hatten. Der Bund konnte nicht zu einem glaubwürdigen Vorkämpfer der Freiheit der Griechen werden, solange er von Staatsmännern angeführt wurde, die nicht willens waren, die durch ökonomische und soziale Ungleichheit verursachten Spannungen zu lindern. Dieses Problem trat weniger als zwei Jahrzehnte nach der Befreiung von Korinth zutage und führte zu einem Krieg, der sogar die Existenz des Bundes selbst bedrohte.