Читать книгу Geschichte der USA - Anke Ortlepp - Страница 88

GewerkschaftenGesellschaftGilded AgeGewerkschaften und ArbeiterbewegungArbeiterGilded Age

Оглавление

Von den negativen Begleiterscheinungen der IndustrialisierungIndustrialisierungGilded AgeIndustrialisierung, insbesondere von den Konjunktureinbrüchen, war die Masse der ArbeiterArbeiter und Farmer am härtesten betroffen. In ihren Reihen formierte sich deshalb auch der stärkste Widerstand gegen eine Entwicklung, die bewirkte, dass politische Macht und gesellschaftlicherGesellschaftGilded Age Wohlstand immer einseitiger verteilt wurden. Ohne hinreichenden sozialen und rechtlichen Schutz sahen sich die amerikanischen ArbeiterArbeiterGilded Age im Gilded AgeGilded Age nicht nur der Willkür der Unternehmer ausgeliefert, sondern gerieten auch unter psychologischen Druck und liefen Gefahr, ihr Selbstwertgefühl zu verlieren. Mentalitätsmäßig wurzelten viele noch im Handwerker-RepublikanismusRepublikanismus des frühen 19. Jahrhunderts: Sie verstanden sich als Produzenten, denen ein gewisses Maß an Unabhängigkeit zukam, deren Tätigkeit „wertvoll“ war und die für ihre Arbeit einen „gerechten“ Preis fordern durften. All dies wurde in Frage gestellt durch den Einsatz von Maschinen und die Disziplinierung der Belegschaften in den Fabriken, durch Massenproduktion, Spezialisierung und Akkordarbeit. Menschen drohten in diesem Räderwerk zu Ersatzteilen zu werden, die man beliebig austauschen oder auch ganz beiseiteschieben konnte.

In dem auf individuellen Wettbewerb ausgerichteten sozialen KlimaGesellschaftGilded Age des Gilded AgeGilded Age fiel es den Arbeiterinnen und ArbeiternArbeiterGilded Age sehr schwer, organisierte Interessenvertretungen aufzubauen. Ein erster überregionaler Zusammenschluss von craft unions, die 1866 gegründete National Labor UnionNational Labor Union, ging in der Wirtschaftskrise der 1870er Jahre unter. Erfolgreicher waren die Knights of LaborKnights of Labor, die aus geheimbundartigen lokalen Zellen hervorgingen und 1878 einen Nationalkongress in PennsylvaniaPennsylvania abhielten. Im Unterschied zu den craft unions nahmen die KnightsKnights of Labor ArbeiterArbeiterGilded Age verschiedener Berufe auf und ließen nach anfänglichem Zögern auch FrauenFrauenArbeitArbeiterFrauen und AfroamerikanerAfroamerikanerGewerkschaftenAfroamerikanerGilded Age zu. Nachdem sie ihren geheimbündlerischen Prinzipien und Ritualen entsagt hatten, stieg die Mitgliederzahl bis Mitte der 1880er Jahre auf 700.000 Männer und FrauenFrauenArbeit in ca. 15.000 Ortsvereinen, darunter auch Angehörige der Mittelschicht wie kleine Geschäftsleute und Zeitungsverleger. Die wichtigsten konkreten Forderungen lauteten: Verbot der KinderarbeitKinderarbeit, gleicher Lohn bei gleicher ArbeitArbeiterFrauen für Männer und FrauenFrauenArbeit, Verstaatlichung der EisenbahnEisenbahn2. Hälfte 19.Jh.- und Telegraphengesellschaften, Einführung des Acht-Stunden-Tags und Drosselung der EinwanderungEinwanderungGilded Age. Aufs Ganze gesehen schwebte den KnightsKnights of Labor eine „kooperative“, genossenschaftliche Gesellschaftsform vor, wie sie auch in der utopischen Literatur der Zeit, etwa von Edward BellamyBellamy, Edward und Henry Demarest LloydLloyd, Henry Demarest, dargestellt wurde. Zu diesem Ziel wollte man auf dem Wege der Gesetzgebung durch Reformen gelangen, nicht mit einer Strategie der „revolutionären Umwälzung“, wie sie die Kommunistische InternationaleKommunistische Internationale propagierte (die in einigen amerikanischen Städten Sektionen unterhielt).

Obwohl die Führung der Knights of LaborKnights of Labor den Streik als gewerkschaftliches Kampfmittel ablehnte, konnten sich die Mitglieder den häufig spontan aufflammenden Konflikten gar nicht entziehen und waren an allen großen Streikbewegungen der Zeit maßgeblich beteiligt. Einen ersten Höhepunkt bildete der EisenbahnerstreikEisenbahn2. Hälfte 19.Jh. von 1877, der aus Protest gegen Lohnkürzungen in West VirginiaWest Virginia begann, dann aber eine SolidarisierungswelleGesellschaftGilded Age auslöste, die auch andere Industrien erfasste und bis in den Mittleren WestenMittlerer Westen und an die Westküste reichte. Die EisenbahngesellschaftenEisenbahn2. Hälfte 19.Jh. antworteten mit Massenentlassungen, dem Einsatz von Streikbrechern und der Unterwanderung der Streikkomitees durch Privatdetektive der Agentur Pinkerton, die „schwarze Listen“ der Arbeiterführer aufstellte. Nach schweren Kämpfen zwischen streikenden ArbeiternArbeiterGilded Age und Staatenmilizen in PittsburghPittsburgh, ChicagoChicago und St. LouisSt. Louis, Missouri befahl Präsident HayesHayes, Rutherford B. den Einsatz von Bundestruppen, um die Unruhen niederzuschlagen und die Ordnung wiederherzustellen. Im Umfeld des StreiksEisenbahn2. Hälfte 19.Jh., der insgesamt über 100 Todesopfer forderte, entstanden die ersten unabhängigen ArbeiterparteienArbeiterGilded Age, die sich an lokalen und regionalen Wahlen beteiligten. Am äußersten Rand des politischen Spektrums bildeten sich anarchistische Zirkel, die weltweit geheime Kontakte unterhielten und „direkte Aktionen“ befürworteten. Eine wichtige Rolle spielte dabei der ehemalige Reichstagsabgeordnete Johann MostMost, Johann, der 1878 nach Erlass des SozialistengesetzesSozialismus ausgewiesen worden war und seit 1882 in den USA lebte.

In den 1880er Jahren stellten sich Mitglieder der ArbeiterparteienArbeiterGilded Age und der Knights of LaborKnights of Labor häufig an die Spitze von Streiks. 1885 feierten sie einen letzten großen Sieg, als sie die EisenbahngesellschaftenEisenbahn2. Hälfte 19.Jh. im SüdwestenSüdwesten der USA durch Arbeitsniederlegungen und Boykottaktionen zur Rücknahme von Lohnkürzungen zwangen. Eine Wende markierte dann aber der schwere Bombenanschlag auf dem Haymarket in ChicagoChicago, dem am 4. Mai 1886 sieben Polizisten zum Opfer fielen. Als Rädelsführer wurde der deutschstämmige Anarchist August SpiesSpies, August verhaftet, der mit MostMost, Johann befreundet war und an der Spitze des „Revolutionären Clubs“ von Chicago stand. Damit war nicht nur der positive Eindruck zerstört, den die Demonstration von über 100.000 Menschen am 1. Mai für den Acht-Stunden-Tag gemacht hatte, sondern auch der Schwung der Knights of LaborKnights of Labor gebrochen. Während sich die Führung noch entschiedener als zuvor von Gewaltaktionen und StreiksEisenbahn2. Hälfte 19.Jh. distanzierte, wendeten sich viele ArbeiterArbeiterGilded Age enttäuscht von der Organisation ab, deren Mitgliederschaft bis 1895 auf ca. 70.000 zusammenschmolz. Trotz einer weltweiten Kampagne zur Rettung der zum Tode verurteilten Anarchisten wurden SpiesSpies, August und drei weitere Männer am 11. November 1887 hingerichtet. Heute geht man davon aus, dass es sich bei der „Haymarket-AffäreHaymarket-Affäre“ um eine Provokation der Polizei von Chicago gehandelt hat, die anarchistische Gruppen infiltriert und mit Sprengstoff versorgt hatte.

Das Erbe der Knights of LaborKnights of Labor trat die American Federation of Labor (AFLAmerican Federation of Labor (AFL))American Federation of Labor (AFL) an, die allerdings einen ganz anderen Charakter trug und unterschiedliche Ziele verfolgte. Sie entstand 1881 in PittsburghPittsburgh auf Initiative von Samuel GompersGompers, Samuel, dem Führer der Cigar Makers’ UnionCigar Makers’ Union, als Zusammenschluss von Facharbeiterverbänden. GompersGompers, Samuel’ Vorbild war der englische New Unionism, dem es darauf ankam, die Interessen der ArbeiterArbeiterGilded Age in den einzelnen Branchen durch finanzstarke und schlagkräftige Organisationen zu vertreten. Die AFLAmerican Federation of Labor (AFL) entschied sich von vornherein für einen pragmatischen Kurs, mit dem die Arbeitsbedingungen und die materielle Lage der Arbeiter innerhalb des bestehenden SystemsGesellschaftGilded Age schrittweise verbessert werden sollten. Wichtigste Waffe war der Streik, der aber ebenfalls nur in diesem begrenzten, „unpolitischen“ Rahmen eingesetzt wurde. Im Unterschied zu den KnightsKnights of Labor legten die AFLAmerican Federation of Labor (AFL)-Verbände wenig Wert auf die Mitgliedschaft von ungelernten Arbeitern sowie von FrauenFrauenArbeitArbeiterFrauen und AfroamerikanernAfroamerikanerGewerkschaftenAfroamerikanerGilded Age. Die ArbeiterinnenFrauenArbeit, die mit am schwersten unter den ausbeuterischen Bedingungen in den sweatshops der Textilindustrie zu leiden hatten, griffen daraufhin zur Selbsthilfe. Die verschiedenen Frauengewerkschaften vereinigten sich 1903 – ebenfalls nach englischem Vorbild – zur Women’s Trade Union LeagueWomen’s Trade Union League. Als Teil der reformerischen FrauenbewegungFrauenFrauenbewegung trat sie für den Schutz der Frauen am Arbeitsplatz ein, förderte die FrauenbildungBildungswesen und kämpfte mit für das FrauenwahlrechtFrauenWahlrechtWahlrechtFrauen.

Durch den Übertritt vieler ehemaliger Knights of LaborKnights of Labor wuchs die AFLAmerican Federation of Labor (AFL) bis zur Jahrhundertwende auf über 40 Einzelgewerkschaften mit Tausenden von local unions und ca. 1 Million Mitglieder an. Einer Reihe von Erfolgen standen einige schwere Niederlagen gegenüber, wie 1892 beim StreikPullman-Streik der Stahlarbeiter gegen den Carnegie-KonzernCarnegie Steel Co. in HomesteadHomestead Streik, PennsylvaniaPennsylvania, oder 1894, als der Lohnkampf gegen George PullmanPullman, George, den Besitzer der größten EisenbahnwagenfabrikEisenbahn2. Hälfte 19.Jh., in ChicagoChicago scheiterte. Beide Auseinandersetzungen wurden von ArbeiterArbeiterGilded Age- wie Unternehmerseite mit kaum geringerer Härte als der Streik von 1877 geführt. Sie zeigten die Grenzen der AFLAmerican Federation of Labor (AFL) auf, die nicht nur mit der wachsenden Macht der Konzerne rechnen musste, sondern im Ernstfall auch die Bundesregierung und die öffentliche MeinungÖffentliche Meinung der USA gegen sich hatte. Auf dem Tiefpunkt der Depression im Jahr 1894 waren 2,5 Millionen Menschen arbeitslos, und es wurden im ganzen Land 1.300 Streiks registriert. Eine neue Form des Massenprotests erfand zu diesem Zeitpunkt kein Gewerkschafter, sondern der Geschäftsmann Jacob E. CoxeyCoxey, Jacob E. aus OhioOhio, der Arbeitslose für einen „Marsch auf WashingtonWashington, D.C.“ sammelte. Statt der erhofften 400.000 nahmen allerdings nur einige hundert Menschen teil, und die Washingtoner Polizei konnte Coxey’s Army schnell zerstreuen. Der Propagandaeffekt dieser Aktion sollte aber noch viele Verfechter von Reformideen zur Nachahmung anspornen.

Selbst unter den extremen Bedingungen des Gilded AgeGilded Age entwickelte sich in den USA keine starke sozialistischeSozialismus BewegungGesellschaftGilded Age. Die amerikanische ArbeiterschaftArbeiterGilded Age war ethnisch und interessenmäßig zu differenziert und geographisch zu mobil, um einen einheitlichen Willen entwickeln und kraftvoll durchsetzen zu können. Immigration, Westwanderung und individuelles Erfolgsstreben hielten die Gesellschaft in ständigem Fluss und ließen ein Bewusstsein fester und permanenter Klassengegensätze, wie es um diese Zeit in vielen europäischen Staaten herrschte, nicht aufkommen. Karl MarxMarx, Karl, Friedrich EngelsEngels, Friedrich und andere Theoretiker und Praktiker der Revolution standen vor einem Rätsel: Trotz einer potenziell „revolutionären Situation“ schienen die USA das einzige Land zu sein, das den Übergang zum Sozialismus auf friedlichem Wege bewerkstelligen konnte. Im Vergleich zu anderen Industrieländern blieb der Organisationsgrad der amerikanischen ArbeiterGesellschaftGilded AgeArbeiterGilded Age gering: 1900 gehörten von knapp 30 Millionen Beschäftigten nur etwa eine Million einer Gewerkschaft an. Große Teile der Arbeiterschaft, wie die Ungelernten, ethnische Mindeheiten wie AfroamerikanerAfroamerikanerGewerkschaftenAfroamerikanerGilded Age, Asiaten, Mexikaner und FrauenArbeiterFrauenFrauenArbeit, wurden von den etablierten GewerkschaftenGewerkschaften sogar bewusst vernachlässigt. Zudem standen die Arbeiterinnen und Arbeiter in ihrer Mehrzahl der IndustrialisierungIndustrialisierungGilded AgeIndustrialisierung keineswegs ablehnend gegenüber, sondern wollten an den wirtschaftlich-technischen Fortschritten teilhaben und sie zur Besserung ihrer persönlichen Lage nutzen. Wenn sie Protest gegen Missstände erhoben, dann taten sie das in einer langen republikanisch-demokratischen Tradition, die ihnen das Vertrauen gab, den politischen Entscheidungsprozess beeinflussen und Abhilfe durch Reformen schaffen zu können. Auf diese Weise übten die Gewerkschaften eine wichtige Korrekturfunktion bei der Entstehung des IndustriestaatesIndustrialisierung aus: Sie lenkten die Aufmerksamkeit auf die Probleme und Bedürfnisse der ArbeiterschaftArbeiterGilded Age und erreichten, dass sich Intellektuelle und Politiker mit sozialen Fragen beschäftigten und dass in der Öffentlichkeit Reformbereitschaft entstand. Die von Gewerkschaften und Arbeiterparteien geschaffene „Arbeiterkultur“ in Form von Arbeitervereinen, Arbeiterzeitungen, BildungsBildungswesen- und SozialeinrichtungenSozialwesen etc. wirkte der gesellschaftlichen Isolierung und der Zerstörung des Selbstwertgefühls entgegen. Hierzu leisteten gerade auch deutscheEinwanderungEthnienDeutsche Einwanderer in Städten wie MilwaukeeMilwaukee, Wisconsin, ChicagoChicago, Cleveland, St. LouisSt. Louis, Missouri und CincinnatiCincinnati bedeutende Beiträge. Letztlich nahmen die Vertreter der ArbeiterschaftArbeiterGilded Age damit an einer sehr viel übergreifenderen Entwicklung teil, die zur Organisation von Interessen außerhalb der großen Parteien hinführte. Diese Ausformung vielfältiger Interessengruppen wurde zur Signatur der amerikanischen Gesellschaft im Zeitalter des ProgressivismusProgressivismus.

Geschichte der USA

Подняться наверх