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Die Rebellion der Populisten und die Wahlen von 1896

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In den 1890er Jahren schien es kurzfristig so, als würden sich die Unzufriedenheit der ArbeiterschaftArbeiterGilded Age und die Proteststimmung der Farmbevölkerung zu einer ernsthaften Herausforderung des bestehenden Wirtschafts- und GesellschaftssystemsGesellschaftGilded Age verbinden. Auf dem Agrarsektor konnten sich genossenschaftliche Modelle, wie sie seit dem BürgerkriegBürgerkrieg von Selbsthilfeorganisationen der Farmer, den GrangesGranges, z.T. mit Unterstützung der Bundesregierung erprobt wurden, ebenso wenig gegen die kapitalistischen Interessen durchsetzen wie in der Industrie. Nach einer kurzen Blütezeit in den 1870er Jahren entwickelten sich die Granges wieder zu Vereinen zurück, die durch Unterhaltung und Bildung die Einsamkeit des Landlebens bekämpften. Der politische Unmut der Farmer nahm aber zu, weil ab Anfang der 1880er Jahre die Preise für AgrarprodukteLandwirtschaft2. Hälfte 19.Jh. schneller absanken als der Index der Verbraucherpreise insgesamt, wodurch sich die Schere zwischen Zinsbelastung und Einkommen immer weiter öffnete. Die Initiative ging nun von den Granges auf die Farmers’ AlliancesFarmers’ Alliance über, die – beginnend in TexasTexas – systematischer und aggressiver um Mitglieder warben. Ihre Hauptthemen waren der Mangel an Zahlungsmitteln und billigen Krediten sowie die Tarifgestaltung der EisenbahngesellschaftenEisenbahn2. Hälfte 19.Jh., die Familienfarmer gegenüber der vordringenden Agrarindustrie benachteiligten. Bis 1890 hatte sich die Bewegung zu zwei großen Organisationen verfestigt: Im SüdwestenSüdwesten arbeiteten 2 Millionen weiße und 1 Million schwarze Farmer – wenngleich in getrennten Zweigen – in der Southern AllianceSouthern Alliance zusammen, und im Mittleren WestenMittlerer Westen, vor allem in KansasKansas, NebraskaNebraska und den Dakotas existierte eine eigene Alliance mit ca. 2 Millionen weißen Mitgliedern.

Praktische Reformvorschläge wie den subtreasury planFinanzwesen1860–1918, der auf eine Stabilisierung der GetreidepreiseLandwirtschaft2. Hälfte 19.Jh. durch bundesstaatliche Ankäufe und Lagerhaltung zielte, begleiteten die Alliances mit einer emotionalen politischen Kampagne, die sie im Namen der „wirklichen Produzenten“ gegen die korrumpierende Macht des Kapitals, verkörpert in „der Wall StreetWall Street“, führten. Jefferson’sche Ideen einer „agrarischen DemokratieGesellschaftGilded Age“ der unabhängigen Farmer verbanden sich in vielen Gegenden mit Formen evangelikaler Erweckungsbewegungen: Die Alliances hielten ihre Versammlungen häufig als camp meetings ab, auf denen die Sprecher – darunter Frauen wie Mary E. LeaseLease, Mary E. aus KansasKansas – die alten Tugenden beschworen und vor einem apokalyptischen Ende der amerikanischen Republik warnten. Ab 1890 beteiligten sich die Alliances mit eigenen Kandidaten an den Wahlkämpfen und errangen spektakuläre Erfolge: Sie eroberten Mehrheiten in zehn Staatenparlamenten, stellten Gouverneure, z.B. in TexasTexas, und schickten Abgeordnete und Senatoren nach WashingtonWashington, D.C.. Aus der besonders aktiven Kansas Alliance ging 1890 die People’s PartyPeople’s Party hervor, die sich rasch über den ganzen WestenWesten und SüdwestenSüdwesten ausbreitete und deren Anhänger populists genannt wurden. Im Wahljahr 1892 schlossen sich die beiden überregionalen Alliances zusammen und beriefen den Gründungskongress der nationalen People’s Party auf den 4. Juli nach OmahaOmaha, Nebraska in NebraskaNebraska ein. Die 800 Delegierten klagten die etablierten Parteien an, sie trieben die Nation in den moralischen, politischen und wirtschaftlichen Ruin und spalteten das amerikanische Volk in zwei KlassenGesellschaftGilded Age – die Landstreicher (tramps) und die Millionäre.

Das Parteiprogramm forderte die Verstaatlichung der Eisenbahnen, ein auf Gold und Silber basierendes Währungssystem, staatliche Hilfen für die LandwirtschaftLandwirtschaft2. Hälfte 19.Jh. gemäß dem subtreasury plan, eine progressive Einkommensteuer, die Direktwahl der Senatoren sowie – mit Blick auf die GewerkschaftenGewerkschaften – eine Beschränkung der EinwanderungEinwanderungGilded Age und kürzere ArbeitszeitenArbeiterGilded Age in der Industrie. Im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen von 1896 gelang es den Populisten, den Kampf um die Silberwährung zum alles beherrschenden Thema zu machen. Der demokratische Präsident Grover ClevelandCleveland, Grover büßte seine Chancen zur Renominierung ein, als er sich auf den GoldstandardGoldstandard festlegte und einen Stabilisierungskredit mit einem Bankenkonsortium unter Führung von J.P. MorganMorgan, John Pierpont vereinbarte. An seiner Stelle schickten die DemokratenDemokratische ParteiGilded Age u. Progressivismus einen 36-jährigen Kongressabgeordneten aus NebraskaNebraska, William Jennings BryanBryan, William Jennings, ins Rennen, der den Parteikonvent mit religiösem Pathos und dem Ruf nach „moralischer Erneuerung Amerikas“ begeisterte. Die Kandidatur BryansBryan, William Jennings brachte die People’s PartyPeople’s Party in Bedrängnis, da die DemokratenDemokratische ParteiGilded Age u. Progressivismus nun die populistische Parole free silver übernahmen. Auf dem Konvent der People’s Party in St. LouisSt. Louis, Missouri entschloss sich eine Mehrheit zur Unterstützung BryansBryan, William Jennings und setzte seinen Namen zusammen mit einem populistischen Vizepräsidentschaftskandidaten auf das so genannte Demopop Ticket. Die RepublikanerRepublikanische ParteiGilded Age u. Progressivismus nominierten William McKinleyMcKinley, William, einen Senator aus OhioOhio, der das Vertrauen der WirtschaftWirtschaft genoss, sich als Vermittler im Pullman-Streik aber auch SympathienGesellschaftGilded Age in der ArbeiterschaftArbeiterGilded Age erworben hatte.

Für die Wähler war die Alternative 1896 so klar wie lange nicht mehr: BryanBryan, William Jennings und die Populisten versprachen, die Geldknappheit mit Hilfe der Silberwährung zu beseitigen, die Wall StreetWall Street-“Verschwörer“ zu entmachten und die Regierung der USA wieder in die Hände des Volkes zu legen. Die Republikaner priesen dagegen sound money als Grundlage der sozialen Ordnung und behaupteten, dass allein der GoldstandardGoldstandard die Erholung der amerikanischen WirtschaftWirtschaft gewährleisten und die Kreditwürdigkeit der USA im Ausland erhalten könne. Angesichts dieser Polarisierung sahen ängstliche Gemüter politische Unruhen oder sogar eine Revolution voraus. Tatsächlich blieb aber alles ruhig, als sich McKinleyMcKinley, William im November mit 600.000 Stimmen Vorsprung und 271 zu 176 Wahlmännerstimmen klarer als erwartet gegen BryanBryan, William Jennings durchsetzte. Erstaunlicherweise fielen sogar agrarische Staaten des Mittleren WestensMittlerer Westen wie IowaIowa und MinnesotaMinnesota an die RepublikanerRepublikanische ParteiGilded Age u. Progressivismus, vermutlich, weil sich die Krise der LandwirtschaftLandwirtschaft2. Hälfte 19.Jh. dort nicht ganz so schwer auswirkte. Entscheidend war aber, dass es den DemokratenDemokratische ParteiGilded Age u. Progressivismus nicht gelang, den Interessengegensatz zwischen Farmbevölkerung und Industriearbeiterschaft zu überwinden. Die ArbeiterArbeiterGilded Age lehnten in ihrer Mehrheit inflationäre Maßnahmen ab und wünschten niedrige Lebensmittelpreise, und Gewerkschaftsführer wie GompersGompers, Samuel betrachteten die Farmer nicht als Proletarier, sondern als kapitalistische Kleinunternehmer. Die RepublikanerRepublikanische ParteiGilded Age u. Progressivismus schnitten deshalb in Industriezentren besonders gut ab, was ihnen z.B. Erfolge in den Schlüsselstaaten IllinoisIllinois und OhioOhio sicherte. Im Weißen Haus profitierte McKinleyMcKinley, William dann von einer Reihe günstiger Umstände:

Der weltweite Preisrückgang wurde gestoppt, die Nachfrage nach Agrarprodukten und Industriegütern nahm wieder zu, und die Währungsproblematik erledigte sich fast von selbst durch große Goldfunde in AlaskaAlaska.

Die Wahlen von 1896 markieren in mehrfacher Hinsicht einen Einschnitt in der Geschichte der USA: Zu den wichtigsten unmittelbaren Folgen gehörte der Zusammenbruch der populistischen Bewegung, die mitsamt der People’s PartyPeople’s Party in der Demokratischen Partei aufging. Der PopulismusPopulismus scheiterte hauptsächlich an seiner ambivalenten Haltung zur Industriegesellschaft, die er teils mit religiöser Inbrunst und antimodernistischer Radikalität ablehnte, teils auf pragmatische Weise reformieren wollte. Politik wurde nun nicht nur insgesamt professioneller betrieben, sondern die beiden großen Parteien gingen auch stark verändert aus dem Wahlkampf hervor: Die Republikaner streiften ihr puritanisch-sozialreformerisches Erbe allmählich ab, öffneten sich der Politik der Interessengruppen und schmiedeten eine Koalition von business and labor. Dafür schlüpfte die Demokratische ParteiDemokratische ParteiGilded Age u. Progressivismus – zumindest in den Nordstaaten – in eine Rolle, die seit Lincolns Zeiten von den RepublikanernRepublikanische ParteiGilded Age u. Progressivismus gespielt worden war: Sie wurde zum Sammelbecken von Reformgruppen, die eine bessere Gesellschaft und eine stärker an moralischen Werten ausgerichtete Politik befürworteten. Innerhalb des Zweiparteien-Systems fand also gewissermaßen ein Austausch der Parteiprofile statt. Das half zunächst hauptsächlich den RepublikanernRepublikanische ParteiGilded Age u. Progressivismus, doch später kam das Reformimage der DemokratischenDemokratische ParteiGilded Age u. Progressivismus Partei den Präsidenten Woodrow WilsonWilson, Woodrow, Franklin D. RooseveltRoosevelt, Franklin D., John F. KennedyKennedy, John F. und Lyndon B. JohnsonJohnson, Lyndon B. zugute. Schließlich vollzog sich auch ein Wandel im öffentlichen Bewusstsein, der allerdings widersprüchlich ausfiel: Einerseits erwartete man von den Regierungen vermehrte Aktivitäten und Mitverantwortung für das wirtschaftliche Wohlergehen und den sozialen Fortschritt; andererseits nahm die Parteienbindung der Bürger ab und begann die WahlbeteiligungWahlbeteiligung zu sinken. Wettgemacht wurde dieses nachlassende parteipolitische Engagement durch die Organisation von Interessen außerhalb der Parteien und das Wiederaufleben von ReformbewegungenReformbewegungen, die den religiös-moralischen Impuls mit bürokratisch-sozialwissenschaftlichen Methoden verbanden. Damit traten die USA als erster Industriestaat in das Zeitalter der pluralistischen Demokratie ein.

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