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Das erste Weihnachten im Krieg

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Ein weiterer kriegsrelevanter Beitrag vonseiten der Menschen in der Heimat ist das Schicken von Lebensmitteln, Kleidung und anderen Gebrauchsgegenständen an die Front. Ein Großteil der Feldpostbriefe dreht sich um die Frage, was der Angehörige am dringendsten braucht, welche Pakete wann und in welchem Zustand ankamen und was als Nächstes geschickt werden soll:

»[S]chreib mal gleich, ob du mit warmem Unterzeug versehen bist, sonst schreib uns, was du haben mußt, dann schicken wir es dir, auch wenn du Lebensmittel haben willst schreib es gleich, wir schicken es dir gerne […].«56

Der materielle Austausch zwischen Front und Heimat ist von größter Relevanz, da er die räumliche Distanz zwischen den beiden Sphären überbrückt und eine gedankliche Verbindung zu vergangenen, besseren Zeiten herstellt. Viel wichtiger als der sich im Feldpostpaket befindende Gegenstand ist jedoch oftmals der ideelle und symbolische Wert der Sendung: »Damit du siehst daß wir deiner gedenken habe ich dir diese Strümpfe gestrickt«57, schreibt eine Frau Anfang Dezember 1914 an einen Verwandten, der an Weihnachten keinen Urlaub bekommen wird. Viele Menschen, denen es aufgrund fehlender Schreiberfahrung schwerfällt, emotionale Nähe schriftlich zu vermitteln, drücken ihre Fürsorge durch das Schicken von Paketen aus. Diese symbolische Verbindung zwischen Front und Heimat ist für alle Beteiligten insbesondere zu Weihnachten von größter Wichtigkeit und manifestiert sich im Fall des folgenden Briefes in Handschuhen und weihnachtlichen Tannenzweigen:

»Haben dir und August Wiedbrauck auch ein Paar Handschuh abgesandt die könnt Ihr doch gewiß bei dieser Kälte gut gebrauchen. Mach nur bald Platz in deinem Tornister den Du kriegst vom Weihnachtsmann 2 Pakete. Eins wird diese Tage von der Frauen Kriegshilfe abgesandt. Schreibst mir mal was alles in den Pakete gelegen hat. Die Sachen die in diesen Pakete liegen wurden alle bei Henneges gesammelt und dann dort verpackt. Auch liegt in jeden Pakete einen Tannenzweig welche wir zurecht gemacht haben diesen könnt ihr nach den Weihnachtsfeste den Franzosen hinter den Spiegel stecken.«58


Abb. 8: Weihnachtskarte

Dem Weihnachtsfest kommt eine große symbolische Bedeutung zu: Weihnachten steht nicht nur für das vergangene Leben in Friedenszeiten, sondern auch für die Hoffnung auf eine bessere Zukunft nach dem Krieg. Zudem wird an Weihnachten der Kontrast zwischen der gegenwärtigen, oft hoffnungslos erscheinenden Situation und dem imaginierten Sehnsuchtsort Heimat am deutlichsten spürbar. Dieses nostalgische Defizit wird durch das Versenden von emotional aufgeladenen Gegenständen kompensiert, was folgender Brief zeigt, der gleich vier Absenderinnen hat:

»Lieber Friedrich! Wir schicken dir hier in kleinem Masse einen Christbaum. Haben dir ein Herz mit bei gelegt, denn heute war hier gerade Markt. Luise

Geliebter Friedrich Sende dir die besten Grüße von der Marktmusik. Dann wollte ich mal anfragen, ob du nicht ein paar Tage abbrechen könntest und uns den Christbaum in den Fuß machen? […] Erna

Inniggeliebter Friedrich!!! Schicken dir von der Marktfeier bisschen Reste laß Sie dir gut schmecken. Es grüßt L. Schrader […]

Vom Himmel gepurzelter Friedrich. Auch ich sende dir einen schönen Gruß Erna, Lischen u. Line tun mir heute abend Gesellschaft. Da dachten wir an Euch […] u. schicken Euch darum ein kleines Paketchen. Laßt es Euch recht gut schmecken. Auf ein baldiges Wiedersehen freut sich Helene Wiedbrauck.

Wünschen Dir ein fröhliches Weihnachtsfest!!!«59

Wie entscheidend die Kommunikation mit der Heimat insbesondere in der Weihnachtszeit für die Stärkung des Durchhaltewillens war, erkannte auch die Oberste Heeresleitung und erhöhte das erlaubte Maximalgewicht von Feldpostpaketen zur Weihnachtszeit:

»[Wir] schicken heute wieder ein Paket ab mit Cigarren und Strümpfen, die Pakete dürfen nur 1 Pfund wiegen, sonst legten wir mehr hinein, aber zu Weihnacht dürfen sie wieder schwerer sein.«60

Weil die weihnachtliche Nostalgie und Hoffnungsprojektion eine Gleichsetzung mit dem Begriffsfeld der Heimat erfährt, sind die oft sentimental wirkenden Symbole in hohem Maße politisch aufgeladen. Tannenzweige und Miniaturweihnachtsbäume sind weit mehr als nur sentimentaler Kitsch; für die Bereitschaft, weiter auszuharren und den Krieg weiter mitzutragen, spielen sie eine entscheidende Rolle. Auch wenn bei den meisten Zeitgenossen Unklarheit bezüglich der genauen Kriegsziele herrscht, haben doch die meisten eine vage Idee vom Beschützen der Heimat sowie die baldige Rückkehr in dieselbe als Ziel vor Augen. Dies war schon zu Beginn des Krieges mit der Hoffnung verbunden, an Weihnachten wieder zu Hause zu sein: »Schlagt nur fest auf Franzosen und Engländer, daß Ihr Weihnachten wieder hier seid«61 schreibt im Oktober 1914 Erna Schaper ihrem Nachbarn. Ende des Jahres besteht jedoch kein Zweifel mehr, dass sich diese Hoffnung nicht erfüllen wird. Wilhelm Franke, der in zahlreichen Briefen mit Ella Mirring den Tod ihres Verlobten Walter aufarbeitet, sieht dem Weihnachtsfest und dem kommenden Jahr mit einer melancholischen Grundstimmung entgegen:

»Nun wollen wir hoffen, daß wir uns sehen mögen, und uns von Walter erzählen können. Nun noch ein Trost zum Weihnachtsfeste, wo sonst dies heilige Fest, so manchen vereint, ist diesmal so manches Band zerrissen.«62

Briefe aus dem Krieg

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