Читать книгу Vom Abschied meines besten Freundes - Ann-Rebecka Madsen - Страница 8
ОглавлениеMein bester Freund und ich
Als ich ein junger Teenie war, saß ich mal in meinem Zimmer und schrieb einen Zettel. Ich sehe mich noch in meinem Kinderzimmer vergnügt in einer Ecke sitzen, mit einem leeren Blatt Papier vor mir und einem schwarzen Stift, der von meiner Hand geführt schicksalhafte Zeilen schrieb. Es war ein Wunschzettel!
Jahre später, am Ende meiner Sommerferien war ich mit meinem Vater im Wohnmobil unterwegs durch Deutschland und in mir kam der Wunsch auf, mal wieder zu reiten. Wir kauften wahllos zwei oder drei Pferdezeitschriften, die wir in einem Café durchblätterten. Darin fand ich eine winzige Anzeige des Gangpferdezentrums in Aegidienberg mit der Telefonnummer. Wir waren nicht weit weg vom Hof, sodass wir wir für den nächsten Tag einen Ausritt verabredeten.
Insgesamt 13 Pferde bin ich geritten — denn, ja, es war vielmehr ein Proberitt für den Pferdekauf, als ein simpler Touri-Ausritt durch Wald und Flur. Walter Feldmann war wirklich ein guter Geschäftsmann. Doch es war kein Pferd dabei, das mir ernsthaft zusagte. Auf die Frage, was ich mir denn wünschte, lautete die Antwort: „Einen Falben!“ — Das war er, Funi.
Es stand noch ein hübscher Schimmelwallach namens Scout in der engeren Auswahl, aber ich entschied mich für Funi. Aus dem einfachen Grund, dass Scout kein isländischer Name war.
Eine tränenreiche Nacht ohne Schlaf folgte, denn das bedeutete, dass ich meinen Haflingerwallach Max und die kleine Shettystute Dicke, die zuhause auf mich warteten, abgeben musste. Noch heute denke ich oft wehmütig darüber nach, aber bereut habe ich es nicht.
Im November 2000 holten wir Funi ab, 600 Km von Bad Honnef in Nordrhein-Westfalen in den Sachsenwald nach Schleswig-Holstein. Er zog wenig später auf den Islandpferdehof Vindhólar, wo ich bald auf meine beste Freundin traf, mit der ich viele Jahre lang unzählige Stunden und Tage im Sattel verbrachte. Wir machten jeden Quatsch zusammen und hatten schnell unseren ganz speziellen Ruf auf dem Hof.
Als ich eines Tages beim Umräumen meines Zimmers das Blatt Papier wiederfand, wusste ich, was ich da geschrieben hatte: Ein Wunschzettel für mein Traumpferd! Und genau das hatte ich gefunden! Ich kann mir bis heute kein besseres Pferd vorstellen. Funi war für alles zu haben und sagte immer ja. Er freute sich jedes Mal, mich zu sehen. Er verzieh mir jeden Fehler und brachte mir viel bei, wovon ich noch heute profitieren kann. Er war wunderschön, mit schimmernder Mähne. Sein Fell leuchtete im Sommer hell wie reifes Getreide in der Sonne und war im Winter braun wie ein frisch gepflügtes Feld nach der Ernte. Seine Augen hatten die Farbe von Bernstein. Er wirkte sehr edel und jeder sprach mich auf ihn an. Funi hatte gute Hufe, einen starken Körper mit schier unendlichem Leistungsvermögen, Nervenstärke und Intelligenz. Er trug mich über Stock und Stein, war immer einsatzbereit, machte das Beste aus jeder Situation. Er war mein Gæðingur. (Wenn ein Isländer von einem Gæðingur spricht, meint er ein Pferd, das in die Kategorie Traumpferd gehört.)
Die Jahre, die wir hatten, waren voller Erlebnisse, die vielen anderen Reitern ihr Leben lang verwehrt bleiben werden. Wir machten Ausflüge in das Watt und ritten nach Neuwerk. An der Ostsee schwammen wir bei Minusgraden durch die Eisschollen. Auch den niedersächsischen Elbstrand machten wir uns in den späteren Jahren vertraut. Einige Male starteten wir auf dem Kronshof Special, wo die Teilnehmer in einem Jahr erfroren und sich im anderen Jahr den Sonnenbrand des Lebens zuzogen. 2006 machte ich das Fahrabzeichen (leider kam es nie dazu, Funi auch einzufahren).
Es sind auch kleine Dinge, die in Erinnerung bleiben. Einmal, bei einer der vielen Schlittenfahrten im Winter trafen wir mitten im Nirgendwo auf ein junges, asiatisches Touristenpaar, die unbedingt mal auf dem Schlitten sitzen wollten und Fotos für ihre Familie machen. Sie hatten noch nie Pferde aus der Nähe gesehen. Später, als unsere Labrador-Hündin Kira — Hansdampf in allen Gassen – dazukam, machten wir unsere Umgebung stets zu dritt unsicher.
Ein besonderes Highlight war unsere Teilnahme am traditionellen IPZV Stafettenritt. Wie das olympische Feuer wird die WM-Stafette per Pferd vom alten zum neuen Austragungsort der Weltmeisterschaft gebracht. Im Jahr 2007 ging es von Norrköping in Schweden, ins holländische Oirschot. Ich bin den deutschen Teil der Strecke mitgeritten und habe mit 570 Km in 21 Tagen den dritten Platz am Wanderreitercup gemacht. Dass ich daran teilnahm, erfuhr ich erst, als ich die Schleife erhielt.
2010 kam Sky zu uns, eine schöne, junge Welsh-Pinto-Stute, die sich alles, was sie lernte, bei Funi abgeschaut hatte. Wir waren ein gutes Trio, doch als Funi starb, war alles anders. Unser Mittelsmann fiel weg, unser Halt, der Fels in der Brandung. Wir mussten uns völlig neu sortieren. Mal klappte es besser, mal schlechter.
Ich kann nicht sagen, ob es gut war, Sky nach langer Überlegung abzugeben, ähnlich wie damals meine beiden Ponys. Ich hatte Sky ein Jahr später besucht, es ging ihr gut. Sie wirkte locker und entspannt. Sie strahlte eine Ruhe aus, die ich ihr nie geben konnte. Ich hoffe sehr, sie wird es für immer so gut haben in ihrem Leben.
Kein Pferd wird je Funis Platz einnehmen, noch es sollen. Ich möchte nicht vergleichen und anderen Tieren damit das Leben schwer machen. Jedes Tier hat seinen Platz und seine Zeit. Die Zeit mit Funi, die mein halbes Leben war, ist in Gold nicht aufzuwiegen. Und ich bin sehr dankbar, das erleben zu dürfen.
Ich kannte Funi schon, lange bevor wir uns das erste Mal begegneten. Ich hatte nicht nur ein Mal von ihm geträumt. Auch, als er schon mein Pferd war, wurden Dinge Wirklichkeit, die ich irgendwann zuvor geträumt hatte. Einige Zeit, bevor sein Leben vorbei war, hatte ich keine solchen Zukunftsbilder mehr. Weil es keine Zukunft mehr gab. Es heißt nun, alle Bilder im Kopf zu behalten und gut darauf aufpassen. Es ist, als wären die Erlebnisse und Erinnerungen selbst nur ein schöner Traum gewesen, aus dem ich aufgewacht bin.
Funi hat mich ausgemacht. Jeder, der mich kannte, kannte auf irgendeine Weise auch Funi. Wenn ich heute andere Menschen treffe, kommt es mir manchmal so vor, als würden sie mich gar nicht mehr komplett kennenlernen können. Ohne Funi fehlt ein Teil von mir. Ich bin nun ein anderer Mensch. Einer, der nur schön geträumt hat.
„Wenn du einen Hund verlierst, dann geht ein Teil deiner Familie. Wenn du ein Pferd verlierst, dann geht ein Teil deines Lebens.“
— Sue Oliveira