Читать книгу Würdest du um mich weinen, wenn ich sterbe? - Anna-Lina Köhler - Страница 3
Prolog
ОглавлениеIch habe mich nie wirklich mit dem Sterben und dem Tod befasst. Es hat mich nicht interessiert. Bis ich letztlich damit konfrontiert wurde. Es war kein plötzlicher Tod, nichts, was mich mit einem Mal aus dem Leben gerissen hätte, sondern ein langer Weg des Leidens. Es war ein einsamer Weg, stille Qual, mit der ich langsam immer mehr ein Teil der Dunkelheit wurde und doch gibt es Momente zu jener Zeit, die ich zu den glücklichsten meines Lebens zählen möchte. Ich habe immer geglaubt, mir könne kein Schaden, kein Leid zugefügt werden, schließlich bin ich nicht irgendjemand. Immer habe ich alles bekommen, was ich wollte, ausnahmslos und ich habe so die wirklichen Dinge, die das Leben ausmachen, nie schätzen gelernt. Es gab so viele Momente, die ich bereuen sollte, so vieles, was ich ungeschehen machen würde, aber ich weiß, dass es zu spät ist. Vielleicht glauben wir alle einmal, dass wir bereit sind zu herrschen, dass wir es sind, die sich alles untertan zu machen vermögen. Doch an einem werden wir alle scheitern und das ist die Zeit.
Ich sehe, wie die Sonne langsam hinter den Bergen versinkt und jeder noch so winzige Moment, der verstreicht ist für immer verloren. Er ist verloren und wird auch nie wieder zurückkehren.
Jetzt sehe ich die Welt mit anderen Augen. Sie liegt vor mir mit ihrer ganzen Pracht und doch verhüllt ein einziger Schleier mir die Sicht. Sind es Tränen, die mir die Wange hinunterlaufen? Hätte mir jemand vor wenigen Monden erzählt, dass es einmal so enden würde, hätte ich es wahrscheinlich nicht geglaubt. Meinem Vater gehört dieses Land, ich bin die Tochter eines Mannes, dem nicht befohlen wird, er befiehlt. Ich bin adelig, mein Blut ist anders, es ist nicht dazu bestimmt für die Nacht vergossen zu werden. Und doch hat das Schicksal beschlossen mich herauszufordern. Unweigerlich und grausam kann die Wirklichkeit nicht mit uns bekannten irdischen Kräften verändert werden. Niemand kennt den Willen Gottes, er ist uns Menschen ein ewiges Rätsel. Wir können ihre Entscheidungen akzeptieren oder wir können sie dafür verfluchen. Am Ende jedoch bleibt alles gleich. Am Tage unserer Geburt entscheidet sich auch, wann wir diese Welt wieder verlassen müssen. Unser Schicksalspfad ist uns vorgegeben und auch wenn wir ihn manchmal verlassen, so endet er doch bei allem, was atmet, gleich. Erst hört das Herz auf zu schlagen, dann schließen sich unsere Augen und am Ende zerfallen unsere Körper zu Asche. Der Tod macht da keinen Unterschied.
Und genau mit diesem Wort beschreiben die Menschen dort draußen das Verderben, das mit knochiger Hand um sich greift. Es ist die Krankheit, die uns die Hölle selbst sandte und die Menschen wie Fliegen dahinraffen lässt. Sie zeichnet die Menschen mit ihren unübersehbaren Malen und macht sie zu Verdammten.
Es ist der schwarze Tod, die Pest, die die Straßen mit Leichen füllt und die Schnäbel der Raben mit verwesendem Fleisch. Viele tote Körper werden nicht begraben, sie werden verbrannt. Und das Feuer trägt den Gestank in den Himmel und erreicht auch mich und ich weiß, dass auch ich bald zu ihnen gehören werde.