Читать книгу Herbst in Heidelberg - Anna-Luise Jordan - Страница 3

1800

Оглавление

»Komm nach Hause!« In seinem besten Frack stand Karl vor Sophie, den Hut vor den Bauch haltend, weil er sonst mit seinen Händen nicht gewusst hätte, wohin. »So geht das nicht weiter. Komm nach Hause.« Er war es leid, bei den Tisch- und Abendgesellschaften allein die Honneurs des Hauses machen zu müssen. Die Studenten, die trotz Sophies Abwesenheit noch immer regelmäßig zum Mittagessen kamen, fragten viel zu oft, wann die Seele des Hauses denn wieder da sei.

Sophie vermied es, Karl anzusehen, obwohl sein Frack tadellos sauber war und die Haare ordentlich gekämmt, keineswegs selbstverständlich bei ihrem etwas grobschlächtigen Ehemann. Sein fleischig-schlaffes Gesicht ließ nichts von dem Jähzorn ahnen, mit dem er sie in den vergangenen fünf Jahren, selten zwar, doch stets unvermutet, verstört hatte. Sie sah zu Gisela hinunter, die mitten im Zimmer auf dem Teppich saß und mit bunten Klötzchen spielte. Das Licht der Nachmittagssonne, das durchs Fenster fiel, ließ das feine Kinderhaar fast weiß erscheinen. Auf dem runden Tisch daneben stand eine Vase mit Schneeglöckchen aus dem Garten.

»Ich brauche dich. Jeder fragt nach dir, will dich endlich wiedersehen. Was tust du überhaupt hier? Verwandtenbesuche, gut. Aber nicht wochenlang. Monate. Langweilst du dich hier nicht?« Karl schnaubte verächtlich.

Nach dem Tod des kleinen Gustav Anfang Januar hatte Sophie bei ihrer Schwester und dem Schwager Zuflucht gefunden. Hier fühlte sie sich geborgen, doch Karl traf ins Schwarze mit seinem Verdacht der Langeweile. Das Leben in Camburg verlief sehr ruhig, genau das Richtige für überspannte Nerven. In Jena war das Leben aufregend. Es gab Bälle, lebhafte Gespräche in Salons, Theater. Seitdem Sophie im Haus ihrer Schwester und des Schwagers lebte, hatte sie kaum etwas anderes getan, als zu lesen. Sie las die Römischen Elegien und die Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten in den Horen, worin auch ein paar Briefe und Gedichte von ihr selber abgedruckt waren, und nahm sich den Wilhelm Meister vor. Alle vier Bände hatte sie gelesen und sich Gedanken dazu gemacht. So musste ein Roman sein. Eine Figur, die sich verändert, eine Vielzahl von Ereignissen und ferne Gegenden. In Jena könnte sie mit ihren Freunden darüber reden. So intelligent und witzig wie Fritz war keiner und niemand so voller Phantasie wie Clemens.

»Ich werde kommen. Aber jetzt noch nicht. Ich brauche noch etwas Zeit.« Hoffentlich sagte Karl jetzt nicht, dass sie sich zusammenreißen solle. Erst vor knapp drei Monaten war Gustav gestorben. Wenn sie Karl auch nicht die Schuld daran geben mochte, so tun, als wäre alles wie vorher, konnte sie nicht. »Bitte geh jetzt. Gisela ist zu empfindlich für eine Reise in dieser Kälte. Wir bleiben hier. Mindestens bis Ostern.«

Herbst in Heidelberg

Подняться наверх