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Als wir Anfang Mai 2018 am Hamburger Hauptbahnhof in den Zug steigen und es uns mit den eingelösten Bahnbonuspunkten in der 1. Klasse im ICE nach München gemütlich machen, werden wir fast ein wenig nostalgisch: „Wie lange werden wir unterwegs sein? Wann sehen wir Familie und Freunde wieder? Wann kommen wir zurück nach Deutschland?“ Wir haben uns bewusst kein fixes Enddatum für die Modern Work Tour gesetzt – zu sehr lockt die Freiheit. Zu groß ist der Reiz, einmal nicht zu wissen, wie lange wir unterwegs sind und wohin es uns verschlägt. Unsere KlientInnen und KundInnen wissen Bescheid, alle haben sich darauf eingelassen, in der nächsten Zeit komplett digital mit uns weiterzuarbeiten. Sie werden zu einer Art ReisegefährtInnen, denn auch sie nehmen an unserem Arbeitsabenteuer teil.

Unser Vorsatz, langsam in die Moderne Walz zu starten und nicht direkt mit einem Langstreckenflug ans andere Ende der Welt zu reisen, bedeutet für uns auch, zu schauen, welche spannenden Arbeitsumgebungen in Europa zu finden sind. Dabei zieht es uns gen Osten und wir lassen bewusst bekannte Hotspots wie London, Amsterdam oder Stockholm (vorerst) aus. Wir wollen in den Balkan! Denn wir haben bereits einiges darüber gehört: tolles Essen, freundliche Menschen, IT-Experten, die nach Westeuropa oder in die USA wollen.

Ab München geht es mit dem Flixbus CO2-neutral weiter. Bis auf eine Zugfahrt durch das sommerliche Bulgarien werden wir alle Länder im Balkan mit dem Bus bereisen. Je weiter wir in den Osten gelangen, desto älter werden die (Flix-)Busse: Am Anfang geht es noch mit WLAN nach Slowenien, später von Mazedonien nach Bulgarien klappern und ruckeln die Sitze schon heftiger, während die Busfahrer ungerührt an ihren Zigaretten ziehen und beschwingt zum lautem Balkan-Pop mit den Köpfen wippen. Eine Busfahrt, die ist lustig; eine Busfahrt, die ist schön. Man lernt die Landschaft der jeweiligen Länder besser kennen. Oh ja, der Balkan kann hier ordentlich etwas bieten. Außerdem erlaubt das Busfahren uns, mit Zeit und Ruhe zu reisen. Wir haben keinen Stress und keinen Zeitdruck. Insgesamt werden wir gut zwei Monate durch den Osten Europas tippeln.

Im Balkan reisen wir nach Slowenien, Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Montenegro, Albanien, Mazedonien und Bulgarien. Wir fühlen uns überall äußerst willkommen und werden sehr gastfreundlich empfangen. Egal, ob von dem Profiboxer in Podgorica, der unbekanntesten Hauptstadt Europas (Montenegro); beim Willkommens-Grappa mit der Airbnb-Vermieterin in Zagreb (Kroatien), während einer Fahrradtour durch das skurril-protzig gestalteten Skopje (Mazedonien) oder beim Public Viewing der Fussball-WM im wunderbar wuseligen Tirana (Albanien). Da sich unsere National-Elf nicht gerade mit Ruhm bekleckert, erfahren wir besonders in Albanien viel Schalk, aber auch Mitleid und Trost.

Vor der Abfahrt haben wir uns vorgenommen, unserer Neugierde nachzugehen und zu versuchen, den Menschen immer offen zu begegnen. Wir wollen unsere Schubladen im Kopf möglichst geschlossen halten. Und wenn wir sie doch mal öffnen, dann alle gleichzeitig, sodass es keine Pflicht der Zuordnung gibt. Wir lieben es, neue Menschen kennenzulernen. Das ist wohl einer der wichtigsten Gründe, warum wir Coaches und Berater beziehungsweise Beraterin geworden sind: Menschen ein Stück ihres Lebens bewusst zu begleiten, mit ihnen zu arbeiten und letztendlich immer auch gemeinsam zu wachsen.

Sarajevo in Bosnien-Herzegowina ist ein besonderer Höhepunkt der Modern Work Tour. Eine Stadt mit (Vor-)Geschichte. Eine Stadt, die noch häufig mit Bürgerkrieg und Leid in Verbindung gebracht wird: Von 1992 bis 1995 wird die Hauptstadt belagert, in 1425 Tagen verlieren über 10 000 Sarajlije (Einwohner Sarajevos) ihr Leben. Bis heute ist das Stadtbild von den damaligen Kampfhandlungen gezeichnet. Von der Dachterrasse unserer Airbnb können wir die einstige „Allee der Heckenschützen“ sehen: Von dort aus wurde die Studentin Suada Dilberović als erstes Opfer des Krieges erschossen.

Aber deswegen sind wir nicht in Sarajevo. Wir wollen eigene Bilder zu dieser Stadt kreieren. Neue Erfahrungen in unseren Köpfen entstehen zu lassen und bestehende Narrative zu hinterfragen, wird uns auf unserer Reise gedanklich immer wieder begleiten. Besonders stark kreisen diese Gedanken an Orten, zu denen es starke kollektive Zuschreibungen gibt, wie beispielsweise China („Da ist doch alles gefälscht!“), Ruanda („Ihr wollt in das Genozidland?“), Nigeria („Fahrt da nicht hin, das ist viel zu gefährlich!“) oder eben Bosnien-Herzegowina („Geht da nicht wandern, da liegen noch Landminen rum!“). Wir werden auf der gesamten Reise das Privileg, unsere eigenen Erfahrungen machen zu dürfen, schätzen lernen. Es ist ein Luxus, der unsere Sichtweisen für unser ganzes Leben prägen wird.

Die Stadt Sarajevo liegt in einem Kessel. Egal, wo wir stehen, sehen wir die kleinen Berge drumherum. Das beschert uns einerseits ein wohliges Gefühl. Andererseits wird uns klarer, wie schrecklich es damals während der Belagerung gewesen sein muss. Dabei verliert man manchmal aus dem Gedächtnis, dass Sarajevo eigentlich als Vielvölkerstadt gilt, wie die Sarajlije stolz berichten. Auch wir nehmen die Stadt so wahr – als einen Ort der multikulturellen, -nationalen und -religiösen Zusammengehörigkeit: Hier leben Menschen aller großen Weltreligionen friedlich miteinander zusammen. Ehen und Familienzusammenschlüsse zwischen Serben, Kroaten, Muslimen, Juden, Christen … sind hier einfach so möglich. Es wird auch gemeinsam gearbeitet, denn Firmenbelegschaften oder Geschäftsführungen können ebenfalls gemischt sein. „Bunt ist toll!“, stellen wir mal wieder fest und freuen uns, in den kommenden Tagen und Wochen diesen besonderen Geist der Stadt besser kennenzulernen.


In unserer Session mit Emina erfahren wir, was es heißt, sich auf „People-first-Entscheidungen“ im Unternehmen zu fokussieren.

Den Wunsch der Sarajlije, an einem so geschichtsträchtigen Ort nun auch die Gegenwart zu leben, spüren wir vor allem bei unserem Besuch im Co-Working-Space Hub387. Dort treffen wir Semir, den Co-Founder von Habeetat und Belma von Bookvar. Wir erfahren, dass sie sich bewusst dazu entschieden haben, in der Stadt zu bleiben und Sarajevo zu einem Zukunftsort zu machen. Sie berichten, dass viele, die zum Studieren ins Ausland gegangen oder geflohen sind, nun zurückkehren. Sie alle wollen vor Ort einen Unterschied machen und positiven Einfluss auf das Leben und das Arbeiten in der Heimat nehmen. Häufig stehen die Gemeinschaft und die Menschen dabei im Fokus ihrer Entscheidungen, was wir als ein Prinzip von Moderner Arbeit verstehen.

Die Modern-Work-Tour

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