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Hier und jetzt Wer präsent bleibt, wird nicht unsichtbar

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Natürlich kann ich mein Alter nicht wegdiskutieren. Ich bin nicht mehr 40, ich wirke auch nicht wie 50, sondern ich sehe genau so alt aus, wie ich bin. Manchmal passiert es, dass Jüngere mir ihren Platz im Bus oder in der Bahn anbieten. Das ist natürlich erst mal sehr aufmerksam, führt aber bei mir unweigerlich zu dem Gedanken: „Oje, du musst heute aber alt oder krank aussehen.“ Derartige Privilegien brauche ich noch gar nicht, da ich mich nicht so alt fühle.

Viele Frauen über 50 beklagen dieses Gefühl des Plötzlich-unsichtbar-Werdens. Das kann ich nicht nachvollziehen. Ich habe weder das Gefühl, mit Mitte 60 von der Gesellschaft oder vom Zeitgeschehen abgeschnitten zu sein, noch, dass man mich nicht mehr wahrnimmt. Vermutlich liegt das daran, dass ich nach wie vor aktiv am gesellschaftlichen Leben teilhabe und offen bin für Neues.

Ich interessiere mich für viele verschiedene Dinge, führe gern Gespräche mit jüngeren Leuten und höre mir dabei auch ihre Probleme und Befindlichkeiten an. Interessiert zu sein ist für mich ein Lebenselixier, es bedeutet für mich im wahrsten Sinne des Wortes dazwischen sein. Ich bemerke aber auch, dass sich manche Menschen ab einem gewissen Alter aus der Gesellschaft zurückziehen. Und das ist der erste Schritt in die Unsichtbarkeit. Das Schicksal ist unberechenbar, Krankheit, Erschöpfung, Resignation – Gründe gibt es viele, wenn die Aktivitäten nachlassen. Ein Argument jedoch kann ich überhaupt nicht hören: „Da kümmere ich mich nicht mehr drum, das sollen doch die Jüngeren machen.“ Für ein gutes Miteinander der Generationen sollte sich jeder nach seinen Möglichkeiten einbringen. Es muss ja nicht gleich das ganz große politische oder soziale Engagement sein. Manchmal reicht es schon, wenn man in seinem näheren Umfeld genau hinschaut. Wie geht es meinem Nachbarn? Welche Interessen hat er? Kann man mal etwas gemeinsam unternehmen? Gibt es in meinem Stadtteil etwas, wofür ich mich einsetzen möchte? Habe ich Wissen und Fähigkeiten, von denen andere profitieren könnten?

Kreativität gehört für mich unbedingt zum Jungbleiben dazu. Manchmal träumt man das ganze Leben davon, singen zu können, oder will seit Jahren eine Fremdsprache lernen. Natürlich erlangt man als Späteinsteiger keine Wettbewerbsreife mehr. Aber darum geht es auch gar nicht. Was zählt, sind Spaß, soziale Kontakte und geistige Herausforderung. Ich bin der Meinung: unbedingt sofort umsetzen! Glücklicherweise gibt es heute in jeder kleineren wie größeren Stadt Volkshochschulen, die eine Bandbreite an Kursen für vergleichsweise wenig Geld anbieten. Spannend ist auch der Austausch mit Menschen anderer Kulturen, denen man in Tandem-Sprachkursen, die oft kostenlos sind, begegnen kann. Dabei treffen sich zwei Partner mit unterschiedlichen Muttersprachen, um sich abwechselnd in beiden Sprachen zu unterhalten.

„Use it oder lose it“ – das gilt nicht nur für Muskeln, sondern auch für das Gehirn. Was nicht benutzt wird, geht verloren. Kreativität hält die grauen Zellen auf Trab und kann vor Erkrankungen schützen. Forschungen haben gezeigt, dass es besonders effektiv ist, wenn das Gehirn mit neuen, unbekannten Informationen gefüttert wird. Kreuzworträtsel mit den immer gleichen Suchbegriffen sind daher eher kontraproduktiv, da gähnt das Gehirn irgendwann. Ein Instrument spielen oder eine neue Sprache oder auch tanzen zu lernen ist dagegen deutlich sinnvoller. Musizieren hält bekanntlich jung und auch Bewegung hat verblüffende Effekte. US-Forscher haben nachgewiesen, dass regelmäßiges Tanzen Depressionen lindern kann, Kurzzeitgedächtnis und Reaktionsvermögen trainiert und sogar das Risiko für Demenz senkt. Auch Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen profitieren von diesen Aktivitäten. So fühlten sich laut einer US-Studie Parkinson-Patienten nach 20 Tanzstunden bedeutend sicherer auf den Beinen als Patienten, die ein reines Gymnastikprogramm absolviert hatten. Bei Sehbehinderten war das Resultat ähnlich. Auch sie hatten durch das Tanzen an Sicherheit im Alltag gewonnen.

Leider fehlt mir momentan die Zeit, um regelmäßig einen Kurs gleich welcher Art zu besuchen. Da ich aber im Kopf fit bleiben möchte, habe ich mir vor ein paar Jahren ein Tablet zugelegt und mich mehr und mehr in die technischen Raffinessen des Computers eingearbeitet. Das macht mir ziemlich viel Spaß. So kann ich, wenn ich jobmäßig unterwegs bin, abends noch ein kleines Video von meinen Enkeln anschauen, mit ihnen skypen oder mich kurz über das aktuelle Weltgeschehen informieren.

Aufgeschlossenheit und Interesse an Neuem oder Andersartigem, das ist mein Rezept, um im Kopf jung zu bleiben. Einfach mal Dinge ausprobieren, die man nicht kennt, noch nie gemacht hat oder vor denen man vielleicht sogar ein wenig Bammel hat. Raus aus der Komfortzone! Und sich überraschen lassen, was passiert und wie viel Spaß das machen kann.

So erging es mir, als mich der Gräfe und Unzer Verlag in München fragte, ob ich ein Buch schreiben wolle. Die Herausforderung habe ich dann auch angenommen. Einfach, weil ich noch nie in meinem Leben ein Buch geschrieben, aber eine Menge zu sagen habe, von dem ich hoffe, dass es jemand hören will … Über diese Anfrage habe ich mich sehr gefreut. Übrigens noch so eine wichtige Eigenschaft fürs Leben: sich freuen können. Wenn man sich nicht mehr freuen kann, dann kann man auch nicht glücklich sein.

Jeden Tag aufs Neue glücklich

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