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4 + 4 + 11: Die Formel für das große Glück

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Zu diesem anderen Leben gehören vor allem meine Familie, meine vier wunderbaren Kinder und inzwischen elf zauberhafte Enkel im Alter von drei Monaten bis elf Jahren. Ich freue mich immer, wenn ich alle höre oder sehe. Bei uns geht es meist fröhlich und vor allem laut zu. Und manchmal bin ich richtig traurig, wenn die ganze große Familie nach einem wunderbaren gemeinsamen Nachmittag von dannen zieht und plötzlich wieder Stille herrscht. Früher waren meine Kinder mein Motor, heute sind die Enkelkinder mein Lebenselixier. Ich übernachte häufig bei ihnen und schlafe dann gern gemeinsam mit ihnen in einem Zimmer. Und wenn ich dann mal in der Nacht aufwache, gibt es für mich nichts Schöneres, als ihr ruhiges Atmen zu hören. Das ist für mich wie Musik, wie die allerschönste Musik.

Um meinen Schwiegertöchtern den schnellen Wiedereinstieg in den Job nach der Geburt zu ermöglichen, habe ich eigentlich alle Enkelkinder in den ersten zwei oder drei Lebensjahren, bevor sie in die Kita kamen, bei mir zu Hause betreut. Rosa, heute elf Jahre alt, war mein erstes Enkelkind. Sie ist die Tochter meines Sohnes Wilhelm und seiner Frau Ilka. Rosa kam bereits mit sechs Wochen zu mir. Und obwohl ich ja selbst vier Kinder großgezogen hatte, musste ich mich erst einmal wieder an so ein kleines Wesen gewöhnen. Mir fiel auf, dass ich viel vorsichtiger war als mit meinen eigenen Kindern, aber auch deutlich ruhiger und gelassener.

Als Rosa auf die Welt kam, war das für mich etwas ganz Besonderes. Auf einmal war ich Großmutter! Mit Großmutter assoziiert man ja meist eine etwas zittrige Person voller Güte und Abgeklärtheit. So habe ich mich allerdings nie gesehen. Als ich Rosa zum ersten Mal im Arm hielt, verspürte ich ein ganz besonderes Gefühl: dass ich nach meinen Kindern nicht nur ein Kind halte und auch nicht „nur“ das meiner Kinder, sondern auch mein Kind. Es war wie ein riesengroßes Geschenk vom eigenen Kind. Dabei habe ich eine ganz starke Verbundenheit zu meinem Sohn und meiner Enkelin gespürt. Ich durfte Rosa bereits wenige Stunden nach ihrer Geburt halten. Und ich habe dabei ein Gefühl verspürt, das sich am ehesten mit dem nach den Geburten meiner Kinder vergleichen lässt: einen Flow, eine warme Welle, ein unglaubliches Glücksgefühl. Die Geburten meiner Enkel haben mich zudem noch mal sehr geerdet und mich dem Leben gegenüber demütig fühlen lassen. Ich empfinde jeden Einzelnen von ihnen immer und immer wieder als kleines, großes Wunder.

Über Anna …

„Ich finde meine Oma sehr hübsch. Ihr Gesicht mag ich besonders, weil sie immer so strahlt. Und ihr Lachen finde ich richtig schön.

Das Schönste für mich ist es, wenn wir gemeinsam ins Kino gehen und ganz viel Eis und Popcorn futtern. Cool finde ich auch, dass es bei ihr oft Limo und Cola gibt – zu Hause trinken wir nämlich nur aufgesprudeltes Wasser.“

Enkelin Rosa, 11

Heute versuche ich, meinen Enkeln das Leben so angenehm wie möglich zu machen. Man könnte auch sagen, ich verwöhne sie. Dazu stehe ich voll und ganz, ich genieße das. Da entsteht eine ungeheure innere Freude, die ich inzwischen elffach zurückbekomme. Einmal in der Woche gibt es für alle eine große Tüte mit Süßigkeiten. Dann gibt es Zucker, so viel wie in die Kleinen reinpasst. Das habe ich übrigens auch schon bei meinen Kindern so praktiziert. Meine Söhne, meine Tochter und Schwiegertöchter lassen mich in diesem Punkt des Verwöhnens auch gewähren und haben dabei großes Vertrauen in mich. Umgekehrt würde ich in Sachen Erziehung nie versuchen, die Elternrolle zu übernehmen, und halte mich an ihre Richtlinien. Nie würde ich die Eltern vor den Kindern kritisieren. Überhaupt bin ich mit Kritik sehr sparsam. Zum einen, weil meine Kinder und Schwiegerkinder das alles richtig gut machen, zum anderen, weil sie ihre Erfahrungen in Sachen Erziehung selbst machen müssen.

Ich finde es herrlich, erneut Kinder aufwachsen zu sehen, aber es ist auch eine große Erleichterung, sie abends wieder abgeben zu können und ruhige Nächte zu haben. Wie zu meinen Kindern habe ich auch zu meinen Enkeln ein großes Vertrauen. Ich packe sie nie in Watte und hocke auch nicht wie eine Glucke auf ihnen. Vor allem war mir immer wichtig, dass sie genug Luft bekamen – in jedem Sinn.

Nachdem Rosa mit drei Jahren in die Kita gekommen war, übernahm ich nahtlos die Betreuung ihres Bruders Anton. Anton war in meinen Augen immer ein besonders pflegeleichtes Kind. Er konnte mit Begeisterung stundenlang im Sandkasten sitzen und mit seinen Förmchen spielen. Ich muss gestehen, dass ich den Spielplatz selbst auch liebe. Ich setze mich gern zusammen mit den Kindern auf die Wippe oder schaukle mit ihnen auf dem Schoß gen Himmel.

Mit Antons Schwester Greta hatte ich es dagegen schon ein wenig schwerer. Sie ist mit einem extremen Dickkopf auf die Welt gekommen. Das hat sich auch bis heute nicht geändert. Es gab da schon großartige Szenen im Bikini-Haus in Berlin, einer ganz besonderen Shopping-Mall. Wir gehen dort gern in ein bestimmtes Café. Ich trinke einen Cappuccino, Greta bekommt ein Tässchen mit Milchschaum, Zimt und Kakaopulver, einen sogenannten Kinder-Cappuccino. Wenn es ihr auf dem Rückweg vom Einkaufszentrum zur U-Bahn nicht schnell genug ging, warf sie sich schon mal auf den Boden und zog die ganz große Show ab. Schreien, Schluchzen, Augenrollen, knallrote Bäckchen. Erst wenn sie genügend Zuschauer für ihr Spektakel hatte, wurde sie ruhiger. Ich schaute mir das Ganze immer sehr entspannt an. Ich wusste ja, dass sie sich wieder einkriegen würde und ein Schimpfen sie nur zusätzlich angestachelt hätte.

Über Anna …

„Oma Anna holt mich freitags immer vom Schwimmkurs ab. Dann darf ich mir am Automaten in der Schwimmhalle Lollis kaufen. Danach spielen wir dann bei ihr zu Hause mit dem Puppenhaus und den Mäusen. Die Oma ist nett, und am liebsten an ihr mag ich die Süßigkeiten. Und sie kann richtig leckere Spaghetti mit Tomatensauce kochen. Manchmal gehen wir auch zusammen Sushi essen. Das mit Orange in der Mitte mag ich am liebsten.“

Enkelin Greta, 5

Besonders mein ältester Sohn Johannes hat meine Begeisterung für eine richtig große Familie wohl von mir geerbt. Gemeinsam mit seiner Frau Nina hat er fünf wunderbare, muntere Kinder: Paul (11), Theo (7), Sophia (5), Hermine (3) und die kleine Wilma Rosi (9 Monate).

Hermine sollte ich genau wie ihre drei älteren Geschwister auch für eine Zeit betreuen. Ihre Mutter ist Ärztin und wollte relativ bald nach der Geburt wieder in ihren Job zurück. Hermine trägt den Namen meiner Mutter, und das ist wohl ein Zeichen. Denn wie in früheren Zeiten mit meiner Mutter hatten es auch die kleine Hermine und ich anfangs nicht leicht miteinander. Während alle anderen Enkel sehr gern zu mir kamen, wollte Hermine partout nicht bei mir bleiben. Sie schrie bereits fürchterlich, wenn sie mich nur sah. Auf Knopfdruck ging die Sirene los. Und keiner wusste so genau, warum sie sich wirklich vor mir ängstigte.

Hermine kam deshalb in die Kita zu ihrer älteren Schwester Sophia – und kaum ein halbes Jahr später hatte sich unser Verhältnis grundlegend gewandelt: Wir verstehen uns mittlerweile mehr als prächtig!

Für mich war die Kinderbetreuung als wichtige Entlastung meiner Schwiegertöchter gedacht. Sie haben alle lang studiert und hart daran gearbeitet, beruflich da hinzukommen, wo sie jetzt stehen, sodass ich sie von Herzen gern unterstützt habe. Denn ich weiß, wie schwer es für Mütter oft ist, nach einer längeren Babypause im Arbeitsleben wieder Fuß zu fassen. Ohne Unterstützung von außen und eine gute Organisation lässt sich ein anspruchsvoller Job heute mit Kindern kaum vereinbaren. Meine Schwiegertochter Nina beispielsweise bekam von einer ihrer ehemaligen Vorgesetzten in der Klinik die Frage gestellt: „Wollen Sie Chirurgin oder Mutter werden?“ Das sagt wohl alles …

Hinzu kommt die im Alltag oftmals fehlende Wertschätzung gegenüber Müttern. Dass in der U-Bahn oder im Bus Menschen für eine Mutter mit Kind Platz machen, kommt außerordentlich selten vor. Wenn ich mit dem Kinderwagen unterwegs war und mal wieder an einer S- oder U-Bahn-Station mit defektem Fahrstuhl ausgestiegen bin, musste ich nicht selten viele lange Minuten unten an der Treppe warten. Meist sind es ältere Frauen und junge Männer um die 20, die von selbst anbieten zu helfen. Ganz schlecht ist es, einen Mann zwischen 40 und 60 um Hilfe zu bitten, die haben in der Regel alle „Rücken“ …

Mir kommt es so vor, als hätte ich zu der Zeit, als meine Kinder klein waren, mehr Achtung erfahren. Ob es daran lag, dass wir in Lübeck, also in einer kleineren Stadt, lebten oder sich die Zeiten geändert haben, kann ich nicht sagen. Ich glaube eher, dass vielen Menschen das Einfühlungsvermögen und die Empathie für ihre Mitmenschen abhandengekommen sind. Sehr viele leben offensichtlich gnadenlos nach dem Motto „Me first“.

Auch Mütter selbst erlebe ich manchmal als äußerst ichbezogen. Nach dem Motto „Lassen Sie mich durch, ich bin Mutter“ parken sie ihren Kinderwagen mitten auf der Straße oder quer im Laden und machen sich scheinbar auch nicht nur ansatzweise Gedanken darüber, ob sie andere damit behindern.

Helikoptermütter gab es allerdings auch früher schon, das ist durchaus keine neue Erscheinung. Als meine Kinder klein waren, kannte ich einige Frauen, für die das Muttersein ihr einziger Lebensinhalt zu sein schien. Sie machten aus der Ernährung ihrer Kinder eine Wissenschaft, stellten aus Angst vor Schadstoffen möglichst alles selbst her und wollten auch andere Mütter nur allzu gern zu ihrer Ansicht bekehren.

Meine Schwiegertöchter erlebe ich in dieser Beziehung als recht gelassen. Sie achten natürlich auf die Ernährung ihrer Kinder, beginnen aber nicht bei jedem Gummibärchen oder Karamellbonbon eine Grundsatzdiskussion. Nina, Ilka und Madeleine sind einfach großartige Frauen, die es auf bewundernswerte Weise schaffen, den Spagat zwischen Familie mit Kindern und einem anspruchsvollen Job hinzukriegen. Freitags treffen wir uns immer alle bei mir zum Kaffeetrinken. Ich koche Kaffee und Tee, die drei bringen Kuchen mit. Und während wir herrlich erzählen, sitzen die Enkel im Spielzimmer und schauen sich Kinderfilme an. Das Ganze hat sich im Lauf der Jahre zu einem schönen Ritual entwickelt, das wir, denke ich, alle nicht mehr missen wollen.

Über Anna …

„Ich war gerade 30, frisch getrennt und hatte das Gefühl, ich würde nie wieder im Leben einen Mann kennenlernen. Doch dann kam plötzlich Johannes, der älteste Sohn von Anna, und ist mit seinem unwiderstehlichen, ihm ganz eigenen Charme in mein Leben eingebrochen, sodass ich völlig hin und weg war und es bis heute noch bin.

Zum ersten Mal gesehen habe ich Anna ein paar Tage später in der Studentenbude von Johannes. In seiner Einzimmerwohnung hingen einige Fotos der Familie, unter anderem ein Porträt von ihr bei einem ihrer Model-Jobs. Das wusste ich nur damals noch nicht. Auf diesem Foto schaut eine Frau mit kurzem weißem Haar, Perlenkette und hochgerecktem schlankem Hals streng an der Kamera vorbei. Bei dem Familiennamen ‚von Rüden‘ ahnte ich Schlimmes …

Ich stellte mir Johannes’ Mutter als eine disziplinierte, kühle und strenge Aristokratin vor, an der ich mir wohl ein bisschen die Zähne ausbeißen würde. Oder eher noch sofort bei der ersten Begegnung in Ungnade fallen würde. Johannes aber wollte mich so schnell wie möglich seiner Familie vorstellen, was ich so lang wie möglich versuchte hinauszuzögern. Die Hochzeit seines Bruders Wilhelm vermied ich noch, ich war zu schüchtern, um dort als Neuling reinzuplatzen.

Dann aber war es so weit: Ich betrat eine riesige Sechs-Zimmer-Altbauwohnung in der Mommsenstraße in Charlottenburg, dem feinen Westen der Stadt. Alle meine Klischees schienen sich zu bestätigen: Ich betrat eindeutig eine mir fremde Welt. Ich bin in Wannsee groß geworden, in einem Einfamilienhaus aus den 1980er-Jahren, und so etwas hatte ich bislang noch nicht gesehen. Am liebsten wäre ich rückwärts wieder hinausgestolpert. Aber da kam Anna, und das Bild veränderte sich mit einem Mal: Sie begrüßte mich ruhig und herzlich und so einladend, dass ich vom ersten Moment ein Gefühl von Willkommensein und Geborgenheit spürte.

Dieses Gefühl hat sich in den folgenden Jahren immer weiterentwickelt, ist zu einem echten Vertrauensverhältnis geworden, und ich sehe, dass das nicht nur für mich, sondern für alle Neuzugänge in der Familie gilt. Annas Lebensmittelpunkt ist die Familie, sie hat eine unglaubliche Art, für die Familie da zu sein und sie zusammenzuhalten. Nicht nur einmal hat sie zu mir gesagt, das Wichtigste im Leben seien für sie die Kinder. Das ist ein Satz, mit dem ich mich zu 100 Prozent identifizieren kann. Nie werde ich vergessen, wie Anna völlig unvermittelt anbot, auf unseren kleinen Sohn Paul aufzupassen, während ich nach dem Elternjahr in meinen Vollzeitjob in der Klinik zurückkehren sollte und wollte, um meine Facharztausbildung zu beenden. Wir liefen damals über den Ku’damm, sie schob den Kinderwagen mit Paul und sagte es so ernst, aber gleichzeitig so leicht und selbstverständlich, dass ich dachte: Weiß sie eigentlich, worauf sie sich da einlässt, jeden Tag von morgens bis abends ein einjähriges Kind, bei meinen Nachtdiensten und Überstunden? – Anna hat diese Zusage ein ganzes Jahr lang voll durchgezogen, ohne sich je anmerken zu lassen, wie anstrengend das gewesen sein muss, obgleich sie manches Mal doch recht müde aussah, wenn ich Paul abends abholte. Dafür liebt Paul, wie alle anderen Enkelkinder, seine Oma über alles. Und mir hat Anna durch diese uneigennützige und großartige Hilfestellung die Möglichkeit gegeben, meine berufliche Selbstverwirklichung zu erreichen.

Bemerkenswert finde ich dabei aber auch gerade den Umstand, dass Anna trotz ihrer Hingabe für die Familie ihre Arbeit als Model konsequent ernst nimmt und durchzieht. Wenn Anna zur Arbeit geht, geht sie zur Arbeit, dann steht sie für andere Dinge nicht zur Verfügung. Dieses Prinzip, eine klare Linie zu haben und sich daran zu halten, sich nicht vollständig vereinnahmen zu lassen und auch eine eigene kleine Nische für sich zu haben, finde ich bewundernswert.

Das passt auch zu ihrem Standpunkt, sich allen gegenüber neutral zu verhalten. Wie es in einer großen Familie nun mal ist, ist es auch in der Familie von Rüden eigentlich nie ruhig. Es passiert immer etwas, und des Öfteren gibt es auch Meinungsverschiedenheiten zwischen den einzelnen Familienmitgliedern, mal kleine, mal große. Anna beeinflusst auf eine kaum wahrnehmbare, aber wirkungsvolle Art das Geschehen. Nie würde sie sich offensiv einmischen, aber wenn sie gefragt wird, kann man sich darauf verlassen, dass sie eine objektive Meinung vertritt, unabhängig von ihrem Verhältnis zu den Beteiligten.

Etwas, was ich an Anna ebenfalls besonders schätze, ist ihre Art, trotz eigener Meinung und Versuche, die Dinge subtil zu beeinflussen, die Entscheidungen und das Handeln der anderen Seite zu akzeptieren. Auch wenn sie vielleicht anderer Überzeugung ist, würde sie sich nie enttäuscht abwenden oder einem die kalte Schulter zeigen. Sie sagt ihre Meinung, aber sie lässt den Dingen trotzdem ihren Lauf und begleitet sie, egal wie sie ausgehen. Das führt zum Beispiel dazu, dass Johannes manchmal wochenlang keinen Kontakt zu seiner Mutter hat – aber wenn ihn etwas ernsthaft drückt, sucht er den Weg zu Anna, ebenso wenn er eine große Freude mit ihr teilen will.

Anna hat inzwischen elf Enkelkinder, und sie schafft es, jedem Kind die gleiche Aufmerksamkeit und Liebe zu vermitteln. Und auch hier staune ich: Unser Rabauke Theo hat großen Respekt vor Oma Annas ‚Nein‘, und unsere kleine anhängliche Hermine, die bei niemandem bleiben würde, hat nach anfänglichem Fremdeln dann doch vor allen anderen Menschen zuerst zu ihrer Oma Vertrauen gefasst und geht bei ihr an der Hand, wenn Mama nicht verfügbar ist. Und Baby Wilma, ganz der Vater, liebt seine Oma über alles.

Wir alle wohnen in derselben Stadt wie Anna und ich glaube, wir wohnen hier nicht nur deshalb, weil es Berlin ist und es in Deutschland keine großartigere Stadt gibt als diese – wir wohnen hier, weil wir auch durch Anna hierhergehören. Keines von Annas vier Kindern ist fortgezogen, obwohl die Familie in den Kindheitstagen einige Male den Wohnsitz wechselte und sich die Kinder von daher doch eine gewisse Ungebundenheit zu eigen gemacht haben könnten. Doch alle sind in Berlin geblieben – weil Anna in Berlin ist. Welche Familie kann das schon von sich sagen? ‚Schwiegermutter‘ ist ja ein eher zwiespältiger Begriff, bei dem einem oftmals als Erstes schwierige Verhältnisse, Spannungen und das Vermeiden von zu viel Nähe einfallen. Bei Anna ist es aber anders. Ganz anders. Darum würde ich für mich als Beschreibung, wie ich Anna persönlich sehe, den ersten Teil dieses Wortes einfach weglassen. Ich bewundere sie, aber vor allem hat sie es geschafft, dass ich mich bei ihr beinahe wie bei meiner eigenen Mutter fühlen kann.“

Schwiegertochter Nina

Über Anna …

„Als ich Annas Sohn Richard lieben gelernt habe, wollte er recht schnell, dass ich seine Familie kennenlerne. Wir trafen uns das erste Mal an Annas Geburtstag, der in einem Café gefeiert wurde. Ich hatte ein bisschen Bammel vor dem Treffen mit der ganzen großen Familie. Doch alles verlief äußerst unkompliziert. Ich wurde an den großen Tisch gebeten und fühlte mich sofort eingebunden. Alle, besonders Anna, waren unglaublich herzlich zu mir. Ich hatte das Gefühl, als würde ich alle schon ganz lang kennen. Da ich als letzte Schwiegertochter in die Familie gekommen bin, musste ich erst mal gucken, wie ich da Fuß fassen konnte.

Ich wusste, dass sich alle Schwiegertöchter samt Enkeln freitags immer bei Anna treffen. Da ich damals selbst noch keine Kinder hatte, bin ich davor erst mal zurückgeschreckt. Doch Anna hat immer wieder aufs Liebevollste insistiert und mich wiederholt eingeladen.

Es ist ein großes Geschenk, eine Schwiegermutter wie Anna zu haben. Heute fühle ich mich voll integriert und komme inzwischen sehr gern an den Freitagen mit meinem Kind zu den Treffen. Während meiner Schwangerschaft mit Nicolas hat Anna immer angeboten, mit mir spazieren zu gehen. Und als unser Kind dann auf der Welt war, hat sie es uns öfter abgenommen, damit wir mal wieder ins Kino oder ins Restaurant gehen konnten. Auf Anna kann man sich felsenfest verlassen, das ist sehr angenehm.

Dennoch hat sie mir nie das Gefühl gegeben, dass sie in Sachen Kinder alles besser wüsste. Von ihr kommt vielmehr eine sanfte Unterstützung, sie mischt sich aber nie in unsere Erziehung ein oder bevormundet mich gar. Was ich ebenfalls nie gespürt habe, war eine Eifersucht seitens Anna. Sie hat sich wirklich vorbehaltlos und von Herzen gefreut, dass auch ihr jüngster Sohn jetzt eine ernsthaftere Beziehung hat.

Momentan sehe ich Anna öfter, als mein Mann Richard seine Mutter sieht. Bei unseren Freitagstreffen kommen die Frauen der Familie samt Enkelkindern zusammen, das ist ein richtig schönes Ritual. Uns ist es auch wichtig, dass sich die Kinder untereinander austauschen, damit sie merken, wie schön es ist, in einer Großfamilie aufzuwachsen. Die Kinder sind dann im Spielzimmer, das Anna extra für sie eingerichtet hat. Und wir Frauen trinken Tee oder Kaffee und essen Kuchen dazu. Der krönende Abschluss dieser Nachmittage ist dann immer eine wilde Pommes-Schlacht, die nicht nur die Kinder lieben …

Anna ist für mich nicht die klassische Schwiegermutter, die eine Generation über mir steht. Unser Verhältnis ist sehr freundschaftlich, und als Frau ist sie für mich ein großes Vorbild. Ich finde all das, was sie bisher erreicht und gemacht hat, absolut einmalig. Ich bewundere sie für ihren Mut und ihre unkonventionelle Art. Sie hat so viel Großartiges erreicht, dass ich meinen Hut vor ihr ziehe. Annas Geheimnis ist wohl, dass sie viele Dinge laufen lässt und nicht ihr ganzes Leben komplett durchstrukturiert. Sie ist weder festgefahren noch perfektionistisch, das mag ich sehr an ihr. Natürlich hat sie ihre Prioritäten, aber sie hat auch eine ganz wunderbare Leichtigkeit.“

Schwiegertochter Madeleine

Über Anna …

„Ich bin die Schwiegertochter, die Anna am längsten kennt, und die Frau ihres zweitältesten Sohnes Wilhelm. Ich war 19, als ich Wilhelm 1997 kennenlernte. Bereits zwei Tage später stellte er mich seiner Mutter vor. Anna war damals junge 46, begrüßte mich ganz herzlich und lud mich gleich in ihre gemütliche große Wohnküche ein, in der bereits die halbe Familie versammelt war. Ich fühlte mich eigentlich von der ersten Minute an von der ganzen Familie akzeptiert.

1999 zogen Wilhelm und ich nach Berlin, Anna und ihr damaliger Mann Hans wohnten damals noch in Userin bei Neustrelitz. Fast jeden Samstag kamen die beiden nach Berlin, weil sie die Stadt einfach liebten. Ich traf mich häufig mit Anna zum Frühstück in Charlottenburg in einem der netten Cafés. Dabei waren unsere Gespräche die von Freundinnen, weniger die von Schwiegertochter und Schwiegermutter. Auf die Besuche von Anna freute ich mich immer sehr. Das Du bot sie mir allerdings erst viele Jahre später an, mit dem Satz: ‚Jetzt höre ich die Hochzeitsglocken läuten.‘ Das stimmte zwar zu dem Zeitpunkt noch gar nicht, dennoch fühlte ich mich natürlich geehrt.

2006 heirateten Wilhelm und ich, 2007 kam unser erstes Kind Rosa zur Welt. Anfangs hatte ich große Schwierigkeiten mit dem Stillen. Anna half mir dann mit ihrer ruhigen, praktischen Art, bis ich den Dreh endlich raushatte. Als ich eine schwere Brustentzündung mit hohem Fieber hatte, schlief sie sogar nachts bei uns.

Mein Mann und ich leiten eine Hausverwaltung, und auch beim Wiedereinstieg in den Job hat sie mich großartig unterstützt. Da wir ganz nah beieinander wohnten und auch unser Büro nicht weit weg war, brachte sie mir Rosa immer mehrmals am Tag zum Stillen. Das war äußerst praktisch und zugleich natürlich ein Riesenluxus für mich. Anna ist eine meiner engsten Freundinnen. Ich kann mit ihr über alles sprechen, mir ist auch nichts wirklich unangenehm vor ihr. Das war wohl auch früher bei ihren eigenen Kindern schon so. Wilhelm konnte in der Pubertät auch mit noch so intimen Fragen immer zu seiner Mutter kommen und hat sich dabei nie geschämt. So etwas ist wohl eher die Ausnahme. Die meisten Kinder meiner Generation mussten sich mithilfe von BRAVO & Co. ein Stück weit selbst aufklären. Als ich ganz frisch mit Wilhelm zusammen war, fiel mir auf, dass er für einen jungen Mann ungewöhnlich verantwortungsvoll und selbstverständlich mit dem Thema Verhütung von seiner Seite umging. Das kannte ich von anderen Männern anders. Ich habe Anna mal gefragt, wie sie das geschafft habe. Sie meinte dazu nur: ‚Ich habe meinen Kindern immer gesagt, dass das dazugehört wie Zähneputzen.‘

Eine von Annas besten Eigenschaften ist ihre Gelassenheit. Sie ist nur schwer aus der Fassung zu bringen. Dabei ist sie aber auch kein selbstloses Seelchen, das sich jeden noch so engen Schuh klaglos anzieht. Sie kann auch kräftig schimpfen, wenn alles drunter und drüber geht. Und ich erinnere mich daran, dass sie, als ihre Jungs sich allzu heftig stritten, auch schon mal einen Schuh geworfen hat. Wohl auch, weil sie sich nicht traute, dazwischenzugehen.

Inzwischen treffen wir uns jeden Freitag in unserem Stammcafé ‚Manzini‘ in Charlottenburg, das genieße ich sehr. Am Nachmittag kommen dann immer die anderen Schwiegertöchter und Enkel zum Kaffeetrinken in Annas Wohnung, diese Freitagstreffen sind mittlerweile für uns alle ein schönes Ritual geworden.

Als Frau hat Anna in meinen Augen eine große Wandlung durchgemacht. Während ihrer Ehe trug sie ihre Haare sehr kurz, oft asymmetrisch geschnitten. Dazu kombinierte sie meist sehr klassische Outfits. Man könnte sagte, sie sah ihrem Alter entsprechend aus, wenn nicht sogar älter. Nicht langweilig, aber auch nicht so, dass man sich auf der Straße nach ihr umgedreht hätte. Das ist heute anders. Nach der Trennung hat sie noch mal ein neues Leben begonnen. Sie hat sich gefunden und verwirklicht sich auf eine tolle Weise. Sie weiß genau, was sie will. Dadurch hat sie auch eine ungemein positive Ausstrahlung. Auch äußerlich hat sie sich sehr gewandelt. Ich finde, dass ihr langes, weißes Haar sie richtig mädchenhaft erscheinen lässt. Auch ihre Kleidung finde ich sehr lässig, und doch haben alle Stücke, die sie trägt, dieses ganz besondere Etwas.

Sie ist ein Mensch, wie man ihn nicht zweimal im Leben trifft. Ich kann mir vorstellen, dass sie nicht nur für Frauen ihres Alters, sondern auch für deutlich Jüngere ein Vorbild ist.

Ganz besonders freue ich mich jedes Mal über ihre Abschiedsworte am Telefon. Dabei sagt sie immer zu jedem von uns: ‚Ich drück’ dich feste.‘ Und das ist bei ihr keine Floskel, das kommt ganz tief aus ihrem Herzen.“

Schwiegertochter Ilka

Wenn ich sie heute so alle vor mir sehe, meine Kinder, meine Schwiegerkinder und meine Enkel, dann muss ich häufig auch an meine eigene Kindheit denken, damals in den 1950er-Jahren in Bottrop. Natürlich war meine Kindheit ganz anders und sehr viel entbehrungsreicher als die meiner Kinder und Enkelkinder heute. Dennoch empfand ich sie als sehr schön. Meine Eltern und Großeltern hatten den Zweiten Weltkrieg alle mehr oder weniger unbeschadet überstanden. Wirtschaftlich ging es langsam wieder aufwärts – und für mich war mein erstes Zuhause in der grauen Industrielandschaft des Ruhrgebiets ein kleines Paradies. Dazu haben vor allem meine wunderbaren Großeltern beigetragen, die ich von ganzem Herzen geliebt habe.

Jeden Tag aufs Neue glücklich

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