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2.2.1 Strukturprobleme des Rundfunkbegriffs

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Unbestritten erfasst der verfassungsrechtliche Rundfunkbegriff Hörfunk und Fernsehen.[46] Es drängt sich aber die Frage auf, ob auch neue Erscheinungsformen unter diesen Begriff zu subsumieren sind. Praktisch wird hierdurch der Programmbereich des klassischen Rundfunks erweitert. Es entstehen Spartenprogramme, unterschiedliche Formen von Pay-TV und neue Angebotsformen, vor allem in Gestalt von Online-Diensten zum Abruf. Der Rundfunkstaatsvertrag unterscheidet einfachgesetzlich zwischen Rundfunk und Telemedien. Die bis zum 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag umstrittene Frage der einfachgesetzlichen Abgrenzung zwischen diesen beiden Begriffen hat sich durch die Anpassung des Rundfunkbegriffs an die Definition der linearen audiovisuellen Mediendienste (Fernsehprogramme) weitgehend geklärt.[47] Diese Definition entstammt ursprünglich der Richtlinie 2007/65/EG (sog. Fernsehrichtlinie)[48], die 2010 ersetzt worden ist.[49] Gleichwohl ist die Einordnung neuer Angebotsformen weiterhin mit Schwierigkeiten verbunden.

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Den Schutz der aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG abgeleiteten Rundfunkfreiheit genießt auch die elektronische Presse.[50] Sie kann entweder als andere Form des Printblattes mit demselben Inhalt digital verfügbar sein oder aber als eigenständiger Auftritt mit selbstständiger Redaktion als mediale Mischform auftreten. Sämtliche Printerzeugnisse sind mittlerweile entweder kostenfrei oder gegen Entgelt als Applikation für mobile Endgeräte verfügbar, in denen neben den im Magazin zu findenden Artikeln regelmäßig auch Hintergrundinformationen (z.B. in Form von Bewegtbildern) abrufbar sind. Derartige Erscheinungsformen, die Elemente unterschiedlicher Mediengattungen in sich vereinen, werfen besondere Einordnungsprobleme auf. Es bereitet zwar keine Probleme eine Tageszeitung, deren Inhalt wie in Papierform in das Internet gestellt wird, ungeachtet ihrer fehlenden Körperlichkeit aufgrund ihrer Herkunft,[51] ihres Charakters und ihrer Wirkung der Pressefreiheit zu unterstellen. Schwieriger ist indes die Einordnung eines Online-Angebots, das inhaltlich eigenständig ist, wie der Online-Auftritt einer Zeitung oder Zeitschrift mit eigener Redaktion und unter Verwendung von Bewegtbildern im Vergleich zur gedruckten Fassung des entsprechenden Magazins. Diese Online-Auftritte lösen sich bewusst vom Herkunftsmedium ab und weisen Bewegtbildern eine wesentliche Rolle zu. Was die Inhalte betrifft, unterscheidet sich dieses Angebot häufig nicht von der Ausstrahlung einer Fernsehsendung. Freilich wird es (bislang) nicht linear ausgestrahlt, sondern lediglich auf Abruf bereitgehalten. Zudem weist es aufgrund seines geringeren Rezipientenkreises nicht die für den Rundfunk typische Reichweite und Meinungsrelevanz auf.

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Gerade im Zusammenhang mit Blogs fällt eine juristische Beurteilung schwer. Hierbei handelt es sich um Inhalte auf einer Website, in denen eine oder mehrere Personen (Blogger) Inhalte jeder Art niederschreiben. 2015 entstand im Zusammenhang mit dem Internetportal netzpolitik.org ein gleichermaßen strafrechtlich wie medienrechtlich und politisch brisanter Konflikt. Nach Anzeigen des Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz wurde ein inzwischen eingestelltes Ermittlungsverfahren gegen die Betreiber des Blogs eingeleitet. Durch die Veröffentlichung von Material mit Staatsgeheimniseigenschaft, das ihnen von einem sog. Whistleblower zugespielt wurde, hätten sich die Blogger u.a. wegen Landesverrats (§ 94 StGB) strafbar gemacht. In medienrechtlicher Hinsicht[52] stellte sich hier zum einen die Frage, welchen verfassungsrechtlichen Status Blogger einnehmen und zum anderen, wie das sog. Whistleblowing vor dem Hintergrund der Presse- und Meinungsfreiheit zu bewerten ist. Wenn und soweit ein Blogger seine Inhalte journalistisch-redaktionell gestaltet, schützt ihn regelmäßig neben der Meinungsäußerungsfreiheit auch die Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 2 S. 2 GG.[53] Werden ihm erkennbar rechtswidrig erlangte Informationen zugespielt, stellt sich die Frage, ob deren Publikation vom Auftrag des Mediums als Public Watch Dog[54] umfasst ist und auch die Veröffentlichung von Informationen, die als Verschlusssachen klassifiziert sind, von der Pressefreiheit gedeckt sind. Hierbei werden schon vor dem Hintergrund der vom BVerfG wiederholt als „konstituierend für die freiheitliche demokratische Grundordnung“[55] bezeichneten Medienfreiheit hinsichtlich einer Strafbarkeit und damit eines Zurücktretens der Pressefreiheit hohe Maßstäbe anzusetzen sein.[56] Um den Tatbestand des Landesverrats zu erfüllen, müsste es jedenfalls im Einzelfall um Staatsgeheimnisse gehen, deren Verrat mit einer möglichen Gefährdung der äußeren Sicherheit der Bundesrepublik verbunden wäre.[57] Unabhängig davon stellte sich aber im Fall netzpolitik.org das Problem einer möglichen und bis heute nicht aufgeklärten Einflussnahmen des Justizministeriums auf den Generalbundesanwalt, die rechtsstaatlich besorgniserregend wäre.[58]

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Print- und Telekommunikationsunternehmen experimentieren im Internet mit Formaten, deren Einordnung als Rundfunk oder Telemedien zum Teil umstritten ist.[59] So stellt sich z.B. bei dem auf der Plattform YouTube angebotenen linearen Videokanal „Live“ mit mehr als 500 „followern“[60] die Frage, ob dieser einfachgesetzlich im Sinne des RStV als Rundfunk oder als Telemedium zu qualifizieren ist.[61] Diese Abgrenzung wird allerdings mit Blick auf neue Erscheinungsformen in den Medien zunehmend hinterfragt. Als Bundeskanzlerin Angela Merkel 2013 in einer im Internet gestreamten Videokonferenz („Google Hangouts“) 500 Teilnehmer erreichte, wurde dies als Staatsfunk bezeichnet.[62] In der Folge beschäftigte sich – unabhängig vom Problem der Staatsfreiheit des Rundfunks – die ZAK mit der Frage der Kategorisierung des Formates und insbesondere mit der nach einer möglicherweise erforderlichen Rundfunklizenz. Laut Pressemitteilung der ZAK können Angebote – wenn sie linear verbreitet werden – zwar grundsätzlich zulassungspflichtigen Rundfunk darstellen. Im Fall des Google-Hangouts fehle es aber an einem Sendeplan, dem das Format folgt.[63] Im Umkehrschluss wäre eine Bewertung als Rundfunk demnach denkbar, wenn das Format journalistisch-redaktionell verbreitet würde.

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Eine weitere Folge der Konvergenz zeigt sich bei Smart-TV-Portalen. 2017 können über zahlreiche Fernseher in Deutschland Internetinhalte abgerufen und dargestellt werden, sei es unmittelbar über einen eigenen Internetzugang am Gerät oder mittelbar über ein angeschlossenes Tablet, einen angeschlossenen TV-Stick etc.[64] Im Falle eines im Gerät verbauten Internetzugangs kann der Nutzer neben der vom Hersteller bereitgestellten Nutzeroberfläche auch über den sog. Red Button der Fernbedienung oder den Browser auf Internetinhalte zugreifen. So werden etwa beim sog. HbbTV TV-Programme mit umfangreichen Zusatzinformationen angereichert, wenn der Nutzer die Funktionalität über den sog. Red Button aktiviert hat. Dies können Informationen zum laufenden Programm oder auch Werbung im Splitscreen sein. Letztere kann dann, ähnlich wie bei den über das Smartphone, Tablet oder den Laptop abgerufenen Inhalten, auch personalisiert sein. Konkret bedeutet dies, dass Werbebotschaften auf Grundlage des vorherigen Konsumverhaltens auf den Nutzer zugeschnitten werden können. Für Werbetreibe ist dies von besonderer Relevanz, da hier eine Kombination zwischen der hohen Reichweite des klassischen Rundfunks und der zielgerichteten, personalisierten Online-Werbung möglich ist. Damit einhergehen jedoch erhebliche datenschutzrechtliche Probleme. Über die Internetverbindung fließen zahlreiche personenbezogene Daten vom Smart-TV an dessen Hersteller und werden von dort vermittelt oder möglichweise auch unmittelbar an Dritte, etwa Fernsehsender oder Vermarkter, weitergegeben. Personenbezogene Daten sind nach dem BDSG, und sinngemäß auch nach der Ende Mai 2018 wirkenden DSGVO, Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren Person. Hierbei geht es um Daten, die identifizierende oder beschreibende Informationen über den Betroffenen selbst oder über einen auf ihn beziehbaren Sachverhalt enthalten.[65] Bei HbbTV entstehen eine Vielzahl personenbezogener Daten, nur beispielhaft genannt seien etwa die gewöhnlichen Fernsehzeiten, die Rückschlüsse auf personenbezogene Informationen zu Arbeitszeiten bzw. eine mögliche Arbeitslosigkeit zulassen. Die gewählten Sendungen und das Umschaltverhalten geben Auskunft über Vorlieben und Abneigungen des Nutzers. Der Datenfluss erfolgt dabei schon vor und unabhängig von der Betätigung des Red Buttons ohne wirksame Einwilligung des Nutzers und ohne gesetzliche Ermächtigung, die eine Verwendung der Daten rechtfertigen könnten. Das Landgericht Frankfurt hat im Juni 2016 entschieden,[66] dass einHersteller von Smart-TV keine verantwortliche Stelle i.S.d. Datenschutzrechts ist, wenn er weder Kenntnis noch Verfügungsmacht über diejenigen IP-Adressen hat, die zwischen dem Nutzer und dem Anbieter des HbbTV-Dienstes ausgetauscht werden.[67] Zugleich betont das Gericht die aus §§ 5a Abs. 2, 8 UWG i.V.m. § 13 Abs. 1 TMG herzuleitende Verpflichtung, den Kunden darüber zu informieren, dass schon durch den Anschluss des Smart-TV an das Internet Daten über den Nutzer erhoben werden können, ohne dass zuvor eine entsprechende Information und Einwilligung erteiltwurde.[68] Hinsichtlich der Einwilligung in die Datenerhebung sei eine Datenschutzbestimmung, die 50 Bildschirmseiten umfasse schon wegen ihres Umfanges als Grundlage für eine Einwilligung in die Datenerhebung ungeeignet.[69]

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Unter der ab 25.5.2018 geltenden EU-Datenschutzgrundverordnung wird der Maßstab tendenziell noch strenger, vgl. Art. 5 ff. EU-DSGVO zur Datenverarbeitung sowie zu den Transparenz- und Informationspflichten Art. 12 ff. EU-DSGVO. Eine datenschutzkonforme Ausgestaltung der Angebote ist dringend geboten, damit Hersteller und Vermarkter nicht einer Haftung nach Art. 82 f. EU-DSGVO ausgesetzt werden.[70] Betrachtet man die neuen Werbeformen datenschutzrechtlich, so wird deutlich, dass die datenschutzrechtliche Regulierung datengetriebener Geschäftsmodelle im Rundfunkbereich schon heute eine besondere, eigene und neue Regulierung für Rundfunkveranstalter neben der Rundfunkregulierung ausmacht.

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