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2.2.2.1 Verfassungsrechtliche Einordnung

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Zwar kennt das GG neben der in diesem Zusammenhang weniger relevanten Filmfreiheit nur Rundfunk und Presse. Verfassungsrechtlich unterfallen jedoch auch telemediale Abrufdienste nach herrschender Meinung[103] dem weiten verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriff.[104] Es werden Text-, Ton- oder Bilddateien mittels elektromagnetischer Schwingungen verbreitet. Eine nicht näher begrenzte Anzahl von Personen kann diese Dateien abrufen. Es fehlt an einer Möglichkeit auf den dargebotenen Inhalt Einfluss zu nehmen. Der Nutzer rezipiert eine redaktionell aufbereitete, planmäßige Darbietung mit publizistischer Relevanz. Dieses weite Verständnis des Rundfunkbegriffs eröffnet einen breiten Anwendungsbereich der Rundfunkfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG und entspricht damit dem Postulat des BVerfG nach Offenheit für Neuerungen.[105] „Abruf-Applikationen“ sind somit bei verfassungsrechtlicher Betrachtung als Rundfunk zu klassifizieren. Dass eine solche Subsumtion angesichts der zunehmenden Digitalisierung und Konvergenz mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist, zeigt sich bereits daran, dass Presse, Rundfunk sowie alle neuen medialen Angebote die meisten Nutzer nicht mehr auf getrennten Wegen erreichen. Aufgrund neuer Endgeräte wie Hybrid-Fernseher, Apple-TV, Amazon Fire TV, Tablets oder Smartphones, können sämtliche Angebote auf sämtlichen Verbreitungswegen empfangen werden.[106] Aufgrund dieser Endgerätekonvergenz, die die Unterscheidbarkeit der medialen Angebotsgattungen weitgehend entfallen lässt,[107] ist eine rechtssichere Einordnung in die herkömmlichen Kategorien des Grundgesetzes nicht immer möglich.[108] Auch der Nutzer differenziert regelmäßig nicht zwischen den unterschiedlichen Gattungen, sondern erwartet einen möglichst schnellen und unkomplizierten Zugang zu den für ihn relevanten Inhalten.[109] Diesen, seit Entstehung des Grundgesetzes erheblich veränderten Gegebenheiten, könnte mit einem gattungsübergreifenden Grundrecht der Medienfreiheit Rechnung getragen werden.[110] Einer solchen Konstruktion stünde auch das europäische Recht nicht entgegen, welches weder in Art. 10 Abs. 1 EMRK noch in Art. 11 Abs. 2 Grundrechtecharta nach medialen Gattungen differenziert.[111] Der bisherige Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG mit seiner Differenzierung zwischen Rundfunk-, Presse- und der insoweit weniger relevanten Filmfreiheit könnte dafür im Sinne eines klassischen Freiheitsrechts weiterentwickelt werden.[112] Dies erscheint weitaus praktikabler als die zusätzliche Schaffung einer eigenständigen Internetdienstefreiheit auf Grundlage und in Ausgestaltung des Art. 5 GG. Wollte man dann den Rundfunkbegriff auf diejenigen Verteil- und Abrufdienste anwenden, die eine hinreichende Suggestivkraft, Aktualität und Breitenwirkung aufweisen und alle übrigen elektronisch verbreiteten Kommunikationsinhalte der Internetdienstefreiheit unterwerfen,[113] böte dies gegenüber der geltenden Rechtslage keine erkennbaren Vorteil. Schließlich werden verfassungsrechtlich als Rundfunk eingeordnete Internetdienste auch heute nicht mehr den scharfen Regulierungsanforderungen des klassischen Rundfunks unterworfen.[114] Es sprechen daher gute Gründe dafür die Medienfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG nicht kleinteilig zu erweitern, sondern vielmehr für die neuen Medien im Ganzen zu öffnen.[115]

Praxishandbuch Medien-, IT- und Urheberrecht

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