Читать книгу Weniger schlecht Projekte managen - Anne Schüßler - Страница 13
ОглавлениеKAPITEL 3
Failure is an Option(?) Methoden und Erfahrung
Aus einer Studie der Volkswagen Coaching GmbH in Zusammenarbeit mit der Universität Bremen geht hervor, dass die Unterstützung des Topmanagements – noch vor dem Methodeneinsatz und der Qualifizierung der Mitarbeiter im Projektmanagement – als der wichtigste Erfolgsfaktor für das Projektmanagement eingeschätzt wird.
Was hier doch etwas hochtrabend und businessmäßig professionell klingt, lässt sich auch bodenständiger formulieren: Wichtig ist vor allem, dass Ihre Firma Projektmanagement nicht nur auf dem Papier will, sondern auch bereit ist, etwas dafür zu tun.
Nun ist es natürlich so, dass jedes Topmanagement von sich behauptet, es unterstütze selbstverständlich die Projekte im Unternehmen. Dementsprechend kann man quasi sofort das Erlernen der Projektmanagementmethoden als das Wichtigste und auch das Dringlichste auf die To-do-Liste der Mitarbeiter setzen. Bei den Methoden für das Projektmanagement geht es in der Regel um harte Fakten, also um Dinge, die im besten Sinne des Worts erlernbar sind. Zudem ist die Sinnhaftigkeit dieser Kenntnisse gut vermittelbar: Ihr Chef wird sich deutlich mehr freuen, wenn Sie ihm im nächsten Meeting einen fertig ausgearbeiteten Projektplan vorlegen, als wenn Sie stundenlang über Konfliktlösungsstrategien philosophieren. Am Ende ist zwar vielleicht eine gute Strategie zur Konfliktlösung (oder besser noch: Konfliktvermeidung) wichtiger, um in genau Ihrem Projekt erfolgreich zu sein, aber dass Ihr größtes Problem nicht die Identifizierung von Arbeitspaketen ist, sondern dass sich Ihre Teammitglieder im Projektsandkasten dauernd mit Schäufelchen hauen, das müssen Sie erst mal vermitteln.
Lassen Sie uns positiv in die Thematik einsteigen: Es gibt ein ganzes Set von Projektmanagementmethoden, das im Übrigen deutlich über die Techniken zum Planen und Steuern von Projekten hinausgeht. Fast alles, was Sie in den nächsten Jahren an Aufgaben, Problemen und Stolperfallen erwartet, ist bekannt. Andere kluge Menschen haben sich Gedanken darüber gemacht und funktionierende Methoden gefunden, wie man damit umgehen kann. Systematisch erlernen kann man diese Methoden in entsprechenden Zertifizierungslehrgängen, die zudem den charmanten Vorteil haben, dass man nach erfolgreich bestandener Prüfung ein Zertifikat in der Hand hält, das einen am Arbeitsmarkt noch attraktiver macht, als man es ohnehin schon war. Wir gehen an dieser Stelle pessimistisch davon aus, dass Sie noch nicht an einem solchen Lehrgang teilnehmen konnten. Eventuell war der Lehrgang aber auch nicht gut, und Ihnen schweben nach wie vor im Arbeitsalltag dauernd Fragezeichen über dem Kopf. Es schadet auf keinen Fall, Ihren Chef davon zu überzeugen, dass die Teilnahme an einer (weniger schlechten) Projektmanagementschulung eine sinnvolle Investition wäre.
Sie sollten sich jedoch nicht in dem falschen Glauben wiegen, die über das Zertifikat erlangte Kenntnis der Methode sei Garant für die erfolgreiche Durchführung von Projekten. Die Welt des Projektmanagements ist leider ein bisschen komplizierter. Neben dem Wissen um die Methode geht es in der Praxis in erster Linie um die Anwendung der Methode. Dabei spielt die Erfahrung, die man in der Anwendung über die Jahre gewonnen hat, eine entscheidende Rolle. Insofern ist Projektmanagement eher als Erfahrungswissenschaft zu verstehen. Vereinfacht gesagt: Es gibt keine eindeutigen Lösungen, es gibt immer nur ein Set von Lösungen, die für ein vorhandenes Problem infrage kommen können. Selbst bei der Anwendung von zunächst eindeutig erscheinenden Systematiken, wie Terminplanung oder Risikoanalyse, gibt es unterschiedliche Vorgehensweisen, die durch vielfältige Parameter (Größe und Art des Projekts, Teamzusammensetzung, Organisation) bestimmt sind.
Erinnern Sie sich daran, dass ein Projekt qua Definition einzigartig ist und somit auch alle eventuell eintretenden Probleme und Herausforderungen einzigartig sein werden. Das ist die schlechte Nachricht. Die gute Nachricht: Mit etwas gesundem Menschenverstand, einer soliden Methodenkenntnis, wachsender Erfahrung und etwas Glück werden Sie alle Probleme in den Griff kriegen. Die noch bessere Nachricht: Es wird Ihnen mit der Zeit immer leichter fallen, Probleme rechtzeitig zu erkennen und zu lösen. Denn auch wenn es keine Patentrezepte gibt, können Sie davon ausgehen, dass Sie gewonnene Erfahrungen so oder so ähnlich auf andere Situationen übertragen können.
Das betrifft sowohl die Auswahl aus den unterschiedlichen Methoden als auch die Methode selbst. Nehmen wir als Beispiel das Thema Risikomanagement, so ist es manchmal für das Projekt sinnvoll, Risikomanagement nur »sehr oberflächlich« zu betreiben, während in anderen Projekten ein detailliertes und damit aufwendiges Risikomanagement Pflicht ist. Der weniger schlechte Projektmanager weiß, welche Methode er anzuwenden hat und in welcher Tiefe diese Methode zu nutzen ist.
In einer perfekten Welt sitzen an den Schlüsselstellen des Projekts nur erfahrene Projektmanager oder Projektmitarbeiter. Projektmanagementmethoden kann man lernen, ihre Anwendung muss man aber erfahren haben, um sie letztlich zu verstehen. |
Womit wir bei der »Erfahrung« des eben mal locker in den Raum geworfenen Begriffs »Erfahrungswissenschaften« wären. Denn hier zeigt sich eines der wichtigsten Probleme des Projektmanagements, das schon seit geraumer Zeit beobachtet werden kann.
Es gibt viele erfahrene Projektmanager, also Menschen, die schon seit Jahren mehr und weniger erfolgreich Projekte abwickeln. Häufig fehlt diesen Projektmanagern das Wissen um die Methode (aus vielen Seminarveranstaltungen zum Thema wissen wir, dass diese Unkenntnis auch als eigenes Defizit wahrgenommen wird, mangelnde Fähigkeit zur Selbstkritik ist also gar nicht das Problem). Umgekehrt gibt es eine Unzahl an jungen Kollegen, die schon während ihres Studiums mit dem Thema Projektmanagement konfrontiert waren, weil es innerhalb des Studiengangs zum Curriculum dazugehörte – wenn auch oft nur für die Dauer eines Semesters –, oder die rasch nach Abschluss des Studiums an einer Projektmanagementzertifizierung teilgenommen hatten.
Den Ersteren fehlt das Wissen, den Letzteren fehlt die Erfahrung. Hierbei handelt es sich um eine Situation, die unter anderem der Tatsache geschuldet ist, dass die Vermittlung von Projektmanagementwissen erst in den letzten Jahren auch in den Hochschulen eine Rolle spielt. Im wahrscheinlichsten Fall werden innerhalb eines Semesters schnell die Grundlagen vermittelt, was dann zur Folge hat, dass Berufseinsteiger dem Irrglauben unterliegen, sie wüssten alles, was man über Projektmanagement wissen müsste.1 Auch die bekannten Zertifizierungen zum Projektmanager, wie zum Beispiel IPMA, PMP und PRINCE2, und damit die systematische Verbreitung des Projektmanagementwissens und der methodischen Kompetenz sind erst in den letzten Jahren so richtig populär geworden. Doch obwohl es mittlerweile nicht mehr exotisch ist, sich neben dem nötigen Fachwissen auch mindestens ebenso nötiges Wissen über Projektmanagement anzueignen, hilft alles nichts: Ein weniger schlechter Projektmanager wird man durch die Kombination von in Kursen und schlauen Büchern vermitteltem Methodenwissen und knallharter praktischer Erfahrung. Es ist kaum auszuschließen, dass auch Sie ein paar Mal auf die Nase fallen werden oder schon auf die Nase gefallen sind. Macht nichts. Stehen Sie auf, richten Sie Ihr Projektmanagerkrönchen und managen Sie weiter.
Kein Projekt ist wie das andere
Allein die Kenntnis der unterschiedlichen Projektmanagementmethoden reicht nicht zwingend aus, um ein guter Projektmanager zu sein. Zunächst mal muss man sie natürlich anwenden können, vor allem aber muss man in der Lage sein, die Anforderungen des Projekts im Hinblick auf die einzelnen Methoden einschätzen zu können.
Der Merksatz lautet hier: Die Methode dient immer dem Projekt.
Das bedeutet, dass die Auswahl der Methode und die Bearbeitungstiefe immer auf die Anforderungen des Projekts abzustimmen sind. Wir sprechen hier von der Skalierbarkeit der Methode. Ein häufig zu beobachtender Fehler ist die unangemessene Bearbeitungstiefe in Bezug auf die Methode. Es ergibt keinen Sinn, für ein kleines Projekt mit einer Laufzeit von zwei bis drei Monaten eine Risikomatrix mit allen Schikanen aufzubauen. Allein der dazu nötige Aufwand würde schon einen beträchtlichen Teil der Projektlaufzeit in Anspruch nehmen. Umgekehrt wäre es in einem Projekt mit langer Laufzeit und einem entsprechenden Budget fatal, weder eine detaillierte Risikoanalyse noch einen systematisierten, auf das Projekt abgestimmten Projekt-Risikomanagement-Prozess zu haben.
Das bedeutet auch, dass Sie als Projektmanager von Projekt zu Projekt umdenken oder zumindest prüfen müssen, ob die Methoden und die Herangehensweise, die Ihnen beim letzten Mal zu so viel Ruhm und Ehre verholfen haben, auch beim nächsten Projekt ähnlich vielversprechend sind.
Sie wissen jetzt also, dass es darauf ankommt, sowohl methodisches Wissen als auch eine gewisse Erfahrung im Abwickeln von Projekten mitzubringen. Zudem sollte klar sein, dass jedes Projekt und damit auch die methodische Herangehensweise an das Projekt neu und einzigartig sind.
Aus diesen Erkenntnissen lassen sich zunächst grundlegende Fragestellungen ableiten. Wie wende ich eine Methode an? Oder grundsätzlicher: Welche Methode ist überhaupt die richtige? Wie entscheide ich, welche Methode zu meinem Projekt passt und welche Methode nur zusätzlichen Aufwand bedeutet, ohne dass ein Nutzen erkennbar wäre? Dies sind vielfältige Fragestellungen, die wir uns auf den nächsten Seiten und in den weiteren Kapiteln des Buchs näher anschauen werden.
Grundsätzlich sei gesagt: Stellen Sie sich immer wieder die Frage, welchen Nutzen eine Methode für das Projekt bzw. die erfolgreiche Umsetzung des Projekts hat. Die Methode darf nie, aber auch wirklich niemals, um ihrer selbst willen angewendet werden. Auch wenn Sie gern mit Ihrem umfangreichen Methodenwissen als der hellste Stern am Projektmanagementhimmel erstrahlen möchten: Halten Sie einen Moment inne und überlegen Sie, was Ihr Projekt tatsächlich braucht. Ihr erster Schritt zu einem weniger schlechten Projektmanager sieht also so aus, dass Sie sich ganz genau anschauen, welche Methoden Sie in welchem Umfang einsetzen und welche vielleicht gar nicht.
Ist »failure« jetzt tatsächlich »an option«, wie wir es so großspurig im Titel dieses Kapitels andeuten? Die Antwort ist wie so oft: Es kommt darauf an. Natürlich ist Ihr Ziel als weniger schlechter Projektmanager nicht, beim ersten Projekt im großen Stil zu versagen. Genauso wenig wollen wir mit diesem Buch erreichen, dass Sie erst mal kräftig bis zum Hals im Projektmist stehen. Je weniger Fehler Sie auch als Projektmanager-Newbie machen, desto besser. Doch wir müssen eben auch der Realität ins Auge sehen, und die sieht so aus, dass man, ähnlich wie man an der Blockflöte nur durch Übung zum weniger schlechten Blockflötensolisten wird, nur durch Erfahrung und eben auch Fehler zu einem weniger schlechten Projektmanager wird.
Natürlich müssen Sie Entscheidungen immer gründlich abwägen, und jeder nicht gemachte Fehler wird auf Ihr Projektmanagerkonto gutgeschrieben. Aber schlimmer noch als der eine oder andere Fehler ist die Erfahrung, die Sie nicht sammeln konnten, weil Sie immer auf Nummer sicher gehen wollten. Vor allem muss Ihnen klar sein, dass Sie Fehler machen werden, schon weil es in der Natur der Sache liegt, dass man etwas beim ersten Mal ziemlich sicher schlechter und weniger routiniert machen wird als beim zwanzigsten Mal. In diesem Buch werden wir versuchen, Sie vor den schlimmsten Fehlern zu bewahren oder zumindest ausdrücklich zu warnen. An dieser Stelle aber sagen wir Ihnen auch: Es ist wahrscheinlich, dass Sie mal auf die Schnauze fallen werden. Sie werden gelegentlich schimpfen und klagen, aber Sie werden auch daraus lernen.
Ob »failure an option« ist, können wir mangels hellseherischer Fähigkeit nicht eindeutig sagen. In den meisten Fällen ist »failure aber zumindest no Weltuntergang«.