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5 Zwischenspiel: Frühe Bots
ОглавлениеDie verehrten Lesenden wird es interessieren, wie die Geschichte mit Otto und Karl weiter gegangen ist. Tatsächlich hat ein Termin bei der Casting-Agentur Rhing-Gold Lösungen gebracht. Nachdem das Otto-Karl-Problem geschildert war, hat der Mitarbeiter Wolf Müller sofort empfohlen, dass man das Pferd von der anderen Seite auf zäunen sollte. Die Fernsehmacher verstanden nicht.
„Na ja“, so Herr Müller, „eine Teilnahme an einer Sendung als Zuschauer/in kann mit einem Theater- oder Opernbesuch verglichen werden. Er muss Eintrittsgeld kosten.“
„Ja, aber das Problem bei dieser Sendung ist doch, dass die Leute für ihre Teilnahme sogar etwas haben wollen, wie Federbetten etc.!“ widersprachen die Fernsehleute.
„Ganz falsch, ganz falsch!“ erwiderte der Mann von der Agentur, „Sie müssen für die Teilnahme Geld nehmen. Verbreiten Sie über Ihren Internet-Auftritt, dass sich Zuschauer/innen melden können, wenn Sie die Sendung live erleben möchten, und setzen Sie dafür ein Eintrittsgeld fest, meinetwegen so viel wie für einen Kinobesuch. Denn nur, wenn etwas kostet, ist es gut und wertvoll. Wenn etwas nichts kostet, ist es nichts wert. Die Leute werden bezahlen, glauben Sie mir. Das Publikum vor Ort wird dann natürlich ein anderes sein, als das vor den Bildschirmen, das ist klar. Wir machen Ihnen gern ein Angebot für die Gestaltung der neuen Linie im Internet.“ Die Fernsehleute waren erst einmal baff und schwiegen eine Weile. Dann gab jemand zu bedenken, dass das nicht so schnell gehen würde und fragte, was man denn in der Zwischenzeit machen könnte. Aber auch das schien für Herrn Wolf kein großes Problem zu sein, denn er antwortete prompt:
„Sie kennen doch alle Alfred Hitchcocks Film ‚Die Vögel‘; er konnte sie damals schon mit einer bestimmten Technik vervielfältigen. Machen Sie es doch genau wie er: Sie sollten ein paar Komparsen/innen und Mitarbeiter/innen in den Zuschauerraum platzieren, wo dann die digitale Kamera mit einer entsprechenden Software ausgestattet von diesen einigen wenigen Leuten mehrfach Kopien herstellt, eine größere Fläche des Saales generiert und sie dort verteilt. Auf den Fernsehschirmen zu Hause sieht dann der Saal so aus, als hätten tausend Leute darin Platz gefunden. Später wird man von sogenannten ‚Bots‘ sprechen; sie laufen dann eine Weile oder immer, je nachdem.“
Nach einem Weilchen überwältigender Erleichterung hatten die Fernsehmacher das dann alles verstanden, und der gemeinsame Wackerstein auf ihren Herzen verflüchtigte sich im Nirgendwo. Natürlich bekam Herr Wolf den Auftrag für die Neugestaltung des sendungsbezogenen Anteils im Internetauftritt.
So wurden für den Sender mit der Digitalisierung Probleme gelöst; die Lösungen brachten sogar Kohle ein, denn sie machten Fahrer/innen genauso überflüssig wie Busse. Allerdings auch, solange sie nicht zahlten, leibhaftige Zuschauer/innen, nun ja, Kollateralschäden eben.
Als ich auf den Plan trat, waren Otto und Karl längst Geschichte. Ich war nun eingeladen, den frühen Bots sei Dank, mich für die aktuelle Sendung ‚Verbotene Laber‘ zu vervielfachen. Da es mir nicht verboten worden war, die Sendung zu genießen, gab ich mich ihrer Lebhaftigkeit hin. Bis es dieses Mal zu einem unerwarteten Show-Down kam, dann war auch ich weg. Im Folgenden eine besondere Story.